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MsdmfferTageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die 8 gespaltene Raumzeile 20 Rpfg., die i gespaltene Zeile der amtlicher Bekanntmachungen 4V Reichs* Pfennig, die 3gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 Reichsmark. Nachwei,ungsgcbühr 20 Reichspfennige. Dor- gescl r,ebeneTrscheinungs* tage und Platz» r,chrift«i werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Am* Wilsdruff Nr. 6 berücksichtigt. Anzeigen, annadmebis orm.ll'Ubr. — - — — "" — Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen üdernet men wir keine Garantie, ^rder Rabat anfpr« ch er iicht, wenn der Beira g dnrch Klage eingezo». en werden muß oder der Auftraggeber in Konkurs gerät. Anzeigen ne hmen alle Derurittlun gsstellrn entgegen. Da» »Wilsdruffer TageblattE erscheint an allen Werktaoen nachmittags 5 Uhr. 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Das Leben wäre entsetzlich langweilig, wenn nicht St. Bureaukratius ab und zu für humoristische Unter brechungen dieser Langenweile sorgen würde. Wenn solche Geschichten und Geschichtchen niemandem schaden, so bleibt das Lachen darüber frei von jeder Bitterkeit. So gibt es z. B. in Berlin ein baufälliges Haus — wobei man gleich dazwischen bemerken möchte, daß es derartiger Häuser in Berlin eine ganze Menge gibt und daß es sich in diesem Falle auch nur um ein Häuschen handelt. Es hat nämlich nur drei Fenster Front und wird wegen seiner Baufälligkeit nur durch die beiden Nachbarhäuser rechts und links mühsam genug vor dem Zusammensturz bewahrt. Es ist geräumt worden, aber nur — theoretisch; denn ein früherer Mieter, der sich vor den neugierigen Blicken der Außenwelt durch Vernagelung der Fenster mit Brettern schützte, hat eine Art Obdach losenherberge aus dem Ganzen gemacht, wo die Ärmsten der Armen des Nachts ein billiges Quartier fanden. Aber „natürlich" stand das Haus leer, bis das drei Häuser davon entfernt domizilierende Wohnungsamt von der Polizei aufmerksam gemacht wurde und — einen Zettel antlebte, auf dem „der große Unbekannte" aufgefordert wurde, doch nun endlich diese ganze Geschichte einzustellen und gefälligst fernzubleiben. Aber der „große Unbekannte" riß den Zettel ab und kümmerte sich um nichts. Am wenigsten um das „Ersuchen" des Wohnungsamts. Und dies gab sich denn auch zufrieden und vollzog die „ange- vrohte" Exmission des großen Unbekannten vorläufig noch nicht. Aber immerhin ist diese Exmissionsandrohung „in den Akten". Und das ist ja in den Augen des St. Bureaukratius die Hauptsache. Oder, wie früher die Juristen sagten: „Was nicht in den Akten steht, existiert nicht." Dort in Berlin aber sind alle zufrieden; das Woh nungsamt, das die Sache in den Akten hat, die Polizei bat ihre Pflicht erfüllt, indem sie das ^Wohnungsamt „darauf aufmerksam machte", und der unbekannte Haus bewohner nebst „Untermietern" ist auch zufrieden, weil sie alle ruhig weiter„wohnen" können. Und dem alten Haus tut man vorläufig auch nichts. Alles das schadet niemandem, schlimmer aber wird die Sache — bisweilen —, wenn St. Bureaukratius je-- manden — vergißt, weil er nicht mehr in den Akten steht. Das ist nämlich einem Untersuchungsgefangenen passiert, der im Moabiter Gefängnis saß. Der Haft befehl gegen ihn wurde aufgehoben, aber unmittelbar dar aus verschwanden die Akten. Spurlos. Nach ihnen hat man wohl eifrig gesucht, so eifrig, daß man den Mann darüber völlig vergaß. Sein Verteidiger war von der „Freilassung" benachrichtigt und war baß erstaunt, als er zehn Tage später ganz zufällig erfuhr, sein Klient säße noch. Hätte noch viel länger gesessen: denn die Akten waren unauffindbar, waren offenbar an irgendeine falsche Stelle geschickt worden. Melancholisch mag er in seiner Zelle etwas variierend das schöne Lied angestimmt haben: „Und Ich saß, man vergaß mich in meinem Zimmerlein ..". Aber — nachdem er nun nach Aufdeckung dieses „Mißver ständnisses" natürlich sofort freigelassen worden war — ist er wild geworden und stellt nun Schadenersatzansprüche. Er will dafür entschädigt werden, daß man ihn vergessen hatte und er infolgedessen zehn Tage länger sitzen mußte. Das sind so ein paar — Schönheitsfehler und nicht zu vermeiden, weil ja schließlich alles Menschenwerk, also auch die Arbeit unserer Behörden niemals frei von Schuld und Fehle ist, Stückwerk bleibt, durchaus nicht „unfehl bar" ist. Aber wir können jetzt in Deutschland doch ganz zufrieden sein mit dem Funktionieren des ja gewaltig an geschwollenen Behördenapparats, namentlich, wenn man an die Zeit der Nachrevolutions- und besonders der Jn- flationsjahre denkt. Gerade weil bei uns jetzt noch mehr — viele sagen nicht ganz mit Unrecht: viel zuviel — „regiert" wird, muß man die „Entgleisungen" eines viel leicht etwas übertriebenen Ordnungssinnes des St. Bureaukratius lächelnd ertragen. Wenn nur der — Mensch nicht hinter der Wolke aus Aktenstaub vergessen wird! Vor -er Eisenpreiserhöhung. In Vertretung von Dr. Curtius empfing Staats sekretär Dr. Trendelenburg Vertreter der eisen schaffenden Industrie sowie der in der Arbeitsgemein schaft der eisenverarbeitenden Industrie zusammenge- geschlossenen Gruppen zu Besprechungen über die in Aus sicht genommene Erhöhung der Eisenpreise. Die Vertreter der eisenschaffenden Industrie legten dar sie von einer Erhöhung der Preise für Roheisen ab- When wollten. Die von ihnen für Walzwerksabrikate vor gesehenen Preiserhöhungen seien so berechnet, daß sst lediglich die Erhöhung der Selb st ko st en für Kohle berücksichtigten. Die Vertreter der eisenverarbei tenden Industrie erklärten, daß die beabsichtigte Er höhung der Eisenpreise angesichts der rückläufigen Beschäftigung der eisenverarbeitenden Industrie voraussichtlich sehr ungünstig auf die Geschäftslage wirken werde, daß sie aber auf Grund der am 7. Mai in Düsseldorf von der eisenschaffenden Industrie ihnen gegebenen Unter- Was geht in China vor? Ter Berliner chinesische GeschW- träger über die Lage. Der Konflikt mit Japan. In einer Unterredung mit dem chinesischen Ge schäftsträger in Berlin, Herrn Dr. Chiang Chae Aue, gab dieser auf Fragen des Be suchers der chinesischen Auffassung zur augenblick lichen Situation im Streit mit Japan wie folgt Ausdruck: Das chinesische Problem ist tatsächlich ein außerordentlich schwieriges und für den Europäer auch gewiß ein undurch sichtiges; darum sind auch die zahlreichen Tendenz- und Falsch meldungen und -artikel verzeihlich, die leider immer wieder über China durch den europäischen Pressewald gejagt werden. Wir haben es in China heute mit zwei großen einander wider strebenden Richtungen zu tun, die ihre Exekutive in der Nord - und in der Südarmee haben. Das große Ziel beider Richtungen ist ein gemeinsames und in dem Augenblick erfüllt, in dem China hergestellt ist als frei und ebenbürtig neben den anderen Staaten der Welt. Nnr die Wege zu diesem Ziel siud verschieden. Der neue chinesisch-japanische Zwischenfall ist nicht nur vom chinesischen Standpunkt aus zu bedauern; aber er wird die Führer der chinesischen Bewegung nicht von ihrem großen Ziel, der Einheit des Chinesischen Reiches, ab bringen. Schon in früheren Unterhaltungen habe ich klar- gclegl, daß alle derartigen Reibereien aus keinen Fall von chinesischer Seite herbelgesührt oder durch chinesische Staats angehörige provoziert worden sind Sowohl dtr früheren j chinesisch-japanischen Zwischenfälle als auch ganz besonders der letzte lassen die Vermutung aufkommen, daß man in Japan einen Konflikt mit den chinesischen Truppen sucht. In dem Operaiionsgelände einer im Kampfe befindlichen Heeresmacht erscheinen plötzlich fremde Truppen, um sie an dem strategisch notwendigen Vormarsch mit Waffengewalt zu hindern. Ist es da verwunderlich, wenn es zu einem blutigen Zusammenstoß, Wie dem Von Tsinanfu, kommt? Warum haben amerika nische, englische oder französische Truppen sich nicht in diese Gebietsteile begeben und versucht, die Operationen der chine sischen Kampftruppen zu stören? Warum ist aus die Staats angehörigen dieser Mächte, warum ist ans die Staats angehörigen des wehrlosen Deutschen Reiches kein „An griff" chinesischersetis gemacht worden? Hätte denn nicht auch die kaiserlich japanische Regierung ihre Kolonisten im Kampk- gebict warnen und aufsordern können, für einige Zeit in einen von der Kampfhandlnng nicht betroffenen Landesteil übcrzu- siedeln, so wie es die diplomatischen Vertretungen der anderen Fremdmächte in China getan haben?! Die Nankingregierung hat sofort gegen das Vorgehen Japans schärfsten Einspruch in Tokio erhoben und es ist erfre.ulich, daß auch die Regierung in Peking gegen die militärische Einmischung Japans in chinesische Angelegenheiten protestierte. Wenn die Japaner — wie es den Anschein hat — fort fahren, chinesisches Gebiet zu besetzen unter dem billigen Vor wand, japanische Staatsbürger «nd deren Eigentum schützen zu müssen, und dadurch die Wahrscheinlichkeit eines offiziellen kriegerische« Konflikts provozieren, kann allerdings erwartet werden, daß sich Nord und Süd zur gemeinsamen Abwehr des Feindes von außen zusammenfinden werden. Die Washingtoner Regierung muß die Be setzung der Provinz Schantung, di« Landung von insgesamt nahezu 50 000 Mann japanischer Truppen und die Umlagerung der chinesischen Häfen mit japanischen Minenbooten zum min- f besten mit großer Besorgnis nicht nur für ihre eigenen ost- j asiatischen Interessen aufnehmen. Im chinesischen Volke bringt man den Bürgern der Vereinigten Staaten große Svmpathien entgegen. Wir bitten jedoch keine ausländische Macht um militärische Hilse, aber wir erwarten von der gesamten zivili sierten Welt und dem Völkerbund, dem auch China als Mit glied angehört, Gerechtigkeit! Selbstverständlich ist es nicht ausgeschlossen, daß die chinesische Delegation beim Völkerbund die Gelegenheit nehmen Wird, eventuell schon während der R a t s ta gu n g lm Juni, gegen das Vordringen japanischer Streitkräfte au, chinesischem Hoheitsgebiet Einspruch zu erheben und festzu- stcllen, daß chinesischersetts alles beachtet worden ist, um diese« bedauerlichen Konflikt mit der Tokioter Regierung zu ver meiden Es ist in diesem Zusammenhang nur zu beklage«, daß der Genfer Apparat sehr, sehr langsam arbeitet; infolge dessen wird China auf das Mittel der Selbsthilfe nicht ver zichten können. Die ganze Welt ist an dem Ausgang des chinesischen Konstitutionskrieges interessiert. Ihre Anteilnahme muß sich steigern, wenn eine dritte Macht vor ihren Augen darangeht, die augenblickliche Lage Chinas auszunützen, um sich durch Annexion wirtschaftlich und strategisch wichtigster chinesischer Gebietsteile einen Stützpunkt für die Ansdehnung ihrer imperialistischen Politik »nd ihres machtpolitischen Einflusses zu sichern. Das chinesische Volk, gleich welcher Richtung, will mit alle» anderen Völkern den Frieden; aber es sieht di« Grundlage hierfür allein in der Anerkennung seiner Gleich berechtigung als souveräne Nation und in dem Willen zur Verständigung bei allen an seiner Wirtschaft inter essierten Staaten * Beschießung Tsinanfus. 5 0 tt Totc. Wie aus Nanking gemeldet wird, ist Tsinanfu drei Stunden lang von der japanischen Artillerie beschossen worden. 500 Menschen sollen dabei umgekommen sein. In Tsingtau ist im Beisein des japanischen Oberbefehls habers die japanische Flagge ans der Festung gehisst worden. Die Linie Tsinanfu-Tsingtau wird von japa nischen Panzerwagen bewacht. Dir Brigade Tajama hatte bei Tsinanfu größere Kämpfe mit den Südtruppen. Befehlshaber Tajama verlangte von den im Bezirk Tsinanfu verbliebenen Südtruppen die Auslieferung der Waffen in 24 Stunden. Chinesische Offiziere dürfen in den Straßen keine Waffen tragen. Chinesische Miliz auf dem Marsche. Der japanische Befehlshaber in China richtete an Tschiangkaitschek die telegraphische Aufforderung, die chinesischen Trnppeu innerhalb 72 Stunden aus dem japanischen Machtbereich zu entfernen. Der Befehlshaber forderte weiter die Bildung eines gemischten japanisch- chinesischen Ausschusses zur Abgrenzung der japanischen Einflußzone. Die japanischen Truppen könnten die Ver antwortung für die weiteren Ereignisse im Falle der Ab- lehnnng dieser Forderungen nicht übernehmen. Der Befehlshaber der nordchinesischen Armee, die bis jetzt gegen die Südtruppen kämpfte, der die Mandschurei beherrschende Tschangtsoliu, hat nach einem in Paris rin gegangenen Telegramm sämtliche Führer chinesischer Streitkräfte aufgcfordert, den Bürgerkrieg einzustellen und sich gegen die Japaner zu vereinigen. lagen und Erklärungen Einwendungen gegen die von der Eisenindustrie angestellte Berechnung der Mehrkosten nicht zu erheben hätten. Die eisenverarbeitende Industrie hat jedoch darauf hingewiesen, daß bei dieser Preiserhöhung eine Revision der Q u a l i t ä 1 s ü b e rp r e i s e stattfinden müsse und welche Bedeutung sie dieser Regelung beimesse. Staatssekretär Dr. Trendelenburg nahm diese Dar legungen mit dem Bemerken entgegen, daß er der Regie rung die Stellungnahme zu der durch die letzten Verände rungen der Kohlen- und Eisenwirtschaft geschaffenen Lage 'n jeder Beziehung Vorbehalten müsse. Nur zwei Eisenbahnklassen. Die Pläne der Reichsbahn. Wie schon seit einiger Zeit bekannt ist, beabsichtigt die Deutsche Reichsbakmaesellschaft im Zusammenhang mit der geplanten Tariferhöhung un Personenverreyr eine Reform der Wagenklassen durchzuführen. Es sollen in Zukunft nur noch zwei Wagenklassen im Jnlandc laufen, entsprechend etwa der bisherigen zweiten und dritten Klasse. Nur in den das Ausland mit uns der bindenden und dann durch das Reich geführte» Zügen soll mit Rücksicht ans das internationale Publikum die erste Klasse beibehalten werden. Maßgebend bei den Bestrebungen der Reichsbahngcseü- schaft sind folgende Erwägungen: Während das Ausland größtenteils nur zwei bis drei Wagenklassen Hai, sind in Deutschland vier Wagenklassen vorhanden. Die vierte Wagen- klasse hat dabei mit 3,3 Pfennig für den Kilometer einen Tarif, der unter dem untersten Taris der ausländischen Bahnen liegt. Im Lause der Zeit hat eine ständige Abwan derung der Reisenden in die vierte Wagcnklasse stattgesunden, die der Reichsbahn Mindereinnahmen bringt, die zwischen 20 bis 30 Millionen Mark liegen. Bei der Tarisresorm im V«rsoneno«rkebi' könnt« d«r Wea aewäblt Werden, alle Waaen-