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782 PAPIER-ZEITUNG. N? 37 Briefpapier. Die deutsche Geschäftswelt, die sich aus der Armuth herausarbeiten musste, die keine Flotte zu Diensten und keine Colonien zum Absatz hatte, sondern lange auf das nicht allzu reiche eigene Land angewiesen war, musste Sparsamkeit als erste Tugend betrach ten. Viele unserer Leser werden sich erinnern, wie intensiv diese Tugend geübt wurde, bis auf welche Kleinigkeiten sich die Spar samkeit erstreckte, wie insbesondere mit Papier gegeizt wurde. Gar manches kleine Geschäft benützte vor Jahren die Respect- blätter empfangener Briefe zu seiner Corre- spondenz und auch heute uoch wird bei’m Einkauf von Briefpapier vielfach der Nach druck auf Billigkeit gelegt oder gar Aus schuss verlangt. Jetzt, wo Deutschland nicht nur politisch mächtig ist, sondern auch in Industrie und Handel zu den ersten Ländern gehört, überdies bedeutend an Wohlstand gewonnen hat, wäre es Zeit mit diesen aus der Zeit des Elends überkommenen Gewohnheiten zn brechen. Die meisten deutschen Geschäftsleute würden sich scheuen, ihre Geschäftsräume in ver nachlässigtem Zustande zu belassen oder in Kleidung und anderen Aeusserlichkeiten so zu erscheinen, dass man an ihrer Bedeutung oder Kreditfähigkeit zweifeln könnte — sie nehmen aber häufig keinen Anstand zu ihren schriftlichen AeusserungenPapierzu benützen, welches ihrer Bildung und Lebensstellung in keiner Weise entspricht. Wenig Dinge des täglichen Gebrauchs geben uns mehr inneres Behagen als gute Schreibwaaren. Es mag vorkommen dass Jemand aus Liebhaberei Schreibwaaren kauft die für seine Verhältnisse zu theuer sind, er mag sich beim Schreiben sagen, dass er in Papier verschwende, aber während er es benützt, wird er eine Befriedigung empfinden, welche seine Gewissensbisse völlig aufwiegt. Geschäftsleute unterschätzen meistens den Werth und die Bedeutung guten Briefpa piers. Ein Brief macht stets einen gewissen Eindruck, besonders aber der eines Unbe kannten wird sorgsam betrachtet und beur- theilt. Jedermann sollte daher bei der Aus wahl seines Papiers prüfen, ob es geeignet ist, den Absender im richtigen Lichte er scheinen zu lassen. Nirgends ist Sparsamkeit seitens des Geschäftsmannes so falsch angewandt, als bei’m Einkauf von Briefpapier. Wenn er seinen Leuten Hunger-Gehälter zahlt und auch sonst bei der innern Verwaltung wenig lobenswerthe Grundsätze beobachtet, so wird ihm dies, da es nicht nach aussen dringt, weniger schaden, als wenn die von ihm ausgehenden Briefe einen schlechten Ein druck machen, wenn sie zum Beispiel auf geringem Papier mit geschmacklos und nach lässig aufgedrucktem Kopf geschrieben sind. Dagegen flosst uns eiu Unbekannter unwill kürlich Achtung ein, dessen Brief in Papier, Umschlag, Druck des Briefkopfs und dem dabei entwickelten Geschmack den Mann von Welt und Wohlstand oder das feine Ge schäftshaus zu bekunden scheint. Wenn Du ein Wort suchst, wähle das klarste, gewöhnlichste, üblichste. Vermeide feine Worte sowohl wie rauhe, die einfachsten anspruchlosen gleichen den natürlichen Rosen, welche die Waugen zieren. Papierfabrikation und Papierhandel. Papierfabriken bei Jülich, den 28. Avg. 1880. Ein Todesfall in meiner Familie hat mich bis heute abgehalten, auf die verschiedenen Artikel Ihrer Zeitung vom Juli und August zu antworten, wozu ich heute übergehe, weil Ihr Herr Bericht erstatter über die Düsseldorfer Ausstellung in der nachträglich veröffentlichten Rede, die er hat halten wollen, meinen Namen mehrfach genannt hat. In den meisten Punkten, die er als nachtheilig für die Papierfabrikation bezeichnet, gehe ich mit ihm einig, und ist dieses in meinem damaligen Ein ladungsschreiben zu den Conferenzen, in meiner Antwort an den Frankfurter Correspondenten und in meinem Briefe aus London, den Sie in Ihrer Zeitung vom II. März veröffentlichten, klar und ausführlich erörtert, so dass ich dieserhalb hierauf verweise. Heute füge ich nur noch hinzu, dass die in Ihrer letzten Nummer vom 26. August angezogene Versammlung der Papierfabrikanten der Vereinigten Staaten von Nordamerika ebenfalls be weist, dass auch die practischen Amerikaner meine Ansicht theilen, dass nur allein eine Beseitigung der unheilvollen Ueberproduction dauernde Besserung herbeiführen kann, und ohne dies Radicalmittel die Papierfabrikation wie der Papierhandel gänzlich ruinirt werden. Wie sollen sich Preise bessern und wieder ge winnbringend werden können, wenn jährlich in meiner Branche Packpapier und Cartons viele Millionen Pfunde über den Bedarf hinaus fabricirt werden, die nicht exportirt werden können, ohne 20 bis 30 pCt. zu verlieren, und so unverkäuflich im i Markte liegen und das Geschäft für Fabri kanten und Händler total ruiniren. Nicht nur I werden dadurch die Preise unter Selbstkosten her abgedrückt (und eine Fabrik geht nach der andern j zu Grunde; circa Zweidrittel aller Strohpapier- und Pappenfabriken sind seit 20 Jahren eingegangen oder sonst zu Grunde gegangen und Millionen Mark sind dadurch baar verloren), sondern auch der ganze Handel wird mit ruinirt. Die meisten Fabrikanten, die ihre Ueberproduction nicht los werden können, stellen überall Agenten an, die | jeden Consumenten ablaufen und diesen fast I gleiche Preise wie den Papierhändlern stellen. Dadurch werden die Preise dann so ruinirt, und zuletzt so tief unter Selbstkosten herabgedrückt, dass weder Fabrikant noch Händler etwas ver dienen können. Alles dieses wäre mit einem Schlage vermieden, sobald mein neulich in Düsseldorf gestellter An trag acceptirt worden wäre, die Production nach dem Consum einzuschränken und eine hohe Con- ventionalstrafe festzusetzen, damit dies auch ehr- j lieh gehalten wird. Das Geschäft würde bald I wieder gesund, sobald auf diese Weise wieder eine dauernde Nachfrage hervorgerufen wäre, und der Händler würde wieder im Stande sein, zu verdienen, anständige Preise zu zahlen und bedeutende Auf-1 träge zu geben. Es würde ihm vom Fabrikanten j (oder dessen Agenten) nicht bei jedem Consu- I menten Concurrenz gemacht, da dies sicher unter bleibt, sobald der Fabrikant im Stande ist, sein Fabrikat an gute achtbare Giossisten abzusetzen, und dabei Preise zu erzielen, die ihm den gebührenden Nutzen lassen. Ich meinerseits theile daher auch nicht den Wunsch Ihres Herrn Berichterstatters, die Papier- und Pappenhändler zu beseitigen und direct an die Consumenten zu verkaufen, denn der Consum wird dadurch nicht gesteigert, die Preise aber nur noch mehr gedrückt, so lange Production und Con- sumtion in schreiendem Missverhältnisse stehen. Die Ordres, die ein Fabrikant bei den kleineren Consumenten haben kann, sind meist doch derart, dass er in 24 Stunden 10 bis 12 mal For mate auf der Maschine umstellen und dadurch allein seinen Verdienst einbiissen muss. Die Consu menten sind durch die Ueberproduction so überlaufen und von den vielen Agenten und sogen. Grossisten so verwöhnt, dass sie 2 Rollen oder 2 Ries Packpapier in besonderen Formaten und Gewichten verlangen, und diese Grossisten überschreiben dem Fabrikanten denn auch wieder solche Ordres, die ihn allein bald ruiniren, wenn er dumm genug ist, all die Ordres so auszuführen, wie sie ihm von den so genannten Grossisten octroyirt werden. Diese letzteren, auf deren Adresskarten sehr häufig 1 neben den Worten Papier en gros auch noch das Wort Papierfabrikant prangt, halten kein Lager, j sondern führen nur die Muster der Fabrikanten : und schämen sich nicht, gestützt auf die heutige Ueberproduction, diesem I bis 2 Rollen oder I bis 2 Ries in besondern Formaten und Gewichten zum billigst bedungenen Engros-Preise zur Effec- tuirung zu überschreiben. Trifft der Fabrikant die Farbe der Stücke dann nicht genau, was bei so winzigen Ordres wahrscheinlich ist, so wird die Waare zur Disposition gestellt, und ohne 15 bis 20 pCt. Verlust kömmt man dann nicht weg. Wird das Papier aber acceptirt, so bekömmt der Fabrikant, der meist Alles baar oder in guten Bankpapieren bezahlen muss, von den sogenannten Grossisten meistens Wische von deren Kun den auf alle möglichen Nebenplätze, woran er wieder verlieren muss, oder domicilirte Accepte. Sehr häufig soll eine solche Zahlung dann noch als Comptant-Zahlung von dem Fabrikanten acceptirt werden, und schämt man sich sogar nicht, dafür dann noch einen Discont für comptant wider rechtlich zu decretiren, der dem Bankzins eines ganzen Jahres gleichkömmt. Alles dieses würde aufhören, sobald Production und Consumtion in ein richtiges Verhältniss ge bracht, und die Waare nur in die Hände solider Grossisten gegeben würde. Aber diese müssten dann nicht nur dem Namen nach, sondern auch in Wirklichkeit Grossisten sein, wie sie in Frankreich, England, Belgien, Holland und Amerika existiren, (auf welche Länder der Herr von Rhein in Ihrer letzten Nummer vom 26. August hinweist), d. h. dem Fabrikanten bedeutende Aufträge, die diesen wochenlang beschäftigen, fürs Lager ertheilen und dann vom Lager verkaufen und effectuiren, und nicht blos nach Proben, denn sonst hat das Wort Grossist keinen Sinn. Ich bin auch viele Jahre, ehe ich hier bei Jülich vor 25 Jahren die Fabriken errichtete, Papierhändler gewesen, aber alle meine damaligen Lieferanten werden mir be zeugen, dass ich stets Aufträge gab, die den Fa brikanten Wochen- und monatelang beschäftigten, denn nur dann, und wenn der Fabrikant prompt bezahlt wird, kann dieser dem Händler die grössten Vortheile einräumen. Wo sind aber heute viele Grossisten in unserm lieben Deutschland zu finden, die dem Fabrikanten, wie in England, Frankreich und Belgien, seine halbe oder ganze Production abnehmen und dafür 30 Tage dato acceptiren? So lange dies nicht ge schieht, kann man auf diese Länder nicht ver weisen. Ich stimme auch mit Ihrem Herrn Berichter statter dabei nicht überein, dass billige Preise keine Krankheit der Papier- und Pappenindustrie sein sollen. Packpapier, Strohpapier und Stroh pappen sind seit 2 Jahren in England und in Deutschland von bekannten Schleuderfabrikanten und sonstigen sogenannten Halsabschneidern zu Preisen verkauft worden, wozu kein Fabrikant, der richtig calculiren kann, diese Pappen und Papiere herzustellen weiss, wie es ja schon im October 1878 in dieser Zeitung nachgewiesen und auch auf den Versammlungen wiederholt constatirt wurde. Da dieser Zustand nun aber schon Jahre dauert und noch immer kein Ende nehmen zu wollen scheint, weil so viele Pappen-, Packpapier- und Strohpapierfabrikanten existiren, die weder als Kaufmann noch als Fabrikant ausgebildet sind, Zinsen der Anlagen, Verschleiss, Assccuranz, Mal heur u. s. w. ganz unberücksichtigt bei ihren Calculationen lassen, dadurch Waaren unter wirk lichen Selbstkosten auf den Markt werfen und zwecklos und sinnlos verschleudern, so möchte ich mir doch die Frage erlauben, ob dies keine Krankheit ist und ob diese anders geheilt werden kann als durch Beseitigung der alles ruinirenden Ueberproduction? Ich gebe Ihnen anbei Briefe eines der tüch tigsten und erfahrensten Pfälzer Fabrikanten, wo raus hervorgeht, dass auch dieser ganz meine An sicht theilt. (Wir drucken dieselben am l'usse