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87, 18. April IS10. Nichtamtlicher Teil. 4609 von Graily Hewitt, in Rot und Schwarz gedruckt; das Buch Esther in der Luther-Übersetzung, Druck in Schwarz und Gold in Leder mit Seidenvorsatz; die Monumental ausgabe von Nietzsches Zarathustra; die in zwölf Bänden erschienene erste vollständige Ausgabe der Erzäh lungen von Tausend und ein Nächten. Von Klassikern: die Großherzog Ernst Wilhelm-Ausgabe Goethes, Schillers und Körners in den feinen dunkelcoten schmieg samen Lederbänden, hergestellt aus Dünndruckpapier, eine Ausstattung, die auch Schopenhauers Werken zuteil wurde; die Neuausgabe des Kleist, die bald vor dem Ab schlüsse steht; den im Erscheinen begriffenen Heine; Wilhelm Heinses Schriften, herausgegeben von Schiiddekopf; die reizenden Taschenausgaben von Stifters Studien und der Auswahl aus Wielands Werken. Des weiteren sind zu nennen: Goethes Gespräche mit Eckermann, der Brief wechsel Goethes mit Charlotte v. Stein und mit Marianne v. Willemer; die herrliche von Köster besorgte Großoktavausgabe der Briefe der Frau Rat Goethe; Martin Luthers Briefe; die Tagebücher der Adele Schopenhauer, die zum erstenmal vollständig veröffentlicht werden; dann der Neudruck von Goethes -Römisches Carneval»; Gleims Kriegslicder; der Musen almanach von Schiller aus dem Jahre 1797, diese be rühmte Lenienpublikation. Wie ich erfahre, bereitet der Insel- Verlag eine Monumentalausgabe des Nibelungen liedes vor, ferner eine vom Lenau-Forscher vr. Castle be arbeitete vollständige Ausgabe der Werke Lenaus. Auch Kant soll in erlesenem Gewände demnächst vor die Bücher käufer treten. Unsinnig hier über Snobismus zu wettern und zu glauben, das sei alles nur Glaskasten- und Bücherschrank- Liebhaberei. Gewiß auch das, wobei vielleicht einmal anzu merken und zu fragen wäre, warum niemand das Sammeln von Münzen, altem Porzellan und Silber, alten Waffen und ähnlichen Gegenständen, die doch auch nicht zum Ge brauch zusammengetragen werden, verdacht wird, während das bloße Sammeln von schönen, seltenen Büchern und künstlerischen Ausgaben bloß des Sammelns und nicht der Lektüre und des Studiums wegen stets mehr oder weniger belächelt wird? Indes läßt sich die erfreuliche Tatsache ver zeichnen, daß die Liebe zur schönen äußeren Ausstattung der Bücher in manchen, die früher an unseren geistigen Gütern ziemlich achtlos vorbeigegangen, auch die Liebe zu den Büchern selbst und zum Schön- und Ernstgeistigen wach riefen, daß das kostbare Außere nicht selten Anlaß und Lockung wurde, auch den Blick in das schöne Innere zu versenken, das, leider vorher und auch heute noch vielfach in Kalikodeckel gebannt, auf schlechtem Papier gedruckt, in schleuderhastem Satz hergestellt, ein Greuel und Schcuel für unsere Augen ist. Jetzt geben sich übrigens auch schon die großen Verlagshäuser, wie Bong und Hesse, die mit ihren Erzeugnissen doch auf den Massenabsatz angewiesen sind, alle Mühe, um ihren Klassiker- Ausgaben, soweit es nur der billige Preis zuläßt, in Papier, Druck und Einband eine gute Ausstattung zu geben. Selbst diese Verleger sehen sich, einem Zuge der Zeit Rechnung tragend, genötigt, von einzelnen Werken Vor zugsausgaben zu veranstalten, die, alles in allem genommen, von dem geläuterten Geschmacks zeugen, der heute immer stärker das deutsche Buchgewerbe durchdringt. Einzelne Klassiker-Luxusausgaben dieser Häuser, so der kürzlich er schienene zehnbändige Schiller des Verlages Bong oder die achtbändige von Minor und Bettelheim besorgte Ausgabe unseres Saar bei Hesse, die letztgenannte in ihren vornehm einfachen, dunklen Halbfranzbänden, brauchen sich nicht zu Börsenblatt für dm Deutschen Buchhandel. 17. Jahrgang. verstecken und können getrost auch im Bücherschranks des Bibliophilen Platz nehmen. Freilich mit den wunderbaren Großoktavausgaben, mit denen die Bibliophilen der Verlag Georg Müller in München seit einigen Jahren beschenkt, können und wollen sie sich nicht messen. Voran steht da die auf 40 Bände berechnete, nach chronologischen Gesichtspunkten angeordnete Propyläen- Ausgabe von Goethes Werken, von der bis jetzt drei Bände vorliegen. Auch der Stürmer Lenz ersteht jetzt bei Müller in einer neuen schönen Ausgabe, ferner Brentano, von dem gerade jetzt der zweite Band »Die Gründung Prags« ausgegeben wird, des weiteren E. T. A. Hoffmann: sämtliche noch im Erscheinen begriffen, alle fast monumental, von erlesener Vornehmheit, ans bestem Papier, in schönen Typen gedruckt, zum Teile, wie die Hoffmann- und Brentano- Edition, als historisch-kritische Ausgabe geplant, also für den Bibliophilen und den Philologen gleich wertvoll. Auch unser Ferdinand Kürnberger hat seine Heimstätte bei Georg Müller gefunden, wo jetzt seine gesammelten Werke unter der Hecausgeberschaft Otto Erich Deutschs gedruckt werden, deren erster, trefflich ausgestatteter Band -Dis Siegelringe» — der Originaldruck dieser glänzenden Feuilletonsammlung ist seit Jahren vergriffen und steigt beständig im Preise — bereits in unseren Händen ist. Von nichtdeutschen Autoren und Werken, die in neuen deutschen Übersetzungen und in prächtigen Liebhaberausgaben der Verlag Georg Müller unter seine Fittiche nahm, möchte ich hier nur rasch und ohne weiteres Eingehen in die Einzelheiten nennen: Montaigne, Puschkin,Rabelais,Thackeray,Turgenjew,Casanova, Ariost, dann die Briefe des Abbs Galliani, die Liebes briefe der Lespinasse, das Leben des Benvenuto Cellini, die Fragmente des Petronius; ferner unter dem Titel -Perlen älterer romanischer Prosa«: Sacchetti, Girolamo Morlini, das Heptameron, die hundert neuen Novellen des Anthoin de la Salle. Vertreten unter den Vorzugs- auSgaben sind auch Heinrich Bebels Schwänke, die unser Landsmann Albert Weffelski, der feinsinnige Übersetzer, von dem soeben im Insel-Verlage eine neue Übertragung des Boccaccio erscheint, vollständig veröffentlichte. Damit ist die vornehme Verlegerlätigkeit Georg Müllers noch lange nicht erschöpft. Jetzt erst wieder werden wir mit einem stattlichen Neudruck der -Taten und Fahrten des Ritters Hans von Schweinichen« beschenkt, jener feuchtfröhlichen Selbst biographie eines Adeligen des sechzehnten Jahrhunderts, die mit der Götzens und Schärtlins zu den schönsten Besitz tümern unserer früheren Literatur gehört. In so schönem Gewände ist der Ritter von Schweinichen wohl noch nie einhergeschritten wie jetzt, da die in 800 numerierten Exemplaren erschienene Ausgabe uns von dem stürmisch be wegten Lebensgange dieses alten deutschen Ritters erzählt. Wenn einmal die Geschichte der Renaissance des deutschen Buches geschrieben werden wird, werden sicherlich neben dem Insel-Verlag auch die Namen Georg Müller und Eugen Diederichs einen Ehrenplatz erhalten. Die Jubiläumsausgabe von Goethes Faust, von Ehmkes Künstlerhand in jeder Einzelheit, vom gepreßten mit Schließen versehenen Lederband angefangen bis zum Satzbild und den Typen entworfen, die das Haus Diederichs in Jena in seine Obhut nahm, war noch vor ihrem Erscheinen im vorigen Sommer vergriffen, so daß heute der Preis dieser eigenartigen, wenn auch zum Teile heiß umstrittenen Ausgabe fast auf das Doppelte ge schnellt ist, wenn sie überhaupt schon auf den Markt kommt. Jetzt erscheint ein billigerer, nur 20 kostender, im Ein band und in anderen Einzelheiten etwas abweichender Abdruck dieser Jubiläumsausgabe des -Faust». Die Gaben, die uns der Verlag Diederichs im Laufe des letzten Jahrzehntes brachte, zeichnen sich fast durchgehend durch inneren, lite- bss