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Frankenberger Erzähler Unterhaltungsbeilage zum Frankenberg« Tageblatt n «umtz, de« n. HM IS« Die lustigen Leute aus Unverzagt Von G. Kisch er-M«e«s«»kf Amerikan. Copyright 1L23 by Lit. Bur. M. Linke, Dresden 21 7 Nachdruck verboten Aribert von Massenbach blickte die Schwester an, als ob er annähme, daß ihr der Verstand in der Irre lustwandelte: „Champ . . . wir? — CH . . .?" Er pustete förmlich und holte ein paarmal tief Atem, und da war die Röte wieder, die ihm beängstigend schnell in die Stirne stieg. Frau Adelgunde, die besorgt herübergesehen hatte, winkte Susanne, aufzustehen und dem Vater ein Glas frisches Wasser zu präsentieren. Der Arzt hatte schon ein paarmal vor grasten Erregungen, des starken Blutandranges zum Kopfe wegen, gewarnt. Der Freiherr, der gerade mit einem ungeheuren, zornigen Gelächter hatte herausplatzen wollen, trank, beruhigte sich und Adelgunde atmete erleichtert auf. — Aber es war kein freundlicher Blick, der fiir eine Sekunde Dauer das feine, hochmütige Gesicht der Schwägerin ihr gegenüber streifte. Mit der ruhigen Besonnenheit war auch dem Freiherrn der Humor wiedergekehrt. Die Wasserperlen mit der Serviette aus dem noch immer tiefdunklen Vollbarl tupfend, neigte er sich scheinbar liebens würdig der Stiefschwester zu. „Den Champagner sparen wir uns, teure Schwester," sagte er ironisch freundlich „wir sind geizige Leute auf Un verzagt geworden. Für jedesmal, daß wir die Leute dursten lassen, legen wir einen Goldbarren beiseite. 'Ich zeige sie dir nächstens — einen ganzen Keller voll, sage ich dir." Sie blickte unsicher durch die goldgefaßte Brille zu ihm auf, der ihr spötti ch zunickte und liest dann ausweichend das Auge über die Ti chrunde gleiten, und plötzlich tat sie einen tiefen Atemzug, als habe eiue grobe Hand unversehens au ihr Herz gegriffen. Ihr Blick war einem anderen Augenpaar vom unteren Ende der Tafel her begegnet, das mit einem seltsam glitzernden Ausdruck dem ihren begegnete, der, mochte sie es deuten, wie sie wollte, ihr galt, ihr allein. Etwas Zwingendes lag darin, wie unbegrenzte Bewun derung und dann noch — sie wußte vielleicht doch nicht, was rs war. „Mein Gott — ein Hauslehrer!" Keinen zweiten Blick sandte sie dorthin, wo Dr. Voigtstedt «eben der Jüngsten des Hauses seinen Platz gesunden hatte, und Mechthildis säst mit niedergeschlagenen Augen und hoch mütig gesenkten Mundwinkeln, jeder Muskel «ine einzig« stumme Abwehr gegen die Zudringlichkeit jenes — Schul meisters. Nach der Aufhebung der Tafel hatte Frau von Massen bach den Galten filr einen Augenblick ins Nebenzimmer ge winkt, und ein aufmerksames Ohr hätte dort einzelne geflüstert« Worte wie „Aber so bedenke doch — die Traute — das arme Ding —" und darauf die Antwort in mühsam unterdrücktem Zorn: ,/Oas Frauenzimmer macht mich wild — ich pfeif« auf ihr Gell>." ,„ . . Gott gewiß, Betti, wir — aber die Traute." Schließlich noch ein dumpfes Murmeln, wie ein sanft ab- fliehendes Bächlein, und dann erschien der Hausherr heiter, neubelebt, als sei seine Sette frisch dem Bade mtfttegen, vnü>er auf der Bildfläche. Die Herren, mit Ausnahme des Pastoxs Schneller, hatten sich zu einem Skat in zwei Partien vereinigt. Bei dem Wort „Skat" war Fräulein von Massenbach ein leicht« Schau« über den Rücken heruntergelaufen: „Gott wie plebsisch! Bei Lebzeiten ihres Wb« Papas spielte man Whist oder Beziau«. Jetzt hieS auch sie mit lässiger Anmut die Karten in den überfeinen Händen. Har und Krau Pastor, die Schwägerin und sie hatte» i i sich ihr zull^ zu einem Whist mit dem Strohmann züsiowne», getan. Ab« sie spkttte zerstreut. Ohne daß sie es wollte, horcht« sie zu den Tischen der Herren hinüber und sog mit ein« Art schaudernden Begier in sich ein, was dort an humoristischen oder auch neckend derben Redensarten fiel. Und jedesmal Zuckte sie peinlich, berührt zusammen, wen» ein kräftiges Lachen, ein lauteres Wort ihr verwöhntes Ohr traf. Das jung« Völkchen hatte sich ins Nebenzimmer zurück- gqogen und ab und zu scholl ein Helles Kichern, ein aus gelassenes Lachen von dort herüber. „Geht es nicht etwas gar zu lustig dort zu?" konnte sich Mechthild nicht enthalten zu fragen. Die Schwägerin mischt« gleichmütig die Katt«, ließ ab heben und gab dann aus. „Gott, weißt du, warum sollen sie nicht lachen?" „Das Leben ist ernst genug und Gottes Wort braucht trotzdem nicht vergessen zu werden," fuhr die Poftori» etwa« sentenziös dazwischen. Da ihr Gatte im Durchschnitt den harmlosen Dasems- freuden nicht abhold war, hielt sie es ab und cm "für nötig, das eheliche Gleichgewicht durch ein Beton« des geistllchm Grundgewichtes in der Schwebe zu halten. „Jugend will ihr Recht," griff der GeistLche auf, der dem Sonnenschein des Daseins zugeneigt war. „O Gott, hört doch nur." Im Nebenzimmer wurden Stühle gerückt, dann ein Klat schen und leichte Tritte — man spittte offenbar der „Plump- sack geht herum". . . und daß ihr dm Hauslehoer an Mm teikneh-mm laßt — einen Untergebenen." Dm Ton von Mechthivüs Stimm« glich einem qualvollen Stöhnen. Sie erhob den an- klagenden Blick von dm Blattern, cm den« sie umständlich ordnete und schob. Frau Pastor Sämellm hatte die Kart« mit der Rückseite nach außen auf dm Asch gelegt und faltete die Has««», auf fallend groß« Hände darüber. Sie fühlte sich schwer beleidigt. Ihr jüngerer Bruder war ebenfalls Philologe, und ... „Herr Dr. Voigtstedt mag zwar nicht jedem sympathisch sein, ist ab« ein hochgebildeter Mann und ei» außerordent lich tüchtig« Lehrer," sagte sie mit fliegendem Atem. Ab« eh« sie noch wett« sprech« konnte, quoll «s m Hellen Scharm zur Türe herein und nuqchwirrt« bettelnd usd lachend dm Asch ,Tantchen, liebes Taatche«, können wir tanzen?" „Muttchen!" ,Srau Baronin, wir rück« die Asche beseHr." „Gnädige Frau, ich fchlleße Mch an," da» war Knud Knudson. ,M« spielt?" fragte Frau Adelgunde, oha- dm Kopf von ihrem Blatt zu wend«. Sie httte zu« «rstenmal für dm Wend ei» gute Karte »ad überlegte angestrengt, „ob man vieöeich — allerdings gewagt — ab« d« Aß m«ßte sie abgebea — em Spielchen wag« könnte." „Wir glaubten, Tante Mechthild würde.. ." sagte Jakob hinzntretend. Aba dir Taute, die allerdings ei» tüchtige Klavier spielerin war, erwiderte «Ws als „Tänze?" « «»an To« mederschmetternd« Verachtung. Der Neff« biß sich auf die Lipp« und wollt» auombSch- lich scharf erwidern, da warf di« Mutter, die sich «dlich für ihr Spiel entschieden hatte und nun auf da» «nshüttm fieberte, „Konz" dazwisch«, nichts al» „Konz". Der junge Baron sOng sich mit d« flach« Hattd vor die Stirn, daß es krach« „Mchttg! Konz nrit d« kommode — Kouz!" llnd nun die Dindar chM