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700 PAPIER-ZEITUNG. Nr. 22. längerem schon durchschnittlich 150 000 Stück Aalbrut per Jahr zuwendet. — Bei solchen Umständen möchte ich es vorziehen, auf das Werthverhältniss der Fischerei zur Industrie, in concreto, eine positive Schlussfolgerung und Entscheidung überhaupt nicht aufzubauen, vielmehr die beiden gegenüberstehenden Faktoren als im Zweifel gleichwerthig, gleichberechtigt zu nehmen, und aus diesem Gesichtspunkte womöglich eine Ausgleichungsbasis zwischen den beiden Interessenten zu finden. Ein Punkt mag hier nebenbei nicht unerörtert bleiben: Nahe liegt, dass in einem Streite, dessen Grundlagen und Grenzen in rechtlicher und thatsächlicher Beziehung so vielfach unsicher sind, bei dem Umstande, dass unsere jetzige Zeit, neben den Industrie-Abwässern, den Flüssen noch eine Reihe für den Fischstand ungünstiger Faktoren gebracht hat, wie zunehmende Entwaldung unserer Berge und damit abwechselnd grössere Aus trocknung 10 ) wie Ueberschwemmung der Flüsse, die Regulirung und Kanalisirung 11 ) der letzteren, Dampfer, Kette usw. die Fischerei unwillkürlich geneigt ist, den Industrie-Abwässern, namentlich den nach Farbe und Geruch sich äussernden, mehr Schuld am faktischen Rückgänge der Flussfischerei beizulegen als angemessen. Gerade in unsern künstlich hergestellten Rinnsalen vermögen unglückliche Naturereignisse durch Verschlammung, Vertrocknung, Grundeisbildung usw. plötzlich Milliarden von Fischkeimen zu zerstören. Wie auf dem Gebiete des Wasserrechts, so befinden wir uns auch auf dem Gebiete der praktischen Wasserwirthschaft zur Zeit in einem Uebergangsstadium: Die Natur der fliessenden Binnen gewässer ändert sich durch die vorschreitende Kultur und Industrie, und so wird die jetzige Gestaltung, namentlich Regulirung der fliessenden Gewässer, in den Kulturländern schliesslich dahin führen, durch Thaisperren 12 ) und weitere fortschreitende Kanali sirung den Wasserstock der fliessenden Gewässer ausgiebiger und zugleich stetiger zu machen. Die natürlichen Laichstellen für karpfen- und barschartige Fische in den Flüssen werden abnehmen, den Wandersalmoniden werden die kanalisirten Flussstrecken den Anreiz benehmen für den Aufstieg zu den Quellbächen, ihren Laichstellen. Die künstliche und die domestizirte Fischzucht, heutzutage hochentwickelt, werden hier in die Lücken treten müssen. Man hat namentlich gelernt, auch im Teiche eine Reihe vorzüglicher Salmoniden zu züchten und zu mästen; die domestizirte Fisch zucht vermag heute zu mässigem Preise vorzügliches Fischfleisch an deutschen und aus England und Nordamerika eingeführten Salmoniden in Masse auf den Markt zu bringen. Mittels der Teichzucht in Verbindung mit der künstlichen Fischzucht (künst liche Eierbefruchtung) vermag man den bei ihrer Verunreinigung zum Laichakt nicht mehr gut, zur Aufmastung dagegen noch wohl tauglichen Flüssen hunderttausende von Brutfischen zuzuführen. Hier wäre der Punkt, wo die den Fischbestand schädigende Industrie ausgleichend einzutreten hätte: es wäre eine gerechte Zumuthung und würde zugleich die meisten Klagen der Fisch berechtigten verstummen machen, wenn man der Abwässer liefernden Industrie die Auflage machte, alljährlich eine entsprechend bemessene Anzahl von passenden Fischbruten, Karpfen, Hechten, Zandern usw. in die betr. Flüsse einzusetzen. Die Fischproduktion der süssen Binnengewässer der Kultur länder im allgemeinen braucht auch in Zukunft weder nach der Güte, noch nach der Menge, noch nach dem Werthe sich zu verringern, sie kann sie sogar steigern, nur die Produktionsform wird eine andere sein müssen. 13 ) Es fehlt also, wirthschaftlich betrachtet, nicht im Grossen und fehlt zumeist auch nicht im Einzelnen an Mitteln, den durch die Industrie der Fischerei geschaffenen Schadenszustand, wenn nicht ganz fernzuhalten, so doch auf ein thunlichst kleines Maass zu beschränken, freilich guten Willen auf beiden Seiten vorausgesetzt, namentlich auch auf industrieller Seite. 10) Die Klage über das Zurückgehen des Wasserstandes unserer Flüsse ist, und zwar nicht bloss im trockenen Jahr 1893, allgemein; sogar in Russland tritt sie auf und betrifft selbst die einst so wasserreiche Wolga, den Dniepr wie die sibirischen Flüsse. 11) Die kanalisirte Yonne hatten die aus der Seine aufsteigenden Lachse ganz verlassen, doch während des Feldzugs 1870/71, als mit Einstellung der Schifffahrt die Schleusenthore offen blieben, füllten sich die Seitenbäche, deren Quellgebiete, wiederum mit Edelfischen. 12) Gerade durch die Anlage solcher im Quellgebiete der Bäche und Flüsse gelegenen Thaisperren würden seenartige Wassergebiete geschlossen, die nach Lage, Tiefe und Temperatur für die Zucht der Salmoniden sich meist ohne weiteres vorzüglich eignen würden. 13) Vgl. zu dieser Frage meinen Aufsatz »die Kanalisation des Mittelmains vom fischereilichen Standpunkte« in • Allgemeiner Fischerei zeitung < v. J. 1892 Nr. 3. Pariser Neuheiten in Tanz- und Menukarten. Nachdruck verboten. Paris, 14. Februar 1894. In der unfreiwilligen Musse, welche die Fastenzeit den Parisern auferlegt, können wir die Tanzkarten und -Büchlein etwas näher betrachten, die noch vor kurzem einige Wichtigkeit in der Gesellschaft erlangt hatten. Das Neueste in Tanzbüchern sind solche, auf deren zart blauen oder rosaDeckel ein inSilberrahmen gefasstes Handspiegelchen schräg gestellt ist, ein ebenso hübscher wie zweckmässiger Gedanke. Die Ausstattung dieser Spiegelbüchlein ist sehr mannigfaltig, sehr gefällig sieht ein Muster aus, bei welchem ein einzelner matt farbiger Blüthenzweig quer über den langen Griff des winzigen Spiegels sich legt. Jedes der verschiedenen in dem Büchlein ent haltenen Blätter — man zählt ihrer so viele als Tänze angesagt sind — bringt eine Illustration aus dem fröhlichen Ballleben oder giebt auch gleichsam den Lebenslauf der jungen Besitzerin wieder, zeigt zuerst ein Kindlein in der Wiege, dann ein lachendes Kind, ein sittsames Mägdelein mit der Schulmappe unterm Arm usw., und zuletzt eine reich geschmückte, schöne junge Dame, die ein Tanztäfelchen mit beiden Händen hält. Das Wort »Ball« oder »Tänze« befindet sich auf dem Buch mit grossen Buchstaben vielfach in liegender, die Handschrift nachahmender Weise, der Schnörkel des Anfangsbuchstabens geht rings um das Ganze und bildet eine Art Rahmen. Sehr vornehm wirkt das Monogramm in erhabener Gold- oder Silberschrift oder auch ganz bunt mit glitzerndem Glimmer belegt. Neu sind ferner Büchlein, deren Deckel wie beschneit oder wie mit Goldstaub gepudert erscheint; in der Mitte liegt ein glatter Streifen, der das Wort »Ball« trägt. Andere zeigen Landschaften und oben und unten gemalte oder auch wirkliche Bandschleifen. Letztere schliessen das Bildchen wie in einen Rahmen ein. Die Zeit der Bälle ist auch stets die dergrossen » Abfütterungen«, wie respektlose Leute sagen. Auf den Menukarten wird dies manchmal zur Anschauung gebracht. Da sehen wir beispielsweise einen Advokaten vor einer Reihe in rothe Togen gehüllter Richter, deren jeder einen vollen Teller vor sich hat, die neue These ver- theidigen, die rings im Bogen darüber aufgedruckt ist: »Die wahre Barmherzigkeit beginnt mit sich selbst (Charite commence par elle-mme). Was das Format betrifft, so werden die etwa handgrossen Karten ebenso gern gekauft wie die nur vierfingerbreit hohen. Einige öffnen sich in der Mitte; andere bestehen aus zwei Blättern, von denen bald das erste, bald das zweite die Aufzählung der Speisen enthält, und das andere lediglich des dekorativen Zwecks wegen da ist. Sehr hübsch sind schmale Doppelkarten mit zierlichen Füsschen zum Aufstellen, bei denen letztere irgend ein schelmisches Kindergesichtchen vorstellen, das unter dem Speisetäfelchen her vorlugt. Eine beliebte, sehr galante Illustration für Menus bilden Bäume, auf denen statt der Blüthen Frauenköpfe zu sehen sind. Allerliebste kleine Sepiazeichnungen finden sich oft in einer Ecke vor, oder auch Silhouetten. Eine fingerbreite Ausschmückung in Golddruck in Verbindung mit noch einer Farbe geht nicht selten um zwei Ränder der Karte, neuer dürfte jedenfalls eine Börte sein, die sich aus lauter schwarzgekleideten Herren zusammen setzt, von denen einer dem andern auf den gekrümmten Rücken geklettert ist und sich an den Haaren seines Vordermannes fest hält. Sehr eigenartig sind Menus mit einer fast die Hälfte der sehr breiten Karte einnehmenden Zeichnung, die unten beginnt, nach oben zu schmäler wird und dort noch zur Seite sich weiter fortsetzt. Unten sieht man die Zeichnung deutlich, nach oben hin verschwimmt sie in Nebel. Eine Karte dieser Art weist zuerst in der linken untern Ecke den Koch vor seinem Herde in voller Thätigkeit auf. Späterhin finden wir ihn ruhend, Einkäufe machend, den Küchenjungen ohrfeigend und sich sonstigen nützlichen Beschäftigungen hingebend, und ganz oben im Hintergründe winkt »sein Ideal«, ein eigenes Häuschen nebst Garten und einer Magd, um ihm die Wirthschaft zu führen, während er selbst nichts mehr thut. Nur ein paar leichte Striche erzählen uns diesen letzten Theil seines Lebens, und es gehört grosse Aufmerksamkeit dazu, um den Sinn der Illustration überhaupt herauszufinden. Menus in Briefform, mit Siegeln darauf, die erbrochen werden müssen, sind hochmodern, ferner solche mit Versen, die in mehr oder weniger launiger Weise auf das Festessen Bezug nehmen und sich beim grössern Publikum ungetheilten Beifalls erfreuten. x. Wie sich Verdienst und Glück verketten, Das fällt den Thoren niemals ein; Wenn sie den Stein der Weisen hätten, Der Weise mangelte dem Stein. Goethe.