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ferem Zwinger, durch eine Lotterie wieder weiteres Geld zu schaffen. Bon der Kirche selbst steht jetzt erst ungefähr die Hälfte der Umfassungsmauern. In einer Kirche hörten wir während Kes Hochamtes eine Gesangsaufführung des Chores, die durch mitwirkende wunderbare Kinderstimmen besonders schön war. Da ich am Sonntag nachmittag keinen programmähigen Ausflug hatte, beschloß ich, einen Stierkampf in der 25 (W Menschen fassenden Arena „Monumental" beizuwohnen, obwohl mir wegen der aufregenden Szenen von verschiedenen Seiten abgeraten wurde. An Kiesern Tage war die Arena nur von etwa 20 000 Menschen besetzt. Vielleicht war sie deshalb nicht aus- verkaust, weil keine besonderen, wie man sagt, Kanonen auf- traten. Die Vorstellung begann OG Uhr, nachdem vorher eine Negimentskapelle flottgespielte Märsche vorgetragen hatte. Lin Tor öffnete sich und aus diesem traten die auftretenden Fechter in ihren bunten Anzügen, um sich dem Publikum vorzustellen. Lin anderes Tor öffnete sich dann und ein Stier kam mit großen Sprüngen heraus. Wenn man erfährt, daß Kieser mindestens eine Woche lang vorher im finsteren Stalle stehen muß, so be greift man seine Freude, das Tageslicht wieder zu erblicken. Mit großen Sätzen springt er in der Arena herum, wobei es vor- kam, daß er eine Brüstung übersetzte. Für das Publikum lag keine Gefahr vor, da zwischen den Sitzplätzen und der Brüstung noch ein Gang vorhanden ist, in den der Stier gelangt und durch diesen von selbst zur Arena zurückkehrt oder mit Schlägen dahin gebracht wird. Nun traten die Kämpfer — Torervs genannt in Tätigkeit, die durch Schwenken ihrer rotgelben Tücher den Tier zum Angriff reizen. Jetzt geht der Stier auf einen der Tv- reros los, der natürlich große Gewandtheit zeigen muß, um nicht aufgespießt zu werden. In diesem Moment ist gleich wieder ein anderer Torero zur Stelle und der Vorgang spielt sich in der selben Weise ab. Durch fünf solcher Kämpfer wird nun der Stier abwechselungsweise gereizt, so daß er in größte Wut ver setzt wird. Dann treten zwei Piccadores in Tätigkeit. Das sind berittene Kämpfer, deren Pferde am Leibe auf der Angriffsseite stark mit Leder gepolstert sind. Diese Kämpfer stochen mit ihren Lanzen auf den Rücken des Stieres los, wonach dieser sich zur Wehr setzt und das Pferd mit seinen Hörnern aufzuspießen sucht. Roß und Reiter werden in der Regel durch den gewaltigen An prall umgeworfen, nehmen aber keinen ernstlichen Schaden. Schnell treten von neuem die Toreros in Tätigkeit. Einer nach dem anderen sucht dem Stier zweieinhalb Meter lange Speere in den Rücken zu stochen. Beim jedesmaligen Gelingen dieses Wagstückes klatscht das Publikum Beifall und die Musikkapelle bringt einen Tusch aus. Derselbe Vorgang wiederholt sich be? den drei anderen Toreros, so daß dann 8 Speere auf dem Rük- ken des stark blutenden Tieres stecken. Bei den Bewegungen desselben wackeln diese Speere hin und her. Ein grausiger An blick. Nun tritt der Hauptsechter in Aktion. Diesem gelingt es erst nach mannigfachen vergeblichen Versuchen, einen Degen in die Brust des Stieres zu stochen. Hat er das erreicht, so erfolgt ein geradezu rasender Beifall. Durch den fortgesetzt schweren Blutverlust wird der Stier auffällig matter. Umsomehr reizen die Torervs diesen und wagen sich immer näher mit ihren Tü chern an das Tier heran. Man merkt, daß seine Angrifsskraft zu Ende geht. Der Matador stößt seinen Degen dem Stier in die Brust und er fällt tot um. Unter den Mangen der Musik wird der Stier, von drei Pferden gezogen, durch die Arena ge schleift und hinausgebracht. An diesem Tage wurden innerhalb zweier Stunden 5 Stiere in gleicher Weise zu Tode gepeinigt. Der zweite Tier verwundet einen Terero, der hinausgetragen werden muhte. Nach Beendigung der Vorstellung erschien dieser mit seinem kleinen Kinde in der Hand in der Arena als Zei chen, daß seine Verwundung keine ernstliche gewesen ist. Beim dritten Gange wurde durch die Hörner des Stieres einem Pfer de der Lauch aufgeschlitzt, so daß die Därme heraustraten. Es gehören gute Nerven dazu, einen solchen Stierkampf mit anzu sehen. Verschiedene Damen unserer Reisegesellschaft verließen schon nach Erledigung des ersten Stieres die Arena. Den Spa niern dagegen ist der Stierkampf geradezu ein Lieblingsver gnügen. Wir Deutsche sind jedenfalls anderer Meinung, wir bil ligen diese Tierquälereien nicht. Unsere Tierschutzvereine und auch die öffentliche Meinung würden wohl allerschärfsten Protest gegen die Einführung der Stierkämpfe erheben. Schließlich möchte ich noch erwähnen, daß die Straßenbahn mit Ker ich von der Arena nach dem Hafen zurückfahren wollte, wohl 20mal unterwegs anhalten mußte, weil die Straßen von Menschenmassen besetzt waren, die die Ergebnisse der am selben Tage stattgefundenen Wahlen erfahren wollten. Aus den Hoch rufen auf die Republik konnten wir schließen, daß ihre Anhän ger gesiegt hatten. Von irgend welchen Ausschreitungen oder gar sinnlosen Zerstörungen der herrlichen Bauwerke, wie sie später stattfanden, haben wir damals nichts bemerkt. Die leeren Kaffen der Gemeinden. 150 Millionen Mark Fehlbeträge. - Hoffnung auf Reichshilfe. Eines der schwierigsten Kapitel im Buch der deutschen Finanzforgen ist das Kapitel Gemeindefinanzen. Immer mehr Arbeitslose kommen aus der Krisensürsorge in die Wohl- sahrtssürsorge und damit aus Gemeindekonto. Dazu kommen riesige Zinsenlasten, besonders in den größeren Städten. Jammern über die Vergangenheit hilft nicht viel, jetzt gilt es rasche Hilfe zu bringen, damit die Gemeinden unter ihren Lasten nicht zusammenbrechen. Die Sorgen der Gemeinden ivurden auch aus der in Münster abgehaltenen Tagung der kommunalpolitischen Vereinigung des Zen trums behandelt. Im Mittelpunkt der allgemeinen Erörterungen standen die Ausführungen des Ministerialdirektors Dr. von Leyden, der das kommunalpolitische Ressort im preußischen Innen ministerium hat. Dr. von Leyden führte u. a. aus: Das Jahr 1930 habe nicht so sichtbare Erfolge für die Ge meinden gezeigt, wie das Jahr 1929. Das liege begründet in früheren Geschehnissen und auch in den neuen Gesetz gebungsmaßnahmen. Ein Ausgleich zwischen Einnahmen und Ausgaben konnte im Jahre 1930 nicht geschaffen werden. Die Haushaltsfehlbeträge seien auf etwa 350 Millionen Mark gestiegen. Diese Fehl beträge beruhten heute nicht aus Fehlschätzungen, die man durch eine Nachtragsumlage beseitigen könne, sondern auf der tatsächlichen Unmöglichkeit, für die Ausgaben die er forderliche Einnahmedeckung zu schaffen. Infolgedessen könn ten die Fehlbeträge nicht beseitigt werden und wurden im Ver laufe der Jahre zu Kassenfehlbeträgen werden. Durch Unter stützungen für die Gemeinden aus dem Fonds, der aus der Hauszinssteuer und der Grenzhilfe zur Verfügung stehe, sei erreicht worden, daß bisher keine Kommune zusammengebrochen sei. Stelle mau die Einnahmen, die den Gemeinden im Jahre 1931 zur Verfügung stehen, den Ausgaben gegenüber, so werde sich der Gesamtfehlbetrag 1931 auf rund 500 Millionen Mark belaufen. Auf der Ausgabenseite könnten Abstriche kaum mehr gemacht werden. An Fondsmitteln ständen dem Staal für 1931 etwa 90 Millionen Mark zur Verfügung. Es müsse daher mit dem L a st e n a u s g l e i ch bei der Arbeits losigkeit, die ja die Gemeinden im Wohlsahrtshaushalt be sonders belaste, so schnell wie möglich Ernst gemacht werden. Nicht eine Teilreform, sondern eine Reform des ge samten Problems müsse geschaffen werden. Die Reichs-, Staats- und Gemeindefinanzen bildeten eine Einheit, der Zu sammenbruch einer dieser Gruppen bedeute innen- und außen politisch, wirtschaftlich und sozial eine Katastrophe. Diese Re form zu betreiben, sei die Reichsregierung mit aller Energie bestrebt Zur Beamtenbesoldung teilte von Leyden mit, daß bet der Revision der Besoldungsordnungen nicht an den Ge hältern der leitenden Beamten Halt gemacht werde. Landeshauptmann Dr Horton- Düsseldors sprach über Vie Zukunft der Selbstverwaltung und mahnte vor allem die Gemeindeparlameme, sich nicht von parteipolitischem Interesse leiten zu lassen Ministerialdirektor Dr. Schneider erklärte Vie Vereinheitlichung der Krisen und Kommunalfürsorge für unbedingt notwendig, und der Vizepräsident des Preußischen Landtags, Abg. Baum^hoff, beschäftigte sich mit der Be hauptung, daß in den Gemeinden Überbesoldungen vorkämen, er trat für gleiche Besoldung in Reich, Ländern und Gemein den ein und warnte vor Verringerung des Berufs beamtentums Das Panzerschiff „Deutschland". Höchste Leistung auf beschränktem Raum. — Die Not als Lehrmeister der Technik. Die raffinierten Entwaffnungsbestimmungen des Ver sailler Diktates haben auch den deutschen Kriegsschiffbau aufs schwerste getroffen! Während die anderen ungehindert die Größe ihrer Kriegsschiffe steigern können und auch an Mitteln nicht zu sparen brauchen, ist die deutsche Reichsmarine beiden paar Neubauten, die ihr überhaupt erlaubt sind, gezwungen, sich an ganz bestimmte Maße zu halten. Die anderen Mächte bauen 35 000 Tonnen große Schiffe, Deutschland dagegen dars über 10 000 Tonnrn nicht hinausgehen. Dazu noch die Geld not, denn unserer Marine stehen nicht wie den Franzosen. Engländern oder Amerikanern volle Kassen zur Verfügung. Alle diese Gründe haben die Reichsmarine bei Neubauten gezwungen, die deutsche Technik vor ganz neue Aufgaben zu stellen. Es galt, sich mit den Tatsachen abzufinden undinner halb der vorgeschriebenen Größe und mit den vorhandenen Mitteln das Beste zu leisten. Die Not wurde zur Lehrmeisterin der Technik, und die deutsche Technik hat ihre Aufgabe aus das Beste gelöst. Das neue Panzerschiff, das am 19. Mai vom Stapel läuft, bringt viele technische Überraschungen, über deren Einzelheiten begreiflicherweise die Öffentlichkeit nichts erfahren kann. Nein äußerlich ist an dem neuen Schlff nichts Außer gewöhnliches zu sehen. Es ist mäßig schlank gebaut und weicht in keinen Lauvtabmessunaen kaum von den neueren auslän dischen Kreüzertypen gleicher Größe ab. Das Schiff ist in der Wasserlinie 181,7 Meter lang, während die größte Breite 20,7 Meter beträgt. Demgegenüber erscheint die Seitenhöhe mit 12,4 Metern bis zum Aufbaudeck verhältnismäßig gering. Man wollte jedoch dem Gegner keine höhere Zielfläche bieten, als sie die Feuerhöhe der eigenen Geschütze unbedingt gebot. Außerdem sollte in Anbetracht des schwierigen Fahrwassers an den deutschen Küsten ein größerer Tiefgang als etwa 6 Meier vermieden werden. Die Bestückung des neuen Schiffes ist so, daß sie auch gegen größere Schiffe und auf gesteigerte Gefechtsentfernungen eine vernichtende Wirkung zu erzielen vermag. In zwei Drillingstürmen, vorn und hinten, befinden sich sechs 28-Zentimeter-Geschütze. Ferner sind acht 15-Zenti- mcter-Geschütze in vier Gruppen zu je zwei Einzelgeschützen eingebaut, die zur Bekämpfung leichter Streitkräfte dienen. Eine größere Anzahl leichter Geschütze zur Fliegerab wehr ergänzen die Bewaffnung. Die Torpedoarmie rung besteht aus sechs Uberwassertorpedorohren in Dril lingsausstellung. Der Panzer des Schiffes umfaßt einen über die ganze Länge ausgedehnten Seitenschutz, zwei gepanzerte Decks und starke Längsschotten. Während früher die Panzerplatten und Verbände durch Nietung zu sammengehalten wurden, bediente man sich beim Panzerschiff in weitgehendem Maße der schon beim Kreuzerbau erprobten Schweißung. Leichtmetall fand zur Einrichtung des Schiffes überall da Verwendung, wo es möglich war. Auf diese Weise wurden allein beim geschützten Schiffskörper etwa 550 Tonnen Gewicht eingespart. Gegen Flugzeuge ist das Panzerschiff durch seine Luftabwehrgeschütze, durch Rebelapparate und seine Geschwindigkeit gesichert. Gegen U-Boote schützt der geringe Tiefgang, die verbesserte Unter wassereinteilung und die hohe Wendigkeit. Bei dieser starken Bestückung und dem gleichfalls starken Panzerschutz konnte der notwendige Ausgleich nur durch starke Zusammendrängung der Maschinenräume erreicht werden. So ist denn das Gesamtgewicht der Haupt- ' motoranlage und der Hilfsmaschinen weit geringer als bei anderen Kreuzern der gleichen Größe. Für den Schiffsantrieb ist, um Brennstoff zu sparen und eine stete Betriebsbereitschaft zu erzielen, eine aus acht Olmaschinen bestehende Anlage gewählt worden. Je vier paarweise zusammengesaßte Motoren arbeiten durch ein dazwischen angeordnetes Getrieb auf einer Schraubenwelle. Motoren und Getriebe sind Leichtkonstruk tionen und stellen technische Glanzleistungen dar. Durch seine Maschinenanlage ist das Schiff in der Lage, mit Leichtigkeit eine Geschwindigkeit von etwa 26 Knoten gleich 48 Kilometern die Stunde zurückzulegen. Bei einer Geschwin digkeit von 20 Knoten kann es etwa 10 000 Seemeilen gleich 16 000 Kilometer zurücklegen ohne den Betriebsstoff zu er gänzen. Das Schiff, das 1928 auf Stapel gelegt worden war und dessen Kosten 75 Millionen Mark betragen — wovon allein 60 Millionen auf reine Löhne kommen — kann als eine Höchstleistung deutscher Schiffsbaukunst und -technik bezeichnet werden. Nach seiner Indienststellung soll es Flottenflagg- schifs werden. Wirtschaft, Sozialismus und die Kirche. Der Papst über die soziale Frage. Der Tag, an dem sich zum 40. Male die Veröffent lichung der Enzyklika Leo XIII. „rorum novarum" jährt, ist der Haupttag der Jubiläumsveranstaltungen in Rom. Ei wurde eingeleitet durch den feierlichen Einzug des Papstes in den Petersdom mit seinem gesamten Ge folge. Dann begann die gemeinsame Papstandienz alle! Festteilnehmer im Vatikan. Zunächst zogen die Pilger mii ihren Bannern auf und sangen religiöse Hymnen. Dann kündigten Silberposaunen die Ankunft des Papstes mit seinem Gefolge an. Papst Pius hielt darauf seine angekündigte große An sprache. Auf das Verhältnis von Kapital und Arbeit eingehend, erklärte der Papst, der gemeinsame Ertrag von Kapital und Arbeit müsse der Billigkeit entsprechend geteilt werden. Die besitzlose Lohnarbeiterschaft müsse allmählich zu einer entsprechenden Wohlhabenheit gelangen können. Er reichbar sei dieses Ziel nur auf dem Wege gerechter Löhne. Die Arbeit dürfe nicht mit einer beliebigen Ware auf gleiche Stufe gestellt werden. Im weiteren Verlauf der Ansprache kam der Papst auch auf den Sozialismus zu sprechen. Die Einrichtung, die die sozialistischen Grundsätze bis zur letzten Konsequenz durchführe und den Ramen Kommunismus angenomnien habe, sei völlig unvereinbar mit den Lehren d« Kirche. Die andere Richtung, die den Namen Sozialis mus weiwrsühre, sei in vielen Punkten den katholischen Sozialprogrammen sehr nahe gekommen. Aber eine arund- MW M We Mn FM Roman von Gert Roth derg. 26. Fortsetzung Nachdruck verboten Er sah sie unbehaglich an. „Du, das wäre mir zu langweilig an deiner Stelle. Ganz abgesehen davon, daß es gar keine angenehme Sache ist, auf den Tod eines Menschen zu lauern." „Aha, hast du Mitleid? Werde nur jetzt nicht sentimen tal, du weißt, was wir vorhaben," sagte sie. „Ach, du meinst die Geschichte mit dem schönen Sinsky? Nur keine Angst, Isabelle, die Sache werde ich schon deichseln. Der sieht sich den alten Michaelschacht mal von innen an." Jetzt lächelte Isabelle. „Also, dann ist ja alles gut! Ich werde dir auch einmal einen riesigen Gefallen tun. Wenn ich durch dich von dieem Menschen befreit werde, vergesse ich dir das nie." „Das soll gelten," sagte er. Sie sah ihn eine Weile unschlüssig an, dann sagte sie: „Harry, ich sah neulich, daß du mit Betty ausgingst, ich sah dich im Korso mit ihr verschwinden. Ganz abgesehen davon, daß es geschmacklos ist, seine Neigung einem Dienst boten zu -chenken, so laß auch aus anderen Gründen diese Dummheiten hier im Hause sein." Er wurde rot. „Ach, das nimmst du entschieden zu schief. Sieh mal, daraus erwachsen einem nie Unannehmlichkeiten. Man ist in kurzer Zeit mit so was fertig. Sie fliegt und man denkt nicht mehr daran. Warum sind die Mädels so dumm?" „Du bist einfach unverbesserlich! Aber nun noch das wichtigste! Wann gedenkst du?" fragte sie langsam mit eigen tümlicher Betonung. Er schwieg ein Weilchen, dann meinte er: „Je nun, er wird doch wohl offiziellen Besuch bei uns machen? Dann werde ich ihn eben einladen — zu der klei nen Partie?" Sie faßte beschwörend seine Hand. „Aber bald, Harry, ich kann seine Berührung nicht mehr ertragen. Doch jetzt komm, Papa wird sonst ungeduldig; er wartet gewiß schon im Speisezimmer." Harry öffnete seiner schönen Schwester galant die Tür. Als sich diese hinter ihnen geschlossen, tauchte ein bleiches Gesicht hinter dem Vorhang drüben an der Tür auf. Borislaw Sinsky kam langsam hervor. Eine starre Ruhe war über ihn gekommen. „Ich ahnte es, Isabelle, aber du hast die Rechnung ohne mich gemacht. Jetzt erst erkenne ich dich in deiner grausamen Schönheit, die über Leichen hinwegschreitet, um zu einem neuen Ziele zu gelangen. Der Kampf beginnt — der Kampf des Bettlers mit der reichen Frau. Wir wollen sehen, wer Sieger bleibt." Mochte auch viel Pose mit darin gewesen sein in dem, was Sinsky vorhin Isabella sagte, eins aber war ehrlich an ihm, das war seine Liebe zu ihr. Diese Liebe reichte dem Haß die Hand und aus diesem Gemisch mußte Isabelles Ver derben entstehen. Vorsichtig schlich der Künstler hinaus. — Herr Halmer senior stocherte in den Speisen herum, die ihm gebracht wurden. Sein Gesicht sah schlaff und verfallen aus. Wenn sein Blick auf seine beiden Kinder fiel, kam etwas wie Furcht in die kleinen dunklen Augen. Isabelle wurde endlich aufmerksam. „Was hast du, Papa, ist dir nicht wohl?" Er lächelte etwas hilflos. „Beunruhige dich nicht, Kind, es ist weiter nichts. Mir ist in der Tat nicht besonders. Ich werde mich dann sofort zur Ruhe begeben; das wird das beste sein." Bald danach erhob er sich wirklich und verabschiedete sich kurz von seinen Kindern. Harrys Gesicht war tiefernst. „Ich weiß nicht, Isabelle, Papa gefällt mir seit ein paar Tagen gar nicht. Er verschweigt uns etwas. Sie sah gleichgültig zum Fenster hinaus, dann sagte sie gelangweilt: „Warum soll Papa nicht einmal einen kleinen geschäft lichen Aerger haben? Wie kommst du darauf, deswegen Ge sichter zu schneiden? Mir ist es allerdings unangenehm, wenn Papa morgen nicht mit nach Hohenegg hinausfährt. Nun, ich habe ja dich als Schutz neben mir." Er erhob sich. „Isabelle, entschuldige mich, ich habe noch eine Verab redung. Was wirst du beginnen?" Sie warf einen Blick auf die Uhr. „Für das Theater ist es leider zu spät. Aber halt, ich fahre auf ein Stündchen zu Frau Doktor Hendel. Sie ist allein — ihr Mann ist in Erbschaftsangelegenheiten verreist. Sie bat mich dringend, ihr ein wenig Gesellschaft zu leisten." Er reichte ihr die Hand. „Auf Wiedersehen, Isabelle." „Auf Wiedersehen, Harry." In seinem Arbeitszimmer stand der alte Halmer am Fenster und sah den beiden kurz hintereinander wegfahren den Kindern nach, für die er lebte, gesorgt, ein Riesenver mögen zusammengescharrt hatte. Nicht eins war gekommen, nach ihm zu sehen, ob er vielleicht doch krank war. Sie jag ten ihrem Vergnügen nach, nur ihr eigenes, liebes Ich voranstellend. Ein trockenes Schluchzen stieg ihm m die Kehle. Die Dämmerung im Zimmer legte sich drückend auf ihn. Aech- zend sank er in den Sessel an seinem Schreibtisch. Da — Gestalten schritten aus dem Dunkel auf ihn zu mit drohenden Händen. All die dunklen Geschäfte, die er gemacht, von denen niemand eine Ahnung hatte, grinsten ihn an mit roten Augen der Vergangenheit und schienen zu fragen: „Was hat es dir genützt, daß du über Menschen hinweg schrittest, kalt, mitleidslos, nur den eigenen Gewinn im Auge." Schlanke Jungen mit blutender Stirn drangen auf ihn ein: „Für so einen haben wir den Tod erlitten? Für so einen?" (Fortsetzung folgt.)