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Nr. 20. PAPIER-ZEITUNG. 595 Die Schreibpapiere des Papier-Kleinhandels. Von W. Herzberg-Charlottenburg. Wie bereits in der Papier-Zeitung 1894, Nr. 85 mitgetheilt wurde, hat Herr F. W. Abel, Papier-Grosshändler in Magdeburg, in einer von ihm verfassten Schrift »Die Reform des Papier- Kleinhandels« von neuem auf die Gefahr aufmerksam gemacht, die den Aktenbeständen dadurch droht, dass das Publikum zu seinen Eingaben an die Behörden jede beliebige Papiersorte ver wenden darf. Dass unter diesen Umständen auf die Güte des Papiers wenig Rücksicht genommen, sondern vorzugsweise billige und minderwerthige Waare verwendet wird, dürfte nicht über raschen. Aber noch auf einen anderen Punkt lenkt Abel die Aufmerksamkeit des Lesers, und auf diesen soll hier näher ein gegangen werden; der Verfasser führt an, dass man vielfach auch bei bestem Willen nicht in der Lage sei, in den Papier- Kleinhandlungen gutes und dauerhaftes Papier zu erhalten. Um die Richtigkeit der Abel’schen Behauptung zu prüfen, dass im Papier-Kleinhandel das richtige Verständniss für wirklich gute Waare vielfach fehle, und dass man daher auch beim Fordern bester Papiere vorwiegend solche erhält, welche diese Bezeichnung nicht verdienen, wurde durch einige Beamte der Versuchsanstalt, welche sich als solche nicht zu erkennen gaben, in 35 Papier geschäften Berlins und einiger Vororte je eine Probe Papier von 10 bis 12 Bogen im Reichsformat aufgekauft. Die Muster wurden unter Bezeichnungen gefordert, wie sie im grossen Publikum zur Kennzeichnung besserer und bester Papiersorten gebräuchlich sind, nämlich als: Bestes Konzeptpapier, gutes Schreibpapier, recht haltbares Schreibpapier, gutes Akten-Konzeptpapier, gutes Akten-Schreibpapier, Dokumentenpapier, bestes Urkundenpapier. Diese Bezeichnungen, denen beim Einkauf keine aufklärenden Bemerkungen hinzugefügt wurden, sollten dem Verkäufer die Ueberzeugung verschaffen, dass dem Käufer daran gelegen war, nur ein gutes und dauerhaftes Papier zu erhalten, umsomehr, als der geforderte Preis ohne jeden Einwand gezahlt wurde. Bei der Auswahl der Geschäfte wurde darauf gesehen, dass nur in solchen Handlungen gekauft wurde, welche sich in ihrer Firma oder in ihren Ankündigungen als Schreibmaterialien-Hand- lungen bezeichneten, und von denen man erwarten konnte, dass der Papierverkauf einen wesentlichen Theil ihres Geschäftes aus machte; aus Geschäften hingegen, welche den Papierverkauf nur nebenbei betreiben, wie man es vielfach in Kolonialwaaren-, Spielwaaren-, Cigarren- usw. Handlungen beobachten kann, wurden keine Proben entnommen. Bei jedem Einkauf wurde gleichzeitig die Bekanntgabe des Preises für 1000 Bogen des gekauften Papieres gefordert unter der Voraussetzung, dass dieser Posten mit einem Male entnommen würde; an das Aeussere des Papiers wurden keinerlei Anforderungen gestellt, vielmehr die Proben ohne jeden Einwand genommen, wie sie der Verkäufer übergab. Die entnommenen 35 Proben wurden dann in der Versuchsanstalt zur Ermittelung der Stoff- und Festigkeitsklassen eingehend unter sucht. Die Einzelergebnisse der Prüfungen sind in Heft 5 und 6 der »Mittheilungen« 1894 niedergelegt. Mit Rücksicht auf die Bezeichnung der geforderten Waare, sowie auf die hierfür verlangten Preise erwartete die Versuchs anstalt mit Sicherheit, dass der weitaus grösste Theil der Papiere den ersten Verwendungsklassen der amtlichen »Vorschriften« etwa höchstens herunter bis zur Klasse 3 b angehören, und dass nur einzelne Sorten den niedrigen Klassen 4 a und 4 b entsprechen würden; in den Proben Vertreter der Klasse 6 zu finden, welche die Papiere zu untergeordneten Zwecken für den täglichen Verkehr enthält, wurde überhaupt nicht vermuthet. Die nachfolgende Aufstellung zeigt, wie wenig dieser Erwartung entsprochen wurde, wie im Gegentheil die meisten Papiere zur Klasse 6 gehören, und nur wenige den besseren Klassen eingereiht werden können. Von den untersuchten 35 Papieren gehörte 1 Papier = rund 3 pCt. zur Verwendungsklasse 1 1 » = n 3 » » » 2 a 1 » = » 3 r » » 2b 2 » = » 5 » » » 3a 1 » = 3 » n » 3 b 9 » = » 26 » » » 4a 1 » = » 3 » » » 4b 19 » = » 54 » » » 6 Auf Grund der »Vorschriften« könnten also von den unter suchten 35 Papieren nur 6 — 17 pCt. als gute Aktenpapiere bezeichnet werden, während rund 29 Papiere = 83 pCt. zu dauernder Autbewahrung in den Akten nicht geeignet wären. Von den letzteren 83 pCt. eignen sich 29 pCt. zu Schrift stücken, welche einige Jahre in den Akten aufbewahrt werden sollen, und 54 pCt. gar nur zu Schriftstücken, welche dem täg lichen Verkehr dienen und an welche Ansprüche auf Dauerhaftig keit nicht gestellt werden. Die Einreihung der 54 pCt. in die Verwendungsklasse 6 musste bei einigen Papieren infolge des zu geringen Widerstandes gegen Zerknittern und Reiben erfolgen, obwohl bei der Feststellung des letzteren in der denkbar mildesten Weise vorgegangen wurde; Holzschliff war nur bei zwei Papieren vorhanden, der für die Klasse 4 b noch zulässige Aschengehalt von 15 pCt. war bei 6 Papieren überschritten. Hinsichtlich der Leimung genügte das Papier Nr. 35 nicht den an Schreibpapier zu stellenden Anforderungen; das Papier Nr. 30 konnte nur eben noch als leimfest bezeichnet werden. Drei von den untersuchten Papieren enthielten vorschrifts mässige Wasserzeichen, nämlich die unter Nr. 1, 5 und 12 auf geführten; Nr. 2 und 5 besassen die durch das Wasserzeichen (1 und 3 a) gewährleisteten Eigenschaften, während Nr. 12, welches der Verwendungsklasse 3 b angehören sollte, mehr als 25 pCt. Zellstoff enthielt (etwa 35 bis 40 pCt.) und daher zur Klasse 4 a gerechnet werden musste. Ordnet man die untersuchten Papiere nach den Bezeich nungen, unter denen sie gekauft sind, sowie nach den Klassen, zu denen sie gehören, so ergiebt sich folgende Uebersicht: Art der Papiersorte Bestes Konzeptpapier . . . Gutes Akten-Konzeptpapier . Gutes Schreibpapier .... Recht haltbares Schreibpapier Gutes Akten-Schreibpapier . Dokumentenpapier .... Bestes Urkundenpapier . . . Gehörig zur Verwendungsklasse Diese Tabelle giebt, besonders wenn sie durch zahlreiche weitere Beispiele bereichert wird (es liegt in der Absicht der Versuchsanstalt dies zu thun), einen Anhalt, mit welcher Wahr scheinlichkeit man bei Forderung der angeführten Papiere die einzelnen Verwendungsklassen zu erwarten hat. Soviel geht indessen jetzt schon aus der Tabelle hervor, dass die Wahr scheinlichkeit, beim Einkauf von Papier in den Papier-Klein handlungen ein wirklich gutes, ausdauerfähiges Papier zu erhalten, überaus gering ist, selbst wenn man beim Einkauf beste Waare verlangt und jeden geforderten Preis zahlt. Dies ist eine sehr betrübende Thatsache, auf deren Bedeutung für die Archive der Behörden später noch eingegangen werden soll. Zunächst seien noch einige Bemerkungen über die für die untersuchten Papiere gezahlten Preise gestattet. Wie die umseitige Tabelle ohne weiteres zeigt, kann den Preisberechnungen ein gemeinsames Prinzip, etwa begründet auf die verwendeten Rohstoffe oder die erzielte Festigkeit, nicht zu Grunde gelegen haben, denn es kommen bei Papieren von an nähernd gleichen Eigenschaften Preisunterschiede vor, die voll ständig unerklärlich sind. So kostet von dem Papier Nr. 22 das Kilogramm 43 Pf., während das Papier Nr. 25, welches dem ersteren hinsichtlich der Rohstoffe und Festigkeit sehr nahe steht und sogar noch mehr mineralische Füllstoffe enthält als jenes, 174 Pf., das Papier Nr. 30 kostet 68 Pf., das Papier Nr. 32 hin gegen 145 Pf. das Kilo. Um einen Anhalt über den wirklichen Verkaufswerth der untersuchten Papiere zu gewinnen, setzte sich die Versuchsanstalt mit vier Papier-Grosshändlern in Verbindung, übersandte ihnen von den 35 Proben je einen halben Bogen mit den Ergebnissen der Prüfung versehen und bat sie, schätzungsweise den Preis zu ermitteln, welcher bei Abnahme von mindestens 1000 Bogen für die einzelnen Sorten im Gross- und Kleinhandel zur Zeit in Berlin als ein sachgemässer und normaler angesehen werden könne. Die Preise, welche die Versuchsanstalt beim Einkauf der Papiere durch Befragen der Verkäufer ermittelt hatte, wurden nicht mit angegeben. Drei Grosshandlungen (zwei Berliner) er- theilten die erbetene Auskunft in der bereitwilligsten Weise, wofür ihnen an dieser Stelle nochmals der Dank der Versuchs anstalt ausgesprochen sein mag. Die vierte Grosshandlung, welche ihren Sitz ebenfalls in Berlin hat, schickte der Versuchsanstalt die Muster mit dem Bemerken zurück: »dass sie es dankend ablehnen müsse, die erbetene Auskunft zu ertheilen.« Nähere Gründe waren nicht angegeben. In der später folgenden Tabelle, in welcher die mitgetheilten Schätzungen zusammengestellt sind, wurden die drei Firmen, welche die Antwort ertheilt haben, mit A, B und C bezeichnet. Die Firma C gab für jede Probe den