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Sinnspruch. Fester Grund sei deinem Ich: Nie dein Wort zu brechen; Drum vor allem hüte dich, Großes zu versprechen. Aber, auf dich selbst gestellt, Handle groß im Leben, Gleich, als hättest du der Welt Drauf dein Wort gegeben. Gehorsam und Autorität iu der Erziehung. Von Werner Rautenberg. Dom 5. bis 11. Februar findet die diesjährige Reichserziehungswoche, statt, die der Evangelische Reichselternbund in Verbindung mit zahlreichen an deren Bünden und Organisationen veranstaltet. Das Thema der Reichserziehungswoche 1933, Vas in zahl reichen Elternversammlungen, Vortragsabenden und dergleichen behandelt wird, lautet: „Für Neubegrün dung der Autorilät in der Erziehung." »Ich will nicht! Ich will nicht!" Wem tönt mcht das Geschrei eines Dreijährigen in den Ohren, der hartnackig an der Hand feiner Mutter zerrt und, eigen- sEH mit dem Fuß tretend, seinen Willen durchsetzen will. iue arme Mutter ist verzweifelt. Das hat sie von ihrem Kind nicht erwartet. Und doch ist es eine Durch gangssätze menschlicher Entwicklung, durch die jedes Kind gehen muß. Es ist die Zeit, in der das Kind die Grenzen, die ihm Vater, Mutter, Geschwister und andere Menschen sttzen, zu durchbrechen sucht und zu erkennen beginnt, wie weit es in seinem Eigenanspruch gehen darf. Zum erstenmal taucht die Frage nach Gehorsam und Autorität bei den Eltern in ihrer ganzen Schwere auf. Es genügt ja nicht, daß die Eltern willens- M bleiben und das Kind meistern. Manche Tat des Kindes ist gar kein Trotz, sondern nur eine unbewußte Befriedigung körperlich-seelischer Triebe, die zum gedeih lichen Wachstum des Kindes nötig sind und nicht unter drückt werden dürfen. Wieviel leichter ist daher die Er ziehung des zweiten Kindes schon als die des erst geborenen. Man hat schon Erfahrung gesammelt und weiß, daß manches kein Ungehorsam ist, was so scheint, und daß eine Anordnung erst dann auf unbedingte Durch führung Anspruch machen kann, wenn sie sinnvoll ewigen Erziehungsgesetzen folgt und sich in Einklang mit Alter und Eigenart des Kindes setzt. Das gilt in jedem Fäll. Auch für die Schulpflicht, die das Kind unter den Ge- borsamsanspruch von Haus und Schule stellt, und noch ausgesprochenermaßen für die Reife- oder Pubertätszeit. Schule und Haus müssen dem Kind als Einheit er scheinen. Es darf kein Widerspruch in ihrem Autoritäts auspruch entstehen, der das Kind hin und her reißt. Solchem Widerspruch konnten die Eltern im letzten Jahrzehnt nicht immer aus dem Wege gehen. Die Schule wuchs immer mehr über ihren eigentlichen Aufgabenkreis hwaus und entzog das Kind zunehmend dem Hause. Die Notzeit, die auch über die Schule herein gebrochen ist, hat dem in mancher Hinsicht ein Ende ge wacht. Die Ansprüche der Schule sind heute herab geschraubt. Anschaffungen, Ausflüge und was sonst Kosten verursacht, sind auf ein bescheidenes Mo»' gemin dert, die Schule biegt wieder in die schlichteren Formen ein, die in der Mehrzahl der Elternhäuser herrschen. Manche Spannung zwischen Elternhaus und Schule schwindet. Man findet sich in gemeinsamer Einfachheit. Diese Ein- sachheit gilt aber auch für das E r z i e h u n g s g a n z e. Vorbei ist die Zeit — auch unter dem äußeren Zwang der Erhöhung der Klassenziffer und des Lehrerabbaues —, wo man jede Eigenart des Kindes entwickeln wollte, sich vor der „Majestät" des Kindes allzu tief beugte und den Hehrer beiseite schob, ihm nicht die Rolle eines Führers, LHwrlZkt hx dlmtio keucbtnanZer, lissis (8sa!e) s30 August selbst war vorsichtig genug, seine Papiere immer bei sich zu führen und seine Wertsachen in das Safe zu geben, das den Passagieren zur Verfügung stand. Als August zum ersten Male den Bankraum betreten wollte, stieß er mit einer Dame zusammen, das heißt, die Dame stieß auf ihn, da sie den Kopf, zurücknickend, dem Beamten des Bankraüms zugewandt hatte. Sie trat daher mit ihrem hohen Absatz ziemlich derb auf Augusts Stiefelspitze. „Pardon!" sagte sie dann erschreckt, errötete und setzte ihren Weg fort. August sah ihr nach, während sie graziös dahinging. Diese Frau gefiel ihm, ein liebenswürdiger Charme lag über der ganzen'Erscheinung. Schlank und biegsam war der ebenmäßige Körper, der in ein einfaches und sehr schickes Tuchkleid gehüllt war. Der Kopf war von eigenartiger Schönheit, das hatte August sogar in dem kurzen Augenblick gesehen. Die Schönheit dieser Frau söhnte ihn sogar mit den Schmerzen aus, die er an dem getretenen Fuß spürte und die er nicht so schnell wieder los wurde. Von diesem Augenblick an interessierte sich August für die Reisegesellschaft. Bald hatte er feine schöne Un bekannte entdeckt. Am Nachmittag, als er das große Promenadendeck hinunterschritt, sah er sie in Begleitung einer anderen Frau. In diesem Augenblick trat ein Herr zu den beiden Damen, in dem August seinen Kabinengenossen erkannte. Er wollte grüßend vorübergehen, als Herr van Jolliet aukihnLutrat, sondern nur des Kameraden als Gleichen unter Gleichen geben wollte. Daß die Jugend auf die Dauer diese Art von Erziehung selbst üblehnt, zeigt der Umstand, daß sie in großen Scharen den Bünden zugeströmt ist, wo der Führer auf der Grundlage strengen Gehorsams Gefolg schaft verlangt. Auch die Schule muß den Weg neuer Autorität gehen. Das heißt nicht Rückfall in Methoden, die das Leben der Gegenwart überholt hat. Auch im Arbeits unterricht kann das Prinzip der Autorität walten. Es bedeutet dann, daß nicht bedingungslos das Eigen leben des Kindes gilt, sondern Lehrer und Schüler den Ordnungen höherer Art unterstellt sind. Das ist der Kern punkt jeder Autorität überhaupt. Eltern und Erzieher haben kein Recht auf Eigenautorität, die an der Grenze zur Willkür liegt, sondern, wenn sür das Kind Gehör- s a m das Leitwort ist, das zur Autorität sührt, so für die Erzieher das damit verwandte Wort des Horchens. Horchen auf die Gesetze der Erziehung, die zur Einord nung in die großen Gemeinschaften von Familie, Volk, Staat und Kirche rufen, und horchen auf die Eigenart eines Kindes und von dieser Eigenart aus das Kind zu den höheren Ordnungen führen und sich ihnen gemeinsam mit dem Kind unterstellen — das i st Autorität. Und das ist, was Familie und Volk gesund erhält. Selbsthilfe und Aufbauwille. Rückblick aus die Landwirtschaftswoche. Aus der großen Zahl der Sitzungen und Beratungen, die eine ganze Wiwterwoche lang diedeutschenLand- wirte in Berlin beschäftigt haben, heben sich auch für den Nichtlandwirt zwei Veranstaltungen heraus, die das Verhältnis der Landwirtschaft zum Volksganzen betreffen. Vor etwa an^rltzalbtausend Zuhörern behandelte der Präsident des Statistischen Reichsamtes, Geheimrat Prof. Dr. Wagemann, die Beziehungen zwischen Landwirtschaft, Industrie und Verbrauch und kam dabei zu dem Ergebnis, daß noch etwa ein Viertel des Gesamtvolkes, wenn man von der Arbeit der Land frauen absehe, in der Landwirtschaft beschäftigt sei, während auf dieses Viertel nur 15 Prozent des Volks- einkommens entfalle, also beträchtlich weniger, als ihrer Arbeit entspreche. Er erkannte auch an, daß die Landwirtschaft durch die Konjunkturschäden schwerer be troffen werde als die zu schnellerer Umstellung fähige Industrie. Es sei ein besonderes Unglück, daß nach dem Weltkriege Industrie und Landwirtschaft gleichzeitig von einem Niedergang betroffen worden sind, tvährend außer dem das ganze Volk seine letzten Spargroschen verbraucht habe. Die Feststellung, daß die Landwirtschaft ganz aus die Kaufkraft der Industrie angewiesen sei, während sie selbst nur höchstens ein Fünftel der industriellen Erzeugnisse abnehme, rief dann Wagemanns greisen Lehrer, den Geheimrat Sering, auf den Plan, der entgegnete, daß ohne die Landwirt schaft die Industrie überhaupt nicht arbeiten könne. An schließend sprach dann Professor Dr. Nies-Bornim über Rationalisierung und Arbeitslosigkeit und wies die Behauptung zurück, daß die Rationali sierung an der Arbeitslosigkeit schuld sei. Wir können leicht in die Gefahr geraten, bei einer wirtschaftlichen Belebung mit der mangelnden Rationalisierung ins Hintertreffen gedrängt zu werden. In der Familien- wirtschaft freilich tauge die Rationalisierung nur dann etwas, wenn sie nichts kostet. Bedeutsam waren auch die Ausführungen von Ritter gutsbesitzer Dr. e. h. Vogelsang-Ebersbach über Staats hilfe und Selbsthilfe. Beide können nur bei planmäßigem Zusammenwirken etwas nützen. Die Not der übrigen Bevölkerung zwingt die Landwirte, mit ihrer Erzeugung möglichst auf die Gebiete auszuweichen, wo wir noch von ausländischer Einfuhr abhängig sind. Por allem aber gelte es, alle Möglichkeiten zu durch denken, die noch zu einer « Fördert die Ortspresse » Verbesserung und Verbilligung der landwtrkfchaskNche« Erzeugung offenstehcn. Daß es solche Wege noch gibt, hat die diesjährig! Wintcrtagung der DLG. auf allen Gebieten gezeigt. In der Fütterung der Nutztiere, in den Anbaumethoden, im Absatz, in den Geräten, überall werden schrittweise und unter schwerer Arbeit Fortschritte erzielt, die sich selbst verständlich nicht für die Gesamtheit aller landwirtschaft lichen Betriebe von heute auf morgen verwerten lassen Das kann namentlich jetzt, wo es überall an Geld zu Anschaffungen fehlt, niemand verlangen. Aber schon die Tatsache, daß zu einem Zeitpunkt, der wirklich nicht dazu ermutigt, sich aus Umstellungen einzulassen, viele Landwirte ihr sauer er spartes Geld daranzusetzen, um acht Tage lange vom frühen Morgen bis zum späten Abend an dem großen volkstüm lichen Hochschulkursus teilzunehmen, den diese Winterveranstaltung nachgerade darstellt, die Tatsache, daß sämtliche trocken-sachlichen Fachvorträge bis auf den letzten Platz gefüllt waren, und zwar überwiegend von Kleinbauern, ist verheißungsvoll. Mit Neckt konnte zum Schluß der Tagung auf der Hauptversammlung ge sagt werden, daß die Not der Zeit wenigstens das eine nicht vermocht hat, den Mut und den Willen zur Arbeit und zum Lernen im deutschen Landwirt zu beugen. Dazu stimmt auch, daß bei aller Betonung der Spar samkeit auf jedem nur möglichen Gebiet in einer Hinsicht „Ansprüche" gestellt wurden. Die Forschung und das Schulwesen dürfen nicht eingeschränkt werden. Wiederholt beschäftigte man sich mit den Möglichkeiten, die ländlichen Volksschulen zu verbessern, die keine verschlechterte Nachbildung der Stadtschulen werden dürften. Was die Arbeit unserer Forschungsstellen jedem einzelnen einbringt und erspart, wurde unumwunden anerkannt, zumal dafür gerade diese Tagung wieder die besten Beweise erbracht hat. Mr die Sicherheit des Sparers. Der Reichswirtschaftsminister über die Frage der Zinsscnkung. In einer Unterredung, die ein Pressevertreter mit Keichswirtschaftsminister Dr. Hugenberg hatte, erklärte dieser u. a.: Sie legen mir eine Reihe von Fragen vor, die sich auf die angeblichen wirtschaftspolitischen Pläne der neuen Negierung beziehen. Wohin im allgemeinen meine wirtschaftspolitischen Auffassungen gehen, brauche ich nicht darzulegen, da ich ja in dieser Hinsicht kein un beschriebenes Blatt bin. Wie und wo im einzelnen die Vielen brennenden Fragen anzufassen sind, möchte ich mit derjenigen Ruhe entscheiden, die man auch in unruhigen Zeiten nicht verlieren soll. Zu üb ereilten Experi menten ist die Zeit ebensowenig angetan wie für Passivität. Ich bitte freundlichst davon aus zugehen, daß alles falsch ist, was in diesen Tagen über wirtschaftspolitische Absichten geschrieben wird, wenn es nicht von mir kommt. Insbesondere bin ich mir dar über klar, daß es eine Börse gibt und daß es nicht die Aufgabe des Wirtschaftsministers sein kann, zu speku lativen Entwicklungen Anlaß zu geben. Mir scheint, daß diejenigen schlecht beraten sind, die aus unseren Renten- markt drücken. Zwangseingriffe in die bestehen den Zinsvereinbarungen, wie sie die Dezemberverordnung des Kabinetts Brüning enthielt, entsprechen meinen wirt schaftspolitischen Auffassungen ebensowenig wie sonstiges Herumpfuschen des Staates an Dingen, die sich organisch aus sich selbst entwickeln können. Damit vertrete ich natürlich nicht die Theorie vom Staate als Nachtwächter. Daß Staat und Wirtschaft an einer organischen Senkung des übermäßig hohen Zinsfußes gleichmäßig interessiert sind, bedarf keines Wortes. Auch für den Gläu biger ist die oft bedrohte Sicherheitdes Sparkapi- täls wichtiger als die Höhe des durch die organische Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse bedingten Zinsfußes. Darum gibt es in Wahrheit keinen Gegensatz zwischen Schuldnern und Gläu bigern. Ihr gemeinsames Interesse besteht in der Wiederherstellung der Sicherheit, d. h. des Ver trauens. „Einen Augenblick bitte, Herr Doktor Richter. Madame Wintöre möchte sich bei Ihnen entschuldigen. Darf ich bekannt machen: Herr Doktor Richter — Madame Madelon Wintere — meine Schwester Joe Nowakowska." August Richler verbeugte sich. Jetzt, beim Hellen Tages-, licht, war er vor dem Gesicht seines Kabinengenossen fast erschrocken. Man sah jetzt erst, wie verlebt dessen Züge waren. Und auch seine Schwester gefiel ihm gar nicht. Die kosmetischen Mittel konnte die Verderbtheit der Züge nicht ganz verdecken. Ein leises Mißtrauen für Madelon Wintere war deshalb in ihm wach geworden. Daß sie sich gerade mit diesen Menschen eingelassen hatte? „Es tut mir so leid, Herr Doktor, daß ich Ihnen gestern auf den Fuß getreten bin. Hoffentlich tut es nicht mehr weh?" „Oh, bitte, gnädige Frau, es war nicht so schlimm." Es entwickelte sich ein Gespräch, und August gefiel die schöne Frau immer besser. Es machte sich von selbst, daß die vier bei der Abendtafel einen gemeinsamen Tisch be kamen. Joe und Titus waren mit den Ereignissen sehr zu frieden. Es war gut für ihre Pläne, wenn Magdalene Gesellschaft fand und abgelenkt wurde; sie beide hatten dann leichteres Spiel. Magdalene war nicht so aus schließlich auf ihre Gesellschaft angewiesen, sie hatten mehr Zeit füreinander. Schon am selben Abend, als Magdalene mit Doktor Richter tanzte, benutzten Joe und Titus die Gelegenheit, sich unauffällig aus dem Saal zu entfernen und nach dem entlegenen Achterdeck hinüberzugehen. „Ich sage dir, Titus, bis Genua müssen wir fertig sein. Ich habe das dumme Getue dieser Tippmamsell satt. Aber Titus, wir müssen auf der Hut sein vor diesem Doktor. Der Mann gefällt mir gar nicht." „Hör' schon auf, Joe. Was haben wir von diesem Dummkopf zu fürchten?" „Du weißt, meine Ahnungen haben mich selten be trogen. Dieser Dummkopf ist gefährlich, du kannst es mir stauben. Was ist er denn eigentlich?" „Ich weiß es nicht." „Du scheinst dich aber sehr zu deinem Nachteil ver ändert zu haben, lieber Titus. Seit zwei Tagen wohnst du mit diesem Mann in derselben Kabine und hast noch nicht einmal herausgebracht, wer dein Kabinengenosse ist? Ich sehe schon, ich muß die ganze Geschichte wieder allein auf mich nehmen." „Du bist ja auch viel raffinierter als ich, Katze; kannst das viel besser." „Diese dummen Schmeicheleien darfst du ruhig für dich behalten, Titus, daraus mache ich mir nicht viel. Hast du wenigstens in der Liste nachgesehen, ob sonst noch irgend etwas zu machen ist?" Titus van Jolliet zog einen Zettel aus de^ Westen tasche und überreichte ihn Joe. Dann hob er den Kopf; man vernahm das Geräusch von Schritten. „Schau, Joe, dort drüben das Ehepaar. Das ist der Bankier mit seiner Frau, die als zweite auf der Liste stehen. Pass' auf!" Als das Bankiersehepaar näher kam, standen die Ge schwister an der Reling, die Schönheit des Abends genießend. Joe und die Bankiersgattin hattM einander schon flüchtig kennengelernt; jetzt schloß man Lllgemeine Bekanntschaft. „Es ist schön heute abend!" sagte Frau Reichmann. „Es ist schade sür jede Minute, die man drinnen im Saal verbringt." Joe sah, daß die dickliche Frau wundervollen Schmuck trug; vor allem siel ihr ein mit großen Brillanten besetztes Armband in die Augen. „Haben Sie meine Freundin unten gesehen?" fragte sie jetzt. „Ja! Madame Wintöre ist eifrig beim Tanzen. Wenn man noch so jung ist, hat man mehr Freude daran, als an allem anderen. Aber warum sind Sie nicht unten, Fräu lein Nowakowska? Es gibt genug Männer, die sich freuen würden, mit einer so schönen jungen Dame tanzen zu dürfen. Oder ist der Herr Bruder so streng?"