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Hineinsetzen, würden die Verleger den Paragraphen doch so handhaben, wie es ihrem Interesse und ihrer Bequemlichkeit entspricht. Herr Paul Nitschmann: Herr Vr. Paetel hat mich falsch ver standen, ich glaube auch nicht, daß ein Lieferungszwang konstruiert werden könnte. Ich wünschte nur, daß der Verleger, wenn er nicht dem Verlangen entsprechend direkt liefert, sondern über Leipzig, verpflichtet sein soll, das Buch zurückzunehmen, falls der Sortimenter es nicht absetzen kann. Wenn er die Lieferung unter läßt und eine Postkarte schreibt, so bekommt der Sortimenter die Gewißheit immer noch schneller, als wenn das Buch 14 Tage über Leipzig unterwegs ist. Herr Bernhard Hartmann: Ich meine, daß es dieses Zu satzes nicht bedarf. Nach gewöhnlichem Rechte ist der Verleger verpflichtet, das Buch zurückzunehmen, weil die Ausführung nicht der Bestellung entsprach. Er soll verpflichtet sein, vier Wochen nach Empfang zurückzunehmen. Ich werde eben darauf aufmerk sam gemacht, daß dieser Fall schon durch § 8 e) gedeckt ist: »Hat der Verleger die Absendung von fest oder bar bestellt gewesenen Werken schuldhaft verzögert, so ist er ebenfalls verpflichtet, sie zurückzunehmen, wenn der Sortimenter binnen angemessener Frist nach Empfang die Zurücknahme verlangt«. Vorsitzender: Das ist aber keine schuldhafte Verzögerung: wenn jemand keine Rechnung mit dem Verleger hat, so muß er riskieren, daß er die bestellten Bücher nicht erhält. Herr vr. Ernst Bollert: Ich möchte empfehlen, dann doch den Verleger einfach zu berechtigen, daß er solche Sendungen unter Nachnahme macht. (Zuruf: Geht nicht!) Herr vr. Erich Ehlermann: Ich glaube nicht, daß § 8e) hier Anwendung findet. Er handelt nur davon, daß der Verleger die Absendung schuldhaft verzögert hat; hier aber handelt es sich um den Fall, wo der Verleger rechtzeitig abgesendet, aber einen falschen Beförderungsweg gewählt hat, so daß das Werk verspätet in die Hände des Sortimenters gelangt. Deshalb trifft der Para graph nicht zu. Ich glaube aber, daß dieser Fall aus allgemeinen Gesichtspunkten zu beurteilen ist, so daß wir nicht nötig haben, eine besondere Bestimmung darüber zu treffen. Weicht der Verleger von der Bestellung ab, so wird er in gewissem Sinne das Risiko übernehmen; er muß sich zufriedengeben, wenn der Sortimenter erklärt, er habe das Werk zu spät bekommen und könne es nicht mehr gebrauchen. Herr Otto Paetsch: Herr Prager hat gesagt, es liege hier keine schuldhafte Verzögerung vor. Vorsitzender: Ich habe gesagt, es ist keine schuldhafte Ver zögerung, wenn jemand, der nicht Rechnung beim Verleger hat, direkt beim Verleger bestellt und der Verleger das Bestellte über Leipzig sendet. A b st i m m u n g. Der Antrag Nitschmann wird abgelehnt, im übrigen der § 23 nach der Vorlage angenommen. (Schluß folgt.) Kleine Mitteilungen. Ist die Nachahmung eines Naturproduktes nach dem Geschmacksmustergesetz und dem Kunstschutzgesetz schutz fähig? Urteil des Reichsgerichts, bearbeitet von Rechtsanwalt vr. Felix Walther-Leipzig. (Nachdruck verboten.) — Das Reichsgericht (I. Zivilsenat) hat diese Frage kürzlich bejaht, und zwar anläßlich folgenden Falls, der wegen des Vergleichs zwischen altem und neuem Schubgesetz besonderes Interesse bietet: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 77. Jahrgang Eine Firma beabsichtigte, Abziehbilder zum Einbrennen in Porzellan, und Tonwaren herzustellen und ließ zur Erlangung von Originalmustern sich von einer Berliner Malerin mehrere Kirschenarrangements entwerfen. Die Muster wurden eingetragen. Kurz darauf kam eine andere Firma mit gleichen Mustern auf den Markt, was ihr eine Klage auf Unterlassung der Nachbildung und Schadenersatz einbrachte. Anwendung hatte nicht nur das Geschmacksmustergesetz vom 11. Januar 1876 zu finden, sondern, da der Musterschutz erst Ende Oktober 1907 ablief, auch das Kunst schutzgesetz vom Jahre 1907. Das Landgericht Nürnberg er klärte, es handle sich um Nachbildungen eines Naturproduktes, und diese seien nicht schutzsähig, weshalb es die Klage abwies. Anders das Oberlandesgericht Nürnberg, das die Schutz- fähigkeit voll anerkannte. Die Revision der beklagten Firma beim Reichsgericht war erfolglos. Der erkennende Senat führte u. a. aus: In bezug auf den Geschmacksmusterschutz wird die Entschei dung des Oberlandesgerichts durch die tatsächliche Feststellung ge tragen, daß die Tätigkeit der Malerin bei Herstellung der Ori ginalbilder, wenn diese auch »getreue Nachbildungen der Natur« seien — was offenbar im Sinne einer realistischen Darstellung gemeint ist —, doch nicht zu »bloßer« Nachbildung der Natur geführt habe, sondern Ausfluß »einer schöpferischen Phantasie in der Wahl der Gegenstände, in der inneren An schauung und in der Art der Wiedergabe« gewesen sei. Das Be rufungsgericht sieht also in den Mustern der Klägerin ein Etwas, das über die bloße Kopie der Natur hinausreicht, einen auf die künstlerische Phantasie der Malerin zurückzuführenden indi viduellen schöpferischen Uberschuß. Und diese Beurteilung findet darin ihre Bestätigung, daß bei der Vergleichung mit den Kirschenbildern der Beklagten das Berufungsgericht zur der Über zeugung gelangt ist, diese hätten nur nach den klägerischen Mustern, unmittelbar oder mittelbar, hergestellt werden können, unmöglich aber ohne deren Benutzung als Vorbilder durch bloßen Zufall. Ein Muster aber, das in dieser Weise seine Ausbildung einer indivi duellen Schöpfung verdankt, und dessen selbständige Herstellung durch einen anderen ausgeschlossen ist, besitzt unzweifelhaft Neuheit und Eigentümlichkeit im Sinne des § 1 Absatz 2 des Musterschutz gesetzes. Unbedenklich durfte daher die Vorinstanz die 6 Kirschen muster der Klägerin für gewerbliche Muster mit der Eigenschaft neuer, eigentümlicher Erzeugnisse und der Bestimmung und Befähigung zur Anregung des Geschmacks erklären. Aber auch die Bejahung der Frage, ob diese Kirschenbilder nach § 2 des Gesetzes vom 9. Januar 1907 als schutzfähige Er zeugnisse des Kunstgewerbes anzusehen seien, läßt einen Rechts irrtum nicht erkennen. Das Berufungsgericht geht davon aus, daß das Erfordernis einer individuellen schöpferischen Tätigkeit bei den Erzeugnissen des Kunstgewerbes als Werken der bilden den Künste noch strenger zu beurteilen sei, als bei den Geschmacks mustern, gelangt dann aber, auch von diesem Gesichtspunkte aus, zu der Beurteilung, daß »die Entwürfe und die ihnen ent sprechenden Kirschenbilder der Klägerin das durch selbständige Formgestaltung im Raume sich äußernde Ergebnis einer be sonders eigenartigen, schöpferischen Tätigkeit« seien, »dazu be- stimmt, schon durch seinen bloßen Gesichtswert auf den Beschauer einzuwirken«. Damit ist die Annahme der Kunstschutzwürdigkeit gerechtfertigt. Allen diesen Erwägungen und Feststellungen des Berufungs gerichts, sei es zur Frage des Geschmacksmusterschutzes, sei es zur Frage des Kunstschutzes, steht der Umstand nicht entgegen, daß es sich bei den Kirschenbildern um die Darstellung von Naturgegen ständen handelt. Ein Rechtssatz, daß Nachbildungen nach der Natur des Kunst- oder Musterschutzes unfähig seien, besteht selbst verständlich nicht. Aber auch ein Rechtssatz dahin, daß Nach bildungen einfacher Naturgegenstände von diesem Schutze aus geschlossen seien, ist nicht vorhanden. Es ist nur eine Frage tat sächlicher Würdigung, ob sich im einzelnen Falle die Nachbildung noch als eine Betätigung individueller Schöpferkraft erweise. Die Revision war daher zu verwerfen. (Aktz.: I 502/08.) * Die Vorderseite der Postkarten. — Nach der Postord nung dürfen bei Postkarten auf dem rechten, für die Aufschrift und die dienstlichen Vermerke bestimmten Teile der Vorderseite lediglich die Freimarken, die Adresse des Empfängers und die 993