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2056 PAPIER-ZEITUNG. No. 77. F apier- Verbrauch. Der Vorsitzende des Vereins Amerikanischer Papierfabrikanten, Herr Russell, stellte in seiner bei der Jahres-Versammlung zu Sara- toga am 29. Juli 1891 gehaltenen Rede einige interessante Betrachtungen über den wachsenden Papierverbrauch an. Nach der Volkszählung von 1880 wurden damals in den Ver. Staaten von Amerika 452 000 Tonnen Papier im Jahr erzeugt. Nach Lockwood’s Adressbuch wird die Erzeugung im Jahr 1891 auf 1440 000 Tonnen geschätzt und soll 1880 etwa 685 000 Tonnen betragen haben, hat sich also in 10 Jahren ungefähr verdoppelt. Die drei bedeutendsten Zeitungen Bostons haben in dieser Zeit ihre Auflage verfünffacht. Da Ein- und Ausfuhr von Papier unwesentlich sind und sich ungefähr das Gleichgewicht halten, so darf man annehmen, dass die Vereinigten Staaten auch das erzeugte Papier verbrauchen. Während in 10 Jahren die Bevölkerung nur um ein Viertel ge wachsen ist, hat sich somit der Verbrauch von Papier verdoppelt! Hieraus geht hervor, dass der Durchschnittsverbrauch des Amerikaners an Papier in 10 Jahren um mehr als 50 pCt gewachsen ist und sich wahrscheinlich in etwa 20 Jahren verdoppelt. Eine ähnliche oder noch grössere Steigerung wird wohl in den jungen Staaten Süd- Amerika's und Australiens eingetreten sein. Infolge der stetigen Bemühungen um Hebung der Volksbildung und vermöge der wachsenden Theilnahme der Bevölkerung an der Politik wird auch in Europa der Papierverbrauch auf den Kopf be deutend und stetig wachsen. Diese ungeheure Zunahme des Verbrauchs ist durch Einführung von Holz, Stroh, Jute, Esparto usw. als Rohfasern und die folgeweise billigen Preise des Papiers erheblich unterstützt, wenn nicht über haupt möglich geworden. Sie berechtigt auch zu der Hoffnung, dass die jetzige Uebererzeugung von Papier allmälig wieder von dem steigenden Verbrauch eingeholt wird, falls der Bau neuer Fabriken einige Jahre lang unterbleibt oder auf’s Aeusserste eingeschränkt wird Da bei den jetzigen Papierpreisen nur günstig gelegene, tüchtig ge leitete Papierfabriken noch mit mässigem Nutzen arbeiten, schwache Anlagen aber aufhören oder untergehen müssen, so werden wohl in nächster Zeit Wenige ihr Geld an Neubauten wagen. Sobald aber der Verbrauch die Erzeugung wieder überholt und die Papierpreise gehoben hat, wird jedenfalls wieder über den Bedarf hinaus gebaut, bis die Preise fallen, und die jetzigen Zustände von neuem eintreten. Dies Auf- und Abwogen würde die Papierfabrikation als ein vielver sprechendes Gebiet erscheinen lassen, wenn die schöne Zeit der Aufwärts-Bewegung in unserer alles überhastenden Zeit nicht derart verkürzt würde, dass sie keinen genügenden Ausgleich für die vielen Jahre des Niedergangs bietet. Oesterreichische Postsparkassen. Vor wenigen Monaten las ich in der Papier-Zeitung (Nr. 49) eine Anfrage betreffs des in Oesterreich üblichen Postsparkassen- Systems, und da dasselbe von ganz besonderer volkswirthschaftlicher Bedeutung und folglich für jeden Gebildeten von Interesse ist, will ich mir erlauben, einige nähere Erläuterungen über dasselbe zu geben. Es ist in Oesterreich schon seit Jahren eingeführt und hat sich ganz ausserordentlich gut bewährt, indem es nicht allein vielen Leuten mit geringem Einkommen das Zurücklegen ihrer oft sehr kleinen Ersparnisse erleichtert, sondern indem es auch den Handels- und Geldverkehr ganz wesentlich gehoben und verbilligt hat. Die Leitung des ganzen Postsparkassen wesens liegt dem k. k. Postsparkassen-Amt« in Wien ob, und von demselben sind die überall im Reiche zerstreuten »Sammelstellen« abhängig, welche letzteren eigentlich nichts als die gewöhnlichen k. k. Postämter sind, die man mit der Ausübung des Postsparkassendienstes betraut hat. Man trennt das ganze System in zweierlei Verkehrsarten:; 1) den Sparverkehr und 2) den Anweisungsverkehr, welche beide streng von einander gesondert, aber von denselben Aemtern, den Postämtern und dem Postsparkassen-Amt geführt werden. Der Sparverkehr. Um denselben zu ermöglichen, werden Einlage-Büchelchen, welche auf den Namen des Einlegers lauten, ausgegeben. Jede einzelne Einlage darf die geringe Summe von 50 Kreuzern betragen, oder muss ein Mehrfaches davon sein; das: Guthaben eines einzelnen Einlegers aber darf 1000 Gulden ö. W. nicht übersteigen. Die kleinen Einlagen von 50 Kreuzern können auch in Form von Briefmarken oder eigenen Postsparmarken geleistet werden. Die Höhe des Zinsfusses bestimmt das Ministerium. Der selbe beträgt meines Wissens gegenwärtig 41/, pCt., also etwa 1 pCt. mehr als die gewöhnlichen Sparkassen zu bezahlen pflegen. Die Rückzahlung der geleisteten Einlagen erfolgt nur gegen Kündigung, deren Frist 1/—1—2 Monate, je nach der Höhe des gekündigten Betrages, währen kann. Für das einlaufende Geld werden vom Post- sparkassen-Amte Staatspapiere angekauft. Besonders günstig ist hierbei der Umstand, dass die Einlagen von jeder Sammelstelle, also jedem Postamte entgegengenommen werden. Die Ausfertigung der Einlage-Bücher erfolgt dann vom Amte in Wien, und der ganze Briefwechsel zwischen dem Einleger und dem Postsparkassen-Amte, sowie zwischen den Postämtern und den Post-Direktionen in diesen Angelegenheiten ist sowohl in Bezug auf einfache wie auch auf eingeschriebene Briefe vollkommen portofrei. Ebenso sind die Zinsen der Spareinlagen von jeder Steuer befreit, und um auch ganz armen Leuten das Sparen zu ermöglichen, sind Postsparkarten eingefährt, auf welche man gewöhnliche Briefmarken aufklebt, bis der Betrag von 50 Kreuzern erreicht ist. Diese Karten übergiebt man sodann der Sammelstelle oder auch einem Landbrief träger, welcher dieselben, falls sie voll beklebt sind, für 50 Kreuzer Werth annimmt. Der Anweisungsverkehr. Derselbe zerfällt in den Check- und in den Clearing-Verkehr. Die Theilnahme daran ist Jedem, auch ohne dass er beim Sparverkehr betheiligt ist, gestattet. Verlangt wird nur eine Stamm-Einlage, gewissermaassen eine Kaution von 100 Gulden, welche entweder bei irgend einem Postamte oder beim Sparkassen-Amte in Wien hinterlegt werden muss. Wer sich an diesem Anweisungsverkehr betheiligen will, hat eine schriftliche Erklärung seines Beitrittes abzugeben, und daran die Bitte um Eröffnung eines Kontos zu knüpfen. Das Postsparkassen- Amt ist berechtigt, diese Erklärung entgegen zu nehmen, oder dieselbe ohne Angabe von Gründen abzuweisen, letzteres wahrscheinlich für den Fall, dass der Betreffende geschäftlich nicht für »gut« angesehen wird. Ist die Aufnahme bewilligt, so wird dem Betreffenden ein Konto eröffnet, und er kann sieh dann an dem Anweisungsverkehr betheiligen. Die Stammeinlage, welche vom Ministerium bis auf weiteres auf 100 Gulden festgesetzt wurde, ist sodann innerhalb eines Monats nach der Aufnahme zu erlegen. Dieselbe wird höchstens mit 2 pCt. verzinst und bei etwaigem Austritt gegen 15tägige Kündigung zurückgezahlt. Die eingehenden Gelder sind zum Theil haar bereit zu halten, während der Rest in fruchtbringender Weise angelegt werden darf. Dieser Anweisungsverkehr hat sich bereits sehr bedeutend in Oesterreich eingebürgert und wird besonders, wie es ja seiner Bestimmung entspricht, dazu benutzt, um Zahlungen damit zu leisten. Er ist schon deshalb von grosser geschäftlicher Annehmlichkeit, weil äusser einer Gebühr von 2 Kreuzern für den Check kein Porto für die zu versendenden Zahlungen erhoben wird, und weil man dadurch sowohl Zahlungen an Andere, als auch an sich selbst leisten lassen kann. Ebenso kann man Gelder auf dritte Personen durch Zahlungs anweisungen übertragen lassen. Es ist infolge dieser ganzen Einrichtung gang und gäbe geworden, dass Geschäftsleute oder Leute, die überhaupt mit Geld sendungen zu thun haben, ihr Konto beim Postsparkassen-Amt besitzen, und dass sie ihren gesammten Geldverkehr durch Checks des Post sparkassen-Amtes regeln. Das für sie dabei entstehende Guthaben kann von ihnen jederzeit benutzt, erhoben oder ganz oder theilweise irgend einer beliebigen dritten Person oder Firma angewiesen werden. Wie bereits bemerkt, zerfällt der Anweisungsverkehr in zwei Theile, den Check- und den Clearing-Verkehr. Die Einlagen im ersteren, im Check verkehr, können durch Empfang- oder Erlangscheine, durch Post-Anweisungen, Nachnahme- Postanweisungen, Auftrags-Postsendungen, durch Gutschrift des Erlöses von eingesendeten Kupons von Staatspapieren, durch Gutschrift im Clearing-Verkehr und endlich durch Gutschrift von zahlbar beige stellten Urkunden bewerkstelligt werden. Um den Verkehr nach Ungarn oder nach dem Auslande zu vermitteln, sendet man den Check an das Postsparkassen-Amt in Wien, welches dann eine Post anweisung an die Betreffenden im Auslande abgehen lässt. Der Clearing-Verkehr vermittelt die Uebertragung von Geld summen an dritte Personen durch einfache Gutschrift. Checks, welche jedoch ausbezahlt werden sollen, tragen dann die besondere Be merkung: »ausserhalb des Clearing-Verkehrs.« Die Einlagen in diesem Verkehr werden selbstverständlich nicht hoch, sondern auch nur mit 2 pCt. verzinst, aber schon die bedeutende Verkehrs-Erleichterung und Vereinfachung ist ja für den Inhaber von grossem Werthe. Die Zahlungen, welche der Theilnehmer zu leisten hat, sind: 1 Gulden für das Checkbüchelchen, ferner für jeden Empfangs- oder Belagsschein 1 Kreuzer, dann für jede Amtshandlung eine Manipulations gebühr von 2 Kreuzern und endlich für jede Lastschrift eine Provision von 1/, pro Mille. Ausserdem hat der Inhaber keinerlei Ausgaben, kein Postporto o. dgl. zu tragen. Der Austritt aus diesem Verkehr ist jederzeit gestattet, und die Kündigung steht sowohl dem Amte, wie auch dem Inhaber frei. August Harpf.