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«eil I» 8 1,0 V^Ü^^I>2V^I>d;>»v^>!!>rv^v^!<>v^2^v^^^^^ „Nur war ihre Puppe ein bißchen groß, Lizzie — die Erde. Aber Sie sind zu gut. Sie sind einzig. So eine kalte Douche auf unsere schönste Schwärmerei, nicht wahr, Herr Geheimrat?" Sie mußte sehr laut sprechen, um von ihm verstanden zu werden und empfand das Stö rende in diesem äußerlichen Zuviel, zumal bei der Wendung des Gesprächs. „Douchen halten, wir für gesund," sagte Mß gereizt zu ihrem Begleiter; mit gewohn tem Phlegma fügte sie hinzu: „Ihnen ent geht so viel, Herr von Lieders. Man hat heutzutage vorzügliche Hörrohre. Warum benutzen Sie keines?" (Fortsetzung folgt.) deber äen Sergen . . . Skizze von Gertrud Hilmer. eber den Bergen — weit zu wan- lern, sagen die Leute, wohnt das Wj/ Glück! Wie sie sich drängen und XZzLj// stoßen auf der großen Heerstraße des Lebens. Einer möchte dem andern zuvorkommen, es seinem Nächsten streitig machen und entreißen, — das ver meintliche bißchen Glück; und in ihrer Ver blendung, in ihrem Hasten und Jagen er- müden sie nimmer, achten nicht der Dornen und Steine des beschwerlichen Weges, nicht der langsam blutenden Wunden an Hand und Fuß, alle die ach so törichten Welten kinder! Das suchende, fast erloschene Auge jenes gebückten Greises am Stabe, das er mit zitternder Hand beschattet, ist nach je nen blauen Fernen der Berge gerichtet, über denen das Glück wohnen soll; doch seine schwachen Füße tragen ihn nicht mehr, er sieht es nur von weitem. Aber dort, wo der goldene Ginster in verschwenderischer Fülle blüht, am Wiesenrande jenes weinumspon nene, friedliche Hüttlein, hat da nicht das Glück, das rastlos eilende, seine Heimstätte aufgcschlagen? Fast scheint es so. Freund lich nickende Primeln und roter Geranium am Fenster grüßen den eilenden Wanderer und scheinen ihm zuzurusen: „Tritt ein, verweile — hier wohnt das Glück, das du suchst, müder Wanderer! Halte es, halte es sest mit Herz und Hand, und es wird dir ein treuer Begleiter sein. Doch der junge, rüstig eilende Mann schüttelt lächelnd das Haupt, indem er die kleine, efeuumrankte Gartentür öffnet, durch die ihm sein gold- blanker Schatz ans Herz fliegt. Sind sie beide nicht jung und stark? Sie würden es schon finden und zwingen, das flüchtige Erdenkind — dort über den Bergen! Die treue Mutter, gebeugt von der Fülle der Jahre, schüttelt lächelnd, wie zweifelnd das Haupt. Doch die Jugend ist kraft- und mut- voller als sie — vielleicht, daß sie es fän den! Zwar ist sie dann allein, mutterseelen allein im Alter, ihr einziges Glück will da von ziehen, um sich selbst ein neues zu grün den — mit einem Fremden! — Die Pri meln und Geranien am geöffneten Fenster winken ihnen stumme Abschiedsgrüße nach, und eine Träne aus Mutteraugen netzt ihre Wurzeln und läßt sie schöner aufblühen. Ja, über den Bergen — weit zu wandern! Ach, und sie zog im Strome der anderen — kam mit verweinten Augen zurück. Jenes Haus- chen am Wiesenrain, darin die treue Mut terliebe geduldig harrte, jahraus, jahrein, es erschien ihr jetzt als der einzige Ort in der rastlos dahineilenden Welt, an dem das Glück und die Zufriedenheit wohnte — un wandelbar! Das Auge der Mutter ist trü ber geworden — fast blind — in all der Zeit des Harrens, wo sie um ihr Kind bangte; doch noch einmal leuchtet es auf im alten Glanze, als sie der Zurllckgekehrten leise über den blonden Scheitel streicht. Ach, unter Lachen hat er vergessen, was er ver sprach! „Lerne verschmerzen, was du be sessen, tröstet die treue Mutter, — still, nach und nach!" Und allmählich, ganz sacht, kommt das arg enttäuschte Herz zur Ruhe, dank der leis kühlenden Mutterhand. Ach, wie nichtig ist jedes Glück in diesem Erden tal. Ja selbst die Liebe, dieses Rosenkind ist flüchtig — beglückt uns nur zur Qual! Ueber den Bergen weit zu wandern, sagten die Leute, wohne das Glück. Die Nacht schlug ihr gold'unkelndes Zelt über Berg und Tal, über Palast und Hütte; trotzdem herrscht reges Leben auf dem al tertümlichen, lindenbepflanzten Rathaus platz jenes freundlichen Städtchens, so daß mancher ehrsame Spießbürger um seine et was zeitige Nachtruhe zu kommen fürchtet. Trommelwirbel und Trompetenklang ertönt, dazwischen das Gejohle von Männerstim men und das Klirren von Gläsern. Es sind die Freiwerber der Fremdenlegion. Ha, wie den jungen Burschen die Abenteuerlust und der Mut aus den vom Alkohol ge röteten Gesichtern strahlt! Morgen soll es fortgehen, weit in die Welt hinaus, — über den Bergen jenseits der Alpen — wohnte ja das Glück und der Ruhm. Die sich leise im Abendwinde neigenden Lindenblätter rauschten ihnen Zukunftstaten, Heldentaten ins Ohr und die Geister des Alkohols Abenteuer und Kriegsgeschrei. Zwar läßt mancher von ihnen ein altes Elternpaar, oder auch nur eine Mutter zurück, doch wenn er wiederkäme, im Glanz und mit Auszeich nungen geschmückt, würden es die Eltern gut haben bei ihrem Sohn, und die Zeit der Trennung wäre ausgewogen tausendfach! Und jener lang aufgeschossene Jüngling — ein halbes Kind noch — beteuert dem Freunde mit lallender Zunge, daß Mütter lein nur noch in Seide gehen würde, wenn er zurückkäme als reicher Mann; jaf über den Bergen, weit zu wandern, da wohnte das Glück! — Doch auch Vergessen, — endliches Vergessen dunkler, schwerer Stun den, suchte mancher sinster Blickende drüben — über den Bergen. Ob sie sich bannen lie ßen in der Ferne, alle die qualvollen und schmerzlichen Erinnerungen eines armen, verirrten Menschenherzens — unter einem blauen Himmel, einer heißen Sonne? Und wenn nicht, so tat vielleicht eine mitleidige Kugel das Ihre, und die wunde, müde ge hetzte Seele kam dann endlich zur Ruhe. Er, der es dachte, stand abseits von seinen Ka meraden, trank und spielte auch nicht; war er sich des Schrittes doch voll bewußt, den er zu tun im Begriff stand. Ach, auch er zog im Strome der andern, kam mit verweinten Augen zurück. Die Kugel, die er gesucht hatte, verschonte ihn, — den Kameraden an seiner Seite traf sie zu Tode; die einsame Mutter würde vergeblich auf ihren Sohn Warten. Ueber den Bergen, weit zu wan dern, sagen die Leute, wohnt das Glück. Ein Ozeandampfer teilt majestättfch dis Wogen des Weltmeeres, dessen silbersprü- hende Wellenperlen sich hoch aufbäumen bei der Berührung des gewaltigen Kolosses, der erhaben seine Bahn zieht. Ueber die Rese ling gelehnt, steht eine blasse, abgehärmte Frau, ein kleines Kind auf dem Arm haltend, das seine magern Händchen verlangend nach den weißschäumenden Wellen ausstreckt und laut aufjauchzt — dem neuen, unbe kannten Spielzeug entgegen! Abseits, mit finstern Blicken, die übel duftende Tabaks pfeife lässig im Munde, sitzt ein breitschul triger Mann und spricht eifrig dem Whisky zu, ab und zu einen kräftigen Fluch aussto ßend und die beschmutzten Kartenblätter laut dröhnend auf den Tisch werfend. Zwischen deck-Passagiere! Die blasse Frau wirst dem Manne öfter einen flehenden Blick zu, doch nur rohes Lachen tönt ihr von jenem Tisch entgegen auf ihre stumme Bitte, und die Dämonen, die in den bunten Kartenblättern lauern, treiben ihr tolles, verderbenbringen des Spiel. „Laßt uns lustig sein und trinken, Kameraden," ruft er seinen Kumpanen zu, „dort drüben — was gilt die Wette — wohnt das neue Glück!" Das alte war zerschellt an den Felsenriffen auf dem Ozean des Lebens — zerschellt in tausend Stücke. Ob durch eigne Schuld? Die letzte Habe wurde zusammen gerafft und verkauft, um so notdürftig den Preis für die Ueberfahrt zu decken. Wenn man erst dort war, in der neuen, unbekann ten Heimat, würde das Glück schon kom men; die alte hatte nicht gehalten, was sie einst versprach, deshalb kehrte man ihr schnöde den Rücken. Das Glück lag eben weit — weit müßte man wandern, uni es anzutreffen. Die Schiffsuhr verkündete bereits die erste Stunde des neuen Tages, und noch immer fliegen die Kartenblättcr und geht die Flasche im Kreise. Die blasse Frau hat ihr einfaches Lager ausgesucht, doch flieht der Schlaf ihre Augen und ruhelos horcht sie auf jedes Geräusch — in die Nacht hin- aus. Doch plötzlich — was war das? Klang es nicht, als ob etwas Schweres ins Was ser fiele? Schon hört man die Stimmen der wachehabenden Offiziere auf Deck, ein eiliges Hin und Her, das Rasseln des Herabgelasse- neu Rettungsbootes schlägt an ihr Ohr, und von banger Ahnung getrieben, ist sie plötzlich oben, und schaut mit angstverzerr ten Zügen nach jener Stelle im Wasser, wo eben ein dunkles Etwas emportaucht, um sofort und für immer zu verschwinden. Der Platz ihres Mannes am Tische ist leer — sie sieht und hört nichts mehr, eine wohltätige Ohnmacht hält ihre Sinne umfangen, die nur zurllckkehren werden — ihr zur Qual. Eine leichtsinnige Wette mit seinen angetrunke nen Kameraden ließ ihn durch die jähe Wendung des Schiffes das Gleichgewicht verlieren, und mit gurgelndem Laut sinkt er vor ihren Augen in das nasse Wellen grab. Das ruhige Glück in der Heimat — sein Weib und Kind — er sah es nicht, denn es ging so ernst, so schlicht — aber draußen, weit über dem Meere, sagten die Leute, wohne das Glück! Ach, und auch er zog im Strome der andern, — doch nimmer kehrt er zurück. Sinnsprucsi. Mit Geduld und Zeit, Wird's Maulbeerblait zum Atlastleid.