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U6 PAPIER-ZEITUNG. Nr. 6. Neuheiten. Unter dieser Ueberschrift werden alle von Beziehern der Papier-Zeitung eingesandten Muster von Erzeugnissen des Papier- und Schreibwaaren - Faches, welche Neues oder Bemerkens- werthes bieten, kostenfrei besprochen. Universal-Schreibzeug. »Ein stets aufgeräumter Schreibtisch « hat dem Universitätspedell Bader in Würzburg beim Zusammenstellen des nachstehend abgebildeten Schreibzeugs vorgeschwebt. »Die meisten Schreibtische«, sagt er in seinem Begleitbriefe, »machen den Eindruck von Unordnung nur deshalb, weil so verschiedene Schreib- geräthe — etwa 15 Stück — auf demselben getrennt herum liegen«. Dieses eine Schreibzeug enthält nun alle diese Gegen stände derart untergebracht, dass das Ganze nicht überladen, sondern wohlgeordnet ins Auge fällt. Die Liste enthält folgende Artikel: Einen Tintenbehälter für schwarze Tinte, einen Tintenbehälter für rothe Tinte (dieser Behälter wird im Nichtbenutzungsfalle als Aschbecher benutzt), eine Streusandbüchse, einen Federwischer, einen Radirgummi, drei bis sechs Federhalter, einen Bleistift, einen Blau- und Rothstift, ein Lineal, ein Radir- und zugleich Papier messer, eine Schachtel mit Stahlfedern, eine Schachtel mit Siegel etiketten, oder Siegelstock nebst Siegellack, eine Bindfadenrolle, eine Nadelbüchse mit Heftnadeln, ein Fadenfänger hierzu und einen Abzugstein oder eine Schachtel Zündhölzer. Den Vertretern einer gewissen genialen Unordnung auf dem Schreibtisch scheint Herr Bader grosse Bedeutung nicht beizumessen. Als Hausschreibgeräth, ferner für die Schreibstuben der Kaserne und dergl., ganz besonders aber für die Gastzimmer von Hotels scheint uns das zentralisirende Schreibzeug durchaus zweckmässig angelegt zu sein. Es kann sich also nur darum handeln, wie billig das unschwer zu fabrizirende Geräth in Mengen angefertigt werden kann. »Compendium« heisst ein von A. Wachs in Leipzig, Kron prinzenstr. 22, neu entworfener und in den Handel gebrachter Skizzir- und Zeichenapparat, von welchem die nachstehende Abbildung nach einem uns vom Eigenthümer eingesandten Klischee nur eine unzulängliche Erläuterung giebt. Der Zufall will es also, dass heute auf derselben Seite unseres Blattes zwei Ordnungs- Neuheiten be sprochen werden, von denen die eine Ordnung auf dem Schreib-, die andere Ordnung auf dem Zeichentisch schaffen will. Ein tragbarer Zeichen apparathat übrigens von jeher in viel hervorragenderem und vielseitigerem Sinn als ein Be- dürfniss gegolten wie ein ausgerüste tes Schreibzeug. Aus demselben Grunde konnte denn auch bereits an vielen bisherigen Versuchen festgestellt werden, dass die Lösung der Aufgabe keine so leichte ist, wie sie auf den ersten Blick scheint. In seinem »Compendium« will der Erfinder nicht allein alle zugehörigen, meist zerstreut umherliegenden Zeichengeräthe in zweckmässiger Weise unterbringen, sondern auch das meist viel zu schwere, oft kippende und klappernde Brett mit unförmlich langer Reissschiene durch einen im allgemeinen viel leichter zu handhabenden Apparat ersetzen. In einem schwarzpolirten Holzrahmen ist eine mit Skytogen überzogene und hochglatt gewalzte Platte von unten eingelassen, welche durch seitlich angebrachte Federn nach oben gepresst wird. Das zu verwendende Blatt Papier wird in der Rahmenecke links oben in die offen gehaltenen Nuthen eingeschoben, indem man dort mit flacher Hand die Tafel niederdrückt, sodass beim Nachlassen der Federdruck an zwei Seiten das Papier genügend festhält. Das Gleiche geschieht mit den darüber anzulegenden zwei Maassleisten, indem man deren an den Längsseiten von unten befestigte Messingplättchen in diese Nuthen einrückt und die Leisten an den Innenrahmen anschlägt. Innerhalb des dadurch entstandenen festen Anschlagwinkels ist ein Schiebelineal so beweg lich, dass dessen Reisskante waag- und senkrechte parallele Linien sowie Schnittpunkte absticht, — allerorts und von beliebiger Basis aus. Zum Schräglagern des Bretts werden die Metallfüsse seitlich ausgerückt, und im Kastenboden stemmt sich das Ganze dann fest, indem man die Vorderkante der Pultdecke noch zudrückt. In dieser Lage dient der Apparat sowohl zum Zeichnen als auch zum Schreiben. Luxuspapiere. In keiner Richtung des graphischen Kunst gewerbes äussert sich die Vielseitigkeit und der Ideenreichthum des Deutschen so fruchtbar und unerschöpflich, wie im Fach der Luxuspapiere. Wir haben vor Weihnachten die Erzeugnisse mehrerer leistungsfähiger Fabriken besprochen, von denen eine jede ihre eigene Richtung in dem bald 100jährigen Kreislauf der Glückwunschkarte vertritt. Hier konnten wir nun freilich wahr nehmen, dass einzelne Sachen der verschiedenen Erzeuger sich, wenn nicht deckten, so doch ziemlich hart streiften. Wenn dabei auch der Zufall eine gewisse Rolle gespielt haben mag, so ist jedenfalls die Glückwunschkarte als diejenige Gattung der Luxuspapiere zu betrachten, welche zunächst einer durchgreifenden Umgestaltung entweder auf Grund ganz neuer Ideen oder in der Richtung der Verbilligung, behufs Erreichung viel breiterer Schichten der Bevölkerung, zu unterwerfen sein wird. In dieser Annahme wurden wir bestärkt durch eine uns von der Firma Ferdinand Stange, Beuth-Str. 3, Berlin S.W., zugegangene Samm lung von Menus, Tisch- und Ballkarten, also einer Gattung von Luxuspapieren, die, weil nicht so beschränkt und weniger idealen Zwecken dienend, noch auf lange hinaus ein Feld bietet, auf welchem Originalität und Talent sich frei bewegen können. Die Ferdinand Stange’schen Sachen haben ein bestimmtes Etwas, an dem man sie aus einer ganzen Reihe von Aehnlichem stets herausfinden wird. An den hingestreuten Veilchen in geprägtem Farbendruck, oder zarten Rosensträusschen, dem vorstehenden Rand einer ungleich breit gefalzten Faltkarte entlang angeordnet, und an so manchen ähnlich sich abhebenden Merkmalen erkennt man sie immer wieder. Besondere Aufmerksamkeit ist dem Hochzeits-Menu gewidmet. Dies steht vollständig im Einklang mit der gegenwärtig herrschenden allgemeinen Geschäftslage. Es wird wohl eher am Theater, Konzert, Ball oder Kränzchen gespart, als an dem in der Regel nur je einmal kommenden Hochzeitsfest mit seinen nach so und so viel Jahren folgenden Jubiläen. Die für diese Zwecke geschaffenen neuen Stange’schen Sachen, sowohl für die erste, wie für die silberne und goldene Hochzeit sind von der Gediegenheit einer vornehmen Souvenirkarte. Der Myrrthen- kranz kommt in allen möglichen Formen und in sehr geschickter Ausführung und Anordnung vor. Die Andeutung des Silbernen und Goldenen in diesen Hochzeitskarten ist sinnig, nicht »laut« und nicht überladen. Die Prägung der Schrift hält gleichen Schritt mit derjenigen des Blumen- und Ornamentenschmucks. Eine sehr ansprechend wirkende Sonderrichtung gelangt in Falt karten mit hochfeinem Kunstpergament als Unterlage zum Ausdruck, die sich als Hochzeits-Menus, Ball- und Programmkarten gleich vor- theilhaft verwenden und mit Hinzuzug der heutigen graphischen Hilfsmittel zu ganz vornehmen Familiendrucksachen gestalten lassen. Dass derartig originelle und dabei stets in den Grenzen geläuterten Geschmacks gehaltene Luxuspapiere zu einem namhaften Export artikel der Firma nach England, Belgien, Frankreich und Oesterreich- Ungarn geworden sind, ist nur ein neuer Beweis, dass es für wahre Originalität und Gediegenheit in Form und Geschmack keine Zollgrenzen giebt, wenn als Dritte im Bunde technisch-kauf männische Leitung ihre Schuldigkeit thut.