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Buchgewerbe. Druckindustrie, Buchbinderei, Buchhandel. Sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme, Mitarbeiter und Berichterstatter erhalten angemessene Bezahlung. Eingesandte Werke finden Besprechung. Leder-Kunstarbeit. (Fortsetzung zu Nr. 71.) Die hoch getriebenen Ornamente füllt man auf der Rückseite des Leders mit einem geeigneten Stoff aus, um späteres Flachwerden zu verhindern. Empfehlenswerth ist zu diesem Zweck Modellirwachs, das man erwärmt und in die vertieften Stellen träufelt. Hat man dieses nicht zur Verfügung, so benütze man beim Schärfen abfallende Lederspäne, die sich, in Leimwasser getränkt, leicht zu den ge wünschten Formen drücken und in die Vertiefungen leimen lassen. Modellirwachs bereitet man durch heisses Mischen von Honig wachs mit gleichem Theil Terpentin und etwas Zusatz von Mennige und Schweineschmalz. Hat man ausgefüllt, dreht man das Leder wieder um und legt es mit der Rückseite nach unten auf einen Schärfstein oder ein glattpolirtes Brett. Sollte es während des Treibens zu weit getrocknet sein, so feuchtet man die Vorderseite wieder an und beginnt dann den Grund rings um die hochstehenden Ornamente flach niederzudrücken. Hierzu, so wie auch zum ferneren Modelliren, benutzt man Modellirhölzer von verschiedenen Formen. Dieselben können aus einer harten Holzart, vielleicht Buxbaum, so gefertigt sein, dass sie die Länge eines Feder halters haben. Jede Seite wird vortheilhaft zu einer Form zugearbeitet, so dass man das Holz nur umzudrehen braucht, um nach Bedarf sofort ein andres Werkzeug zu haben. Figg. 3, 1 und 5 in Nr. 71 zeigen drei ver schiedene Formen solcher Modellirhölzer in natürlicher Grösse. Die erste ist spitz, zum Modelliren zarter Formen eingerichtet, die zweite ist löftelartig gestaltet u d lässt sich gut zum Niederdrücken des Grundes verwenden, die dritte hat eine mehr gerundete Fläche und dient verschiedenen Zwecken. Diesen Grundformen entsprechend kann man sich weitere Formen fertigen lassen oder auch selbst fertigen; nur sehe man darauf, dass die Unterfläche immer sauber geglättet ist. Nach dem Niederdrücken des Grundes ist die Zeichnung erst aus dem Gröbsten gearbeitet. Die Ornamente stehen wohl erhaben, allein noch fehlen die feineren Uebergänge der Formen. Diese werden durch sorgfältiges Modelliren aller Einzeltheile erzielt. Hiermit erhebt sieh die Arbeit aber auch zugleich über das Handwerk, und es beginnt die Kunst, zu deren Ausübung man Anlage und Geschick mitbringen muss, wenn man Befriedigendes leisten will Da der Buchbinder nicht gleich Dilettanten nach Vorlagen ar beitet, an denen die Erhöhungen und Tiefen bereits genau angegeben sind, sondern oft nach Originalzeichnungen, welche ihm flüchtig skizzirt übergeben werden, so ist es für ihn nöthig, die Zeichnung den Erfordernissen des Lederschnittes anzupassen. Hier muss die eigene Phantasie mitarbeiten, und die Zeichnung muss in allen Einzelheiten mit Rücksicht auf Technik und Bildung des Lederschnittes ergänzt werden. Man behalte fest im Auge, dass beabsichtigt wird, plastische Formen zu schaffen, die sich vom Untergründe lebhaft abheben sollen. Die Plastik soll erreicht werden, ohne dass die Figuren wirklich die kräftige Erhöhung besitzen, welche man ihnen in der Bildhauerkunst geben würde Das Leder, welches als Grundstoff dient, lässt keine so ausgiebige Erhöhung zu, wie sie der Bildhauer im Hochrelief erreichen kann. Wie bei diesem soll aber auch der Lederschnitt hauptsächlich durch Licht und Schatten wirken, welche infolge der Höhen und Tiefen dem Beschauer entgegentreten und die Formen plastisch zur Geltung bringen. Da der Lederschnitt-Arbeiter die Schatten sowie die Plastik bei naturgemässer Darstellung nicht immer in gewünschter Kraft zu erreichen vermag, so ist er oft gezwungen, deren Wirkung durch Kunstgriffe zu erhöhen. Ein regelmässig angewendeter Kunstgriff, welcher das kräftige Hervortreten der Ornamente bezweckt, ist vor allen Dingen der punzirte Grund. Durch das Einschlagen von kleinen, kreisrunden oder strahlenförmig den Grund dicht füllenden Figuren wird eine Milderung des Lichtes durch die vielen, über den ganzen Grund zer streuten Schatten bewirkt, welche diesen scheinbar gegen die glatten, das Licht widerspiegelnden Ornamente zurücktreten lässt. Infolge dessen stehen die Ornamente scheinbar höher, als dies in der That der Fall ist. Damit ist schon viel erreicht, indessen noch nicht alles. Auch die Ornamente selbst besitzen Höhen und Tiefen, welche nicht in Wirklichkeit darstellbar sind, sondern durch den Schein erzeugt werden müssen. Hierzu ist das Mittel des Unterschneidens recht wirksam; auch flache, an der rechten Stelle angebrachte Schnitte leisten gute Dienste, besonders wenn der Lederschnitt später'gefärbt wird. Denn die Beize dringt tiefer in die Einschnitte und färbt diese dunkler, als die übrigen Stellen. Ferner setzt sich die Beize auch reichlicher in alle Vertiefungen und bewirkt gleichfalls dunklere Färbung dieser Stellen. Vor allem wichtig ist aber die Behandlung der Motive beim Modelliren. Dasselbe Motiv kann bei verständnissloser Behandlung todt und flach, bei verständnissvoller dagegen kräftig und charak teristisch ausfallen. Man vermeide alles Weichliche und Zierliche, alles übermässige Runden und Glätten der Uebergänge. Mit kräftigen, markigen Zügen muss die Zeichnung aus dem Grunde herausmodellirt werden. Wenn dies bei geringerer Uebung auch durch allmäliges Fortschreiten, durch öfteres Uebergehen mit dem Modellirholz ge schieht, so muss es doch immerhin zielbewusst geschehen. Jede Tiefe, die man giebt, muss am rechten Platz sein, dann aber keck und markig zum Ausdruck gebracht werden. In dieser markigen Art liegt zumeist der wirkungsvolle Zauber künstlerischer Lederschnitte, besonders bei Pflanzen-Ornamenten. Dieselben würden gar oft ver flacht aussehen, wären nicht die Tiefen scharf abgeschnitten angelegt, so dass sie schroffer, als dies in der Natur zu finden ist, sich gegen die Höhen absetzen. So ist es z. B. wichtig, Blattnarben, Blätter umstülpungen und dergleichen nicht durch allmälig sich abrundende, sondern durch markig einschneidende Vertiefungen auszuprägen, denn dadurch erreicht man das, worauf es ankommt: die künstliche Er höhung der Schlagschatten und plastisches Hervortreten der Zeichnung. Die Schattenwirkung zu beobachten ist ungemein wichtig. Des halb setze man sich beim Modelliren so, dass die Beleuchtung von der rechten oder linken Seite kommt, das Licht also so auffällt, dass die hochstehenden Figuren nach einer Seite kräftig Schatten werfen. Während der Arbeit drehe man den Lederschnitt öfter nach den anderen Seiten und prüfe auch die Schattenwirkung von oben und unten. Werfen die Figuren nach allen Seiten entsprechenden Schatten und treten, das Licht entweder von rechts, links, oben oder unten bekommend, in allen Fällen plastisch hervor, so kann man mit der Arbeit, vorausgesetzt, dass sie sonst fornigerecht ist, wohl zufrieden sein. Besitzt man keine grosse Uebung im Modelliren, so ist es auf jeden Fall gerathen, die Zeichnung vorher in genauer Licht- und Schattengebung auf Papier zu entwerfen und sie beim Modelliren als Vorlage zu benützen. Wie schon gesagt, ist nicht jede Zeichnung unverändert zum Lederschnitt verwendbar. Erhält man vom Be steller oder Zeichner eine Vorlage, welche den Anforderungen nicht entspricht, so zeichnet man dieselbe entsprechend um, wobei kleinere Abweichungen gestattet sein müssen. Zeichnungen, welche in Hinsicht auf Farbengebung entworfen sind, kann man selten unverändert brauchen. Würde z. B. die Aufgabe gestellt, das Papiermacher-Wappen zu modelliren, so dürfte diese Aufgabe nicht gut anders zu lösen sein, als durch eine Umzeichnung, wie sie in Fig. 7 vorge nommen ist. Wie ein Ver gleich des älte ren Wappens mit Fig. 7 zeigt, sind bei der Umzeichnung hauptsächlich die Flügel am Ochsenkopf etwas umge staltet. Dort waren sie zum Ausmalen mit Farbe glatt ge zeichnet , mit einer einfachen Federrippe in der Mitte. Diese glatten Flügelwürden, in Leder ge schnitten und getrieben, un- gemein kraft los aussehen, ihre Glätte würde der aus geprägten Eigenart des Lederschnittes nicht entsprechen. Daher sind sie zu stilisirten, aber doch das federartige Aussehen noch erkennen lassenden Schwungfedern umgezeichnet.