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Beilage zu»» Frankenberger Tageblatt Nr. S7S Donnerstag, de» 1. Dezember 1SL7 86. Jahrgang Ein« vernichtende Abrechnung mit Sowjetruhland Ler Sozialist Dr. Friedländer be richtete vor einer Arbeiterversammlung im Leipziger Volkshause über seine Studienreise durch Sowjetrußland. Der Bericht Dr. Friedländers, der von zahlreichen ebenfalls anwesenden Kommunisten mit Unruhe und erkünsteltem Gelächter ausgenommen wurde, bestätigt wieder einmal alles, was von bür gerlicher Seite gegen die kommunistische Miß wirtschaft in Rußland vorgebracht worden ist. Dem Bericht der „Leipziger Volks zeitung" seien deshalb die nachstehenden Aus führungen entnommen. Die Schriftleitung. - Genosse Dr. Friedländer sagte u. a.: Groh ist In Rußland die Armut. Niemand wird sich in einem Lande, das sich ,Proletarierstaat nennt, zu wundern brauchen, Denn die Hauptstadt dieses Landes proletarischen Charakter trägt. Aber es hat mich tief betroffen, baß sie zugleich den Charakter der Armut, einer W^aurig stimmenden Armut und Verschlissenheit Krug. In den Läden der privater» Kaufleute sah ds aus wie zur Zeit des Krieges in den Läden lm besetzten Gebiet. Cs gab auch bessere Läden, die der Genossenschaften. Der private Handel -wird, wie jeder von uns versteht, künstlich nieder- Kehalten. Die privaten Kaufleute sind auch wirk lich nicht die sympatischsten Elemente. Den biede ren Kaufmann, der nur schlecht und recht seinen Verdienst haben will, findet man wenig. Wer unter den schlechten Verhältnissen in Moskau Ware verkauft, will daran möglichst Lroß ver dienen. Das hat ohne Zweifel dem genossen schaftlichen Handel in den Städten eine große lleberlegenheit gegeben. Auf dem Lande da gegen ist der private Handel überlegen, weil jeder Kändler die Bedürfnisse der Ortsbewohner kennt. Die Genossenschaften machen auch in der Art ihrer Geschäftsführung und Bedienung einen günstigen Eindruck. Aber die Preise sind überaus hoch. Der russische Arbeiter ist schlecht und ärmlich ge lleidet. Weshalb? Die Tertilarbeiter z. B. ver dienen 50 bis 52 Rubel. Die Note Fahne schrieb, ßch hätte, als ich dies behauptete, gelogen. Es ist mir sehr peinlich, weil die Ziffern, die ich mt führe, vom allrussischen Textilsyndikat stammen. D5 Rubel entsprechen etwa 110 Mark. Aber die Kaufkraft des Rubels ist noch mehr gesunken als dis Kaufkraft der Mark. Für einen Mantel, der Hier etwa 90 Mark kostet, muß man dort mit 220 bis 240 Mark zahlen. Wenn Sie sich diese Summe» vor Augen halten, können Sie unschwer verstehe», das; der russische Arbeiter zwar leidlich essen und trinken, schlicht wohnen, aber nicht soviel Kleidung beschaffen kann, wie sie der deutsche Arbeiter hat. ! Zn den Fabriken sieht man meist einen ganz i veralteten Maschinenapparat. Maschinen, die 20, j 30, 40 Jahre und teilweise noch älter sind. Diese Maschinen haben jahrelang stillgestanden, jetzt müssen sie mehr leisten, als in der Vorkriegszeit. Wurden sie vor dem Kriege 10 Stunden täglich in Bewegung erhalten, so jetzt in mehreren Schich ten. Diese Maschinen, die heute überbeansprucht sind, müssen mit drei Spindeln so viel leisten, wie vor dem Kriege vier Spindeln. Es ist daher selbstverständlich, daß sie sehr stark abgenutzt wer- den. Da ist die Frage: wie kann der Maschinen apparat ersetzt werden, von größter Wichtigkeit. Wenn man das Kapital dazu nicht hat, muß man es borgen. Das gibt der Sowjetregierung neue Schwie rigkeiten und Sorgen. Das Essen in den Fabriken habe ich als aus- reichend, wenn auch nicht als großartig, gefunden. Es gibt dort typische, russische Speisen, eine Kohl suppe und ein Stück Brot oder ähnliches. Die Wohnungsverhältnisse sind keineswegs erfreulich, wenn man auch berücksichtigt, daß Moskau einen starken Zustrom von Menschen aus den Landge bieten aufnehmen mußte. Etwa eine Million Bauern sind nach Moskau geströmt, die nun auch einen Teil des Arbeitslosenheeres ausmachen. In den Wohnungen müssen drei bis vier Frauen an einem Herd für drei bis vier Familien die Speisen bereiten. Familien von vier, fünf und mehr Köpfen haben ein Zimmer, ein Bett. Auf den Straßen überall Kinder ohne Eltern, Kinder, deren Eltern gestorben, Kinder, die ihren Eltern fortgelaufen sind. Es handelt sich nicht un» Tausende, nicht um Zehntausende, sondern um l viele Hunderttausende. Was man für sie getan hat, ist unzureichend. In Charkow fand man eine große Reihe von 12jährigen Mädchen, die sypbilitisch verseucht waren. In Moskau gibt es ein Heim, in dem Kinder dem Laster der Rauschgifte entwöhnt werden. Warum alles das heute noch, nach zehn Jahren Sowjetregierung? j Wenn es wahr ist, was mir ein Mann sagte, daß mit 69 Millionen Rubel jährlich dem Elend in wenig Jahren ein Ende bereitet werden könnte, dann verstehe ich nicht, wie ein Staat, der sich Arbeiterstaat nennt, Millionen und aber Millionen für inländische und ausländische Propa gandazwecke verwenden und das Schlimmste im eigenen Lande unbefestigt lassen kann... (Großer Lärin bei den Kommunisten, Zuruf: Schwindel!) Ich bekenne offen, ich bin wieder gekommen von Rußland auch mit einer Fülle von Eindrücken positiver Art. Ich unterschreibe die Parole: Hände weg von Sowjetrnßland! Aber ich ge statte mir auch die Forderung: Hände weg von den andersgeartete» Verhältnissen, von den Verhältnissen, über die nicht von Ruß land aus, sondern nur von uns selbst entschieden werden darf! Man hat sich in Sowjetruhland dieses Experiment gestatten können auf der breiten Basts eines Agrarstaates. Trotzdem gab es eine Arbeitslosigkeit, die lange Zeit hindurch viel größer als jetzt war, die zeitweilig 6V bis 70 Prozent der Bevölkerung erfatzte. Ueberlegen Sie, wie bei der Anwendung der gleichen Methode und bei Eintritt der gleichen Folgen dieses Experimentes auf den deutschen Industriestaat mit seinen 20 Millionen Arbeitern wirken würde. Glauben Sie, daß wir in Deutschland das Experiment wagen dürfen, auf die Gefahr, daß wir 2, 3, 4 Jahre hindurch ein Arbeitslosen heer von 13 bis 14 Millionen haben? Wagen Sie das zu bejahen, so erkläre ich mich geschlagen, aber nicht geschlagen von der höheren Einsicht. Glauben Sie, daß wir kn Deutschland allein entscheidende Umwälzungen vornehmen können, ohne daß gleichzeitig in Polen, in der Tschecho- slowakei, in Frankreich, in England und an derswo die Arbeiterschaft die gleiche Macht und den gleichen Willen hat? Das ist das Tragische im Grunde genommen war die deutsche Revo lution bereits verloren in dem Augenblick, als die gegnerischen Truppen, als Truppen von Sieger staaten nicht gleichfalls die rote Fahne hißten. Was wir jetzt brauchen, ist klarer und sicherer Kampf. Statt Abbau neue Stellen? Merkwürdiges vom neuen sächsischen Etat Dresden, 30. 11. Gerade die höchsten Regie rungsstellen werden nicht müde, m versichern, daß Svartamkeit in jeder Beziehung sür Reich, Länder und Gemeinden das Gebot der Stunde sein müsse. Eine äußerst merkwürdige Illustration zu diesen Versicherungen wird aber der sächsische Etat für 1928 bieten; er wird, wie bestimm« verlautet, sieben neue Mlnisterialratsstellen aufweisen. Es handelt sich ja nicht nur um die Gehälter, die den Staat damit neu belasten, mehr noch fallen die sachlichen Ausgaben ins Gewicht für Räume Angestellte, Licht, Heizung, Bedienung, Schreibmaschinen und so weiter. Man wird ge- ivannt sein dürfen, zu erfahren, ob Finanzminister Weber diesem merkwürdigen Kabinet^beschluh zu- gestimmt bat oder ob er gegen seinen Einspruch zu stande gekommen ist. Was sagen übrigens die SparlommPare Schieck und Küttner zu dieser Sa botage ihrer Ausgabe? ll> Mlto«en Mark Klndenburg- spe»be Berlin, 30. 11. Die Sammlungen zur Hin- denburgspende haben rund 7 Millionen Mark in bar erbracht. Hinzu tritt der Erlös aus den Hindenburg-Briefmarken, die bekanntlich noch bis Ende Januar vertrieben werden. Er wird auf 2l/2 Millionen Mark geschätzt, so daß unter Hin zurechnung der im Rahmen der Hindenburgspend« dem Reichspräsidenten dargebrachten Sachzuwen dungen in Gestalt von Freistellen in Anstalten usw. sich ein Gesamtbetrag von 10 Mik tionen Mark ergibt. Der Reichspräsident hat die ihm vom deut schen Volk dargebrachten Mittel einer in diesen Tagen errichteten rechtsfähigen Stiftung „Hinden- burgspende" überwiesen. Ihre Satzungen bestim men als Zweck die Ergänzung der Versorgung der Veteranen, Kriegsbeschädigten- und Hinter bliebenen und im Nahmen der aus dem Markon- erlös zur Verfügung stehenden Mittel die Unter stützung der dem Mittelstand angehürendon, schwer Not leidenden Kleinrentner, Sozialrentner usw. Die Notwendisleit einer Zu sammenschlusses Im engl. Bergbau London, 30. 11. (Funkspruch.) Lord Bea- verbrook tritt heute in der „Daily Erpreß" er neut für Zusammenfassung des englischen Berg baues zu einem einzigen großen Trust ein. Di« jetzigen Nöte der Industrie seien nur auf Orga- nisattonsfehler zurückzuführsn, nach deren Besei tigung dem britischen Bergbau angesichts der wachsenden Nachfrage nach Kohlen in der ganzen Welt eine gewinnbringende Tätigkeit sicher sek. Beaverbrook weist als Beispiel für die Schaf fung eines Verkaufssystems auf das rheinisch- westfälische Kohlensyndikat hin, das finanzier nicht verantwortlich sei und den einzelnen Firmen in mancher Hinsicht seine Freiheit lasse. Aller dings sei zu befürchten, daß die Uebernahm« eines deutschen Systems die konservative Regie rung des Vorwurfs der Nationalisierung oder der Annahme sozialistischer Prinzipien aussehe. AuMZNWKi Lssicktixsv 8io auck Kitts unsere Üisi rvsrdsv Lio dis RircupniZss erster (jalitätstakrikcu voründsv. Das unstreitig grölZto, iw ganzen. Deutschen. Reicks wit an erster 8tsIIs stsksvdo 8ponial-6osckätt kür ockto Llsikristalls in Oksinnik Kat seinen ksroits eröffnet. ist naek rvio vor das sckünsts ZVsiknacktsgsscdsnk. IVenn 8is darin eins ^.usveakl ssksn ^vollen, vie 8is sio reeller in 6ksmnit2 nock in llor ganzen voiton null krsitsn Dwgskung von Lkomnitr ein sveitss Nal Lullen vrorllsn, llann inüsssrn 8is direkt 2n uns kommen. L.u6srdsw: dsr Name Clokis bürgt kür la» — MMW» ssiM«, ^MÄr, WM. N u. LVmMk. L LrkZmpfter Nück Ariginalroman von I. Schneider-Foerstl. Urheber-Rechtsschutz durch Verlag Osk. Meister, Werdau. 54 Nachdruck verboten. Ihr Blick glitt liebkosend über die große Schale voll dunkler Veilchen, die neben ihrem Bette stand und von diesen hinweg nach den Rosen, die Draußen im Zimmer, dessen Türen weit offen standen, einen köstlichen Duft Hereinschickien. „Ich sorge mich," sagte sie unvermittelt, „ob man zu Hauss auch nicht vergißt, die Gräber der Eltern zu schmücken, das einzige, was mir noch von all meinem Glück geblieben ist." „Und wo liegt der Mann begraben, den Sic VÄiebt haben, mein Kind?" Ueber Marias Gesicht lief ein Zittern. „Auf hem Grunde der Moldegg." Hastig wandte sich Ihr Kopf zur Seite. „Mein Armes!" Frau von Dürmfeld erschrak Aber sich selbst, dem: sie hatte nach Marias Händen gegriffen und dieselben wiederholt an die Lippen gedrückt. „Darf ich es wissen? — Alles, liebes Kind! Wie es gekommen ist und »b er gut war und ob er Sio so geliebt hat, wie Sie es verdienen." Fran von Dörnfeld bereute die Frage noch ,«hs sie ganz gesprochen war, denn Marias Augen standen voll von Tränen. „Er hat mich mehr Hellebt, als ich je verdient hatte. — Ich war Sicht immer gut zu ihm. Alles habe-Ich in sStundon des Zornes auf ihn gehäuft: Spott, Vorwürfe, Beleidigungen. Er hat ule gezürnt. Einige Tage vor seinem Tode wurde er noch «us St. Georgen ausgewiesen, weil der Abt Muhr, daß er mich liebte. Ws sich das Fürchter- Pch« in Elisental ereignete, kam er, um mich vor her Menge zu schützen. Ich war aber bereits kn Sicherheit. Ihn aber warf ein Streike,»der nach kurzem Wortwechsel in die Moldegg, die damals vollständig von Treibeis überzogen war. Er kam nicht wieder zum Vorschein. Bis heute hat sich seine Leiche auch an der Schleuse nicht ver fangen, wie ich immer noch hoffe, um wenigstens sein Grab zu haben. — Mir ist alles zur Last. Das ganze Leben, und alles, was es noch bringen wird, die Pflichten, die mich zu Hause erwarten, der ganze Betrieb. — Ich wollte, es wäre heute nacht zu Ende gewesen. Ich würde so gar nicht klagen, wenn ich heute oder morgen sterben dürfte." Die bebenden Hände der Mutter fuhren un aufhörlich über die kalten Finger ihres Kindes hin. Aber ihr Gesicht blieb tief geneigt. „Wir denken immer nur an uns selbst, Maria," sagte sio stockend, „und an die anderen erst dann, wenn wir sie nicht mehr haben. Wir bereuen immer erst, weim es zu spät ist. Ich wurde von meinem Mann vergöttert, ich hatte ein entzückendes Töch terchen. Ich besaß alles, was eine Frau an Wünschen in sich tragen kann und habe alles hin- gegeben um der Leidenschaft einer Stunde willen. Mit vollem Wissen und Ueberlegen zertrümmerte ich mein eigenes Glück und wurde die Frau des anderen, dessen Namen ich seither trage. Aber ich fand seit jenem Tage keine ruhige Stunde mehr. Mein Dasein liegt wie eine endlos trost lose Strecke vor mir. Ein Zurück gab es nicht mehr. Der Mann, den ich verlieh, fand kein Verzeihen für meine Schuld. — Mir blieb nichts als die Reus." „Seit wann sind Sie Witwe?" fragte Maria teilnehmend. „Seit zehn Jahren!" „Und der Mann Ihrer ersten Ehe?" „Auch er ist tot!" „Und Ihr Kind?" Das Frauengesicht sank tief herab. „Es weiß nichts von mir, und ich Habs nicht den Mut, zu M gehen und ihm zu sagen: Ich bin deine Mutter." „Aber Frau von Dürnfeld!" Marias Gesicht zeigte ein seines Rot der Erregung. „Ich denke, daß ihre Sorge ganz überflüssig ist." „Meinen Sie, Maria? — Könnte es nicht auch sein, daß meine Tochter — sie ist ungefähr in dem Alter wie Sie selbst — mir nicht den Rücken wendet, wenn ich ihr alles sage? — Daß sic mich nicht gehen heißt, weil ich sie um eines anderen wegen schon in den ersten Jahren ihrer Kindheit verließ? Daß sie mir nicht den Schimpf ins Gesicht schleudert, ich sei eine schlechte Frau und Mutter gewesen, mit der sie auch jetzt nichts zu tun haben will?" Marias Hände tasteten unruhig über die Decke. „Es wäre schrecklich," sagte sie mitleidsvoll. „Nicht wahr, Fräulein Molton? — Und Sie sind also auch der Meinung, es märe besser, zu schweigen und mich mit dem Leben wie bisher abzufinden." Gertraud Dürnfeld fühlte ihr Blut bis an den Hals klopfen in der Erwartung der Antwort, die nun kommen mußte. Maria sah ratlos auf das flimmernde Sonnen band, das sich immer weiter durch das Zimmer schob. „Aber geliebt — nicht wahr, gnädige Frau — geliebt haben Sie Ihr Kind doch immer, trotz dem Sie es verließen." „Immer — Und bereut, daß ich er verloren habe und mich nach ihm gesehnt und nächtelang nach ibm geweint, werk ich es nie mehr haben durfte/' „Das würde ich ihm alles sagen," riet Maria. ' Tas Eintreten Dr. Lingtons unterbrach ihr Gespräch. Er war sehr zufrieden mit dem Be finden der Patientin, trank gemeinsam mit den Damen ein Gläschen Tokayer, wobei er allerhand Ergötzliches aus seiner Praxis erzählte. „Denken Sie nur." sagte er, während ihm Frau von Dürn feld eine Forelle zurechtlegte, „was es da im Leben zuweilen für tolle Sachen gibt. Die Menschen behaupten zwar, es geschehen keine Wunder mehr, aber das ist glattweg eine Lüge. Ich habe da so ein junges Bürschlein von acht oder neun Jahren als Patienten. Zart wie Filigran, mit den Tränen der Mutter und dem Gelde des Vaters großge- pappelt. Der Mann ist deutscher Konsul in Lugano und die Mutter wohnt mit dem Jungen seit Jahren hier, obwohl auch in Davos Leut« sterben, wenn man es auch nicht wissen lassen will und sie bei Nacht auf die Friedhöfe bringt. Es gibt kein Kraut für den Tod und für ein« verfaulte Lunge ebensowenig. — Und die des Kleinen war wirklich nichts mehr wett. Wie ich nun so vor etwa sechs oder acht Wochen wieder einmal hinkomme um nachzusehen, wie's dem Jungen geht, fliegt mir die Mutter an de» Hals und weint und lacht und stammelt und schluchzt, so daß ich alle Müh- hatte, sie zu be ruhigen und Herauszukriegen, was eigentlich los sei. „Vater hat verziehen," gestand sie mir, noch immer an ihren Tränen schluckend. „Nun wird mein Kind gesund werden, lieber Doktor — er muß ja! — Nicht wahr, es muß ja!" Ich bin mir noch immer nicht ganz klar ge wesen, da hat mir dann der Konsul, welcher ge rade zu Besuch da war, die Geschichte seiner Ehe erzählt. Die junge Frau war eine Jüdin, blond wie ein deutsches Gretchen und ein Gesicht wie di« Heiligenbilder in den Kirchen. Und wenn da» Weib den Mann liebt — sie wissen ja — dann gibt es alles hin: Heimat und Vaterhaus, Geschwister und Freunde — Dein Volk ist mein Volk und Dein Gott ist mein Gott! — Nicht weinen, liebes Fräulein Molton, sonst muß ich aufhören zu erzählen. — Und die junge Frau hat's auch so gemacht. Da hat ihr der Alt« geflucht und ihr geschworen, Gott solle sie heim- suchen an dem Liebsten, das sie habe, und das war ihr Mann und Kind. — Und eben an dem Jungen, da hat's sich gerächt. — Ein zweiter schenkte der Himmel nicht: So war das Unglück voll. (Fortsetzung folgt.)