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Nr. 17. PAPIER-ZEITUNG. 587 Kalender. Nach Schluss der Besprechung in Nr. 11 gingen uns noch nachstehend aufgeführte Kalender zu: Müller & Cie, Aarau {Schweiz). Der kleine Kalender dieser chromolithographischen Anstalt gehört zu den Luxus-Erzeugnissen auf diesem Gebiete. 7 Blätter Karton, nicht grösser als 12,5 X 16,5 cm, sind mit einem blauen Bändchen, das auch zum Auf hängen dient, am oberen Rande verbunden. Rings um jedes Blatt zieht sich eine breite Goldlinie, die mit dem gezackten Rande abschneidet. Das erste Blatt enthält Glückwunsch und Geschäfts- Empfehlung, auf den folgenden 6 Blättern sind je 2 kleine Monats- Kalendarien, je in anderer Anordnung, gegeben. Die freien Räume sind mit Stimmungsbildchen, Blumen und der Firma aus gefüllt. Friedr. Kirchner, Erfurt. Ausserordentlich geschmackvollen Entwurf und harmonische Farbenstellung zeigt der Wandkalender, den uns diese Kunst-Anstalt einschickt. Der Kalender-Text ist auf ein kleines Feld zusammengedrängt. Darüber ruht eine schöne, etwas üppige weibliche Gestalt, welche Palette und Farbe hält. Im Hintergründe zeigt sich eine Landschaft. Links unten im Vordergründe spinnt die Parce den Faden. Die übrige Dekoration besteht aus Blüthen und Früchten, die eine gefällige Verbindung der einzelnen Theile bewirken. Rokoko-Ornamente vermitteln den obern Abschluss. Die technische Ausführung dieses schönen Entwurfes macht der genannten Anstalt alle Ehre. Besonders die Hauptfigur, die Landschaft und die grossen Rosen sind ganz vor züglich durchgearbeitet. V. Stranschi, Triest. In ihrem diesjährigen Wandkalender hat diese chromolithographische Anstalt verschiedenartige Beleuchtungs- Effekte sehr geschickt wiedergegeben. Links beleuchtet der Mond eine Gebirgspartie und einen einsamen nächtlichen Wanderer mit bleichem Lichte. Rechts unten in einem Rund sitzt eine Bauern familie am flackernden Heerdfeuer. Die Bäuerin, die offenbar den Wanderer erwartet, steht am Fenster und wird vorn vom Mond licht, hinten vom rothen Heerdfeuer beschienen. Das Kalendarium ist in zwei Hälften, rechts oben und links unten, angeordnet. Rudolf M. Rohrer, Brünn. Der »Deutsche Haus-Kalender«, den diese Firma alljährlich erscheinen lässt, pflegt, wie der Münchener Kalender, die deutsche Renaissance. Die ganze Aus stattung in ihrer Urwüchsigkeit, in Zeichnung und Farbengebung erweckt den Eindruck, als ob man ein altes Druckwerk vor sich habe. Die Vorderseite zeigt den Erdball im Spiel der Elemente, auf der innern Umschlagseite sehen wir in einer sehr wirkungs vollen Umrahmung, gekrönt von einem mächtigen kaiserlichen Adler, in geschickter Anordnung die Genealogie des österreichischen Herrscherhauses. Die gegenüberliegende Seite symbolisirt in geistreichem Entwurf die Zeit. Die Kalenderseiten zeigen auf den Monat bezügliche Darstellungen, die theils in heraldische Form gebracht und reizend in der Erfindung sind. Auf ein geschalteten Merktafeln findet der Besitzer des Kalenders hin reichend Raum zu schriftlichen Anmerkungen. Eine Abart dieses Kalenders ist »Rohrer’s Kalender-Handbuch«. Dasselbe unterscheidet sich vom »Deutschen Haus-Kalender« da durch, dass es einfacher ausgestattet und mit einem 84 Seiten starken Notizen-Anhang über Österreich-ungarische Verhältnisse versehen ist. Die Zeichnungen sind nicht farbig, wie bei dem Hauskalender, sondern schwarz gedruckt; sie kommen dadurch aber in ihrer Schönheit erst recht zur Geltung. Das Buch ist dauerhaft gebunden. Ein von derselben Firma herausgegebener Wandkalender zeigt in einer geschmackvollen, farbenprächtigen Umrahmung Blüthen- guirlanden und oben die sehr gut ausgeführten Bildnisse Gutenberg’s und Senefelder’s in Medaillonfeldern. A. Haase, K. K. Hofdruckerei, Prag. Von ausserordentlicher Schönheit in Entwurf, Farbengebung und technischer Durchführung ist der grosse Wandkalender, den uns diese Firma zuschickt. Er fesselt auf den ersten Blick durch geistvolle Auffassung des Ganzen, und bei näherem Hinsehen wird man entzückt durch viele reiz volle Einzelheiten. In der Mitte des Hintergrundes, neben den beiden Kalenderfeldern, hebt sich eine sitzende weibliche Gestalt mit ausgebreiteten Flügeln von einer hellgelblichen Kreisscheibe ab. In der Rechten hält sie einen goldnen Reif, die Linke ruht auf dem Stundenglas. Zu ihren Füssen bronzene Sphinxe. Im Vordergründe lagert links eine kräftige nackte Mannesgestalt, mit Symbolen der Arbeit, und daneben schläft auf violettem Kissen ein nur leicht bekleidetes Weib mit ihrem Knaben im Arm — die Ruhe. Gerade diese Partie ist mit solcher Kunst durchgeführt, dass man das warme Leben durch das leichte Ge wand schimmern sieht und versucht wird, zu glauben, die Figur lebe und athme. Nicht minder meisterlich ist die Farbengebung des die Treppenstufen herabhängenden violetten Gewandes und die Behandlung des Hintergrundes zu beiden Seiten. Der Kalender ist ein Kunstblatt im vornehmsten Sinne des Wortes. Kleine Zeichenfehler, die vermuthlich bei der Uebertragung unterlaufen sind, fällen bei soviel Schönheit nicht ins Gewicht. Die chromo lithographische Wiedergabe reiht sich dem Besten an, was wir auf diesem Gebiete je gesehen haben. Die Fleischtöne sind von einer Weichheit, die dem Lichtdruck ebenbürtig ist, ebenso die Gewänder der weiblichen Figuren und die grossen Flügel des Zeitgeistes. Wenn die K. K. Hofdruckerei Haase das Blatt in den Kunsthandel bringen würde mit Sinnsprüchen oder edlen Versen in den leeren Seitentafeln, so dürfte sie sicher sein, guten Absatz zu finden. Aus London erhielten wir einen Portemonnaie-Kalender, der bei aller Einfachheit so hübsch und sinnig ist, wie wir selten einen gesehen haben. Der Kalender selbst enthält nichts Be- merkenswerthes, er ist eines der in England und Amerika üblichen Zahlen-Kalendarien, die bei uns weniger gebräuchlich sind. Die Aussenseite aber ist als Eisenbahn-Fahrkarte behandelt, deren Text auf die Reise durchs Jahr Bezug nimmt und dem Empfänger alles Gute wünscht. Um auch äusserlich den Eindruck einer Fahrkarte zu erwecken, wurde grauweisser Karton verwendet und Diese Fahrkarte ist aus- gegeben, um Ih nen meine besten ~ Wünsche zum neuen Jahre zu F übermitteln. Möge Gesundheit 8 und Gedeihen Sie fortwährend S geleiten. Möge Ihre Reise Sie g glücklich bis zu der genannten 8 Endstation führen, und in all A der Zeit sei Gott mit Ihnen. H. G. Z. N. Möge der Inhaber von J ANU AR bis DEZEMBER stets in der ERSTEN KLASSE des Lebens fahren. Qültiy für jeden Tag des Jahres. Man beachte die Rückseite. damit, wie durch die geschickte Ausstattung, der Zweck voll kommen erreicht. Wir geben die Aussenseiten der kleinen Klapp karte hier in freier, auf unsere Verhältnisse übertragener Ueber- setzung wieder. Eine Reklame irgendwelcher Art ist mit dem Kalender nicht verbunden, es scheint daher, als ob er als Laden verkaufsartikel gedient hat. Wenn man aber den Kalender ein schränkte oder ganz fortliesse, so würde man ein ebenso wirksames wie billiges Reklamemittel erhalten, das sich zum Verschicken, zum Vertheilen an Strassen-Ecken usw. trefflich eignen müsste. Blikman & Sartorius, Amsterdam. Diese Firma gab einen grossen, in nicht weniger als 9 Farben auf Karton gedruckten Wandkalender heraus, der ein weiteres lehrreiches Beispiel für die verderblichen Folgen der Ultra-Freimanier ist. Wir meinen, Setzer und Drucker mussten einen grossen, moralischen Katzen jammer empfunden haben, als dieses Kind fertig war. Wenn man bedenkt, was mit 9 Farben hätte geleistet werden können, und welche Erfolge der Setzer gehabt haben müsste, wenn er weniger zerfahren gearbeitet hätte, so erscheint eine derartige Zersplitterung der Kräfte doppelt strafbar. Eine Beschreibung dieses Kalenders ist kaum möglich, weil man nicht weiss, wo man anfangen soll, und wo ein Ende finden. Da ist überhaupt kein Ende. Das schiebt sich übereinander, steckt sich durch einander, hier ein Dreiviertelkreis, der ein Leistenstück umspannt, dann noch einer, der Gleiches thut, daneben ein Dreiviertel-Oval, in welchem lose Verzierungen die Zahl 1894 zu Drei-Viertheilen einschliessen, unten eine Leiste, die in der Luft schwebt, oben ein Bauwerk, das wie ein in Abbruch befindliches Haus aussieht, darüber einige Schwalben, die sich über die Trümmerstätte ver-