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ils-eMee Tageblatt 2. Blatt Nr. 135 — Dienstag, den 13. Juni 1933 TazeSspruch. Beim Scherzen halte strenge dich auf der Vorsicht Spur; ihr erst Gebot ist: Scherze mit dergleichen nur. Jul. Hammer. AachlenckeUnruhelnvelterreich Explosionen in Wiener Straßen. Oin Toter, fünf Schwerverletzte. — Zahl reiche Verhaftungen In Wien verlief der Montagvormlttag in äußerster Un- sruhe. Gegen 10.20 Uhr wurde auf der Meidlinger Haupt straße von einem unbekannten Täter ein Explosiv- körper, der in Papier eingcwickelt war, in ein Juwc- liergeschäft geschleudert. Der Juwelier Futterweiß wurde getütet und fünf Personen schwer verletzt. Die Auslage sowie die Geschäftseinrichtung wurden teil weise zertrümmert. In der inneren Stadt, in der Stadiongafse, die in Unmittelbarer Nähe des Rathauses liegt, explodierten etwa um die gleiche Zeit in den Haustoren Feuerwerkskörper mit starker Rauchentwicklung. An der Universität demonstrierten zu gleicher Zeit natio nalsozialistische Studenten. Die Polizei rückte mit starken Kräften an. In der Nähe des Burgtheaters und des Rathauses kam es dabei wiederholt zu Reibereien, wobei -einige Personen erheblich verletzt wurden. Die Polizei hat besondere Sicherheitsvorkehrungen Hetroffen. Das Gebäude der Polizeidirektion hat seine «ganzen Vertcidigungseinrichtungen instand gesetzt und sich für einen Belagerungszustand vor bereitet Bei den Demonstrationen auf der Universität, die von Ler Wache zerstreut wurden, gelangte auch eine Gruppe in Lie innere Stadt, wo in der Schullerstraße, dem Zeitungsviertel, Auslagcscheiben des „Neuen Wiener Tagblattes" und des „Wiener Tag" einge- schlagen wurden. Auf dem Elterlein-Platz ist in einer Delikatessenhandlung ein Tränengasanschlag verübt worden. Zahlreiche Verhaftungen erfolgten. Die Polizei hat Auftrag erhalten, überall rücksichtslos burchzugreifen. * Anschläge suf zwei österreichische Politiker mißglückt. Dr. Steidle leicht verletzt. — Wien kündigt einschneidende Maßnahmen an. ' Am Sonntag sind in Österreich Anschläge auf zwei bekannte Politiker verübt worden. Nach einem Bericht aus Innsbruck wurden aus Dr. Steidle, den be- kannten Tiroler Heimwehrführer, aus einem Auto rasch hintereinander mehrere Schüsse abgegeben, als er vor seinem Hause anlangte. Einer der Schütze verletzte Dr. Steidle am Unterarm. Der Kraftwagen hatte eine ver schmierte Nummer. Nach einer anderen Meldung aus Kirchdorf bei Bruck an der Mur ist nur durch einen Zufall ein Anschlag auf den Steirer Landeshauptmann und früheren Minister Dr. Rintelen mißglück. Es war bekannt, daß Dr. Rintelen eine be stimmte Straße bei seiner Rückfahrt benutzen würde. Auf dieser Straße explodierten kurz vor dem Passieren des Kraftwagens zwei mit Ammonit gefüllte Röhren. Größerer Schaden wurde dadurch nicht an gerichtet. Innsbrucker NSDAP.-Führer verhaftet. Am Montagmorgcn wurden die nationalsoziali- stischen Führer in Innsbruck zum größten Teil verhaftet. Auch der Gauleiter der Nationalsozialistischen Partei, Stadtrat Hofer, der in der letzten Zeit im Ausland weilte, wurde in dem Augenblick verhaftet, als er wieder nach Innsbruck zurückgekehrt war. Außerdem sind zahl reiche Führer der SA. und SS. verhaftet worden. Die bei der Besetzung des Innsbrucker Braunen Hauses von den Heimwehrleuten gehißte grünweiße Heimwehrflagge wurde später wieder eingezogen. Die nationalsozialistischen Plakate in den Schaufenstern wurden durch Heimwehrplakate überklebt. Insgesamt waren in der Gegend, in der der Anschlag auf den Kraftwagen Dr. Steidles erfolgte, 17 Schußlöcher festzustellen. 14 Schüsse dürfte der Führer des Kraft wagens, in dem sich Dr. Steidle befand, auf die flüchten den Attentäter abgefeuert haben. Das Auto der Angreifer gefunden. Der Kraftwagen, von dem aus die Schüsse auf den Tiroler Heimwehrführer Dr. Steidle abgegebe» wurden, ist am Montag in den Morgenstunden in der Nähe der österreichisch-bayerischen Grenze bei Schar nitz aufgefunden worden. Das Auto trägt eine Herkunftsnummer aus Zirl im Oberinntal. Es wird jetzt festgestellt, ob die Nummer gefälscht ist. In Innsbruck wurde auf Weisung des Sicher- heitsministers Dr. Fey, der bekanntlich den Starhemberg- schen Heimwehren angehört, die Besetzung des Braunen Hauses verfügt und das Gebäude durchsucht. Zugleich soll auch das andere Hauptquartier der Innsbrucker Nationalsozia listen, ein Gasthaus, umstellt worden sein, sämtliche dort angetrosfenen Nationalsozialisten habe man sestgen^>mmen. Revolv«anschlag auf Dr. Steidle. Der Sicherheits-Inspektor der Heimwehr in Tirol, Landes rat Dr. Steidle, wurde in Innsbruck von unbekannten Gegnern beschossen und am Arm verletzt. 7fn Vertretung des nach Lvmwn gxrMen Bundes^ kanzlers hat der Vizedirektor der Wiener amtlichen Nach richtenstelle dem Wiener Blatt „Morgen" telephonisch er- klärt, daß auf Grund dieser Terrorakte eine „hochintcr- etzante, einschneidende Wendung" bcvorstche. Der Bundeskanzler habe ihn jedoch nicht ermächtigt, Näheres hierüber mitznteilen, obivohl er, der Vizedircl- tor, über die Art dieser Wendung unterrichtet sei. Schon die nächsten Stunden würden bereits Näheres bringen. Bevölkerung lehnt Heimwehraufmarsch ab. In Krems fand am Sonntag der feit langem groß angekündigte Heimwehraufmarsch statt. Die Bevölke rung der Stadt verhielt sich gegenüber der Veranstal tung völlig ablehnend. Es waren nur drei Häuser beflaggt, die Fenster waren geschlossen und viel fach verhängt. Der Zug der Heimwehren wurde von einem außerordentlichen Aufgebot von Gendarmerie und auch von Angehörigen des Bundesheeres gesichert. An einigen Stellen ereigneten sich, trotzdem der größte Teil der Bevölkerung die Stadt verlassen hatte, Kundgebungen. Es kam zu Reibereien, wobei Gendarmerie mit gefälltem Bajonett eingriff. Eine Person wurde leicht verletzt. Beim Abtransport der Starhembergschen Heimwehr kam es zu einer wüsten Schlägerei, als vor einem „Arbeiterheim" eine Detonation" er folgte. Das Marxistenhaus wurde von Heimwehrleuten gestürmt. Mehrere Personen wurden verletzt, darunter eine schwer. Schärfste Mißbilligung dm« w NSDAP. Eine Erklärung der Landesleitung Österreich. Zu den Vorgängen in Österreich erläßt die Landes- stelle der NSDAP, folgende Erklärung: „Die Landes- lcitung Österreich der NSDAP, erklärt zu den Attentaten aus den Sicherheitskommiffar Tirols, Dr. Steidle, und den Landeshauptmann von Steiermark, Dr. Rintelen, daß die NSDAP, selbstverständlich den Anschlägen voll- kommen fernsteht und weder die Urheber noch die Täter selbst kennt. Sie mißbilligt, getreu ihrer seit Jahre» betonten legalen Einstellung, derartige Attentate — gleichviel, von wem sie ausgchcn — aufs schärfste, sieht sich aber andererseits zu der Feststellung gezwungen, daß diese Attentate durch die Terrormaßnahmen der Höch sten Stellen direkt provoziert und hcraufbeschworen werden." * Auflösung der NSDAP, in Tu ol l Wie aus Innsbruck gemeldet wird, wurde die tirolische Landesregierung zu einer Sitzung elnberufen, auf der weitgehende Entscheidungen getroffen werden sollen. Es heißt, daß die Nationalsozia listische Partei in Tirol aufgelöst werden soll. * Schließung aller nationalsozialistischen Geschäftsstellen in Wien. In sämtlichen Bezirksgeschäftsstellen der National, sozialistischen Partei in Wien, ebenso im Adolf-Hitler» Haus, fanden Haussuchungen statt. Die Polizei hat ein« Reihe von Schriften beschlagnahmt. Die tm Hause an- wesenden Personen durften nur ihr Privateigentum mit- nehmen. Die Mehrzahl der Bezirlsgeschäfisstellen ist bereits gesperrt und versiegelt, ebenso die SA.-Heime. Sämtliche Parteilokale der Nationalsozi- listen werden in Wien gesperrt werden. Höllenmaschine in einem Kaffeehaus entdeckt. In dem Wiener Kaffeehaus „Produktenbörse" wurde ein Koffer gefunden, aus dem ein Ticken z» (5. Fortsetzung.) Der Beamte bemerkt seinen fragenden Mick und erklärt: „Er sucht Arbeit, Monsieur le directeur!" Armand Trillemont nickt und läßt Ole nicht aus den Augen. Das Gesicht kommt ihm überaus bekannt vor, aber er kann sich nicht entsinnen, mo er es gesehen hat. Der Direktor tritt zu Ole und fragt in deutscher Sprache, die er vorzüglich, nur mit ganz leichtem Akzent spricht: „Wie Heißen Sie. mein Herr?" , „Otto Hauser! Man nennt mich nur Ole!" „Ich habe Sie in meinem Leben schon einmal gesehen, mein Kerr'" Ole begegnete feinem Blick. Er weiß ganz genau, wen er vor sich hat. Es ist der ehe malige Oberst Trillemont, dm er aus dem Feldzuge kennt. Aber er schüttelt den Kopf. „Ich irre mich nie!" betont Trillemont sehr liebenswürdig. ».Ich werde auch noch draufkommen. Waren Sie im Felde? Kaben Sie den Krieg mitgemacht?" „Jawohl, Herr!" „Waren Sie in Gefangenschaft?" „Nein!" „Seltsam, ich glaube, ich habe Sie im Felde gesehen! Wo haben Sie gekämpft?" „In der Champagne, in Flandern, in den Vogesen und vor Derdun!" „Haben Sie nicht einmal dem 71 französischen Infanterie- Regiment gegenübergelegen?" , Ole sagt nein, aber er weiß, daß dies vor Verdun der Fall war Er weiß, daß sie damals den Obersten Trillemont ge fangen hatten, dieser aber durch eine tollkühne Flucht wieder entkam. Trillemont schüttest den Kopf. „Seltsam! Also, mein Herr, Sie wollen bei uns arbeiten. Wo'" „Im Schacht!" sagte der Beamte. „Etwas sehr unbequem, mein Herr, bei Ihrer Riesen- figur!" „Arbeit ist Arbeit!" „Vielleicht könnten wir Sie besser in unserer Venzinfabrik unterbringen. Wie denken Sie?" Ole schüttelt den Kopf. „Ich will im Schacht arbeiten! Da verdient man mehr, hat der Agent gesagt, und ich will verdienen, viel verdienen, mein Herr. Ich habe noch für andere Menschen zu sorgen, die sollen's gut haben und drum gehe ich in den Schacht." „Es ist gut, Herr Hauser! Also im Schacht. Wenn Sie irgendwelche Wünsche haben, dann kommen Sie ins Personal büro, und auch ich bin für Sie immer zu sprechen!" Trille mont lächelt ein wenig. „Weil mir Ihr Gesicht so bekannt vorkommt!" Damit reichte er ihm die Hand. „Mein Herr... der Krieg war. . . wir haben Frieden . . . noch nicht restlos, aber wünschen Sie so aufrichtig wie ich, daß endlich die West den vollen Frieden finden möge!" Ole nimmt überrascht die Hand und sieht den Direktor lange an. Dann verläßt Trillemont das Personalbüro und Ole erhält das Schreiben an Monsieur Bertelen. Er dankt und geht nach Vachta zurück. * * Monsieur Bertelen ist ein ehemaliger Sergeant aus dem 71. Infanterie-Regiment und hat unter Oberst Trillemont im Felde gestanden. Als ihm Ole die Anweisung vom Büro übergibt, da mustert ihn der ernste Südfranzose eine Weile schweigend, dann fragt er: „Monsieur Hauser ... wo haben wir uns schon einmal gesehen?" Ole zuckt schweigend die Achseln. Aber er hat ihn auch wieder erkannt. Sergeant Bertelen war damals mit Trillemont gefangen genommen worden. Er hatte versucht, mit ihm zu entwischen, wurde aber auf der Flucht verwundet und zurückgebracht. Ganz deutlich entsinnt sich Ole dieser Episode. Bertelens Gesicht ist scharfgeschnitten, fast kantig, und von besonderer Eigenart. Es hat mit Oles Gesicht viel Aehnlich- keit, nur daß sich zwei ganz verschiedene Rassetypen gegen- überstehen. „Sie wollen einen größeren Wohnraum, Monsieur Hauser?" beginnt nun der Franzose. „Sie sind nicht allein?" „Nein!" antwortete Ole etwas rauh. Er haßt das dauernde Fragen. „Wieviel Personen sind es?" „Noch eine Frau ... ein Kind . .. und ein Mann!" — ^ 7 »So! Also im aanzen vier Personen." Bertelen merkt, daß dem Riesen das Fragen unangenehm ist, führt ihn daher gleich zu den Baracken und zeigt ihm die Wohnstätte, die er bekommen soll. Sie liegt am Ende des Dorfes und ist nicht eigentlich eine Baracke, sondern ein kleines Häuschen, das notdürftig wohn bar gemacht worden ist. Es sieht recht zusammengeflickt aus. „Hier sollen Sie wohnen, wenn Sie mögen. Es ist nicht schön, aber wenn Sie fleißig sind, können Sie es sich ganz be haglich machen." Ole nickt stumm, während sein Blick über das Bauwerk gleitet. Es macht einen jämmerlichen Eindruck, es war ein mal ein Haus gewesen, jetzt gleicht es mehr einer Ruine. Der Mörtel war größtenteils von den Mauern gefallen. Auch das Dach war sehr schadhaft. „Das wird Arbeit geben!" denkt Ole, aber er ist trotzdem guten Mutes. „Ich will es erst einrichten und behaglich machen und dann werde ich Anna mit dem Kind und Toto hereinnehmen!" denkt er. „Wollen Sie es beziehen, Monsieur Hauser?" fragt nun Bertelen. Ole bejaht und sagt: „Ich danke Ihnen, Herr Bertelen!" Er spricht kein frairzösisches Wort. „Wann ziehen Sie ein?" „In den nächsten Tagen. Erst will ich das Haus in Ord- nuna haben!" „Wann beginnt Ihre Schickst?" „Heute abend um 22 Uhr!" „Ah, die Nachtschicht, die noch nicht voll besetzt ist! Ware« Sie schon im Schacht?" Ole nickt und denkt: Wie seltsam, daß die Menschen alle dasselbe fragen. Als sie die Straßen entlangschreiten, da fällt ihm ein: Jetzt wird er sich noch erkundigen, ob du im Felde warst! Aber die Frage unterbleibt. Bertelen übergibt Ole noch den Schlüssel, dann verabschiedet er sich kurz, aber nicht unfreundlich. * * Als Ole in die Trompetenschenke kommt, findet er Tot« krank. Der Arzt ist schon bei ihm gewesen. Er hat Ruhe und Schonung verordnet, nach der Feststellung daß durch Unterernährung und allgemeine Körperschwäche ist« Atmungsorgane angegriffen sind. Als Ole an seinem Bett Platz nimmt, schläft der Kranke fest- Er liegt wie ein Toter in den Kissen, seine Nase ist ganz spitz. Mötzlich macht Toto rmf. .GMeLung folatL