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Das Verderben feuchten Holzschliffs von Dr. Paul Klemm in Leipzig Die Naturwissenschaften sind offenbar viel mehr noch und in noch ganz anderen Richtungen, als bisher von ihnen Nutzen gezogen wird, befähigt, auch in Aufgaben des praktischen Lebens, besonders des industriellen, zu helfen. Das Heranziehen der Naturwissenschaft zur Lösung solcher Aufgaben halte ich nicht nur für etwas Wünschenswerthes, sondern geradezu für ein Erforderniss unserer Zeit. Aus dieser Ueberzeugung heraus bemühe ich mich, auch zu handeln, wenn sich Gelegenheit dazu bietet. Durch meine Beziehungen zur Papierindustrie mit dem vertraut, was dieselbe gerade bewegt, lag es mir nahe, die Gelegenheit, die sich bei dem Preisausschreiben des Vereins Deutscher Holzstoff-Fabrikanten zur Erlangung einer Konser- virungsmethode bot, zu ergreifen, um hier mit den Mitteln, die bereits vorhandene Errungenschaften oder die Anwendung von Untersuchungsmethoden der Wissenschaft an die Hand geben, zur Lösung der Aufgabe beizutragen. Es ist ja wohl möglich, dass ein glücklicher Griff zur Auf findung eines sicher wirkenden, in überraschender Weise alles weitere Suchen ersparenden Konservirungsverfahrens führt. Aber, wer kann das wissen? Die Wahrscheinlichkeit, dass sich Glücksumstände verwirklichen, ist doch immer nur gering. Erfüllen sie sich nicht, so bleibt nur der allerdings oft mühevolle und mit einem nicht geringen Aufwande an Zeit und Arbeitskraft verbundene Weg, der aber schliesslich noch immer zum Ziele geführt hat, übrig, sich an die grosse Lehrmeisterin Natur selbst zu wenden, d. h. sachgemässe, mit zweckent sprechender Fragestellung vorbereitete Versuche anzustellen. Diese müssen zunächst auf die Gewinnung einer möglichst genauen Kenntniss der am Verderben betheiligten Organismen und ihrer Lebensbedingungen hinauslaufen. Je genauer wir mit den Organismen und ihren Lebens- Bedingungen, den Verhältnissen, die sie fördern und die ihnen schaden, vertraut sind, um so mehr werden wir darauf An wartschaft haben, die unter allen Umständen sicher wirksamen Mittel zur Verhinderung der Entwickelung festzustellen. Unter den wirksamen Mitteln wären dann nur die anwend baren herauszusuchen, die auch einfach genug zu handhaben sind, denn es ist klar, dass allerlei Rücksichten der Verwendung mancher vielleicht sehr wirksamer Mittel Beschränkungen auf erlegen. In dem vorliegenden Aufsatz will ich es mir zunächst nur zur Aufgabe machen, die Organismen, welche auf Holzschliff sich zu entwickeln geneigt sind, insbesondere aber die, welche bei dem Verderben betheiligt sind, zu besprechen, sowie das, was ich bisher über die Verbreitung und das Eindringen der Keime — ein sehr wichtiger Faktor — erforscht habe. Ueber die Lebensbedingungen und die Mittel zur Beseitigung werde ich einstweilen nur im Allgemeinen die Richtung be sprechen, in der man die Mittel für die erfolgreiche Bekämpfung des Uebelstandes zu suchen hat. Eine Veröffentlichung bis ins Einzelne lassen mir die Vereinbarungen mit dem Verein Deutscher Holzstoff-Fabrikanten noch nicht statthaft erscheinen. Allerdings scheint vor der Hand infolge des plötzlichen Aufschwungs auch der Holzstoff - Fabrikation das Interesse an der Sache verloren oder doch in den Hintergrund gedrängt worden zu sein. So erfreulich der Beweggrund hierfür ist, so wird es doch klug sein, wenn die Holzstoff-Industrie, gerade weil sie jetzt gute Zeiten hat, nicht unterlässt, an die Zukunft zu denken. Ueber kurz oder lang kann die Kenntniss der Maassnahmen, welche zu treffen sind, um Holzschliff lange Zeit unverdorben aufzubewahren, doch wieder praktischen Werth erlangen. Der Beginn des Verderbens feuchten Holzschliffs ist in der Regel die Bildung dunkler Flecke, die an Umfang allmälig mehr und mehr zunehmen. Im weiteren Verlauf des Verderbens treten dann andere Flecke auf: grünliche, violette, braune gelbe, auch rothe. Schliesslich ist wohl die Pappe auch im Ganzen vollständig blaugrau geworden, besonders an den Bruchstellen; nur kleine Inseln, an denen benachbarte Bogen sehr dicht aufeinanderlagen, haben noch die ursprüngliche Farbe bewahrt. Ausserdem stellen sich früher oder später, besonders an der Aussenseite der zu Stössen aufgeschichteten Pappen, sehr häufig noch russartige, konzentrische Ringe bildende Flecke ein; sie sind indessen nur oberflächlich, der Stoff selbst wird an den betreffenden Stellen nur gelblich oder bräunlich, oft nicht einmal das. Alle diese Veränderungen sind der äusserliche Ausdruck einer Reihe verschiedener Vorgänge, die zum Theil auf der verderblichen Wirkung gewisser Organismen beruhen, zum Theil aber auch durch rein chemische Vorgänge hervorgerufen sind. Auch sind die Organismen, die sich auf Holzschliff ent wickeln, keineswegs alle in gleichem Maasse für den Werth des Stoffes gefährlich. Neben den Organismen, deren Vorhandensein sich leicht verräth, weil sie selbst farbig sind oder in ihrer Umgebung Farbstoffe erzeugen, kommen aber im Holzschliff auch solche vor, die nicht gefärbt sind und deshalb der Beobachtung mit blossem Auge leicht entgehen. Die Bedeutung dieser Pilze ist aber durchaus nicht zu unterschätzen, weil durch ihre Entwickelung die Festigkeit des Holzschliffes stark leiden kann, sodass die daraus gefertigten Papiere ganz morsch und brüchig werden. Als schlimmste Verderber haben insbesondere die dunklen, bräunlich- oder grünlich-schwarzen Pilze zu gelten, die, den Stoff vollständig durchsetzend, sich in der Bildung dunkler, ziemlich scharf umschriebener Flecke oder grauer Wolken äussern. Sie sind deshalb so schlimm, weil sie auch im Papier garnicht zu beseitigende Flecke bilden und, wenn sie massen haft auftreten, auch die Festigkeit beeinträchtigen. Diese Organismen werden wir deshalb hauptsächlich ins Auge zu fassen haben. Sie sind ausserdem sehr widerstandsfähig und entwickeln sich noch unter Verhältnissen, unter denen dies andere Pilze garnicht mehr vermögen. Bei der besonders unter Einfluss mancher Fabrikations- Wässer sich sehr bald einstellenden Verfärbung in ein hässliches Blaugrau sind Organismen entweder garnicht, oder nur in untergeordneter, nebensächlicher Weise betheiligt. Diese Ver färbung ist eine Eisenreaktion. Sie beruht darauf, dass im Wasser gelöste Eisensalze mit dem im Holz stets enthaltenen Gerbstoff eine schwarze Farbe erzeugen, übrigens dieselbe Reaktion, auf der auch die Herstellung der Eisengallustinte beruht. Die Reaktion braucht nicht sofort mit voller Intensität auf zutreten. Man wird sich fragen, woher kommt dies und worin ist es begründet, dass an solchen Stellen, wo die Pappen dicht aufeinanderliegen, die Veränderung gänzlich ausbleibt, sodass weisse Inseln auf dem im Uebrigen grauen Grunde zu sehen sind? Es kommt daher, dass der vorhandene Gerbstoff nur mit Oxydsalzen, nicht mit Oxydulsalzen reagirt. Viele Oxydul- Salze werden aber durch atmosphärische Einflüsse leicht in Oxydsalze übergeführt. Deshalb bleibt an den Stellen, wo die Luft nicht hinzu kann, die Reaktion aus. Bei längere Zeit lagernden Pappen sind die Bruchstellen, besonders die nach aussen gerichteten, am intensivsten gefärbt, sie enthalten dementsprechend auch ausserordentlich viel Eisen. Bei der Prüfung einer solchen blaugrau gewordenen Pappe mit gelbem Blutlaugensalz war die Eisenreaktion so stark, dass au den Bruchrändern eine tief stahlblaue Färbung eintrat. Diese Erscheinung rührt daher, dass das Wasser, welches an den Stellen, wo stärkere Verdunstung stattfinden kann, nach gesaugt wird, stetig etwas gelöstes Eisen mit sich führt, sodass dort, wo zugleich auch der Luftzutritt die Reaktion begünstigt, allmälige Anreicherung stattfindet. Es sind in solchen Pappen wohl auch Mikroorganismen zu finden, aber durchaus nicht immer. In ursächlichem Zu sammenhänge müssen sie also mit der in Rede stehenden Er scheinung nicht stehen. Wirkt solcher Holzschliff auch ungünstig auf die Farbe des Papiers ein, so wird doch wenigstens das Papier nicht gerade fleckig; dass solche grauen Stoffe nicht gern gekauft und niedriger bewerthet werden, ist selbstverständlich. Dieser Uebelstand lässt sich meist auf verhältnissmässig leichte und einfache Weise beseitigen, je nach den Verhältnissen durch Entfernung des Eisens oder Ueberführung desselben in eine unschädliche Verbindung. Die buntfarbigen Flecke sind zwar auch sehr unangenehm, zumal, wenn sie auftreten, der Holzschliff gewöhnlich auch im Uebrigen schon stark vermodert, oder zum Vermodern ge neigt ist; aber das Entstehen derselben setzt ganz abnorme Verhältnisse oder grobe Vernachlässigungen in Bezug auf Wahl des Holzes und Reinlichkeit voraus. Die Pilze, welche hier in Betracht kommen, sind eine ganze Reihe von Schimmelpilzen: unser grüner Pinselschimmel (Penicillium glaucum), grüner Kopfschimmel (Aspergillus glaucus), auch Brodschimmel und verwandte Arten (Mucorineen). Selbst Hefepilze und Bakterien stellen sich schliesslich ein.