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MMM s« «»ÄkM Erscheint wöchentlich dreimal and zwar DienStagS, Donnerstags und Sonnabends. Bezugspreis vierteljährlich I Mk. 30 Pfg., durch die Post bezogen 1 Mk. 54 Pfg. Fernsprecher Nr. 6. — Telegramm-Adresse: Amtsblatt Wilsdruff. und Amgegend. Amtsblatt Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens 12 Uhr angenommen. Jnsertionspreis 18 Pfg. pro viergeipalteue Korpuszeile. Außerhalb des Amtsgenchtsbezirks Wilsdruff 20 Pfg. Zeitraubender und tabellarischer Satz mit 50 «/» Ausschlag. für dte Kgl. Amtshauptmannschaft Weihen, für das Kgl. Amtsgericht und den Stadtrat zu Wilsdruff, sowie für das Kgl. Forstrentamt zu Tharandt. Lokalblatt für Wilsdruff, Alttanueberg, Birkenhain, Blankenstein, Braunsdorf, Burkhardtswalde, Groitzsch, Grumbach, Gruno bei Mohorn, Helbigsdorf, Herzogswalde mit Landberg, Hühndorf, Kaufbach, Kefselsdorf, Kleinschönberg, Klipphausen, Lampersdorf, Limbach, Lotzen, Mohorn, Miltitz-Roitzschen, Munzig, Neukirchen, Neutanneberg, Niederwartha, Oberhermsdorf Pohrsdorf, Röhrsdorf bei Wilsdruff, Roitzsch, Rothschönberg mit Perne, Sachsdorf, Schmiedewalde, Sora, Steinbach bei Kefselsdorf, Steinbach bet Mohorn, Seeligstadt, Spechtshausen, Taubenheim, Unkersdorf, Weistropp, Wildberg. Druck uud Verlag voo Zschunke K Friedrich, Wilsdruff. Für dte Redaktion und den amtlichen Teil verantwortlich: Hugo Friedrich, für den Inseratenteil: Arthur Zschunke, beide in Wilsdruff. No. 71. Donnerstag, -en 20. Juni 1907. 66. Jahrg. politische Rundschau. Wilsdruff, 19. Juni 1907. Deutsches Reich. Ein Verbot, deutsche Frauen zu heirate« Der Verband polnischer Vereine in Berlin hat bei einer Revision seiner Satzungen diesen eine Bestimmung eingefügt, welche Polen, die mit deutschen Frauen der» heiratet oder mit deutschen Mädchen verlobt sind, sowie solche polnische Familienväter, dte kein rein polnisches Haus führen, d. h. bei denen zu Hause auch deutsch gesprochen wird, von allen Aemtern und Ehrenposten in den hiesigen Polenvereinen ausschließt. In der Erläuterung zu diesem eigenartigen Verbot wird darauf htngewiesen, daß es bisher nur zu oft vorgekommev sei, daß selbst Führer der Polenbewegung deutsche Frauen hatten, oder «in deutsches Haus führten und durch ihr böses Beispiel die Germanistrung ihrer Landsleute förderten, die sie in der Theorie bekämpften. Derartige „Schädlinge des Polentums" sollen tunlichst aus den Vereinen entfernt, mindestens aber zu keinem Amte zugelaffen werden. — Die Polen handeln von ihrem Standpunkt aus richtig. Wenn auf anderer Sette ebenso gedacht würde, wäre alles in Ordnung. I« der BeleibiguttgAkloge der Woermann-Linie gegen den „StmplizisstmuS" sollte vor der Hamburger Strafkammer von neuem verhandelt werden, da der vom Schöffengericht zu 3 Monaten Ge fängnis verurteilte Redakteur des „Simplizissimus", Gulbranson, Berufung eingelegt hatte. Das Gericht be- schloß am Montag Aussetzung der Verhandlung und Ladung des Erbprinzen zu Hohenlohe-Langenburg und des Staatssekretärs Dernburg als Zeugen zu einem neu anzuberaumeuden Termin. Katholische Sonntagsheiligung im Gebirge? In Sölden im Pitztal (Tirol) hat sich, wie aus München gemeldet wird, ei« katholischer Berzführerverei« gebildet. Den Führern wurde das Gelöbnis abgenommen, den Sonntag zu heiligen und an ihm keine Touren zu machen. Das Pitztal ist ja allerdings vom Verkehr noch nicht so gesucht wie daS nahegelegene Oitztal und infolge- dessen vielleicht etwas rückständig. Wenn die Pitztaler sich noch dazu auf diesen Standpunkt stellen, werden sie kaum je einen regen Fremdenverkehr erhalten. Daß die Bergführer vor der ersten Frühmesse keine Touren antreten, ist übrigens fast im ganzen Tirol üblich. Gegen die hohen Fleischpreise. Eine städtische Schlächterei zur Herstellung billiger Fleischpreise soll nun auch in Eberswalde in den nächsten Tagen eröffnet werden. In der letzten Magistratssttzungwurde beschlossen, mit derPcobeschlachtung von Schweinen zu beginnen und das Fleisch im städtischen Schlachthause zu Verkaufes. Ausland. Dte AuflSsuttg der Duma. Bisher sind nur in Odessa geringfügige Ruhestörungen zu verzeichnen. Aus Riga wird der „Voss. Ztg." ge meldet: Die Dumaauflösung ist hier ruhig ausgenommen worden. Die Polizei unternahm zahlreiche Haussuchungen bei Leuten, bei denen man vermutete, daß sie in Be- ziehungen zu revolutionären Organisationen stehen und verhaftete 25 Personen, vorwiegend Letten und Juden, darunter den Chefredakteur Berg der radikalen lettischen Zeitung „Westnests". Der Reichsrat hielt am Montag eine Sitzung ab, in der das kaiserliche Manifest über die Auflösung der Reichs duma verlesen wurde. Hierauf wurde der Reichsrat mit einem Hoch auf den Kaiser bis zum 14. November vertagt. Der Zar sandte dem Präsidenten des ultrareaktionären Verbandes des russischen Volkes Dubrowin folgendes Telegramm: , „ Sprechen Sie allen Abteilungsprästdenten sowie den Mitgliedern des Verbandes meinen Dank aus für den Ausdruck Ihrer Ergebenheit und Bereitwilligkeit, dem Throne zu dienen zum Segen des Vaterlandes. Ich bin überzeugt, daß alle wahrhaften Söhne Rußlands, die das Vaterland grenzenlos lieben, noch enger untereinander verknüpft werden, daß ihre Reihen sich immermehr ver- größern und daß sie mir helfen werden, die friedliche Er Neuerung Rußlands zu erreichen, sowie die Vervollkommnung des Wesens semes Volkes. Möge mir der Verband eine Stütze sein und für alle in allem ein Beispiel geben in der Gesetzlichkeit und Ordnung. * * * Ueber die Stimmung in politischen Kreisen berichtet ein Petersburger Telegramm: Die radikale linksliberale Presse äußert sich mit großer Vorsicht über die Vorgänge, dagegen schlagen einige gemäßigte Blätter, wie der „Slowo" des früheren Handelsminister Fedorowo einen sehr scharsen warnenden Ton gegen die Regierung an Nachdem im rechten Lager der Siegesjubel verrauscht ist, erkennt man auch dort dte heraufziehenden schweren Ge- fahren. Die Kadetten, die die beste russische Intelligenz repräsentieren, erklären, der Verfaffungsbruch zwinge sie, zu dem Standpunkte vor dem Oktobermanifest zurückzukehren, also mehr links zu stehen. Dte gleiche Evolution ist für die ganze gebildete Gesellschaft höchst wahrscheinlich. Die Siebenlehner Massenbran-Wer vor dem Schwurgericht. Nach Berichten des „Freiberger Anzeigers". Unter einem kolossalen Andrang« des Publikums wurde am Montag morgen 10'/^ Uhr die Verhandlung wieder ausgenommen. Nach Verlesen der Schuldfragen (es sind deren 72 an die Geschworenen gestellt begann daS Plaidoyer des Staatsanwaltes. Herr Assessor Arnold führte ungefähr folgendes aus : Die Siebenlehner Brandstiftung hat weit über den hte- stgen Kreis hinaus berechtigtes Aufsehen und Erstaunen erregt. Der Grund liegt wohl darin, daß durch ein fort- gesetztes Begehen von Verbrechen das Rechtsempfinden sich abgeschwächt hat, zumal wenn die Octsbchöcde selbst Hand in Hand gegangen ist Als im vorigen Herbst die ersten Verhaftungen erfolgten, da sagte man sich, da müssen doch wohl recht verrottete Zustände dort sein. Ja, ich möchte wohl so weit gehen und sagen: Es haben dort russischeZustände geherrscht! Auch der Sachverständige für Feuerwehrsachen äußerte sich: Wr Haden in einen tiefen Abgrund blicken müssen. Man las s. Z. in der Presse, daß die Leute in der Not und aus Bedrängnis gehandelt: es tst vielleicht zuzugeben, daß es sich bei oen Häusern ,Otto und Anders um eine unerlaubte Selbst hilfe handelte. Im übrigen liegt höhst frivole und ge meingefährliche Brandstiftung vor, eine Brandstiftung, die zum Teile gegen den Willen der Hausbesitzer und unter deren direktem Widerstand vorgenommen wurde. Sodann gab der Vertreter einen Rückblick auf die im Jahre 1868 von Zetzsches Vater gegründete Feuerwehr. Sie mag zu- nächst eine ganz brauchbare gewesen sein. Aber im Laufe der Zeit erfüllte sie ihren Zweck, den zu löschen, recht wenig. Zuerst ließ man das Feuer ruhig brennen und am Ende zündete man selbst an. Bezeichnend sind dte Reden oes früheren Feuerwehrhauptmannes Klaus: die Feuerwehr sei eine Feuermehr! Auch der alte Köhler hatte davon gesprochen und selbst der Angeklagte Zetzsche hat zugebeben müssen, daß man „Fruerpolitik" betrieb. Klaus hatte sich beim Louis Anders'schen Brande geäußert, in Siebenlehn herrsche der Feuertyphus. Der Angeklagte Greif hat uns den Grund gesagt, wie solche Zustände entstehen konnten: „Das Spielen unddaSliederliche Leben, da haben Sie den Grund!" Wir haben ge- hört, daß ia den letzten 10 Jahren nicht weniger als 43 Bräade entstanden, die 65 Grundstücke betrafen. Aber ich finde es nicht für wunderlich, daß nicht mehr weg gegangen find, wenn man einen Ausspruches des Bürger meisters Barthel, den er als Zeuge selbst zugegeben, be trachte: „Es soll lieber seltener, dafür aber ordentlicher brennen." Die Brände haben aber auch ihren Grund in den hohen Versicherungen, die in Siebenlehn üblich ge worden find. Es hieß: „Wer abbrennt, dem ist geholfen!" und der Angeklagte Sohr soll früher einmal gesagt haben: „Zweimal abgebrannt tst soviel, wie das große LoS gewonnen!" Und die Feuerwehr unterstützte die Feuer. Beim Sparmann'schsn Brande nahm man einen GlaSschrank mit Geschirr, warf ihn zu Boden und freute sich, daß es so schön klirrte. Bet vielen Bränden kamen auch öffentliche Interessen in Betracht, sodaß sogar von der Stadt und von Stadtverordneten Winke fielen. Die Feuerwehr wußte schon, warum sie dieses Treiben be günstigt. Wir haben von vielen Seiten gehört, daß ein Brand ein Fest der Feuerwehr war. M in wollte wieder einmal ein Fäßchen haben und die Hauptsache war, daß vabei jeder so viel wie möglich fortschaffeu konnte. Stadtrat Stirl hat selbst zugeben müssen, daß ein Brand der Stadt über 70 Mk. gekostet. Die Gendarmen spielten eine trübe Rolle. Man hatte sie verhöhnt und ihnen Possen gespielt, wo man nur konnte. Die Feuerwehr beseitigte auch stehen gebliebene Gebäude, man fragte vor den Bränden bei den Nachbarn an, ob sie auch „mit weg sein" wollten und empfahl sich selbst „zur Hilfe" nach auswärts. Ander- wärts steht man in der Feuerwehr eine Hilfe, in Siebenlehn schloß man dte Türen vor ihr zu. Kein Wunder, wenn durch solche Vorkommnisse die Feuerwehr in einen schlechten Ruf kam. Es hieß, man sollte sich vor ihr in Acht nehmen, sie habe Feuer an den Beinen und man sagte: nehmt die Streichhölzer weg, die Feuerwehr kommt. In den besseren Siebenlehner Kreisen habe eine Empörung Platz gegriffen, man sah, daß es zu einer Katastrophe kommen werde. Die Wehr war im Laufe der Jahre ein „Verschönerungs- Verein" geworden und mit Leuten durchsetzt, die zum größten Teil Anbrenner waren. Sie arbeiteten Hand in Hand, die einen schlugen die Dächer ein und die anderen brannten darunter an. Da ist einer so gut wie der andere, wenn auch nicht jedem das Glück vergönnt war, das Hölzchen selbst hineinzuhaltes. Es tst zwar manchem höchst fatal, daß von Siebenlehn ein solch ungünstiges Bild entworfen wurde, und wir haben in der Hauptver handlung Bestrebungen gesehen, hiergegen zu arbeiten; aber ich glaube nicht, meine Herren Geschworenen, daß Sie sich dadurch täuschen oder in einem Punkte abwenden lassen. — Der öffentliche Ankläger ging hierauf auf den Siebenhäuser-Brand in seine Einzelheiten ein und be leuchtete die Schuldftagen der einzelnen Aageklagten. Wir stad bereit« früher bei der Feststellung der Beweis aufnahme so ausführlich daraus eingegaagen, daß wir wohl heute darüber hinweggehen können. Zum Schluffe der Anklagerede, welche 2^ Stunden dauerte, gab der Staatsanwalt der Ansicht Ausdruck, daß mau alle Ange klagten gleich bemessen müsse. Müder Gehorsam ist hier nicht maßgebend bei strafbaren Sachen. Alle haben darin gleich gewußt, daß gebrannt werden sollte. Hätten es die Angeklagten so gemacht wie der Zeuge Lchnhard, der dem Hauptmann das Zeug vor die Füße geworfen und gesagt: „Mich körnt Ihr fünfer»!" dann wäre eS nicht so weit gekommen. Ich halte das ganze Vorgehen für ei« sch nachvolles und nicht würdig für ein Kulturvolk wie unser Sachsen es ist. Meine Herren Geschworenen! Helfen Sie dazu, daß nicht der alte Zeuge Holtzhaus, wenn ihm das Urteil zu Ohren kommt, sagen muß: Auch der Appell an die Geschworenen war ohne Erfolg! Greifen Sie in das Wespennetz und führen sie die Angeklagten der verdiente« Strafe zu. — Um 1 Uhr wurde die Sitzung bis 4fti Uhr unterbrochen. Um 9^ Uhr abends waren die Reden der Verteidigung zu Ende. Der Angeklagte Greif macht zum Schluffe das Geständnis: Ich war auf Wache, und ich und Sohr sind auf den Ottoschen Boden hinauf gegangen, um da? Feuer anzulegen. Ich habe Sohr zurückhalten wollen, da ich fürchterliche Angst hatte. Sohr ist dann allein hinaufgrgangen und hat daS Haus allein angezündet. Sohr gibt zu: Ich allein habe das Feuer angelegt, Greif war nicht oavei. Franke bittet um eine milde Strafe, da er durch sein Schuldbewußtsein ohnehin fast dem Tode entgegengegangen. Kaden erbittet sich ein mildes Urteil, damit er recht bald wieder schaffen könne, denn er habe eine große Familie (Frau mit 10 Kindern) zu ernähren und in letzter Zett große Verluste gehabt. Nach der Rechtsbelehrung durch den Vorsitzenden zogen sich die Geschworenen um 10VzUhr zur Beratung der Schuldfragen zurück. Den Geschworenen wurden insgesamt 72 Fragen, von denen einige außerordentlich schwieriger Natur waren, vorgelegt. Bereits um 12*/. Uhr kehrten dte Geschworenen zurück. Ihr Spruch ging dahin, daß Starke des Forsthofbrandes für schuldig befunden wurde. Mildernde Umstände wurden ihm zu gebilligt. Bet Nendel und Kaden wurden dte Schuld fragen verneint. Bet Sohr wurde die Schuldfrage, das Haus des Otto als ein zur Wohnung von Menschen dienendes Gebäude in Brand gesetzt zu haben, verneint.