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P Buchgewerbe Buchbinderei ® ® Buchdruck ege ® ® ® Buchhandel e ® ® Steindruck Eingesandte Werke finden Besprechung. = Nr 1. Mitarheiter und Berichterstatter erhalten angemessene Bezahlung. 6 5= Sachliche Mitthellungen finden kostenfreie Aufnahme. Wie lässt, sich die deutsche Kunstbuchbinderei fördern?) Schluss zu Nr. 104 v. Jahrg. 1894. Es ist betrübend, dass die Kunstbuchbinder gar oft durch die Talentlosigkeit der Zeichner um den wohlverdienten Preis ihrer Mühe gebracht werden. Ihr Bestreben sollte es daher sein, sich durch gründliche, künstlerische Ausbildung von den Zeichnern unabhängig zu machen. Jeder Kunstbuchbinder, der auf diesen Namen Anspruch macht, sollte hinreichende kunst gewerbliche Vorbildung geniessen, um seine Entwürfe selbst anfertigen zu können. Denn selbst, wenn er dem Zeichner die Grundideen mündlich entwickelt, werden dieselben doch nie so in Formen umgesetzt, wie er sie mit der nöthigen Vorbildung selbst auf dem Papier fesseln könnte. Woher aber soll der deutsche Buchbinder diese Vorbildung nehmen? Er kommt meist bei älteren Meistern in die Lehre, die selbst keine künstlerische Bildung besitzen. Er lernt die Bücher binden, wie sie der Meister in seiner Jugend binden lernte und bleibt so im Althergebrachten stecken. Er geht dann in die Fremde, arbeitet in Fabriken, wo er zum Theilarbeiter, zur Maschine gestempelt wird, oder bei Kleinmeistern, die von einer wirklichen Kunst ebenso wenig verstehen, wie sein Lehrmeister verstand. Hat er das seltene Glück, in einer wirklichen Kunst buchbinderei beschäftigt zu werden, so arbeitet er nur am Buch blocke und bekommt die eigentlichen Kunstarbeiten, die Decken vergoldungen, oft kaum zu sehen. Denn der Raum, in welchem die Vergolder beschäftigt sind, ist aus technischen Rücksichten meist von den übrigen Räumen getrennt. Fühlt ein begabter Buchbinder das Bedürfniss, sich weiter zu bilden, so wird er allerdings auch schon vom Sehen und Hören manchen Nutzen ziehen. Er besucht in Städten, wo ein solches vorhanden ist, das Kunstgewerbemuseum. Allein, was sieht er hier? Alte Einbände in alten Stilarten, altdeutsche Lederschnitte, altdeutsche Rahmenornamente, Majoli, Grolier, Eve, Gascon, Derome, — immer wieder die Vergangenheit, die ihn nicht los lässt, die ihn wie mit Netzen umstrickt. Erschafft sich theure Vorlagenwerke an, natürlich mit deutschem Text und von deutschen Zeichnern, da ihn in der Volksschule das Englische und Französische nicht gelehrt wurde. Allein, was findet er hier? Grosse, buntgedruckte Deckenmuster, die alle ver zweifelte Aehnlichkeit mit den alten Decken im Gewerbemuseum haben. Und richtig, die Unterschriften verrathen uns, wo die Vaterschaft dieser Entwürfe zu suchen ist. Vor mir liegt ein viel- benutztes Vorlagenwerk. Ich will daraus einige Unterschriften anführen: »Mit Benutzung eines älteren Motives« -- »Nach einem Motiv von Grolier« — »Nach einem älteren Motive« — »Nach einem Motive von Grolier« — »Mittelstück nach Grolier« — »Nach Motiven des 16. Jahrhunderts« usw. In dem ganzen Vor lagenwerke ist nicht eine einzige zeitgemässe Idee zu finden; überall Anlehnung an alte Muster, überall der Hauch der Vergangenheit. Und dieses Werk ist von den Lehrern der ältesten und besuchtesten deutschen Vergoldeschule herausgegeben! Damit kommen wir auf unsere deutschen Vergoldeschulen und Kunstbuchbinderschulen zu sprechen. Diese Schulen könnten, mit offenem Blick für die Zeitforderungen geleitet, unendlich viel zur Hebung der deutschen Kunstbuchbinderei beitragen. Sie sind augen blicklich die einzigen Pflegestätten, an denen der junge Buchbinder eine höhere Ausbildung suchen kann. Thatsächlich wandern jährlich Hunderte von jungen Buchbindern dahin, unter ihnen oft begabte junge Leute, die einem wirklichen Kunstdrange folgen, die sich nicht selten Unterrichts- und Pensionskosten durch harte, jahre lange Arbeit verdienen und jeden Groschen am Munde absparen, um der höheren Ausbildung theilhaftig zu werden. Sollten diese für ihr sauer erspartes Geld nichts anderes lernen, als die Kunst einer Vergangenheit, die in unserer Zeit nur noch als Vorschule, aber nicht als Endzweck betrachtet werden sollte, so wären diese Cungen Leute aufrichtig zu bedauern. An Fachschulen für Buchbinder fehlt es in Deutschland nicht. Augenblicklich bestehen solche in Gera, in Glauchau, Altenburg, Leipzig, München und Schwiebus. Ich sage augenblicklich; denn nachdem die ältern Lehranstalten einen geschäftlichen Erfolg erzielten, tauchten Konkurrenz-Unternehmen in allen Gegenden auf. Eine Fachschule verschwand zeitweise von der Oberfläche, eine andere tauchte wieder auf, und man weiss heute nicht, ob nicht schon morgen irgend ein unternehmender Buchbinder eine neue »Fachschule« oder »Lehranstalt« eröffnet. Es ist ein Geschäfts-Unternehmen wie jedes andere. Solche Zustände sind bedenklich. Es ist schon traurig genug, dass jeder Stümper, der sich als selbständiger Buchbinder anmaassend »Meister« nennt, Lehrlinge ausbilden und die armen Jungen um ihre drei- oder vierjährige Lehrzeit betrügen darf. Noch schlimmer aber ist es, wenn Jeder, der die Technik des Vergoldens beherrscht, mit Posaunenschall eine Lehranstalt eröffnen darf. Würden diese Herren nur die reine Technik lehren, so möchte ihnen dies gestattet sein. Aber sie bleiben dabei nicht stehen, sie lehren gegen besonderes Honorar auch die Theorie der Kunst, die Orna mentik und den Kunststil, und wenn sie zu diesen Vorlesungen auch Zeichenlehrer von Volks- und andern Schulen heranziehen, so ist damit noch keine Bürgschaft gegeben, dass der Schüler wirklich gebildet und nicht verbildet wird. Es ist etwas anderes, einen Kunsthandwerker theoretisch auszubilden oder einem Volks schüler die Elemente des Zeichnens zu lehren. An einen Kunst buchbinder werden heute so hohe Anforderungen gestellt, dass wohl nur wenige Schulzeichenlehrer begabt und weitsichtig genug sind, diese Anforderungen zu erfüllen, ja nur zu begreifen. Hierzu sind Künstler nöthig, wirkliche Künstler, wie man ja auch vom Kunstbuchbinder wirkliche Kunst-Einbände verlangt. Es ist nicht hübsch, in allen Dingen die Hilfe des Staates anzurufen, ich weiss das. In dieser Angelegenheit aber wäre es doch zu empfehlen, dass der Staat helfend eingriffe, und zwar durch Gründung einer staatlichen Lehranstalt für Kunstbuchbinderei. Die Technik des Einbandes und des Vergoldens zu lehren, mag Privatunternehmern vorbehalten sein, die Theorie der Kunst zu lehren und Kunstbuchbinder im wahren Sinne auszubilden, sollte Sache einer Staats-Lehranstalt sein. Diese könnte vielleicht mit dem Kunstgewerbe-Museum in Berlin verbunden werden, wo schon alle Vorbedingungen zu einer gründlichen Ausbildung vorhanden sind. An Besuch würde es der Lehranstalt sicher nicht fehlen. Denn übersieht man die starke Schülerzahl der Privat-Lehranstalten, so kann man vorher sagen, dass die Lehranstalt dem Staate keine grossen Opfer auferlegen würde. Von den jetzt vorhandenen Lehranstalten steht eine, die Glauchauer, unter staatlicher Aufsicht. Das ist schon anzu erkennen, denn die Schüler wissen doch, dass sie nicht dem reinen Zufall überantwortet sind. Für die theoretisch - künstlerische Ausbildung kann jedoch eine Privatansfalt nie das leisten, was eine Staats-Anstalt mit den Hilfsmitteln des Berliner Gewerbe- Museums leisten könnte. Hier wäre alles vereint, um eine gesunde, kunstgewerbliche Grundlage zu schaffen; von hier könnte eine neue, frische und zeitgemässe Verzierungskunst ausgehen; hier könnte durch zielbewusstes Wirken die Kette gerissen werden, welche die deutsche Kunstbuchbinderei noch an die Formen der Vergangenheit schmiedet. Ist der einzelne Buchbinder auch noch so begabt, es ist ihm schwer, durch alle die Irrungen und Kreuzwege sein Ziel zu verfolgen und zu erreichen. Er sieht und hört stets von dem alleinseligmachenden Grolierstil und der Rahmenornamentik, und ehe es ihm gelingt, diese tief eingeprägten Eindrücke von sich abzuschütteln, hat er viele thatkräftige Jahre seines Lebens im Suchen und Tasten verbracht. Wird ihm dagegen durch weitblickende Künstler sofort der rechte Weg gezeigt, so wandelt er diesen freudiger und wagemuthiger, als den Weg, den er durch veraltete Vorurtheile selbst aufsuchen muss. Wird ihm zu dieser festaus gebildeten Kunstanschauung noch die sichere Führung des Zeichen- stiftes gelehrt, so kann er sich auch von den Architekten und