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polirilcke Kunälckau. Die Wirre» i« Rußland. "Die Behörden haben, den .Times' zu folge, die Nackricht erhalten, daß, sobald der Zar seinen Palast in Zarskaje Selo verlasse, ein Attentat Mi sein Leben verübt werden würde. Infolgedessen find außerordentliche Borkehningen getroffen worden, um den Palast zu überwachen. — Die russischen WeihnachtS- tage find ruhig verlaufen. Viele Arbeiter find nach Hause auf die Dörfer gereist, da die Mehrzahl der Fabriken vor 18 /31. Januar den Betrieb nicht amnimmt. "Die Bürgervertreter von Warschau berieten sich über die Vornahme der Dumawahlen. Der Stadtpräfident teilte ihnen mit, daß der Generalgouverneur ihre Forderung, den Kriegszustand aufzuheben, ent schieden abgelehnt hat. Der Kriegszustand richte sich gegen die Tätigkeit der Sozialrevolutionäre, die geeignet sei, den Dumawahlen entgegen zuarbeiten, er könne daher nur bewirken, daß diese Wahlen in Ruhe vollzogen würden. Seine Aushebung sei erst möglich nach voller Beru higung des Landes. Die Versammlung be schloß darauf die Wahlen durchzuführen, stellte aber nunmehr die Forderung am, daß den Wahlberechtigten Preß-, Versammlung?- und Koalitionsfreiheit eingeräumi werde und daß die Gefangenen freigelassen würden. *Jn Pelrikau, Czenstochau, Lublin, Radom und andern Gouvernementsstädten Russisch- Polens wurden zahlreiche polnische Blätter von der Regierung unterdrückt, die Redakteure verhaftet und die Druckereien geschlossen. Ferner wurden zahlreiche polnische Rittergutsbesitzer, Arzte und Rechtsanwälte verhaftet. "Unter den Mannschaften der russischen Mandschurei - Armee herrscht nach Pelinger Meldungen eine bedrohliche Bewegung gegen die Behörden. * * Deutschland. "Der Kaiser hütet noch immer das Zimmer. — Der deutsche Kronprinz muß infolge einer starken Erkältung das Bett hüten. Auch das Befinden der Kron prinzessin soll manches zu wünschen übrig lassen. Vielleicht spricht hierbei auch der Um stand mit, daß die hohe Frau den Winter früher stets in Cannes verlebt hat. "Der frühere Eisenbahnminister v. Thielen (im Jahre 1909 geadelt), der sein Amt an Henn v. Budde abgegeben hatte, ist am Mittwoch, 74 Jahre alt, in Berlin ge storben. * Der Staatssekretär des Auswärtigen Frh. v. Richthofen liegt infolge eines Schlag anfalles fast hoffnungslos danieder. "Die christlichen Gewerkschaften haben in letzter Zeit an Mitgliedern erheblich zugenommen. Wie ,Das Reich' meldet, zählt der Zentralverbund christlicher Textilarbeiter jetzt 27 000 Mitglieder, 7000 mehr wie im Vorjahre; noch stärker ist das Wachstum beim Zentraloerband christlicher Bauhandwerker und Bauhilfsarbeiter; derselbe zählte vor Jahres frist 14 021 und jetzt 23 500 Mitglieder. Der Gewertverein christlicher Bergarbeiter stieg be kanntlich von 42 000 auf 82000 Mitglieder. Endlich hat der noch 1000 Mitglieder zählende deutschnationale Gärinerverband durch seine Vertretung einstimmig den Anschluß an den Gesamtverband christlicher Gewerkschaften be schlossen. * Der Bau der Bahn Lüderitzbucht—Kubub (-Deutsch-Südwest-Afrika) wird jetzt mit äußerster Beschleunigung in Angriff ge nommen und fertiggestellt werden; die ersten 70 bis 80 Kilometer, welche bekantlich gerade die schwieligste Stelle bilden, dürften innerhalb Vierteljahrsfrist fertig sein können. Von dem Eisenmuterial, das schon seit Mitte Dezember schwimmt, trifft die erste Lieferung demnächst an Ort und Stelle ein; auch find von dem Gouver neur von Lindequift etwa 200 eingeborene Arbeiter für die Bahn nach Lüderitzbucht ge schickt und bereits dort eingetroffen. O Der fall ^saäelung. Ls Kriminalroman von Artur Roehl. „Zu mir aber wird der Richtige nicht kommen l" Nctta hatte, wie sie daS sagte, ein« am Wege gepflückte Schlehenranke in der Hand, von der sie mechanisch die Blätter abzupste, als sollte daS Blätter-Orakel ihrem eben ge äußerten Worte recht oder doch am End« uu- recht geben. Wie alle junge Mädchen ihres Standes war sie abergläubisch, und als plötzlich an einer Walbecke vor ibnen ein Zigeunerlager austauchte, von wo ihnen alsbald ein paar in bunte Lumpen gehüllte, schwarzbraune Frauen mit den nicht mchzuverstehenden Ge bärden, ihnen einen Blick tn die Zukunft er öffnen zu dürfen, entgegenkamen, ließ sie sich von ihrem Begleiter nicht zweimal auffordern, von den Zigeunerinnen auf die Entscheidung deS Blätter-OrokelS, das ste eben gefragt, eine Probe machen zu lassen. Aber die Zigeunerin, der sie ihre kleine Hand reichte, schien ein böswilliges Weib. Sie schrie, als sie die zarten Linien ihrer Handfläche sah, auf: „Wehe, wehe!" schrie sie, „wie kann der Tag sich zu Nacht, wie Glück zu Grausen verwandeln! Und wen« auch die Sonne noch über Sie lacht, Sie armes, junges, schönes Fräulein, ich sehe Un wetter, Sturm, ich sehe den Tod —" „Genug," zog Robert Madelung das junge Mädchen weiter. „Der Megäre war die Münze, die ich ihr gab, nicht genug. Das Österreich-U«gar«. "Der Oberbürgermeister und Bürgermeister von Budapest beabsichtigen nach Blätter meldungen vom Amt zurückzutreten, weil sie vor die Entscheidung gestellt find, ent weder der Regierung oder der Munizipal- versammlnug den Gehorsam zu versagen, da die Regierung die Abführung der freiwillig ge- zahl.en Steuern an die Staatskasse fordert, die Munizipalversammlung aber dies verbietet. Frankreich. * Zum Präsidenten der französischen Depu tiertenkammer wurde Do um er mit 18 Stimmen Majorität wiedergewählt, ebenso die bisherigen Vizepräsidenten. Die geringe Mehrheit zeigt, daß Doumer bei der in nächster Woche stattfindenden Wahl zum Präsidenten der Republik, bei der der Senat mitwählt, keine Aussicht hat. Er will deSbalb seine Kandidatur zugunsten FaIIiöres zurückziehen. Schweiz. * Die von den schweizerischen Sozial demokraten in Szene gesetzte Referendums bewegung gegen das Gesetz betr. die Errichtung einer Nationalbank mit Nstenmonopol, ist nach einer Meldung aus Bern voraussicht lich mißglückt. Während das Verlangen nach einer Volksabstimmung bei 30 000 Stimm berechtigten erfüllt werden muß, waren bis Dienstag, dem Tage, an dem die Frist ablief, nur 28150 Stimmen eingegangen. Es erscheint auch höchst unwahrscheinlich, daß nachträglich eingehende Abstimmungen die erforderliche An zahl vollmachen werden. Balkanstaaten. * Es liegt jetzt ein Bericht vor, den die türkischen Behörden über das Resultat der Kämpfe zwischen türkischen Truppen und revolutio nären Banden während der ersten elf Monate deS JahreS 1905 aufgestellt haben. Die bulgari schen Banden haben, wie aus diesem Bericht her vorgeht, in gleicher Weise die MlajetS Saloniki, Monastir und Mküb heimgelucht. ES kam zu 75 Gefechten, bei denen sie 335 Tote, 8 Verwundete und 58 Gefangene einbüßten, während der türkische Verlust auf 70 Tote und 99 Verwundete angegeben wird. Die griechischen Banden beschränken ihre Tätigkeit auf die Vilajets Saloniki und Monastir. Sie Latten mit den türkischen Truppen 30 Zusammen stöße, bet denen sie 88 Tote, 11 Verwundete und 154 Gefangene verloren, während die Truppen 16 Tote und 19 Verwundete zu verzeichnen hatten. Mit serbischen Banden hatten die türkischen Truppen vierzehnmal zu tun. 12 Gefechte fanden im Viiajet ÜSküb und 2 im Vilajet Monastir Katt. Die Serben verloren 97 Ttte, 1 Verwundeten und 13 Gefangene, während, die Truppen 36 Tote und 27 Verwundete zu verzeichnen halten. Es fanden demnach im ganzen 119 Gefechte statt, in denen die Revolutionären 520 Tote, 20 Verwundete und 225 Gefangene einbüßten, während die Truppen 122 Tote und 145 Verwun dete aufzuweisen hatten. Die türkischen Behörden behaupten, daß diese Statistik einen deutlichen Be weis für die Unparteilichkeit den verschiedenen Banden gegenüber ergibt. "Bulgarien und Serbien wollen sich sür das Scheitern der Zollverein'gung durch den Abschluß eines politischen Bündnisses entschädigen, um dadurch dem Einfluß Oster reich-Ungarns und Rußlands auf dem Balkan die Wage halten. Amerika. "Bui Verlangen Frankreichs wird der amerikanische Gesandte Russell energische Vor stellungen bei der venezolanischen Regierung erheben, da Präsident Castro den fran zösischen Gesandtschastssekretär Taiony bei dem NeujahrSempfang unbeachtet ließ. Obgleich diese Vorstellungen nicht unbedingt einem Ultimatum gleichkommen, so lassen sie doch keinen Zweifel bezüglich der ernsten Absichten Frank reichs zu. DaS französische Geschwader wartet m Westindien den Ausgang ab. Afrika. * Wenn der Prätendent von Marokko den Vorsatz gefaßt hat, noch vor der Konferenz einen großen Schlag zu führen und wenigstens U dich da uno Saida einzu- nehmen, so sucht der Sultan ihn bis zum selben ' Zeitpunkt womöglich unschädlich zu machen. ! Ec hat seinen Truppen, nachdem sie bereits ' gestreikt und nach Algerien übsrzuireisn ge Unkengekräch, ist ihre Rache. Kommen Sie, Friuleinchen." Aber die erboste Pythia schien nun erst recht ihr Mütchen an ihnen kühlen zu wollen. „Holla, schöner, junger, unglückseliger Herr!" schrie sie hinter die Davoneilenden her. „Nicht so bastg! Nicht so hastig, junger, schöner, un gestümer Herr. Die Zeit rinnt von selbst und wird auch Sie rasch genug in die böse Zeit führen, die ich in Ihrer Zukunft sehe, grauser, dunkler als Tod und Verderben." Robert Madelung lachte. „Sie können sich trösten, Fräulein Netta," sagte er, als sie sich so nach und nach so wett von der lluglücksprophetin entkernten, daß ihre Stimme verhallte. „Ich bekomme von dem bösen Weibe auch mein Teil ab. Für einen einfachen NickA scheinen die Leute nicht viel erfreuliche Dinge sür die Zukunft in Vorrat -« haben." Kassandrarufen ward von jeher die Nicht- achtung der Menschen zu teil. Man lebt und träumt und hofft und schwärmt von immer besseren, immer schöneren Zeiten, doch von den Schrecken, die in der Zukunft verborgen liegen, wer will davon wissen? Und türwahr l Ist ein Entrinnen vor dem, waS gefügt ist, doch einmal nicht möglich, wieviel ratsamer ist es nicht auch, dem Unvermeidlichen mit verbundenen Augen entgegenzugehen. Sie — Robert Madelung und Netta — hasten das Abenteuer vor dem Zigeuner- lager über die neuen Bilder, die unterwegs cm ihnen vorbeizogen, auch bald vergessen. AlS Nesta am Abend in das Haus ihrer droht hatten, Sold und Lebensmittel zukommen lassen, und unser Landsmann, Kapitän Carow, hat viel zu tun, um ihnen auf dem „Turki" Verstärkungen und Munition zuzusühren. So ist es möglich, daß wir demnächst von größeren Kämpfen zu hören bekommen. Java». "In Tokio ist amtlich bekannigegeben worden, daß die japanische Gesandt- schäft in Berlin zum Range einer Bot schaft erhoben und daß der bisherige Ge sandte Inouye zum Botschafter ernannt worden ist. Zus ciem Keickstage. Der Reichstag nahm am Dienstag seine Sitzungen wieder auf. Nach einem kurzen Neujahrs gruß deS Präsidenten an die Mitglieder wurde in die erste Lesung der Stcuergcfetze eingetreten. ReichSschatzsekretär Frh. v. Stengel betonte nochmals, daß daS Reich dringend eine Erhöhung seiner Ein nahmen brauche und ersuchte die Parteien, sich nicht schon in der allgemeinen Besprechung fest zu binden, sondern ihre Entschließung bis nach der Einzel erörterung in der Kommission zu vertagen. Abg. Speck (Zentr.) ließ von vornherein keinen Zweifel darüber, daß seine Partei die geforderten Steuer erhöhungen nicht in dem verlangten Maße bewilligen wird. Abg. Singer bekämpfte namens der Sozial demokraten sämtliche Steuervorlagen bis auf die Erbschaftssteuer. Diese möchten die Sozialdemo kraten so hoch normieren, daß der Ertrag die Ab schaffung drückender indirekter Steuern ermöglichte. Abg. Büsing (nat.-lib.) bekämpfte gleichfalls das Ansinnen der Regierung an den Reichstag, alle Steuervorlagen unverändert anzunehmen. Am 10. d. wird zunächst ein Antrag auf Ein stellung eines gegen den Abg. v. Bonin fkons.) schwebenden Strafverfahrens für die Dauer der Session angenommen. Darauf wird die erste Lesung der Reichs finanzreform fortgesetzt. Abg. Rettich (kons.) will sich nach dem Wunsche des Reichsschatzsekrelärs vorläufig nur ganz allge mein äußern. Im Gegensatz zur Mehrzahl seiner politischen Freunde ist er für die Fixierung der Matrikularbeiträge, weil diese als eine Art Kopf steuer die ärmeren Staaten, besonders Mecklenburg, zu schwer belasten. Der Brausteuer steht er freund lich, der Steuer auf Jnlandstabak und den neu vorgeschlagenen Stempelsteuern, abgesehen von der empfehlenswerten Fahrkartensteuer, ablehnend gegen über. Jede Erbschaftssteuer lehne seine Partei prinzipiell ab, denn sie bedeute stets nur eine erneute V-rmögensschmälerung der Landwirte. Die Vorlage betrachtet auch der Redner nicht als ein einheitliches Werk, daS unverändert angenommen werden müsse, sondern schlägt seinerseits an neuen Steuern einen Kohlen- und Kali-Ausfuhrzoll, sowie eine Wein- steuer vor. Abg Wiemer (frs. Vp.): Der Reichsschatz- sekretär hat es sehr eilig; er wird sich aber eine Zeitlang noch gedulden müssen, denn die Sieuer- vorlagsn fordern zu einer eingehenden Kritik geradezu heraus. Der Reichskanzler hat nach der Art seines Vorgängers Bismarck ein Loblied auf die indirekten Steuern gesungen und behauptet, daß sich gerade die ärmeren Klassen unter ihrem Regime wohl fühlen. Das Anwachsen der sozialdemokratischen Stimmen spricht nicht gerade für dies Wohlbefinden. Die Finanzlage ist durchaus nicht so schlecht, wie uns die Regierung glauben machen will, die die Mehreinnahmen aus der bevorstehenden und von allen Handelskammern bezeugten wirtschaftlichen Prosperität ganz außer Anschlag läßt. Zur Erzie lung weiterer Mehreinnahmen empfiehlt sich außer der Erbschaftssteuer die Reform der Branntwein steuer und die Abschaffung der Liebesgaben. Die Bier- und Tabaksteuer lehnen wir grundsätzlich ab, desgleichen die Stempelsteuer. Wir wollen ein ge recktes Steuersystem und keine Steuerplackereien. .Abg. v. Kardorff ffreik.s: Ich bin in allen Punkten genau enteegenqesetzer Meinung wie der Herr Vorredner. Die Einzelheiten müssen in der Kommission beraten werden. Das Haus interessiert sich ja doch nicht für diese Dinge; die Bänke waren ja leer, als der Vorredner sprach. Das Reich hat neue Aufgaben, daher muß cs auch neue Steuern haben, aber die Landwirte können sie nicht tragen. Abg. Pachnicke (frs. Vgg.): Herr v. Kardorff würde überhaupt wohl am liebsten den Schwerpunkt der parlamentarischen Verhandlungen aus dem Plenum in die Kommission verlegen. Wir aber glauben, daß wir das Volk auch durch unsre öffent lichen Beratungen hier aufftären müssen über die Gefahren dieser neuen Stcuervorlagen. DaS dringlichste Reformwerk auf steuerpolitischem Gebiete, die Reform der Branntweinsteuer, hat leider weder die Regierung vorgeschlagen, noch der Redner der Nationalliberalen gefordert. Die maßlose Erhöhung Mutter zuröckkehrte und nun natürlich alles, waS sie erlebt hatte, erzählen mußte, tat sie der Zigeunerin und ihrer boshaften Prophe zeiung kaum mit einem Wort Erwähnung Es kam ihr wichtiger vor, der alten Frau zu zeigen, wie ritterlich und liebenswürdig und respektvoll ihr Kavalier den ganzen Nach- mittag war. Sie strablte, wie sie von den glück lichen Stunden erzählte. Und die Bedenken, die die Mutter über den Ausflug in Gesell schaft eines ihr doch so unbekannten Herrn äußerte, schlug sie mit den eifrigen Worten: „Du wirst ihn kennen lernen, Mamachen," aus dem Felde. „Du wirst ihn kennen lernen," sagte ste zu der alten Frau. „Er hat gesagt, daß er sich dir vorstellen wird. Er kam ganz allein darauf. Er erklärte, er habe die Pflicht, sich bei dir zu entschuldigen, daß er mich ohne dein Wissen ansgcführt hat." Robert Madelung machte sein Versprechen auch wirklich zur Tat. Er säumte sogar gar nicht lange, bis er sich in der bescheidenen Wohnung der Dlutter des Fräuleins Netta Rau eiufand. Die Kleine hatte all sein Interesse in einem Maße geweckt, daß er Eile hatte, von ihr mehr zu hören und zu sehen, in welcher Umgebung ste lebte. Und da er, sobald er einmal über die Schwelle ihre- kleinen Quar tiers getreten, die Mutter so rasch und voll kommen wie erst die Tochter für sich gewann, batte er den Weg nach der abgelegenen Konradinstraße so häufig wiedergefunden, daß «S ihm jetzt fast schon eine Gewohnheit ge worden war. Ein muigeS Seelenband hatte des Tabakzolles, wie sie vorqeschlagen wird, bedroht die ganze Tabakindustrie NorddeuischlandS, zumal aber die Hannovers und Westfalens mit dem Ruin und würde Zehntausende der schon jetzt elend gestellten Tabakarbeiter vollends zu grunde richten. Die Quittungssteuer verwerfen wir wie alle andern Parteien des HauseS; am unsympathischsten ist uns die Fahrkartensteuer, die mit allen Bestrebungen auf Verbilligung der Tarife in Widersvruch steht. Die beste der vorgeschlagenen Steuern ist zweifellos die Erbschaftssteuer, deren Vorlegung dem Bundesrat am allerschwersten ge fallen ist. Zu erwägen wäre, ob man bei gewissen entfernten Verwandschaftsgraden das Erbrecht über haupt aufhören lassen soll. Wir find für Aus dehnung der Erbschaftssteuer auf Deszedenten und Ehegatten. Unsre Finanzlage ist keineswegs so ver zweifelt, wie man ste darstellt. Der Reichstag hat ein Recht darauf, zu wissen, was der Bundesrat zu der Drohung sagt, an der Ablehnung der einen oder andern Steuer die ganze Finanzreform scheitern zu lassen. Wir wollen uns nicht die Mühe einer vergeblichen Beratung machen, wenn wir mit dem -Ernst dieser Drohung rechnen müssen. Abg. Raab (Antis.): Uns liegt vor allem an einer wirksamen Schuldentilgung. Neue indirekte Steuern wirken unter der Herrschaft des allgemeinen Wahlrecht« geradezu auftübrerisch. Die sogen, „große" Finanzreform läßt alle sozialen Gesichts punkte außer acht. Willkommen ist uns nur das Surrogatverbot und die Zollerhöhung für aus ländische Biere. Die Erbschaftssteuer begrüben wir. Hoffentlich gelingt es nun dem Herrn Staatssekretär, dem Bundesrat die Reichseinkommensteuer abzu ringen. Abg. Südekum (soz.): Mt der Brau steuer ist zweifellos der Paragraph 6 deS Flotten- gesetzeS verletzt. Sie hätte deshalb abgelehnt werden müssen. Statt dessen befaßt sich die Mehrheit mit dieser Frage nur rhetorisch. In Süddeutschland ist der Konsum an Bier ein außer ordentlich größerer als in Norddeutschland. Wenn das Bier in Süddeutschland trotz der höheren Steuer billiger ist als im Norden, so rüdrt das daher, daß man in Süddeutschland das Wasser höchstens nur zum Waschen benutzt. Die Brauereien und Gastwirte werden eS schon verstehen, auf irgend eine Weise den Mehrbetrag der Steuern auf die Konsumenten abzuwälzen, und daS wird eine Ver minderung deS Konsums zur Folge haben. Nun ist aber eine Tatsache, daß jede Einschränkung des Biergenufses eine Vermehrung des SchnapSgenusseS zur Folge hat. Wir sind eS aber der körperlichen und geistigen Gesundheit unsres Volkes schuldig, eS den Klauen des AlkoholiSmuS zu entreißen. Wir werden gegen diese Steuervorlagen stimmen. Darauf wird die Weiterberaturg vertagt. Von un6 fern. Ehrung eines hundsrljährtge« Frä«- leinS durch de« Kaiser. Dem Fräulein Luise Wolfram in Stettin ließ der Kaiser aus Anlaß ihres hundertsten Geburtstages ein Glück wunschschreiben sowie als Geschenk eine mit dem Bildnis des Monarchen geschmückte Taffe aus der König!. Porzellan-Manufaktur zugehen. Beides wurde der Jubilarin durch den Stettiner Polizeipräsidenten v. Wuthenau übereichst — Die Greisin erfreut sich noch der besten körper lichen und geistigen Gesundheit; sie vermag noch ohne Brille zu lesen und zu schreiben und erinnert sich u. a. noch beute, wie im Jahre 1813 die französischen Truppen in Stettin weiften. Di« erste« MMtära«lomobile gehen dem ,Fränk. Kur.' zufolge in den nächsten Wochen nach den deutschen Kolonien ab: vier Automobile nach Südweftafrika unter dem Kom mando des Hauptmanns der Schutztruppe Graf v. Stillfried. Es find drei Daimler-Lastwagen, besonders sür den Transport von Proviant, Munition, Waffen usw., und ein Benz-Per sonenwagen. Orde« für Hebamme«. Der Herzog von Anhalt hat am 1. Januar ein Ehrenzeichen ge stiftet, welches an anhaltische Hebammen nach 30 jähriger vorwurfsfreier Berufstätigkeit durch die Herzogin verliehen wird. Es besteht in einem goldenen Kreuz mit der Herzoglichen Krone und mit der Inschrift: „Für Treue im Beruf." Ein hartnäckiger Selbstmörder ist der Bürstenmacher Bräuer aus Corchenbroich. Er durchschnitt sich beide Armpulsadern, ferner brachte er sich einen langen Schnitt am Halse bei und eine Schußwunde in der Brust; trotz alledem lebt der Manv noch die beiden jungen Leute umschlungen, ste anein ander gekettet, daß Robert Madelnng erschrak, wenn er sich in Momenten kühlen Nachdenkens die Frage vorlegte, wohin diese planlos ge schloffene Bekanntschaft ihn führen und was sie rür ein Ende nehmen sollte. Und so ging die Zeit hin. Nerta" und ihre Mutter ahnten dis Ge- wiffenskämpfe nicht, unter denen ihr junger - Freund, der ihnen so schnell ans Herz ge wachsen war, manchmal die drei Treppen in > der Konradinstraße zu ihnen hinausgestürmt kam. Sie waren harmlose Leute und sahen nur die herrlichen Augen des jungen Mannes, aus denen eine gute Seele beroorblickw. Im Anfang allerdings — da hatte Frau Rau gegen die überband nehmenden Besuche Herrn Madelungs auch ibre Bedenken erhoben, aber sie hatte nicht die Kraft gehabt, sie gegen den liebenswürdigen, jungen Menschen zu äußern. Netta war doch auch immer so glücklich, wenn er in ihre bescheidene Behausung trat. Sie hatte nicht den Mut, den Traum deS Kindes zu stören. Sie glaubte auch nicht ein mal ein Recht dazu zu haben. Robert Made lung war ein junger Mann, aus höheren. Kreisen als sie — gewiß! Er hatte ihnen freimütig aus seinem von Enttäuschungen nicht frei gebliebenen Leben das, was er nicht glaubte verschweigen zu dürfen, erzählt. Daß es, wenn es einmal so weit war, nicht ohne Schwierigkeiten ablaufen würde, eine ein fache Goldstickcrin in Herrn Madelungs Familie einzuführen, das kormte sich Frau Rau also wohl denken. Auf der andern Seue batte