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366 PAPIER-ZEITUNG. Nr. 12. Büchertisch. Wir lassen nachstehend die Besprechung der uns zugegangenen Buch-Kalender folgen. Dieselben sind fast durchweg so angelegt, dass sie vermöge ihres Inhaltes dauernden Werth haben. Da sie meist in hohen Auflagen hergestellt werden, so war es den Ver legern möglich, für geringen Preis verhältnissmässig viel zu bieten. Für die Güte des Inhaltes spricht, dass viele dieser Kalender schon in hohen Jahrgängen stehen, die andern aber dahin zu kommen wünschen. Schon aus diesem Grunde wird allgemein grosse Sorg falt auf die Auswahl des Stoffes und die technische Ausstattung verwendet, und deshalb lasse Niemand sich abhalten, obwohl das Jahr bereits begonnen hat, einige dieser Bücher nachträglich zu erwerben. Calender für 1894. Von S. de Niederhausern. Verlag von Damond, Coulin & Cie., Genf. Ein glattes, unscheinbares Büchlein, ohne Goldprägung und ähn lichen Aufputz, liegt uns vor. Es hat 15X211/2 cm Grösse; auf dem blaugrauen Grunde des Deckels sehen wir eine Seepartie in Mondschein. Ein glattes Seidenband mit Schleife legt sich den Rücken entlang und verdeckt den seidenen Heftfaden. Die Ecken sind gerundet, die Blatt ränder zeigen Goldschnitt. Der erste Eindruck ist: schön, sehr gute Arbeit, aber nichts Aufregendes. Man schlägt den Deckel auf: Ah! Welch stimmungsvolles Titelbild! Auf blaugrauem Grunde eine glatte Wasserfläche, durch wenige Pinselstriche angedeutet, gegen den dunklen Horizont mit weissen Lichtern abschneidend; rechts ein wenig Schilfrohr, hoch oben einige Möven, sonst nichts. Das ist das Jahr 1894, so liegt es vor uns, still und verschwiegen, in weiter Ferne noch ziehen die Sturmvögel ihre Kreise. Man blättert weiter: Januar. Die rechte Seite zeigt in abgetheiltem, aber ganz glattem Felde das bescheiden auftretende Kalendarium. Daneben ein entlaubter Baum, im Hintergründe einige Sträucher, zum Theil noch mit herbstlichem Laube. Aber welche Kraft der Pinselführung, welche Kunst offenbart sich in der Perspektive dieses einfachen Bildchens. Gegenüber auf etwas hellerem Grunde liegt ein dürrer Zweig mit einigen gelbbraunen Blättern, jedes Blatt mit nur wenigen Pinselstrichen schnell hingeworfen, und doch wahr und vollendet. Einige dunklere Schatten, untermischt mit hellern Streifen, huschen schräg über die Fläche. Dazu die stimmungsvollen Verse! So geht es weiter Blatt um Blatt. Jedesmal rechtsseitig Kalender und ein einfaches Bildchen, linksseitig Verse, einige Halme, ein Blümchen, etwas Wasser. Der April mit einer in Blüthenschnee versinkenden altersgrauen Dorfkirche muthet besondes an. Links ein Kirschblüthenzweig, dessen Schatten auf das Blatt fällt, über Gedichte von Eichendorf und Geibel sich legend. Juli zeigt eine Partie am Seestrande. Keine badenden Kinder, keines der beliebten Liebespärchen, kein Segel im Hintergründe, nur ein wenig Wasser, der einsame Strand und einige Felsblöcke. Nach hinten ein kleines Haus, ist es eine Kirche — eine Ruine? Es steht auf der in den See vorspringenden Landzunge und inmitten weissen Lichtes, das die Wellen dem Monde stahlen. Links leichte Schatten, Möven, deren weisse Schwingen sich scharf von dem blaugrauen Grunde abheben, und diese Verse von M. Strachwitz: Sie hatt’ den ganzen Tag getobt Als wie in Zorn und Pein. Nun bettet sich, nun glättet sich Die See und schlummert ein. Und drüben zittert der Abendwind, Ein mildes, heiliges Wehn, Das ist der Odem Gottes, Der schwebet ob den Seen. In dieser Weise setzt sich das Büchlein fort, jedes der 13 Blätter ist ein Kunstwerk, namentlich insofern, als mit den geringsten Mitteln gearbeitet wurde und alles, vom Kalender-Text bis zu den Steinchen am Wege, zueinander passt, einander ergänzt. Entzückend ist nicht nur die feinsinnige Naturbeobachtung, die aus den skizzenhaften Zeichnungen spricht, sondern vor allem die Tiefe des Empfindens, die der Malerin, Fräulein de Niederhausern, die Hand geführt hat, und die sich auch aus der Wahl der Motive und der Gedichte wiederspiegelt. Hier haben Kopf und Herz zusammen gearbeitet. — Im technischen Sinne betrachtet, kann die Art der Ausführung (Frey & Conrad, Zürich) nicht anders als meisterlich genannt werden. Das Papier war weiss, wurde aber durch den blaugrauen Ton und durch die Zeichnung so verdeckt, dass nur wenige ganz weisse Streifen auf der Höhe des Wassers in einigen Blumen kelchen usw. stehen blieben. DerTon ist durch Punktiren in verschiedenen Helligkeiten abgestuft, und hierdurch sind Wirkungen entzückender Art erzielt. Wie wundervoll wirkt z. B. im Dezemberbilde der weisse Schnee, der noch auf die linke Blattseite herunterstäubt, die wenigen Gräser umlegt und ihnen weisse Hütchen giebt. Malern und Zeichnern, Allen, die mit Farbendruck in irgend einer Art zu thun haben, wird dies Buch nicht nur eine Quelle dauernden Genusses, sondern auch werth- voller Anregungen sein. Der Wiener Bote. Illustrirter Kalender für Stadt- und Land leute. 25. Jahrgang. Verlag von R. v. Waldheim, Wien. Im vordem eigentlichen Kaiendertheil folgt jedem Monatsblatt ein leeres Blatt, rechnungsmässig liniirt. Vielen Käufern des Kalenders wird diese Einrichtung die Buchführung ersetzen. Der unterhaltende Theil, 72 Seiten klein Quart stark, bringt hübsche gemüthvolle Er zählungen, die mit Bildern ausgestattet sind, ferner Gedichte und eine Anzahl Anekdoten. Ein Rückblick auf die Ereignisse des Jahres 1893 (von Juni zu Juni) umfasst 40 Seiten und ist reich illustrirt. Hieran schliessen sich 63 Seiten mit Tarifen, Messen und Märkten usw. Hamburgischer Kalender. Verlag von Ferdinand Schlotke, Hamburg. Der Kalender ist ein Quartheft von 56 Seiten guten, kräftigen Papiers, in Karton-Umschlag mit hübschem Farbendruck auf der Vorderseite. Man sieht hier fünf Hamburger Kirchthürme über einer Art Rokoko-Dekoration in die Höhe ragen, und darüber wölbt sich ein Band mit dem Titel des Kalenders in Rothdruck. Die innern Seiten sind theils zwei-, theils dreifarbig sehr hübsch und geschmackvoll gedruckt, doch hätte nicht Gothisch und Rokoko und italienische Renaissance nebeneinander verwendet werden sollen. Sehr witzig ist die Charakterisirung der Monate nach den Zeichen des Thierkreises, z. B. Zwillinge: eine hübsche Amme mit zwei Kindern, von denen sie eins auf dem Arm hält, während das andere in der Wiege liegt, usw. Der Kalender enthält äusser einigen Erzählungen und Gedichten in hoch- und plattdeutscher Mundart die Wiedergabe einer 1733 in Hamburg bei König & Richter erschienenen Geographie von Johann Hübner, in der es u. a. von Deutschland heisst: »Den Ruhm der Gelehrsamkeit kann den Deutschen niemand streitig machen, sondern man hat sich vielmehr über die allzugrosse Menge der Schulen und Universitäten zu beschweren. < Und ferner: >Die Anzahl der Einwohner wird wohl niemand errathen: Die nur von fünff Millionen schwatzen, thun der Sache ohne Zweifel zu wenig; und die dreissig Millionen in Rechnung führen, gehen unstreitig zu weit: Wenn aber jemand von zehn Millionen sagte, dem wollte ich meines Ortes nicht widersprechen.« Katholischer Volks- und Hauskalender für Württemberg. Verlag der Akt.-Ges. ^Deutsches Volksblatt«, Stuttgart. Preis in Umschlag 30 Pf. Der Kalender zeigt in der Auswahl der Aufsätze und Bilder die Tendenz, die sich in seinem Titel ausspricht, er bietet aber auch Andersgläubigen namentlich in der spannenden Erzählung: »Die Klostergeige« Unterhaltung und Anregung genug. Angenehm ist der zum Guten mahnende Ton, der durch das Ganze weht. In frühem Zeiten erfüllten die Volkskalender die ihnen überkommene Aufgabe, an jedem Tage des Jahres gute Saat auszustreuen, im allgemeinen besser als heute, wo man sicher sein kann, in den meisten derartigen Erzeugnissen nur Unterhaltungsstoff zu finden. Es ist auch nicht leicht und nicht jedes Kalenderschreibers Sache, in dieser Richtung mit Takt undmitVerständniss der Volksseele zu arbeiten. Umsomehr muss anerkannt werden, dass dieser Kalender seiner Aufgabe gerecht wird. Die technische Ausstattung des Buches ist sehr zu loben, namentlich der vorzügliche Druck der zahlreichen Bilder. Deutscher Reichsbote. Kalender für Stadt und Land. Verlag von Velhagen & Kiasing, Bielefeld und Leipzig. Der Kalender vertritt die evangelisch-protestantische Richtung und ist erfüllt von religiösem Sinne. Auch die Erzählungen bekunden die Macht des Guten, wenn es mit Gottvertrauen begonnen wird. Eine dieser Geschichten versucht, gegenüber sozialistischen Verlockungen den Erfolg treuer Pflichterfüllung und beharrlicher Ausdauer auf dem Wege ehrlicher Arbeit darzuthun. Die in den Text gestreuten Bilder sind gut gezeichnet, Druck und äussere Ausstattung des Kalenders tadellos. Dr. Joh. Nep. Vogl’s Volks-Kalender. Redigirt von Dr. August Silberstein. Verlag von Karl Fromme in Wien. Preis in Umschlag 40 Kreuzer. Der Kalender hat Gross-Oktav-Format und 122 Seiten Text-Inhalt. Von den gewöhnlichen Volks-Kalendern unterscheidet er sich vortheil- haft durch gutes, starkes Papier und sorgfältigen Druck. Das Kalendarium ist so angeordnet, dass jedesmal links der Monat, rechts eine Seite für rechnerische Aufzeichnungen steht. Für das Ausbreitungsgebiet des Kalenders ist bezeichnend, dass er in gesonderten Spalten die Zeit rechnung der Katholiken, Protestanten, Griechen, Juden und Türken aufführt. Der Unterhaltungsstoff ist gut gewählt, die Erzählungen sind mit zahlreichen Bildern ausgestattet. Lesenswerth ist besonders eine moderne Geschichte »Der Herr Bank-Direktor« von Karl von Thaler. Der Kalender hat mit 1894 den 50. Jahrgang erreicht. Schluss folgt. Kleine Mittheilungen. Jubelfeste. In Neumann’s Stadtdruckerei in Gleiwitz konnte Herr Faktor Heinrich Morawetz am 2. Februar den 25. Jahrestag seines Eintritts in das Geschäft feiern. Der Jubilar wurde morgens von einer Abordnung, die ihn von seiner Wohnung abholte; in die festlich geschmückte Druckerei geleitet, durch Ansprachen geehrt und mit werthvollen Geschenken erfreut, die ihm der Besitzer des Geschäfts und die Gehilfen darbrachten. Abends fand ein Festkommers statt. Die Königlich bayer. Hof- und Universitäts-Buchdruckerei Junge & Sohn (Fritz Junge) in Erlangen feierte am 20. Januar das Fest ihres 150 jährigen Bestehens. Aus Anlass dieses Tages ist eine Festschrift erschienen, welche die Geschichte der Druckerei und ihrer Inhaber giebt und von den Feierlichkeiten berichtet, die unter Betheiligung der städtischen Behörde, der Universitätsprofessoren und anderer angesehener Leute am 20. und 21. Januar stattfanden. Von nah und fern, von Berufs genossen und Freunden liefen Glückwünsche in grosser Zahl ein, ein Zeichen der Achtung, deren sich die Firma in weiten Kreisen erfreut.