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Die „Ottendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners- tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich , Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme o»n Inseraten bi» »»»mittag W Uhr.^ -Inserate werden mit m Pf fiir di« Spaltzeil« berechn« Lab«llarisch«)Satz nach besonder«« Laris Druck und Verlag von Hermann Rühl« in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Gkrilla Nr. 71. Mittwoch, den 13. Juni 1906. 5. Jahrgang. Orrtliches und Sächsisches. Vttendorf-Vkrilla, den Juni 190s — Gegen „Angriffe auf das Fleischerge werbe wegen nicht genügender Ermäßigung der Fleischpreise" hat die Berliner Fleischerinnung folgenden Beschlußantrag angenommen: „Es ist eine unbestreitbare Tatsache, daß mit dem Sinken der Fleischpreise auch ein herabgehen der Preise für frisches Fleisch stattgefunden hat. Ein künstliches Hochhalten der Fleischverkaufs preise ist bet der im Fleischgewerbe herrschenden Konkurrenz eine Unmöglichkeit, dagegen wird, wie leicht nachweisbar, leider vielfach ohne zu rechnen, Fleisch zu Schleuderpreisen verkauft. Zunächst steht fest, das Rinder, Kälber und Hammel so hoch im Preise stehen, wie noch nie dagewesen." Daß aber nicht überall eine Ermäßigung stattgefunden hat, beweist die Mitteilung aus Düsseldorf, daß im Beamten- verein die Gründung einer Genoßenschasts- schlächterei angeregt worden ist, weil die Fleischermeister noch immer nicht mit der Herabsetzung der Fleischpreise begonnen haben. Lausa. Am Sonntag mittag gegen 1 Uhr entwickelte sich hier eine gewaltige Windhose- Unter Getöse, ähnlich dem eines schnell heran sausenden Automobils, bewegte sie sich in gerader Linie vom Hochbusch nach dem Groß teich, genau in der Richtung von Westen nach Osten. An der Königsbrücker Chaußee, die sie dabei querte, und in mehreren Villengrundstücken richtete sie nicht unbeträchtlichen Schaden an, indem sie mehrere starke Bäume glatt abdrehte und Hunderte von Metern weit forttrug. Dresden. Die Sandstein-Gruppen des Altmeisters Schilling auf der Brühlschen Terrasse die bekanntlich in Bronze gegossen werden sollen, um sie widerstandsfähiger gegen die Witterungs- einflüsse zu machen, werden fetzt abgeformt, um für den Guß die nötigen Modelle zu liefern. Bis zur Fertigstellung der ganzen Arbeit werden Monate vergehen. — Der schwer vorbestrafte Stetndrucker und Maschinenmeister Max Albert Süß aus Cunnersdorf bei Radeberg fand im Februar nach Verbüßung einer 2 ^jährigen Gefängnis strafe Arbeit bei einer Firma in Radebeul. Ohne in Not zu sein, betrog er sogleich seine LogiSwirtin um ein Darlehen von 15 Mk. ging dann nach Chemnitz und Leipzig, nahm Arbeit an, ließ sich von den Arbeitgebern Vor schüße von zusammen 20 Mk. geben, ohne die Arbeit anzutreten, und kam endlich am 22. April nach Meißen zum Sekretär des Vereins zur Fürsorge für entlaßene Sträflinge Da er angeblich Reisegeld nach Leipzig brauchte gab ihm der Sekretär 5 M. aus Vereins- Mitteln. S. vertrank das Geld und versuchte, von dem Verein weitere 4 M. zu erlangen. Er wird zu I Jahr Gefängnis und 2 Jahren Ehrenvcrlust verurteilt. Großenhain. Eine aufregende Szene spielte sich hier am Sonnabend Abend zwischen 6 und 7 Uhr ob. Ein dreijähriger Knabe des Arbeiterehepaareö G., auf der Schloßstraße, hier, wohnhaft, hatte mit anderen Kindern an der ersten Dresdner Straßenbrücke, am sogen. Rödermühlgraben des Gerberdammes gespielt und war dabei in das Wasser hineingefallen. Sein achtjähriger Bruder sprang sofort nach, konnte aber sein Brüderchen nicht retten, sondern wäre beinahe gleichfalls ertrunken. Auch ein zu Hilfe eilender junger Mann vermochte nichts sondern holte nur den älteren der beiden Brüder aus den Fluten wieder heraus. Jämmerlich schreiend lief dieser zu seinen Eltern die traurige Nachricht überbringend, daß der kleine Bruder im Waßer liege. Vater und Mutter kamen nun in größter Hast und Angst an den Tatort und stürzten sich fast gleichzeitig im Hofe der Fedor Zschillcschen Tuchfabrik in die Röderfluten, um ihr Kind zu suchen, aber vergeblich. Stundenlang wurde nach dem Kind gesucht und dauerten die Menschenansammlungen an, die den beklagenswerten Fall besprachen, aber erst am Sonntag früh konnte der Leich nam des Kindes nahe am Waßerrade der Fedor Ztchilleschen Tuchfabrik geborgen werden Erst nachdem man dieses in Bewegung gesetzt hatte, brachten die Wellen das Kind herauf, das dann der ganz verzweifelten Mutter über reicht wurde. Zabeltitz. Der hiesige Gutsbesitzerssoh» Richter, das Opfer einer verhängnisvollen Nevolverspielerei am zweiten Pfingstfeiertag Abend, ist den erlittenen Verletzungen erlegen. So hat die schon so oft gerügte Unsitte des Spielens mit Schußwaffen leider wieder einmal ein blühendes junges Menschenleben gefordert. Ries a. Unter seinen Wagen, von welchen sich ein Rad abgelöst hatte, geriet gestern der Mineralwaßerfabrikant Fechner hier und erlitt dabei schwere Verletzungen an beiden Beinen. — Die Heuernte auf den stromabwärts von hier gelegenen Elbwiesen, welche zur Zeit im Gange ist, verspricht nach Quantität und Qualität ein außerordentlich günstiges Resultat. Das letzte Elbhochwaßer in diesem Frühjahre, durch welches die Elbwiesen zum großen Teile über flutet wurden, hat der Grasnarbe nicht nur die nötige Durchfeuchtung, sondern auch Düng stoff in Form des abgelagerten Elbschlammes zugeführt, wodurch die große Fruchtbarkeit der Elbwiesen in diesem Jahre bedingt worden ist. Oschatz. Die Aussperrung der organisierten Maurer und Zimmerer ist auch in Oschatz Tatsache geworden. Es kommen für Oschatz etwa 80 bis 90 Mann für den ganzen Betrieb mit Ausnahme von Döbeln und Waldheim, wo die Arbeiter sich im Streik befinden, etwa 330 Mann in Betracht. Eine stattgehabte Maurer- und Zimmerversammlung beschloß, die Aus sperrung nicht durch Lohnforderungen, zu be antworten, stellte aber in Aussicht, daß nach Beendigung der Aussperrung Lohnforderung erhoben werden würden. Freiberg. Der Ausstand der Maurer greift immer mehr um sich, da die Organisierten eine rege Tätigkeit entwickeln, um immer mehr Arbeitsgenoßen in den Streik hineinzuziehen. Auf dem Pietznerschen Bau kam e» zu derartigen Streitigkeiten und Tälichkeiten zwischen Streik posten und Arbeitswilligen, daß die Polizei einschreiten mußte. Zittau. Durch die Unterschlagungen des früheren städtischen Buchhalters Neustadt ist die Stadt um etwa 60 000 Mk. geschädigt worden. Mit der Verurteilung des Defraudanten zu vier Jahren Gefängnis tauchte die Angelegen heit nicht in die Vergeßenheit unter. Die Frage nach der Regreßpflicht des StadtrotS, dem man mangelhafte Beaufsichtigung vorwarf, wurde in öffentlichen Versammlungen und iw Stadtverordnetenkollegium wiederholt ventiliert- In einem Gutachten sprach sich der Stadt verordnete Rechtsanwalt Dr. Menzel dahin aus daß der Stadtrat mit großer Wahrscheinlichkeit ersatzpflichtig gemacht werden könne. Dagegen erklärte Kreishauptmann von ErauShaar, der vermittelnd eingriff daß schwerlich auf gericht lichem Wege etwas zu erreichen sei. Nun mehr ist es zu einem Vergleich zwischen Stadt rat und Stadtverordneten-Kollegium gekommen. Der Stadtrat (d. h. die Herren Oberbürger meister Oertel, Bürgermeister Mietsch und Stadtrat Eiselt) erklärten sich bereit, 7500 M. an den Siechenhausfond zu zahlen. Die Stadt verordneten stimmten dem jetzt zu. Die Schuld frage wurde offen gelaßen. Leipzig. Der sogenannte „Streichhölzchen skat" unter dem sich aber in der Regel das verbotene Glücksspiel „Meine Tante, deine Tante" verbirgt, ist ein sehr beliebtes Spiel Ein hiesiger Gastwirt, der seine Gäste unlängf hierbei ertappte und ihnen nur noch drei Runden bis zum Aushören gestattete, wurde gleichwohl durch das Gericht mit 60 Mark Geldstrafe belegt. — Am Sonntag wurde in der Nähe des Berliner Bahnhofes ein 40 Jahre alter Eisen bahnschaffner, al» er den Fahrweg überschreiten vollte, von einem Automobil erfaßt und über- ahren. Der Bedauernswerte, der eine schwere Gehirnerschütterung davontrug, wurde nach dem Stadtkrankenhaus überführt. Meerane. Der Grenadier Raithel von hier, zurzeit 12. Komp. Gren.-Regt. Nr. 101, unter sielt vor seiner Militärzeit mit einem hiesigen Mädchen ein Verhältnis, das aber von diesem aufgegeben wurde. Seitdem richtete N. an das Mädchen 'wiederholt Drohbriefe, und als er sich etzt hier auf Urlaub befand, verfolgte er es reständig und drohte ihm, es umzubringen. Als gestern abend das Mädchen vor der HauS- üre seiner Wohnung stand, stürzte plötzlich R. der im Finstern auf der Lauer gelegen hatte, mit gezogenem Seitengewehr auf dasselbe zu Diese konnte sich jedoch noch rechtzeitig flächten. Weil dieser Anschlag vereitelt war, legte R. in der Wohnung seiner Eltern Zivilkleider an und drang durch Gärten und über ein Dach sinweg in die Schlafstube des Mädchens, um einen Vorsatz, es umzubringen, auszuführen. Als er eS aber nicht versand, verschwand er und ist seitdem nicht wieder aufzufinden gewesen. R-, dessen Urlaub schon Donnerstag ablief, trägt Militärhose, im übrigen Zivil. Zwickau. Verboten hat das hiesige Polizei amt eine für den 9. d. M. abends hier beab sichtigt gewesene Volksversammlung auf Grund der 5 und 12 des Vereinsgesetzes. Die Versammlung sollte sich mit der hiesigen Poli zeibehörde und der behördlichen Auflösung des Streikkomitees befaßen. Der Streik ist als beendet angesehen worden, weil auf allen Ge werken gearbeitet wird und nur noch die Streik leiter und Streikposten die Arbeit nicht aufnehmen, um die Agitation betreiben zu können. Zwickau. Klempnermeister Uhlmann, der am Freitag vom Dach stürzte, ist seinen Ver letzungen erlegen. Lengefeld i. Erzgeb. Der seit dem 22. Mai vermißte Bäckermeister und Trichinenschauer Frisch von hier wurde jetzt als Leiche aus dem zum Rittergut Rauenstein gehörigen Wehrteiche am Flöhafluße gezogen. Aus der Woche. DaS Attentat auf den jungen spanischen König und seine ihm eben angetraute liebreizende Gemahlin hat in der ganzen Welt einen Ent rüstungssturm hervorgerufen. Wie bisher jedes mal nach einem gelungenen oder mißlungenen Attentat, sind die Regierungen eifrig daran, Abwehrmaßregeln gegen den Anarchismus zu beraten. Aber es scheint, daß solche Konferenzen müßig sind. Feige Meuchelmörder werden sich immer wieder finden, die in gänzlicher Ver kennung der Wirklichkeit und der geschichtlichen Entwickelung den Mordstahl gegen Staats oberhäupter zücken oder die Verderben bringende Bombe aus dem Hinterhalt gegen sie schleudern werden. Oder stand etwa die liebenswürdige Oesterreichische Kaiserin im Gewoge des politische Lebens? War sie einem Wohlfahrtsplan hin dernt im Wege, lehnte sie sich auf mit der Wucht ihrer staatsrechtlichen Persönlichkeit gegen freiheitlichen Fortschritt ihres Landes? O, nein Sie war die Wohltäterin aller Armen und Kranken, die milde Trösterin aller Verlaßenen; dennoch traf sie der mordende Stahl eines Schandbuben. Es ist eine durch die Geschichte zu oft bestätigte Erfahrung, daß keinen Schuj als die Treue der sein eigen nennt, der ach einem Throne sitzt. Und wo die Treue wankt da helfen keine Abwehrmaßregeln. Das lehr das Beispiele Pauls I. von Rußland, der drei Wochen später, nachdem er einem Revolverattentat glücklich entronnen war, von seinem getreuen Grafen Pahlen und deßen Helfershelfern er drosselt wurde. — Die russische Regierung ist ihrem alten Grundsatz treu geblieben. „Wenn Du versprechen mußt, versprich, damit du Ruhe hast!" So wurde in dem Antwortschreiben, das Premierminister Goremykin auf die Adresse der Duma verlas, felsenfest versprochen, die russische Regierung werde dem Zaren das Gesuch des gesamten Volkes um den Erlaß einer Amnestie in dringlichen Worten ans Herz legen. Der Geburtstag des Zaren aber, sowie der Tag der zehnjährigen Wiederkehr seiner Krönung ind verstrichen, ohne daß nur ein Mann, der Gut und Blut für das Erstehen des neuen Rußlands furchtlos einsetzte, seine Freiheit wieder erhielt. Leider sind diejenigen im Recht geblieben, die sich von der Wirksamkeit der Duma keine Neugestaltung des wankenden Moskowiterreiches versprachen. An allen Ecken und Enden gährt es im Lande, aber die Regie rung tut, als ob sie das nicht kümmert. Und e weniger die Minister bereit und gewillt sind um Werke freiheitlicher und friedlicher Reform arbeit, je beßer sind die getreuen Regimenter vorbereitet, die Schreckensszenen des 22. Januar 1905 zu wiederholen. — Kein Wunder, wenn unter solchen Umständen die freiheitliche Volks vertretung eines nicht unmittelbaren interessierten Staates wie Norwegen, ihrem König an kündigte, sie würde Protestkundgebungen ver anstalten, wenn er mit irgend einem Mitgliede des russischen Kaiserhauses diplomatische oder monarchische Höflichkeiten gelegentlich seiner Krönung au«tauschen sollte. „Herr König" Haakon sieht sich dadurch in eine mißliche Lage versetzt, erfüllt er nämlich diesen Wunsch der radikalen Volksvertretrr, so löst er sich da mit los von allen europäischen Fürstenfamilien, erfüllt er ihn nicht, so darf er sich nicht ver hehlen, daß sein Thron wackelt. Und er wird wohl noch nicht vergeßen haben, die Norweger machen mit einem König nicht allzuviel Um- tände, wenn er sich Rechte nimmt, die sie ihm §u geben nicht gewillt sind. — In Oesterreich- Ungarn ist es augenblicklich ruhig geworden Der neue österreichische Ministerpräsident, der im Nachlaß des Herrn v. Gautsch den schlauen Plan zur Berufung eines Ministerium» aller Parteien fand, hat sich diesen zunutze gemacht. Er hat in der Tat — mit einiger Mühe allerdings — ein Kabinett zusammengestoppelt, das Minister aller Parteien enthält. Wenn Ihr. v. Beck in der Lage wäre, zu halten, was sein Programm verspricht, so wäre er nicht nur der genialste Staatsmann aller Zeiten, sondern auch der Erfinder eines neuen Schwere gesetzes, indem es ihm gelungen wär«, «in Ding nach zwei entgegengesetzten Richtungen zu gleicher Zeit zu bewegen. Da» nämlich müßte der neue Herr können, um die Wahlreform seinem Versprechen gemäß so zu gestalten, daß sie ihren Anhängern und denen, die sie mit allen Mitteln bekämpfen, in gleichem Maße zusagt. — Die Reise des deutschen Kaisers nach Wien hat eine unerwartete Wendung in der innerpolitischen Lage des Dreibundes herbei geführt Kaiser Wilhelm und Kaiser Franz Joseph haben mit ihrem freundschaftlichen Telegramm an den König Viktor Emanuel von Italien diesen zu einer überaus herzlichen Rückäußerung veranlaßt. Wenn man auch nicht behaupten kann, daß die Versicherung unver- brüchlichlicher Freundschaft, die Viktor Emanuel in seiner Erwiderung abgibt, für seine Re gierung irgend welche Verbindlichkeit haben muß, so darf doch auch nicht verkannt werden, daß die Freundschaft der Fürsten als ein be deutsames Unterpfand für den Frieden aller Länder gelten muß. „Der Fürsten Streit kostet der Völker Blut" ist eine alte, durch die Geschichte oft bestätigte Wahrheit. — In Amerika, dem Lande der unbegrenzten Möglich keiten, ist ein Skandal an die Oeffentlichkeit gedrungen, der unermeßliche Folgen nach sich ziehen kann. Präsident Roosevelt ist hinter die Machenschaften des großen Fleischereientrust» gekommen. Es hat sich herausgestellt, daß z. B. das „Corned Bees" das durch die ganze Welt versandt wird, in geradezu schamloser und ekelerregender Weise hergestellt wird. Es gibt nur wenige Leute die dem englischen Unterhausmitglied zustimmen werden, bas gelegentlich einer Debatte über diese peinliche Sache äußerte: „Die Hauptsache ist und bleibt, daß es schmeckt."