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198 PAPIER-ZEITUNG. Nr. 7. die Wände der benachbarten Häuser oder Hütten geschlagen, wo sie kleben bleiben bis sie trocken sind. Bei dem heissen, und oft während 8 Monate ganz regenlosen Klima trocknet das Papier sehr schnell. Dann wird »geleimt«. Zu diesem Zweck wird ein heimisches Weizenmehl zu Kleister gekocht und damit das Papier mit einer Bürste einseitig bestrichen. Wenn der Aufstrich trocken ist, wird der Bogen umgedreht und auf der andern Seite angeschmiert. Nach dem Trocknen wird der Bogen auf einen glatten, flachen Stein gelegt und durch fortgesetztes kräftiges Reiben mit einem runden, einige Pfund schweren Stein beidseitig geglättet. Durch langes Poliren können die Indier einen fast ebenso hohen Glanz hervorbringen, wie die europäischen Bunt papier-Fabrikanten mit ihrer Steinglätte. Das fertige Papier ist halbweiss und sehr fest. Es wird an Ort und Stelle zu 60—90 Pf. das kg verkauft. 100 g auf das qm ist ein übliches Gewicht, eine beliebte Grösse 55 X 65 cm. Die vielen Schäben, wenn sie nicht gar zu stark hervortreten, schaden dem Verkaufswerth nicht, aber die schwarzen Punkte, welche diese Handpapiere immer aufweisen, sind für den mit persischen Buchstaben schreibenden mohamedanischen Indier sehr störend. Denn Punkte spielen in dieser Schrift, dem sog. Urdu, eine grosse Rolle. Wenn daher das Papier selber viel dergleichen enthält, kann selbst der beste Munshi (Schreiber) einen in Kursivschrift geschriebenen Brief nur langsam und mit vielem Stottern lesen. Zur Erläuterung diene folgendes einfache Beispiel: Persische Schrift (von rechts nach links zu lesen). _ kann Verschiedenes bedeuten, z. B. s, oder auch garnichts, d. h. blosser Verbindungsstrich sein. bedeutet n b t P sch n b n e b e Hindus nicht, da sie die aus dem Sanskrit abgeleitete Nagiri-Schrift schreiben. Es wird deshalb, soweit meine Erfahrung geht, nur noch von der Nagiri schreibenden Bevölkerung Handpapier verwendet. So einfach auch die vorstehend beschriebene Papiermacherei aussieht, wäre es doch ein grosser Irrthum, zu glauben, es stecke keine Kunst dahinter. Der Fachmann, namentlich der Holländer müller, wird im Gegentheil zugeben, dass nur Leute, die ihre Sache verstehen, mit solch rohen Einrichtungen ordentliches Papier machen können. Auch soll durchaus nicht gesagt sein, dass die Leute von ihrem Fach nichts weiter verstünden, sondern nur, dass sie gewöhnlich so arbeiteten. Bei den Indiern nämlich ist Thun und Können zweierlei, und je genauer man sie kennt, desto mehr überzeugt man sich, dass sie in den Handwerken, die sich von Vater auf Sohn vererbt haben, fast alle Kniffe längst herausgefunden haben. Der Neuling kann dies kaum glauben, wenn er sieht, wie so Vieles anscheinend ganz verkehrt angefasst wird, und es dauert oft lange, bis in den frisch angekommenen europäischen Aufsehern die Erkenntniss zu dämmern beginnt, dass manche der ihnen untergebenen einheimischen Handwerker auf ihre Art Meister ihres Berufes sind und die ganze Zeit hindurch den alles besser wissenden, schimpfenden Gora (Weissen) einfach zum Besten gehalten haben. »Auf ihre Art«, sage ich; denn ihre Wege sind nicht unsre Wege, und wer sich nicht damit zufrieden geben kann, die gewünschte Arbeit gethan zu erhalten, ohne sich viel darum zu kümmern, auf welche Weise sie zu Stande kommt, der passt nicht für Indien. So hackt z. B. der Schreiner die Bretter mit Vorliebe mit der Axt durch, statt sie zu sägen, und hält das Brett beim Hobeln zwischen den Zehen fest, statt den nebenanstehenden Schraubstock zu benutzen. Aber er hat solche Gewandtheit in der Handhabung seiner eigenen Werkzeuge, dass er damit gewöhnlich viel mehr zu Stande bringt und weniger Material vergeudet, als wenn man ihn zwingt, auf europäische Art zu arbeiten. » You can take a horse to the water, but you can’t make him drink« (Man kann ein Pferd zum Wasser führen, aber man kann es nicht zum Trinken zwingen), meinte einst ein schottischer Mechaniker, als er vergebens sich mit seinen Schreinern abgeplagt hatte. Und ein anderer Schotte machte die n stören diese Punkte den Millionen vonPilgern, die jährlich ausden entferntesten Gegenden Indiens nach dieser alten Stadt am Jumna und dem benachbarten heiligen Bindraban, dem Geburtsort Krishna’s, wallfahren. Wer Krishna war, kann den Lesern jeder Geschichtslehrer besser erzählen als ich; denn für alles hat man auch in Indien nicht Zeit, wo man gewöhnlich genug zu thun hat, sich seiner Haut zu wehren. Es genüge also hier, dass Krishna eine Inkarnation Gottes war, etwa 2000 Jahre v. Ohr. zur Welt kam und seine Lehre mit dem Tode am Kreuz, den Kopf nach unten, besiegelt haben soll. Die indischen Pilger nehmen, wie die europäischen Wall fahrer, gern kleine Andenken mit nach Haus. Infolgedessen hat sich in Muttra ein umfangreiches Geschäft in Papier, Büchern und Holzschnitten eingebürgert. Die Bücher, gross und klein, enthalten Legenden, Auszüge aus der Ramayänam (an den trojanischen Krieg erinnernd), und abenteuerliche persische Er zählungen, wie die vom »Hatim ka Tai« und der Prinzessin, welche die bekannten sieben Fragen stellt, deren Beantwortung durch ihre Hand belohnt wird. Besonders ergötzlich sind die Holz schnitte, welche Götter und Göttinnen, berühmte Rajas und Moguls, die Einen auf Pfauen, die Andern auf unmöglichen Pferden reitend, zeigen. Am beliebtesten aber, und das einfache indische Gemüth immer wieder entzückend, ist die Zeichnung, welche den besagten Krishna darstellt, als er den badenden Mädchen die Kleider gestohlen hatte. Der sehr Mensch gewordene Gott sitzt auf einem Baum, und unten kauern die armen nackten Dinger und flehen »bitte, bitte.« Als ich vor 11 Jahren zum ersten Male Muttra besuchte, wurde noch in mehr als einem Dutzend Häuser Papier in althergebrachter Weise gemacht. Ich will daher vorerst diese Fabrikationsweise beschreiben. Der Rohstoff besteht fast ausschliesslich aus Hanf abfallen, namentlieh alten Stricken und Packtüchern. Lumpen werden nicht benützt, weil sie als Abfälle indischer Sitte gemäss von anständigen Leuten nicht berührt werden. Die Stricke werden von Hand mit einem Beil in Stücke gehackt, in einen in den Fuss boden eingelassenen ausgemeisselten Stein eingetragen und mit etwas Wasser und Natursoda, wohl auch etwas schlechtem Aetz- kalk (gebranntem Mergel) gemischt. Nachstehende Abbildung zeigt die höchst einfache Vorrichtung. In das runde Loch d im Stein passt ein hölzerner Klotz c, der senkrecht unter dem einen Ende eines 3—4 m langen Balkens befestigt ist. Ein in den Fussboden eingerammter Pfahl e, dessen etwa 1/3 m über diesem hervorragendes Ende ausgehöhlt ist, nimmt in dem Ausschnitt den Balken nahe dem Ende a auf. Balken und Pfahl sind mittels eines Bolzens derart verbunden, dass sich der Balken in dem Ausschnitt spielend auf und ab bewegen kann. Zwei Männer setzen den einen Fuss auf das kürzere Ende a, wodurch sich das andere Ende b hebt, und lassen dann den Balken fallen. Es ist also das denkbar einfachste Stampfwerk, wie es auch in Süd-Indien manchenorts zur Enthülsung von Reis dient. Dass nicht viel damit fertig wird ist klar, aber wieviel, dass wussten die Leute selber nicht genau; denn in Indien geht es bei den Eingebornen im allgemeinen noch höchst gemüthlich mit dem Arbeiten zu. Nach vielen Erkundigungen konnte ich in dessen ausrechnen, dass ein ordentlicher Arbeiter im Monat etwa 25 kg Hanfstof fertig machen mag, eine nach europäischen Be griffen allerdings winzige Menge, aber immerhin genug, um den Arbeiter und seine Familie zu ernähren und dem Fabrikanten einen anständigen Nutzen zu lassen. Die übrigen Fabrikations kosten sind gering und fallen um so weniger ins Gewicht, als auch die Eingebornen es verstehen, ihren Stoff zu mehren. Sie kaufen nämlich weisse Papierabfälle von den Druckereien und europäischen Kontoren und mischen den daraus bereiteten billigen Stoff mit dem Hanfzeug. Dieser Zusatz bezweckt übrigens auch Ver besserung der Farbe. Mit dem Schöpfen aus den primitiven Kästen geht es rasch, denn in solchen leichten Arbeiten erlangen die Indier grosse Geschicklichkeit. Sand und andere schwere Verunreinigungen setzen sich auf dem Boden des Bottichs ab; Knotenfange giebt es nicht. Die zwischen Tücher gelegten Bogen bleiben in Stössen liegen, bis sie genügend abgetropft sind; dann werden sie einzeln gegen