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»Monopole,« kein Freizeichen! Die Firma Walbaum, Luling, Goulden & Co., Successeurs de Heidsieck & Co. in Rheims hatte am 1. Oktober 1894 das Waarenzeichen »Monopole« zur Eintragung in die Zeichenrolle angemeldet. Da auf Grund der am 19. Mai 1894 erlassenen allgemeinen Aufforderung zur Mittheilung von Freizeichen seitens der Handelskammern in St., C. und H. bei dem Patentamt die Erklärung eingegangen war, dass die Bezeichnung »Monopole« Freizeichen für Champagnerwein sei, wurde der Anmelderin eröffnet, dass die Eintragung des Zeichens versagt werden müsse, falls die Auffassung der Handelskammern zutreffen sollte. Die Anmelderin widersprach jedoch dieser Auffassung unter Ueber- reichung umfangreichen Beweismaterials, und das Kaiserliche Patentamt, Abtheilung für Waarenzeichen, hat zu ihren Gunsten entschieden und das Zeichen zur Eintragung zugelassen. Da die sehr eingehende Begründung des Entscheides von allgemeinem Interesse ist, geben wir dieselbe im Wortlaut wieder: »Wenn ein Waarenzeichen sich, wie das Wort »Monopole« (oder »Monopol«), in weit verbreitetem Gebrauche gewisser Klassen von Gewerbetreibenden befindet, so ist bei Prüfung der Freizeicheneigen schaft zunächst zu untersuchen, in welcher Weise dieser Gebrauch sich gebildet hat, ob nämlich ursprünglich Sonderbesitz eines oder mehrerer Gewerbetreibenden vorlag, oder ob von solchem früheren Einzel besitz bestimmter Personen nichts bekannt ist. Im ersteren Falle wird im Zweifel trotz des allgemeinen Gebrauches anzunehmen sein, dass das Zeichen nicht zu einem Freizeichen geworden ist, sondern seinen ursprünglichen Charakter als Individualzeichen behalten hat. (Ent scheidung des Reichsgerichts in Zivilsachen 3. S. 80). Dieser Fall ist hier gegeben. Von keiner Seite wird behauptet, dass bei den deutschen Sektfabrikanten ein allgemeiner Gebrauch des Zeichens »Monopole« sich aus sich selbst heraus gebildet habe, sondern es herrscht Uebereinstimmung darüber, dass das Zeichen zuerst von der Firma Heidsieck & Co. angenommen, benutzt und in den Verkehr gebracht worden ist. Das von der Anmelderin vorgebrachte Beweis material lässt auch in dieser Hinsicht Zweifel nicht aufkommen. Die von ihr überreichten Geschäftsbriefe ergeben, dass zugleich mit der am 18. September 1860 in Frankreich erfolgten Eintragung des Zeichens eine Weinsorte unter dieser Bezeichnung von der Firma Heidsieck & Co. in Deutschland mit besonders günstigem Erfolge neu eingeführt wurde; sie wird zum Theil darin als »neue Maike« ausdrücklich bezeichnet. Anderseits lässt sich der Beginn des Gebrauches des Zeichens seitens deutscher Sektfirmen gerade nur bis in das Jahr 1861 zurückführen, in welchem der Lithograph C. zuerst für C.er Firmen Etiketten mit der Aufschrift-»Monopole« angefertigt haben will. Die Nachahmung der französischen Marke in Deutschland knüpft also unmittelbar an die Einführung der neuen Weinsorte der Firma Heidsieck & Co. an. Ist somit davon auszugehen, dass ursprünglich Sonderbesitz der Anmelderin an dem Zeichen vorgelegen hat, dass im Zweifel keine Veränderung hierin zu vermuthen und folglich für die Umwandlung des Zeichens in ein Freizeichen ein strikter Beweis zu fordern ist, so wird dieser Beweis, dem Begriffe des Freizeichens entsprechend, sich darauf zu erstrecken haben, ob der weit verbreitete Gebrauch des Zeichens sich als ein freier Gebrauch im Sinne des § 10, Absatz 2, des Markenschutzgesetzes vom 30. November 1874 darstellt oder nicht. Den Gegensatz zum »freien« Gebrauch bildet für das hier in Frage kommende Rechtsverhältniss nicht etwa, wie die Handelskammer in H. annimmt, der gesetzlich verbotene Gebrauch, sondern der Missbrauch. Es ist durchaus nicht alles gesetzlich verboten, was missbräuchlich ist; vielmehr pflegen gesetzliche Verbotsbestimmungen meist erst im Anschluss an missbräuchliche Gewohnheiten und mit Rücksicht auf dieselben erlassen zu werden. Die ganze neuere Gesetzgebung, welche sich gegen den unlauteren Wettbewerb richtet, bietet ein Beispiel hierfür. Missbräuchlich ist aber nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen und den Anschauungen von Treu und Glauben im Verkehr an und für sich jede Aneignung fremder Güter, gleichviel ob diese Aneignung, wie z. B. der Diebstahl, unter Strafe gestellt ist oder nicht. Auch Individualrechte an Marken gehören zum Vermögen des Besitzers; dieselben sind zugleich Rechte der Persönlichkeit des Inhabers der Marke und deshalb gegen eine fremde Okkupation besonders empfindlich. Es ist hierbei unerheblich, ob der Besitzer der Marke ein In- oder ein Ausländer ist; denn Persönlichkeitsrechten wird im allgemeinen ohne Rücksicht auf besondere im Inlande bestehende Gesetzesvorschriften auch bei Ausländern die Anerkennung nicht versagt, und das Recht auf die Marke hat insofern über die Grenzen eines bestimmten Staates hinaus einen gewissen internationalen Charakter. Der Handelskammer zu H. kann aber auch darin nicht beigepflichtet werden, dass ein Individualrecht der Anmelderin sich überhaupt vor Zulässigkeit der Eintragung des Wortzeichens in Deutschland nicht habe entwickeln können. Individualrechte an Marken können in gewisser Beziehung vielmehr sehr wohl auch ohne Eintragung derselben bestehen. Der § 10, Absatz 2, des alten Markenschutzgesetzes geht offensichtlich davon aus, dass zahlreiche Marken sich damals nicht im freien Gebrauche befanden, also Gegenstand eines Individualbesitzes waren. Da ein reichsgesetzlicher Markenschutz bis dahin nicht bestand, so ist klar, dass (von landesgesetz lich geschützten Zeichen abgesehen) aas Gesetz unter den im Individual besitze befindlichen Marken nur solche verstehen konnte, die zwar bisher im Inlande nicht eingetragen waren und einen strafrechtlichen Schutz nicht genossen, die aber im Verkehr als Kennzeichen der Waaren einzelner bestimmter Gewerbetreibenden galten. Auf ähnlicher Grundlage beruht die Bestimmung in § 9, Absatz 2, des Gesetzes vom 12. Mai 1894. Auch ohne Eintragung wäre deshalb für die Anmelderin ein gewisser, markenrcchtlich erheblicher Besitzstand anzuerkennen. Nun hat die Anmelderin aber seit dem Jahre 1860 in Frankreich und seit dem Jahre 1875 in Deutschland auch die Eintragung erlangt. Diese Thatsache bildet ein weiteres erschwerendes Moment gegenüber der Annahme, dass das Zeichen sich in ein Freizeichen umgewandelt habe. Denn die Firma Heidsieck & Co. gab dadurch den betheiligten Verkehrs kreisen bekannt, dass sie nicht gesonnen sei, das Zeichen dem all gemeinen Gebrauche zu überlassen, vielmehr ihrerseits gegen solche Aneignung Protest einlege. Sie vermochte auf diese Weise zu ver hindern, dass sich bei der Nachahmung ihrer Marke ein » guter Glaube « und die Vorstellung, als ob Individualrechte an derselben nicht beständen, entwickeln konnte. Es steht hiermit in üebereinstimmung, dass die Anmelderin und deren Rechtsvorgängerin wiederholt in Prozessen den Schutz der deutschen Gerichte wegen Nachahmung ihrer Marke »Monopole« an gerufen haben. Die Frage, ob die Marke ein Freizeichen geworden sei, wurde dabei, wenigstens soweit dies die dem Patentamte vorgelegten Urtheile ergeben, niemals zum Austrage gebracht; dagegen musste allerdings nach Lage der Gesetzgebung vor dem Gesetz vom 12. Mai 1894 der Anmelderin der nachgesuchte Rechtsschutz, soweit er sich auf Unterlassung der Markenführung und Schadenersatz bezieht, regel mässig versagt werden, weil die rechtliche Wirkung der im Jahre 1875 erfolgten Anmeldung zum Zeichenregister sich darauf beschränkte, dass allein die besondere zur Eintragung gelangte figürliche Darstellung des Zeichens geschützt war. Das von der Handelskammer zu H. überreichte Urtheil des Landgerichts zu B. aus dem Jahre 1893 gelangt übrigens zu einer Freisprechung der Angeklagten, denen die Nachahmung der Marke »Monopole« zur Last gelegt war, lediglich wegen Verneinung des strafbaren Vorsatzes, lässt aber im übrigen die Frage, in wie weit jene Nachahmung zulässig sei oder nicht, ausdrücklich dahingestellt. Das Entscheidende ist auch hier für die vorliegende Frage das fort gesetzte Bemühen der Anmelderin, sich ihr Individualrecht zu wahren. Denn es ist nicht abzusehen, wie ein »freier« Gebrauch des Zeichens sich im Verkehr hätte entwickeln können, so lange die Anmelderin gegen diesen Gebrauch immer aufs neue öffentlich Widerspruch ein legte. Bei einem solchen Sachverhalt kann der vom Oberlandesgericht zu Hamm ausgesprochenen, vom Reichsgericht (Entsch. d. R.-G. in Civils. 24 S. 82) dahingestellt gelassenen Ansicht beigetreten werden, dass die Umwandlung eines Individualzeichens in ein Freizeichen nur bei ausdrücklicher oder stillschweigender Zustimmung des Berechtigten möglich ist. Denn so lange letztere nicht hinzukommt, kann von gutem Glauben auf Seiten der Besitznehmer keine Rede sein, und ohne solchen ist nach anerkannten Rechtsprinzipien der Gebrauch des fremden Zeichens kein berechtigter, sondern ein Missbrauch (Entsch. d. R.-G. in Civils. 24 S. 80). Schon hieraus folgt, dass, da Anmelderin bereits im Jahre 1860, wenn auch nur im Auslande, das Zeichen zur Eintragung gebracht und ihre Rechte auf dasselbe bis in die neueste Zeit unablässig verfolgt hat, ihr Zeichen bisher zum Freizeichen nicht hat werden können. Ein etwaiger Rechtsirrthum der deutschen Sekt- fabrikanten, dass ihr Gebrauch des Zeichens, weil nicht strafbar, auch nicht missbräuchlich sei, kann demgegenüber nicht ins Gewicht fallen. Selbst wenn aber anzunehmen wäre, dass gegen den Widerspruch der Anmelderin eine Depossedirung derselben durch die Gewohnheiten des Verkehrs möglich und rechtlich zu berücksichtigen sei, so müsste unter dieser Voraussetzung doch verlangt werden, dass der Verkehr sich bereits einstimmig über die Rechte der Anmelderin und ihre wiederholten Proteste hinweggesetzt hätte. Wie das Reichsgericht in der schon öfter angezogenen Entscheidung vom 19. Oktober 1889 (Band 24 S. 80) ausführt, bedarf es in dieser Hinsicht der Feststellung, dass bei dem Vertriebe der Waaren an das verbrauchende Publikum »das Bewusstsein von der Eigenschaft des Zeichens als Individual- maike verloren gegangen ist«. Von einem derartigen »Verlorengehen« kann aber nicht die Rede sein, so lange auch nur theilweise der Verkehr an der Bedeutung des Zeichens als eines Individualzeichens festhält. Dass zum mindesten Letzteres im vorliegenden Falle zutrifft, haben die Verhandlungen ergeben. Die Handelskammern in St. und .C. stimmen darin überein, dass man im Verkehr die Bedeutung der Marke »Monopole« noch vorzugs weise auf die Firma Heidsieck & Co. zurückführt. Angesehene rheinische Schaumweinfabriken, wie die Firmen K. in M. und D. & Co. in C., erkennen das Recht der Anmelderin an. Wenn verschiedene andere deutsche Schaumweinfabrikanten, wie die Handelskammer in H. mit- theilt, gleichfalls das Zeichen »Monopol« im Zeichenregister für sich haben eintragen lassen, so folgt daraus, dass auch diese der Auffassung, dass das Zeichen ein Freizeichen sei, nicht gewesen sein können. Von erheblicher Bedeutung sind ferner die Erklärungen der 16 Berliner Restaurantbesitzer und Weingrosshändler. Aus denselben ergiebt sich, dass wenigstens in gewissen Konsumentenkreisen, und zwar gerade in denjenigen, in welchen die Waare der Anmelderin einen besonderen Ruf geniesst, die Bezeichnung »Monopole« schlechthin für gleich bedeutend mit»Heidsieck Monopole« erachtet wird. Diese Konsumenten würden sich also für getäuscht ansehen, wenn ihnen auf Bestellung von »Monopole« eine andere Waare, als die der Anmelderin vorgesetzt würde. Demgegenüber mag in den Gegenden, wo der Sekt der Firma K. & F. in F. viel getrunken wird, sowie auch in anderen Theilen