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MsdrufferNgeblali Fernsprecher Wilsdruff Ar. 6 Wochenblatt für Wilsdruff und Umgegend Postscheckkonto Dresden 2640 Dieses Blatt enthüll die amtliche« Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amtsgerichts 1« Wilsdruff, des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen. Derieaer Dnrtker: Arthur Zschunke in Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Hermann Lässig, für den Inseratenteil: Arthur Zschunke, beide in Wilsdruff. 82 Jahrgang. Nr. 26. Sonnabend / Sonntag 3. / 4. März 1923. Amtlicher Teil Bei uns sind eingegangen für das Jahr 1922 vom Sächsischen Gesetzblatt das 5l. Stück; vom Reichsgesetz blatt Teil I N^. 8S bis 86; vom Reichsgesetzblatk Teil II Nr. 35 bis 37, für das Jahr 1923 vom Sächsischen Gesetzblatt das 1. bis 3. Stück; vom ReichSges.tzblalt Teil I Nr. l bis 9; vom Neichsgesetzblatt Teil II Nr. 1 bis 4. Diese Eingänge, deren Inhalt aus dem Anschläge in der Hausflur des Verwal tungsgebäudes ersichtlich ist, liegen 14 Tage lang in der hiesigen Ratskanzlei zu jeder manns Einsicht aus. Dienstag de« 6. März d. I. nachmittags 5 Uhr Holz- Versteigerung auf der Schießwiese. Näheres durch Anschläge. Wilsdruff, am L. März 1923. i4«-> Der Stadtrat. Meine Zeitung für eilige Leser. * Der Reichsminister des Auswärtigen v. Rosenberg hat die Führer der sozialdemokratischen und der deutschnationalen Reichstagsfraktion empfangen und sie gebeten, alles zu unter lassen, was die innere Geschlossenheit stören könnte. * Der Haushaltsausschuß des Neicl-stoges hat den Entwurf eines Gesetzes über die Ausgabe von Dollarschatzanweisungen angenommen. * Di« Reichsregierung hat in einer Mitteilung an alle neu tralen Regierungen nachdrücklich auf den Ernst der Lage im Ruhrgebiet aufmerksam gemacht. * Die interalliiert« Rheinlandkommission hat neue Wider rechtliche Strafbestimmungen' gegen Deutschland erlassen. * PoincarS und Millerand bereiten angeblich verschieden« Plan« für Verhandlungen mit Deutschland in der Rtchrfrag« vor Bewußt und entschieden! Reichswirtschaftsminister Dr. Becker schilderte im Haushaltsausschuß des Reichstages in außerordentlich ""eleganter Weise die gesamte Wirtschaftslage des Aeiches, wie sie sich nach dem Nuhreinbruch darstellt, l^us seinen Ausführungen darf das deutsche Volk die er- srculichen und beruhigenden Tatsachen entnehmen, daß der französische Einbruch weder die Versorgung der Industrie uni Kohle und Eisen im besetzten Gebiet, noch auch rm Unbesetzten Teile des Reiches hat verhindern können. Das V"t im besonderen auch von der weiterverarbei- tenpenInd »strie , der, abgesehen von der Zufuhr von Auslandskohle, auch durch Eröffnung genügender Kredite Fortsetzung ihrer Erzeugung ermöglicht wird. Dabei bat u. a. die Währungspolitik des Kabinetts Cuno be- ^erkenswerterweise zu dem Resultat geführt, daß englische «vhie sich zurzeit billiger stellt als deutsche Kohle. Im Ausschuß vernahm man ferner mit lebhaftem Interesse, welche schwerwiegenden Folgen das Ruhrabenteuer be- jetzt für Frankreich gehabt hat, das hinsichtlich der Kohlen- und Koksversorgung von Deutschland absolut abhängig ist. Im Lande Poincarss leidet man an einer ^ohlenknappheit, wie wir sie nicht einmal im Kriege rennengelernt haben. Die Hochöfen der Industrie an der Westgrenz« mußten zum weitaus größten Teile stillgelegt werden, und die französische Eisenbahnverwaltung wurde sogar zu dem weittragenden Entschluß gezwungen, Kohlen- Vorräte für die französische Industrie zu beschlag nahmen, ohne dadurch indessen verhindern zu können, -aß nach französischen Pressemeldungen der Eisenbahn betrieb mancherlei Einschränkungen erfuhr. Das alles aber geschieht in Frankreich, während wir in Deutschland nach wrederholter Betonung des Ministers den entstandenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten in jeder Weise entgegenzu- treten wußten. Der Minister streifte auch die Preisfrage, hob noch einmal hervor, daß von der Reichsregierung wie von den Regierungen der Länder und den zuständigen Be hörden alles geschieht, um die Anpassung der Warenpreise an den geminderten Dollarkurs zu för- schleunigen. Weiter kam di« Rede auf die Reichseisenbahn zu sprechen, zu dereil Verteidigung auch der Reichsverkehrsminister brach, indem er erklärt«, daß die Tan>e tatsächlich auf die Preisgestaltung nicht den aus schlaggebenden Einfluß hätten, wie mau allgemein an nehme, «me Anschauung, der allerdings in einer Zuschrift an die Berliner Zeitungen im selben Augenblick die Ber liner Handelskammer in einer längeren Darstellung über die Preisentwicklung für die wichtigsten Lebensmittel ent schieden genug entgegentritt. Das Schwergewicht seiner Rede legte der Reichswirt- schaftsminister aber mit Recht auf di« Feststellung, daß maßgebend und entscheidend für alles die Preisge staltung der Kohle sei. Dab«i äußerte er die Hoff nung, daß nach der Herabsetzung der Eisenpreise, her zu er wartenden Senkung der Preise für Holz durch Einfuhr aus dem Ausland« auch d«r dritte Preisbildungsfaktor für die Kohle, nämlich die A r b e i t« r l ö h n« bis auf werteres nicht als steigendes Moment in Erscheinung treten möch ten, wogegen all«rdings von Arbettnehmerseite im Aus schuß gleich Vorbehalte gemacht wurden. J«denfall»ging jedoch aus der bedeutsamen Ministerrede erneut eines her vor, was man unter Abwandlung eines Dicht«rwortes in den Satz fassen möchte: »An der Kohl« hängt, nach Kohle drängt doch alles!" Das heißt, ft» das anspruchslos« Deutftd de« ALlaa» Ldrried»: Es «L nach wie vor. all« rrraste voran zu setzen, um uns die Kohle des Ruhrgebietes zu erhalten und zu sichern. Mehr denn je heißt es, alles auszuschalten, was den Kampf um sie hindern und beein trächtigen könnte. Wir rechnen dazu die Versuche, die An sichten durch Meldungen von angeblichen Ver- Handlungen zu verwirren, an denen, wie man aus Nachfragen an zuständiger Stell« leicht feststellen konnte, nicht d a s ge r in gste w ah r ist und sein konnte. So weit ist Herr Poincarö noch nicht, und auch die Reichs- regierung hat bisher noch keinerlei Grund gehabt» von ihrer bisherigen Linie abzuweichen. Deshalb ist es auch bemerkenswert, daß sich die in den letzten Tagen geäußer ten Befürchtungen, wonach innerhalb der Sozial demokratie Zeichen eines angeblichen Weichwerdens bemerkbar geworden sein sollten, nicht bewahrheiten. Wer Gelegenheit hatte, sich genauer über die Verhältnisse zu unterrichten, hat beobachten können, daß auch innerhalb der Vereinigten Sozialdemokratischen Partei die Not wendigkeit der ungeschwächten Fortführung des Kampfes an der Ruhr nicht geleugnet wird. Und darum wollen wir die Erklärung des Ministers Dr. Becker, daß sich Deutsch land in den letzten schweren Wochen über Erwarten gut be hauptet hat, mit Dank an die Brüder an der vordersten Front aufnehmen. Aber wir wollen daraus auch ent nehmen, daß ebenso im Hinterlande jeder seine Pflicht nach wie vor bewußt und entschieden erfüllen muß, Verhungern lassen! Die neue franzö fische Kampsweise. In der Zeche „Adler" in Kupferdreh wurden Lohn» gelder von 170 Millionen Mark beschlagnahmt. Die Zeche ist beim französischen Kommandanten vorstellig geworden, der zunächst verlangte, daß die Zechenverwal- tung der Jngcnieurkommission den Nachweis erbringe, daß es sich wirklich um Lohngelder handle. Die Jngenieur- kommission verlangte dann aber die Vorlegung des Haupt buches, aus welchem sie die Höhe des Reichsbankguthabens ersehen wollte. Den Beamten war es unmöglich, diesem Wunsche nachzukommen. Daher zerschlugen sich die Ver handlungen, und die Beamten wurden entlassen mit den Worten: „Wenn Sie uns nicht nachweisen können, aus weh chen Mitteln das Geld stammt, dann sehen Sie zu, wo Sie Ihr Geld herbelommen, dannlassenSieJhreAe- beiter verhungern!" In der Zeit vom 1. Januar bis zum 26. Februar haben sich in Essen die Preis« für die wichtigsten Lebensmittel vervierfacht, für Fette verfünf facht und für Fleisch sogar versechsfacht. Verräter an den Pranger. Dem Vernehmen nach sollen einzelne Firmen im besetz ten Gebiet in unverantwortlicher Weise sich an die völker rechtswidrig eingerichteten französischen Bewilli gungsstellen gewandt haben und nach Bezahlung einer zehnprozentigen Abgabe in deren Kassen versuchen, mit französischer Unterstützung Waren nach dem unbesetzten Gebiet zu bringen. Auf feiten der deutschen Behörden besteht die Absicht, derartige Waren zu beschlag nahmen und zugunsten des Reiches für verfallen zu er klären. Die Namen der landesverrät«rischen Absender firmen werden außerdem veröffentlicht werden. Französische „Rechtspflege". Androhung von Todesurteilen. . Durch eine neue Verordnung der RheittlandkommissioN wird das Strafmaß für Verstöße gegen die Verordnung«» der Kommission erhöht. In einigen Fällen werden die früher vorgesehenen Höchstsätze der Geldbußen mit 300 multipliziert. In anderen Fällen werden die Strafen auf ü Millionen Mark und 5 Jahre Gefängnis erhöht. Eine zweite Verordnung bestimmt, daß jeder Sab o - tageakt oder jeder vorsätzliche passive Widerstand, die einen tödlichen Unfall verursachen können, mit dem Tode bestraft wird. Für weniger schwere Sabotage akte oder beim Vorliegen mildernder Umstände kau» auf Zuchthaus oder Gefängnis erkannt werden, jedoch nicht unter 10 Jahren. Das Kriegsgericht in Sterkrade verhandelte gegen d«n Oberbürgermeister von Bottrop, Dr. Baur, wegen Nicht lieferung von eingeforderten Betten, wegen Nichterschei nens vor dem Kriegsgericht und weil er beim Verlass-» des Rathauses «in Hochaufdasdeutsche Vater- land ausaebracht hatte. Der Vertreter der Anklage aniragte insgesamt eine Gefängnisstrafe von acht Tagen, der die Ausweisung hätte folgen sollen. Das Kriegsgericht ging aber über die beantragte Strafe weit hinaus und verurteilte den Oberbürgermeister zueinemJabrGe- f ä n g n i s. I» Fesseln In der Berufungsverhandlung im Prozeß des Ober bürgermeisters Dr. Iarresin Duisburg vor dem belgi schen Militärgericht drückte der Angeklagte den Wunsch aus, nicht mehr gefesselt vorgeführt zu wer den. — In Bochum sind zwei Polizeimajore sowie Polizei rat Ernst sestgenommen und gefesselt abttansportiert worden. An die Neutralen. Eine Warnung der Reichsregierung. Die Reichsregierung hat sämtliche, an dem Nuhrein- fall nicht beteiligten sremden Regierungcn erneut aus den Ern st der Lage ausmerksam gemacht, die durch die immer brutaler werdende Vergewaltigung der Brvölke- rung des Ruhrgebictes, die ständigen Mißhandlun gen, die täglichen Fälle vo.. Plünderung und Straßenraub, die Ausweisung und Einkerkerung von Beamten und d,c systematische Drangsalierung ganzer Städte geschaffen wor den ist. Die Reichsregierung hat diesen Schritt für not wendig gehalten, um der Welt einzusammenfasser - des Bild von dem französischen Vorgehen zu geben und erneut auf die u n ertr ä g l ich keit und die Gesah. rcn der dadurch hcrvorgerusenen Zustände hinzuweycn. * Eine widerlegte Falschmeldung. Zü der in den letzten Tagen verbreiteten Meldung Von einer Rede des amerikanischen Botschafters in London, Harvey, Wer angebliche amerikanisch« Jnterventions» ab sichten ist jetzt festgestellt, daß der Botschafter am 24. Fe- bruar im Presseklub eine Rede gehalten hat. Dabei sprach er in der Hauptsache über di« Beziehungen zwischen England und Amerika, erwähnt« jedoch in seinen Ausführungen Deutschlanv nicht. Oie Eingriffe in das Verkehrswesen Neues Eisenbahnunglück. Auf der Mainzer Kaiserbrücke^stieß der von Franzosen geführte internationale D-Zug mit einem Güterzug zu sammen. Inwieweit Menschenleben zu beklagen sind, und wie hoch der Schaden ist, konnte bisher nicht sestgestettt wer- den, da die französischen Besatzungsbehörden den Unfall- Platz in größtem Umfange abgesperrt haben. Infolge der französifcheu Eingriff« in den Verkehr besteht zurzeit noch keine Möglichkeit, Postsendungen nach Mainz zu befördern, da die Franzosen die zur Postbeför derung benutzten Kraftwagen beschlagnahmt haben und auch die Post, die auf dem Wege über Frankfurt-Wies baden ans Ziel gebracht werden sollte, nicht durchlassen. In Düsseldorf ruht der Fernsprechbetrieb infolge der fran zösischen Gewaltmaßnahmen noch Immer. Die Bahnhöfe Böckum und Neumühl bei Hamborn sind von französischen Truppen besetzt worden. Chronik der Gewalttaten. — In Esten dauern die Überfälle aus harmlose Bür- ger durch französische Soldaten fort. U. a. nahm ein fran zösischer Soldat der Witwe eines Berginvaliden unter Vorhaltung eines Revolvers die Handtasche mit 60 000 Mark fort. Das Geld stellte den ganzen Arbeitsverdienst der Frau dsar. — In Offenburg wurde Oberbürgermeister Hotter von den Franzosen verhaftet, angeblich, weil er sich ge weigert hätte, den Franzosen das Offenburger Adreßbuch auszuliefern. Er ist nach Kehl transportiert worden. Auch Bürgermeister Bührer ist im Rathaus verhaftet worden. — Alts der Neichsbankstelle in Bochum haben die Franzosen 50 Millionen Mark beschlagnahmt und mit weggenommen. — Bei den in Kirchberg (Hunsrück) erfolgten Verhaf tungen war ein junger Mann im Orte nic^ aufzufinden. An seiner Stelle wurde sein Vater verhaftet. Als sich dieser widersetzte, wurde der alte Mann auf dem Trans port ins Gefängnis von einem französischen Offizier jort- aesetzt mit der Reitpeitsche geschlagen.