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Nr. 41 PAPIER-ZEITUNG 1455 Berichte aus Schweden Stockholm, Banergatan 10 II, 6. Mai 1897 Meine im letzten Bericht geäusserte Ansicht über die schwedischen Arbeiter gilt nur für die im Norden Schwedens, in Dalekarlien, denn in Süd-Schweden habe ich einen ganz anderen Arbeiterschlag ange troffen, was mir besonders beim Besuch von Holmens Bruk in Norr- köping auffiel. Mir scheint es, als ob die Arbeiter im Norden Schwedens sich noch nicht so recht an einen geregelten Fabrikbetrieb gewöhnen können, da derselbe etwas ganz Anderes verlangt, als das Holz fällen und -Verkohlen oder der Fischfang. Der Fischreichthum in den unzähligen Seen hier ist sehr gross, 1 kg Hecht kostet infolgedessen auf dem Lande nur 7b Oere, ebensoviel wie 1 kg Rind fleisch (ausgesuchtes Rindfleisch ohne Knochen kostet eine Krone das Kilogramm). In dem Ausstellungs-Gebäude, das die grossen Holzhändler und Waldbesitzer aus dem Norden Schwedens und Norwegens errichtet und wo sie alle möglichen Holzarten ausgestellt haben, erregt unter verschiedenen prachtvollen Stämmen die Wurzel einer Fichte Aufsehen, die im Durchmesser, meiner Schätzung nach, etwa 15 —18 m spannt. Wenn man solche Wurzeln sieht, die sich in Hunderten von Adern nach allen Richtungen hin ausbreiten, begreift man, wie ein solcher Stamm mit wenig Untergrund, auf Felsen stehend, gedeihen kann. Die Zeit des Wachsthums der nordischen Fichtenwaldungen schätze ich nach meinen hier gemachten Erfahrungen dreimal so lang, als in deutschen Wäldern. Um so mehr erscheint es mir geboten, dass man in Bezug auf Forstwirthschaft mehr thut, als bisher geschieht. Da Abfuhrwege bei den im Norden liegenden, vielfach unzugänglichen, kolossalen Waldungen fast nicht existiren, so schafft man nur im Winter die gefällten Stämme mit Pferden und auf Schlitten zu den zugefrorenen Seen, auf denen man sie im Frühjahr bei offenem Wasser mit wenig Mühe bis zu den Fabriken und [grossen Sägewerken befördert. Den Werth des Holzes, das infolge von Schneebruch verfault, schätze ich jedes Jahr auf Hunderttausende Mark. Beim Fällen der Stämme giebt man sich nicht die Mühe, mit der Axt zu hauen, sondern man sägt den Stamm kurz über der Wurzel ab. Ein sehr nützlicher Baum ist die hier viel vorkommende Birke, die selbst bei — 40° C. nicht leidet. Man schält die Rinde der dickeren Stämme ab und benutzt sie zur Fabrikation von Schachteln oder zur Ausschmückung von Gebäuden usw. Man erzielt dadurch herrliche architektonische Wirkungen. Seitens des Staates werden Schulen unterhalten, um die Kinder auf dem Lande an Handarbeiten zu gewöhnen. Was in dieser Be ziehung geleistet und in der Ausstellung vor Augen geführt wird, ist geradezu erstaunlich. Ueberhaupt thut der Staat viel zum Besten der Allgemeinheit. König Oskar hat ein warmes Herz für sein Volk und sein Land, er greift überall ein, wo er kann. Wer ihn, wie ich, bei der Hundertjahrfeier für unseren seligen Kaiser Wilhelm den Gütigen sah, und ihm ins Auge sehen konnte, wie er in der Kirche stehend mitsang, der muss zugestehen, dass er ein gewisses »Etwas« hat, dsa ihm, wie einst dem seligen Kaiser Wilhelm I., alle Herzen erobert. Ich hatte heute einen schönen Tag in der Ausstellung und besuchte »Alt Stockholm«. Man hat hier ähnlich wie in der Berliner Ausstellung ein »Alt Berlin«, ein »Alt Stockholm« aufgebaut und mit historischer Treue das alte abgebrannte Königsschloss mit einem Theil vom alten Stockholm vor Augen geführt. Die Gebäude sind so täuschend aufgeführt, dass ich zuerst glaubte, es sei Alles aus Stein gebaut, obwohl es nur Holzbauten mit Gipsbekleidungen sind. Sodann besichtigte ich die grossartige Marine - Ausstellung, sowie die der Artillerie. Beide sind fast vollständig fertig. Ich verdanke die Be sichtigung derselben den Herren Kapitän Hermann af Sillen und Major Spak. Von ersterem Herrn, der bei der Eröffnung des Nord ostsee-Kanals zugegen war und unserem Kaiser Wilhelm II. zwei von ihm gemalte Marinebilder verkaufte, wurde mir ebenso wie von Herrn Major Spak Alles in überaus liebenswürdiger Weise gezeigt, beide Herren sprechen ein gutes Deutsch und freuten sich, dass man in Deutschland so viel Interesse für Schweden zeige. Beide Ausstellungen machen einen grossartigen Eindruck, be sonders die der Marine. Alle Schiffe bis zur ältesten Zeit werden in plastischen Nachbildungen vor Augen geführt. Zwei beschossene Panzerplatten, bei denen die Geschosse nicht ganz durchgingen, sind auch für Nicht-Militärs sehr lehrreich. Gestern sah ich in der Ausstellung, wie König Oskar in seiner jovialen Weise überall Einsicht nahm und wie er im Bier-Ausschank »Godthem« d. h. »Gut Heim« zum Frühstück ein Glas hiesiges Bier trank und ein Paar Frankfurter Würstchen mit Kartoffelsalat ass. Mit sichtbarem Appetit verzehrte er Alles und versprach, wenn er immer solche Würstchen bekommen könne, häufiger zu kommen. Es ist zu bedauern, dass die Papier- und Zellstoff-Fabriken nicht alle gemeinsam in einem Bau ausstellen. Die Firmen unseres Faches sind in vielen Gebäuden verstreut und liegen zum Theil so versteckt, dass grosse Ortskenntniss dazu gehört, keinen Aussteller zu übergehen. Die vereinigten Kopenhagener Fabriken stellen unter anderen sehr schönen Sachen auch Normal-Papier nach preussischen Bestimmungen aus. Auf eine Ausstellung im Gebäude für Touristik mache ich schon heute Jeden aufmerksam. Der tüchtige Maler Tiren, der selbst Monate unter den Lappen gelebt hat, schuf ein Panorama, das so natürlich wirkt, dass man sich in nordische Regionen versetzt glaubt. Im Vordergründe ist Schneelandschaft plastisch dargestellt, mit Bäumen, Sträuchern und ruhenden Rennthieren mit ihrem Hirten, der in seiner Landestracht auf einem Rennthiere sitzt. Neben ihm liegt sein treuer Hund. Daran schliesst sich das Gemälde, das eine grossartige Winterlandschaft vorstellt, mit unzähligen Rennthieren, die der Lappe ja in grossen Herden mitführt und mit denen er immer andere Gegenden aufsucht; die Anzahl dieser Thiere bestimmt seinen Reichthum. Im Zenith des sternenfunkelnden Himmels strahlt der Mond. Das Bild wirkt wunderbar- ergreifend auf den Beschauer und zeigt besser, als alle Beschreibungen es vermögen, den hohen Norden in seiner Einsamkeit. Aehnlich, wenn auch nicht so packend, sind in demselben Gebäude Gletscher-Partien usw. aus Norwegen wiedergegeben. * * * ... 10. Mar Heute wurde die neue Brücke von König Oskar eingeweiht und dem Verkehr übergeben. Diese Brücke ist eigens für die Ausstellung gebaut und führt von der schönsten Strasse »Strandwägen« in Ver längerung der Banergatan zum Eingang der Ausstellung. König Oskar kam mit dem Kronprinzen und seinen Gästen, dem Kronprinzen von Dänemark nebst Gemahlin, und besuchte später die Ausstellung. Ich hatte die Ehre, mich als Korrespondent der Papier-Zeitung dem Gefolge anschliessen zu dürfen. König Oskar mit seinen Gästen und der Kronprinz waren in dunklem Zivil-Anzuge. Von militärischen Ab sperrungen kennt man hier nichts. Das Gedränge war infolgedessen sehr gross, aber es machte einen wohlthuenden Eindruck, wie König Oskar mitten im Volk umherging und leutselig mit Jedem verkehrte. Manchem Aussteller, dessen Leistungen ihm auffielen, reichte er die Hand. Ich be gab mich später in die norwegische Abtheilung des Papierfaches. Hier ist äusser »Alvoens Papierfabrik« zu Sergen noch keine Firma mit ihrer Aufstellung fertig geworden. Beifolgend sende ich Ihnen einen Bogen Dokument-Papier aus Alvoens-Fabrik. Der Besitzer der Fabrik ist Herr H. Fasner in Bergen. Er lernte in seinen jungen Jahren (er steht jetzt in den Sechzigern) bei meinem Landsmann Ebbinghaus zu Lehmathe in Westfalen und interessirt sich in hohem Maasse für deutsche Errungenschaften. Seine Fabrik hat nur eine Maschine, die 1864 von Gölzern gebaut wurde, und macht nur feinere Papiere aus Lumpen, Zellstoff und Strohstoff ohne Holzschliff. Die Fabrik besteht seit 98 Jahren, liegt 10 km von Bergen und hat etwa 100 Arbeiter. Ich sende Ihnen in einigen Tagen Muster ihrer verschiedenen Er zeugnisse, unter denen ein Schreibpapier mit dem Bildniss von Nansen mir auffiel. (Die Muster sind angekommen. Nansens Bildniss ist durch geprägtes, also unechtes Wasserzeichen dargestellt. D. Red.) Wenn die Papiere auch nicht an die feinen Dürener Sorten heran reichen, so gefielen mir doch die mittleren Schreib Sorten, auch die liniirten, recht gut, und es ist mir daher erklärlich, dass die Fabrik ihre Erzeugnisse fast durchweg auf eigenem Lande unterbringt. Die Reinheit der Papiere liess im Allgemeinen meiner Ansicht nach etwas zu wünschen übrig; jedenfalls ist die ganze Vorführung geschickt, übersichtlich und verdient alle Anerkennung, um so mehr als man ja im hohen Norden die Rohstoffe nicht so gut beschaffen kann, wie in Deutschland. Hier müssen Lumpen, Strohstoff, Erde usw. für sechs Monate auf Lager gelegt werden, weil im Winter der Bezug zu Wasser unmöglich ist. Es freut mich, melden zu können, dass auch in Skandinavien sich das Bestreben, Normalpapiere nach deutschen Bestimmungen zu arbeiten, immer- mehr Bahn bricht. Wenn man in Berlin schon einen Eintrittspreis von 50 Pf. zur Ausstellung zu hoch fand, so finde ich den hiesigen von einer Krone — 1 M. 15 Pf. entschieden viel zu hoch, am Eröffnungstage kostet sogar eine Karte 10 Kronen, eine Dauerkarte 20 Kronen. Ich glaube, es wäre richtiger gewesen, diese Preise niedriger zu bemessen, wird doch in Paris bei der Weltausstellung der Eintritt nur einen Frank kosten. Die Miethen in Stockholm sind infolge der Ausstellung um etwa 50 pCt. gestiegen, und die Spekulation hat schon so überhand ge nommen, dass man in der Nähe der Ausstellung ein kaum fertig gewordenes Haus, das man aussen erst zu putzen beginnt, schon zu einem Ausstellungs-Hotel gemacht hat. Ich warne Jeden, wenn er keine Gicht haben will, in diesem Hotel abzusteigen. Möblirte Privat- Zimmer sind unter 8 Kronen nicht mehr zu haben und werden bald 5 Kronen täglich kosten. Ich werde mir Mühe geben, Ihnen dem nächst gute und billige Absteigequartiere anzugeben und mich dazu mit dem Vorstande des »Deutschen Vereins« hier in Verbindung setzen. Carl Eichhorn jr. Stanzen einseitig glatter Papiere Zu Nr. 86 Dass einseitig glattes Papier beim Stanzen viel mehr zu Ungleich heiten neigt als zweiseitig geglättetes Normalpapier, steht ja fest; ebenso sicher ist es aber, dass der Grund sehr oft am Bau des Messers liegt. Ich habe z. B. von einer Firma Messer bezogen, bei welchen schon beim Stanzen von 100 Blatt zweiseitig geglätteten Kuvertpapiers Ungleichheiten bis zu 1'/ 3 mm auftraten, wogegen ich mit Messern anderer Herkunft 500 Blatt desselben Papiers ohne Ungleichheiten stanzen kann. Auch hatte ich ein Messer, welches immer, selbst bei 100 Blatt, ungleich stanzte, bei einer anderen Firma umändern lassen, und dieses arbeitet jetzt ohne jeden Tadel. Q.