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liefern. Es fehlt ihm hierzu vor allem das Vertrauen zu der beamteten Pädagogik der Volksschullehrer; es sträubt sich sogar in immer zahlreicher worbenden Einzelsällen, das Kind staat lichen Lehrpersonen oder Erziehungskräften in die Hände zu geben, und versucht mit allen Mitteln, deren gewiß gut ge meinten und wohlbegründeöen Erziehungsmaßnahmen entgegen zu arbeiten, sie unwirksam zu machen und in das Gegenteil zu verkehren und das alles trotz der Elternräte und der Ver tretung der Eltern im Schulausschuß. Es ist an dieser Stelle auch hinzuweisen auf die „Erfolge" einzelner Versuchsklassen und Versuchsschule und auf die Flucht aus der Volksschule, wie sie in den Massenanmeldungen zu den höheren Schulen in Erscheinung tritt. Wer die Leistungsfähigkeit und das Ansehen der Volksschule heben will, muß sich in erster Linie darüber Klarheit verschaffen, daß hierfür feste und verhältnismäßig «nge Grenzen gezogen sind. Er wird diese Grenzen nicht durch «ine chinesische Mauer festlegen. Das wäre völlig verkehrt. Die Grenzgebiete müssen im Blickfeld der Schule bleiben, nur dürfen wir sie nicht einfach für unsern Besitz erklären. All- -uviele Schulreformen und unter ihnen besonders solche, die nach dem November 1918 in den Vordergrund getreten sind, setzen die Begriffe Volksschule und Iugendbildung und Jugend erziehung ohne Bedenken gleich. Das ist kein Zufall, sondern erklärt sich zumeist aus der pädagogischen Einstellung dieser Schulmänner. Damit aber verlieren sie sich ins Uferlose, und der Gewinn für die Volksschule bleibt aus, muß ausbleiben. Daß das Ansehen der Volksschule und ihrer Lehrer in den letzten Jahren gestiegen sei, wird so leicht niemand zu be haupten wagen. Fünf Jahre Schularbeit unter „freien Ver hältnisten" liegen hinter uns. Aber der allgemeine Stand der Schule kann uns nicht befriedigen. Die Entwicklung hat abwärts geführt, das Ansehen der Volksschule hat schwer gelitten. Wir müsten uns in dem allgemeinen Jagen nach vorwärts, nach Zielen, die in nebelhaften Fernen, in Wölkenkuckucksheim liegen, unbedingt einmal Zeit nehmen, still zu stehen und um uns yu blicken. Es genügt nicht, immer neue Ziele zu zeigen, eins phantastischer als das andere, wir müsten zunächst einmal gang bare Wege suchen, der Nachdruck liegt auf „gangbar". Die allzu Stürmischen müsten gesagt bekommen, daß zunächst der erste, dann erst der zweite und dritte Schritt zu gehen ist, wen« die Gefahr vermieden werden soll, daß schon der zweite Schritt haltlos in die Luft getan wird. Ungesucht taucht da die Frage auf: Woher kommt denn nur dieser heillose Wirrwarr in der Schule? Der Gründe sind viele. Vor allem ist es die Herr schaft des Schlagwortes, die auch unsre Arbeit hat verwirre« helfen. Und dazu gehört die vorbehaltlose Gleichstellung von ^Volksschule" und „Jugenderziehung". Es kommt jetzt darauf an, die natürlichen Unterschiede Mr die Arbeit an der Jugend zwischen der Schule und Haus klar herauszustellen und peinlich zu berücksichtigen. Jeder Teil be kommt das zugewiesen, was er am besten leisten kann. Zur Praxis des Lebens bringt die Schule die Theorie. Hier werde» bie reichen Erfahrungen des Kindes, die ihm Haus und Leben vermitteln, gesammelt, geordnet, ergänzt, geteilt, aus Grundan schauungen zurückgeführt, untereinander in Beziehung gesetzt; es werden neue Gesichtspunkte, Hinweise, Hypthesen geboten, die zu einer tieferen Erfassung der Lebensvorgänge Anregun, geben. Auf diese Weise wird uns der Zweck der Schule klar, und dann wird es uns auch leichter werden, ihre Leistungsfähig keit zu steigern, das Vertrauen des Elternhauses zu gewinnen. Damit aber gründen wir das Ansehen der Volksschule und derer, die daran „arbeiten"; vor allem aber nehmen wir denen den Wind aus den Segeln, die für alle Mißerfolge der Lugendbildung und -erziehung die Volksschule verantwortlich machen. A. I. Hartenstein. Kf-er/er Mö KnMMe ) Berlin. (ArbeitSzeitabkommen im Bauge werbe.) Für Vie kaufmännischen und technischen Angestellten im Baugewerbe ist es zu einer freien Vereinbarung gekommen. Den einzelnen Arbeitgebern wird über die grundsätzlich bei- bebaltene Mündige Arbeitswoche hinaus die Möglichkeit ge geben, bis 35 Stunden im Vierteljahr überarbeit von den An gestellten zu beanspruchen, sofern hierfür ein wirtschaftliches Bedürfnis vorliegt. Von dem Angrstelltenrat wird entschieden über die Anzahl der zulästigen Überstunden und ihre Bezah lung: bei Ablehnung entscheidet das Tarifamt. -- Die kür eman-er find. Roman von Fr. Lehne. (Nachdruck verboten). Hatte er es laut gesagt? Er wußte es beinahe selbst nicht, bis ihn die entsetzten Augen der Frau Rat belehrten, daß er es wirklich nicht bloß gedacht, sondern auch gesagt! Es hatte ihn etwas dazu gezwungen, sich so zu äußern, selbst auf die Gefahr einer Taktlosigkeit gegen seine Gastgeberin und ihren Besuch. Virgilia warf ihm einen empörten Blick zu; Doch Herr Doktor Schultze brach in sein dröhnendes Gelächter aus — „Herr Baron sind klassisch —" „Im Ernst, Fräulein Virgilia," sagte Fritz, „Sie sind zu beneiden — immer an den Fleischtöpfen Aegyptens — wer's doch auch so gut hätte! Und ich bin überzeugt, daß keine so gut wie Sie in das Geschäft paßt — Sie sind gescheit, tüchtig, appetitlich — Herr Lämmlein ist sehr zu beglückwünschen —" und nochmals streckte er Franz die Hand entgegen, die der Neuverlobte zaghaft und mit einem Gefühl der Eifersucht erfaßte. Kein Zveisel, der Leutnant hatte für Virgilia ge schwärmt, und Franz war nun in einer Hinsicht doppelt glück lich im Besitze seiner Braut, daß er sie einem solchen Bewerber hatte streitig machen können! Das erhöhte Virgilios Wert noch mehr in seinen Augen. Als sich Herr Doktor Schultze mit Virgilia und dem Schwiegersohn verabschiedet hatte, ging Fritz auf Frau Schlos sermann zu, faßte ihre Hände, die er abbittend küßte u. sah sie mit seinem unwiderstehlichen Blick an. „Verzeihen Sie mir, liebste, beste, vernünftigste aller Mütter —" „Sie waren sehr ungezogen, Fritz!" sagte sie vorwurfs voll. „Ich weiß es und fühle mich so schuldig —! Doch es war stärker als ich das ist eben der andere Mensch in mir — nämlich der „tolle Bieseneck" —, der drängt, daß ich sage« und tun muß, was sich eigentlich nicht gehört — ich kann wirklich nichts dafür — denn ich selber bin ein ganz braver harmloser Kerl —I — Also Virgilia Schultze «tt tz ist nun alückliche Braut — Nummer ein« — Hwkk MS <5M Är/eMM« - Berlin. (Folgen veS Hafenarbelterstreiks.) Wegen des HasenarbeiterstreikS in Hamburg hat der Paketver- kehr nach europäischen und außereuropäisch«» Ländern über Hamburg 7 Seeweg gesperrt werden müsten. vreitenstrSter und Prenzel in Front. Bei de« internationalen Boxkämpfen, die Freitag abend im Berliner Sportpalast stattfanden, erfocht der vor kurzem von Samson-Körner besiegte Hans Brei tensträter «inen schnelle« Sieg über de» Engländer Harry Drake. Schon in der erste« Rund« brach der Schiedsrichter den Kampf zugtmste« Breiiensträters ab. Walter Funke schlug den englischen Europameister im Leichtgewicht Seaman Hall in einem Zehnrundenkampf nach Punkten. Der Duisburger Rudi Wagner dagegen verlor auf die gleiche Weise gegen den schwedischen Schwergewichtsmeister Harry Persson. D«r Kampf um die deutsche Federgewichts-Meisterschaft zwischen dem Verteidiger des Titels Fritz Rolauf (Berlin) und dem Kölner Theo Beyerling nahm ein inkorrektes Ende. Slolauf mußt« in der 14. Runde disqualifiziert werden, weil er seinen am Boden befindlichen Gegner schlug. Einen glänzenden Erfolg errang am Schlüsse des Abenhs der deutsche Mittelgewichtsmeister Kurt Prenzelgegenden Engländer Davies, den er nach spannendem Kampf in der fünfte« Runde k. o. schlug. Die SWermünzen. Nachdem das Gesetz zur Ausprä gung von Silbermünzen durch den Reichstag verabschiedet worden ist, wird das erste Hartgeld in den nächsten Wochen in den Verkehr gelangen. Es werden Ein-, Zwei-, und Drei markstücke ausgeprägt, deren Silbergehalt etwas geringer als der der früheren deutschen Münzen ist. Eine grausige Familientragödie. In Berlin-Neukölln hat Lie Kaufmannsfrau Lucie Zygalski, die mit ihrem Manne in ehelichen Zerwürfnissen und in Scheidung lebt, ihren beiden Kindern mit einem Messer die Kehlen durch schnitten und sich dann selbst mit dem Messer schwere Ver letzungen am Hals beigebracht. Frau Zygalski hatte in folge Les ehelichen Zerwürfnisses «in von ihr kürzlich ge borenes Kind getötet und im Ofen verbrannt. Sie sollte jetzt zur Anzeige gebracht werden und hat in Verzweif lung und aus Furcht vor Strafe die grausige Tat voll führt. Im Brunnenschacht verschüttet. Bei Ausbesserungs arbeiten an einen: Brunnenschacht der Gummifabrik Metze lei u. Co. in München wurden die beiden auf der Schacht sohle tätigen Maurer Schwend und Leeb durch ErLmasfen verschüttet. Margarete Krupp 70 Jahre alt. Am 15. März be ging die Gattin des im Fahre 1902 verstorbenen Friedrich Alfred Krupp, geb. Freiin von Ende, auf Villa Hügel ihren 70. Geburtstag. Ihr Vater war der Oberpräsident von Hessen-Nassau und vordem Regierungspräsident in Düsseldorf. Frau Krupp hat sich durch viele segensreiche Stiftungen einen Namen gemacht. Die Stadt Essen ver lieh ihr aus Anlaß der Jahrhundertfeier der Firma Krupp das Ehrenbürgerrecht. Die Biberburg an der Saale zerstört. Am rechten Saaleufer im Kreis Calb« befand sich bis vor kurzem eine sogenannte Biberburg. Die Biber, die diese Burg bewohn ten, sind von unbekannter Hand getötet und di« Burg selbst ist zerstört worden. Von den Frevlern, die das wichtig« Naturdenkmal vernichtet haben, fehlt bis jetzt jede Spur. Ehrlich-Feier in Frankfurt a. M. Anläßlich des 70. Geburtstages Paul Ehrlichs, des verstorbenen Ent deckers des Salvarsans und Begründers der Serum- therapi« (neben Behring), fand in Frankfurt a. M. im Institut für experimentelle Therapie eine Gedächtnisfeier statt. Von Ehrlichs Nachfolger Kolle wurden Ehrlichsäle eingerichtet mit GlaSgemälden, die den Kampf mit dem Dämon Krankheit darstellen. Zu der Explosion im Oppauer Werk wird mit geteilt, daß eine Gassammelleitung und ein dabei befindlicher Kühler explodiert sind. Als Ursache wird überhastete Ab stellung angegeben, wodurch sich Gas gemrsche bildeten, di« zur Entzündmdg kamen. Kurz nach der Explosion ist in dem selben Werk ein Braunkohlenbunker in Brand geraten. Wegen der Einstellung der Notstandsarbeiten konnte der Brand nicht gelöscht werden. Vier Geldfälscherbanden hinter Schloß und Riegel. Die FatschgeLabteilung der Rsichsbank hat, wie aus Ber lin berichtet wird, in den letzten Tagen vier Geldfälscher banden unschädlich gemacht. Die erste Bande bestand aus zwei Männern, die Zwi-schenschein« d«r Re-chsschatzanweb- sung zu 1,05 Goldmark hersteRten. Die aus fünf Personen besehende zweite Bande machte aus echten Fünfdollarnoten FünfZigdollarnoten. Die dritte und die vierte Bande, dis zusammen neun Mann stark waren, arbeiteten Hand in Land. Drei Mörder durch Erschießen hingerichtet. Die drei Mörder aus Garsmühle, die seinerzeit zwei Leute aus Nürnberg ermordet hatten, um eine Anzeige eines von ihnen begangenen Mehldiebstahls zn verhindern, und des wegen zum Tode verurteilt worden waren, wurden jetzt in Nürnberg durch eine Abteilung LanLespolizei durch Erschießen hingerichtet. Deutscher Kluareuabesuch auf der Wiener Melle. Lum ««such der Wiener Mess« traf Freitag auf dem Flugplatz Aspern bei Wien der Kabinenverkehrseind«cker „Düsseldorf" des Deutschen Aero-Lloyd ein. Auf dem Flugplatz b«i Prag hatte der Flugleiter des Aero-Lloyd mit seinen Begleitern ein« Zwischenlandung vorgenommen. Der deutsche Gesandte Dr. Pfeifer war zur Begrüßung in Aspern erschienen. Es ist das erste Mal, daß ein Verkehrsflugzeug, von Berlin kommend, in direkter Linie über Prag Wien erreicht hat. Deutsche Kriegerwaisen nach Steiermark. Auf Ein ladung des Alpenländischcn Verbandes der Kriegsteilnehmer 1914/18 t-n Graz hat der Zentralverband deutscher Kriegs beschädigter und Kriegshinterbliebener mehr als 150 Kriegerwaisen und Kinder von Schwerkriegsbeschädigte« hauptsächlich aus Groß-Berlin zu einem dreimonatigen Er- bolungsaufenthalt nach Steiermark geschickt. Di« Kinder sind dort Gäste des Alpenverbandes und werden bei d«sse« Mitgliedern untergebracht. Rechteckige Brillen. Bei der Londoner Bevölkerung kommt, wie aus London berichtet wird, eine neue Brillen mode auf. Die Brillen, die durchweg aus Horn oder Schildpatt sind, nehmen anstatt der runden Form die Form eines Rechtecks oder eines Würfels an. Besonders beliebt sind die Rechtecks, die keinen schlechten Eindruck machen. San Marino vom Verkehr abgeschlossen. Infolge der jüngsten Schneefälle ist das ganze Gebiet d«r Liliput« republik San Marino von jedem Verkehr abgeschnitten. Ganze Scharen vgn Freiwilligen sind damit beschäftigt, wenigstens den Verkehr für die Lebensmittelzufuhren wie der herzustell«n. Erdbeben kn Peru. Pariser Blätter melden au» Santiago, daß an der Grenze von Peru ein schweres Erdbeben stattgefunden hab«. Die Zahl der Opfer soll sehr groß sein. In der Gewalt des Zyklons. RuS Delhi in Indien wird ein schweres Eisenbahnunglück gemeldet: ein Eisen- bahuzug wurde von einem furchtbaren Zytton aus dem Gleise geworfen. Fünf Wagen fielen in einen Fluß. Viele Passagiere verloren das Leb««. Zeitungsfreund in W.: Sie meinen gewiß bas Wort vo» Theodor Gottl. von Higgel: „Die Presse kann schlimmere Ver heerungen anrlchten als Pulver und Blei." (Trösten Sie sich: sie tut das nicht, sondern ist eigentlich viel -braver, als zuweilen gut wäre. Frdl. Gruß! Katzenfreund in H.: Durch unsachgemäßes Beschneiden der « Krallen kann eine sogenannte Infektionspforte geschaffen werden, durch j die dann -das Eindringen von Krankheitserregern ermöglicht wird und ° «ine Allgemeininfektion (Blutvergiftung) entstehen kann. „Schultzens können sich freuen! Die Lämmleins' sind eine gute, wohlhabende Familie, und Franz Lämmlein —" „Ah, Franz heißt die Kanaille —" schnell schlug er sich auf den Mund — sehen Sie, da war es wieder, dieses zweite, ungezogene Ich — gegen meinen Willen drängt es sich vor." Er legte den Kopf auf die Seite und sah Frau Rat so schalkhaft an, daß sie lachen mußte. „Ich muß die Hoffnung aufgeben, Sie zu bessern!" seufzte sie, „wenn es das Leben nur nicht noch tut!" fügte sie ernster Hinz«. „Eine sind nun Schultzens glücklich los —! Nach der „Anciennität" ist es allerdings nicht gegan gen! — Die Jüngste werden sie nun wohl auch bald los — — die Julia an Herrn Ingenieur Schlossermann —" „Ja, Fritzi ich wünsche es von Herzen!" Er senkte den Kopf. War es wohl recht, daß er nach die sem Wunsch seiner gütigen, mütterlichen Freundin noch sein Begehren auf Iulchen richtete? Heiß lief es ihm durch die Adern, dachte er an fiel Da meldete Fanny — „es ist angerichtet, Frau Rat!" „Nun denn: auf in den Kampf, Torero —I" rief Fritz, der Rätin den Arm bietend und sie ins Eßzimmer führend, auf dessen einladend gedecktem Tisch die knusprig gebratene Gans stand. „— Kam ein Bogel geflogen —l" sang er fröhlich, indem er Platz nahm und in lächelnder Erwartung zuschaute, wie Frau Schlossermann die Gans zerteilte. Am nächsten Tage bestellte Fritz einen großen Blumenkorb, gefüllt mit dunkeiroten Rosen. Dann machte er Besuch. Seine Mumengabe stand mit- ten auf dem Tisch, unter anderen, bescheideneren das Prunkstück bildend — und deutlich sichtbar prangte seine Vi sitenkarte, mit seinem Titel und der Krone! Man war sehr erfreut über seine Aufmerksamkeit. Por- zia trug eine elegische Miene zur Schau — „ja, es ist hart, die geliebte Schwester weit fortzugeben an einen fremden Man« —" „Aber Herr Lämmlein wohnt doch gleich um die Ecke —" tröstete er gutmütig, „das ist ja nicht weit —" „Ich meinte es doch nur bildlich, Herr Baron! Außer halb unseres lieben Heimatstädtchens hätte Virgilia auch nicht geheiratet — denn vom teuren Vater ganz weg zu ge hen, hätte sie nicht über's Herz gebracht —" Virgilia sah recht hübsch aus. Das eng anliegende grell blaue Seidenkleid — eine Bühnentoilette — hob ihre gut ge wachsene Gestalt vorteilhaft. Der ziemlich tiefe Ausschnitt war durch eine dünne Tüll gaze etwas gemildert, zeigte aber doch noch genügend von dem hübschen weißen Hals; kokett spielten ihre weißen ge pflegten Hände mit den roten Nelken an der Taille, und auf dringlich strahlte der funkelnagelneue Verlobungsring. „Der Freiersmann ist doch gekommen, Herr Baron —" schelmisch lächelte sie ihn an. „Daran hab' ich nie gezweifelt, gnädiges Fräulein!" Lukrezia sah ihn daraufhin mit einem sprechenden, bedeu tungsvollen Blick an, den er sich wohl zu deuten wußte — lächelnd hielt er ihm aber stand. „Wirklich, mein gnädiges Fräulein —! man steht beinahe hier vor einem „embarras de richesse —" beinahe könnte man wünschen, ein Türke zu sein, weil einem die Wahl sonst so schwer würde — und um diesen Harem würde ich sicher beneidet werden —" Seine überlegene spöttelnde Art, der nichts heilig war, ärgerte Julia — — der Groll der Schwestern auf den kecken Leutnant mar schon wieder in bedenklichem Schwinden! „Nun, es fragte sich, Herr von Bieseneck, ob wir uns alle auch so geduldig und gutwillig in Ihren Harem einsper ren ließen!" meinte sie kampflustig. „— Und bist du nicht willig, so brauche ich Gewalt!" zi tierte er, „der Wille des Mannes gilt —" „— Da muß ich widersprechen!" warf Virgilia ein. „Llh, Gnädigste, lassen Sie das Ihren Verlobten nicht hören oder haben Sie ihn schon unter dem Pantoffel?" „Mein Franz tut alles, was ich will!" meinte sie selbst, bewußt. „— Bis nach der Hochzeit! Dann wollen wir uns mal wiedersprechen! Sie werden wohl bald Heiraten?" „Lange möchte mein Franz nicht warten!" „Das ist begreiflich!" nickte er. - „Vielleicht so gegen Ostern. Wir wollen reisen —" Wie sie das Wort „reisen" aussprach — er hatte sei»« Helle Freude daran! (Fortsetzung folgte