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MlsdmfferÄWblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Nr. 112 — W. Jahrgang. Wilsdruss-Dresden Sonnabend, den 16. Mai 1931 Telegr.» Adr: „Amtsblatt" Postscheck ^Dresden 2640 NWrste GegMe m Gens Dr. Pr. Entscheidung finden müssen. rund zevn Millionen Feierschichten verfahren, so waren die Vorräte mehr als noch einmal so groß geworden. Diese Riesenzahl von Feierschichten bedeuten aber für die Bergarbeit«rschaf1 einen Lohnaussall von rund 80 Millionen Mark. Und aus der andern Seile stehr der furchtbare Absatzmangel für die Kohle, die immer noch das wirtschaftliche Rückgrat des rheinisch-westfälischen In dustriereviers ist. Es ist keine Übertreibung, wenn der Vorsitzende des Bergbauvereins ausrief, daß die west deutsche Montanindustrie „mitten in der Wirtschafts katastrophe stehe". Das ist nicht stimmungshaft, nicht mitz- vergnügt Geäußertes, — das ist die Wahrheit, ist die grelle Wirklichkeit, die auch den Schein ihrer immer höher lodern- oen Flammen Hinüberwerfen möge zu den friedlich unfriedlichen Gestaden des Genfer Sees, hinein in die viel zu fest verschlossenen und allzu dicht verhängten Konferenz säle derer, die dort über das Schicksal Europas im allge meinen, besonders aber Deutschlands und des deutschen Volkes nicht bloß debattieren, sondern endlich eine zum Bessern führende Entschlußkraft aufbringen und eine ganz unpolitische, nämlich wirtschaftlich vernünftige für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die 8 gespaltene Raumzeile 2ü Rpfg., die 4 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 4VReich»- pfennig, die 3 gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile I Reichsmark. Nachweisungsgebühr 2V Reichspsennige. D«- geschriebene Erscheinungs- —, - V, tage und Platz Vorschrift« werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 berücksichtigt. Anzeig«- annahmebis vorm.10Ubr. — —— - — Für die Richtigkeit der Hochspannung in Genf. Die Zollunion soll aufgegeben werden. Die Zusammenkunft zwischen Dr. Curtius, Briand, Henderson und Grandi dauerte zweieinhalb Stunden. Schober hat an den Verhandlungen nicht teilgenommen. Unmittelbar nach der Unterredung sand eine private Zu sammenkunft zwischen Curtius und Schober statt. Uber das Ergebnis der Aussprache zwischen den vier Außen ministern wird strengstes Stillschweigen bewahrt. Von deutscher Seite wird lediglich mitgeteilt, daß eine Aus sprache über die taktische Behandlung der wirtschafts politischen Fragen und des deutsch-österreichischen Zoll- Protokolls in den Verhandlungen des Europa-Ausschusses und im Völkerbundsrat stattgefunden hat und daß Hender son, Grandi und Briand eine Verständigung über das weitere Arbcitsprogramm mit Curtius als dem führen den Ratspräsideuten versucht haben. Die grundsätzliche Aussprache über das Zollabkommen wird erst für Mon tag erwartet, da offenbar die Absicht besteht, zunächst noch die offiziellen Verhandlungen hinanszuzögern, um in der Zwischenzeit hinter den Kulissen arbeiten zu können. Lagung oes Europakommifston in seiner Eigenschaft als Präsident beiwohnen, daß er indessen an den großen Verhandlungen des Rates über das deutsch-österreichische Zollabkommen nicht mehr teilnehmen wird. Frankreich wird im Rat vielmehr durch Poncet vertreten sein, dessen enge Beziehungen zu der französischen Schwer industrie bekannt sind. Poncet hat auch an der Ausarbei tung der neuen französischen Pläne, besonders an der Agrarkreditfrage, entscheidend mitgewirkt. Im übrigen wird Poncet auch als Aachfolger Briands als Außen minister Frankreichs genannt. Inzwischen haben inoffizielle Besprechungen zwischen den Außenministern der Großmächte in Genf be gonnen. Diese Besprechungen sollen vor allem dem Zweck dienen, das Terrain für die Verhandlungen zu sondieren, die vor dem Völkerbundrat über die deutsch-österreichische Zollunion in der nächsten Woche stattfinden werden. Dr. Curtius hatte bereits mit seinem englischen und ita lienischen Kollegen Konferenzen, auch mit Frankreichs Vertretern ist man bereits in Fühlung getreten. Zwischen der deutschen und der österreichischer! Abordnung finden fortlaufend direkte Verhandlungen statt. * Auftakt zu den Zolladkommehheralmgeu. Unterredung Curtins — Gran di — B r i a n d — H e n d c r s o n. Auf Einladung des englischen Außenministers Henderson hat in Genf eine gemeinsame Unterredung zwischen Curtius, Grandi, Briand und Hen derson im Hotel Beau Rivage, dem Sitz der englischen Abordnung, stattgcsunden. Der österreichische Außen minister Schober, der bereits eine längere vertrauliche Unterredung mit dem englischen Außenminister Henderson gehabt hat, nahm zunächst an dieser Besprechung nicht teil. Man nimmt an, daß in dieser Unterredung die Richtlinien für die weiteren Verhandlungen im Europäischen Aus schuß und im Rat über das deutsch-österrei chische Zollabkommen beschlossen worden sind. Was 0er Kontrottausschuß sagt. Der K o n t r o l l a u s s ch u tz für die österreichische Völkerbundsanleihe hat die grundsätzliche Frage erörtert, inwieweit eine Zollunion die von der österreichischen Regierung für die Völkerbundsanleihe verpfändeten Z o l l e i n n a h m e n und das Tabakmonopol be rührt. Eine Erörterung der wichtigen Frage, ob das deutsch-österreichische Zollabkommen mit den Bestimmun gen des Genfer Protokolls vom Jahre 1922 über einstimmt, steht dem Kontrollausschuß nach den Bestim mungen des Genfer Protokolls nicht zu. In den Verhandlungen hat sich der Ausschuß, in dem die acht Signatarstaaten des zweiten Genfer Protokolls England, Frankreich, Italien, die Tschechoslowakei, Bel gien, Holland, Schweden und Dänemark vertreten sind, aus den Standpunkt gestellt, daß der Kontrollausschutz grundsätzlich für die Beurteilung dieser Frage zustän dig sei. Da jedoch zunächst lediglich ein Protokoll über den Abschluß einer künftigen Zollunion zwischen Deutsch land und Österreich, nicht jedoch bereits eine fertige Zollunion vorlicgc, sei eine Prüfung, wie weit das gegen wärtige deutsch-österreichische Zollprotvkoll die verpfände ten österreichischen Zolleinnahmen berühre, zurzeit nicht notwendig. Erörtert wird jedoch die Frage, ob der Kontrollaus schuß grundsätzliche Richtlinien ausarbcilen soll, die bei einer Zollunion Österreichs berücksichtigt werden müßten, um eine Entwertung der für die Völkerbundsanleihe garantierten Pfänder zu vermeiden, oder ob er sich die Prüfung eines Zollunionabkommcns Österreichs vor der endgültigen Ratifizierung Vorbehalten soll. Slimmungen und Verstimmungen. Briands Niederlage. - Genfer Kabinettspolitik. Überfüllte Halden. - Verschlossene Konferenzsäle. Arm an politischen Sensationen ist bisher dieser „Frühling unseres Mißvergnügens" nun wirklich nicht! Es ist wohl erlaubt, den guten Shakespeare etwas zu variieren; denn bloß vom Winter unseres „Mißver gnügens" zu sprechen, Hieße denn doch, ihn etwas allzu mild zu charakterisieren. Aber die Stimmung des poli tischen Mißvergnügens hat sich stark verdichtet, ist gereizter, nervöser, empfindlicher geworden, und das ist ja schließlich nicht gar so absonderlich, weil sich auch die wirtschafts politische Stimmung durchaus nicht so beleben will, wie wir es „hangend und bangend in schwebender Pein" er hofften und immer noch erhoffen. Gereizt ist die Stim mung auch in Frankreich, obwohl man dort auf einem Goldschatz von zehn Milliarden Mark sitzt und im allgemeinen wie Fafnir brummen mag: „Ich bin im Be sitze! Ich schlafe!" Und aus diesen zurzeit auch dort nicht ganz seltenen Temperamentsausbrüchen und Stimmungs wechseln mag sich auch erklären lassen, daß die politischen Propheten wieder einmal falsch prophezeiten und in Ver sailles Herr Doumer als Frankreichs Staats präsident sozusagen aus der Wahlurne herausstieg, nachdem Briand seine so ganz überraschend aussichtslos gewordene Kandidatur noch rasch zurückgezogen hatte, ehe er auch formell unterliegen konnte. Herr Doumer ist ganz bestimmt nicht mißvergnügt! Eine politischeSensa- tion ersten Ranges ist diese Nlchtwahr Briands aber doch. Und wenn er sich selbst zuerst einem überaus starken Mißvergnügen hingab, so ist dres ver ständlich; aber es war doch nicht stark genug, thn zu ver anlassen, nun etwa nicht nach Genf zu gehen. Er hofft Wohl dort die Lorbeeren zu ernten, die er in Versailles nicht erreichen konnte Noch ist er dort der unbedingt führende Kopf und — schließlich hat Briand „manchen Sturz erlebt"! Ohne sich wehe zu tun! -i- Deutschland gegenüber hat er allerdings schon seit Monaten und wiederholt in recht deutlicher, bewußt un höflicher Form sein Mißvergnügen zum Ausdruck gebracht und hat wenn er es politisch für notwendig und zweckmäßig hielt, auch auf Völkerbund- und sonstigen Genfer Konfe renzen seinem Temperament rhetorisch durchaus die Zügel schießen lassend Manchmal etwas allzu sehr und gerade jetzt, da sich die Tagung des V ö l k e r b u n d r a t s auch recht erheblich mit der Vorbereitung für die A b - rüstungskonferenz beschäftigen, Ort und Pro llramm dieser für den nächsten Februar vorgesehenen Großversammlung festlegen soll, darf man wohl an einen Temperamentsausbruch Briands erinnern, den er sich vor fast vier Jahren sogar auf einer Völkerbundtagung dem deutschen Reichskanzler Müller gegenüber leistete mit den Worten: „Kein Politiker denkt trotz Locarno und Kellogg-Pakt an eine Abrüstung!" Nun liegen ja heute schon tatsächlich die Pläne der Londoner Konferenz über die Einschränkung des Wettrüstens wenig stens zur See vor, und es hat in London und Washington natürlich sehr starkes Mißvergnügen, große Verstimmung e"egt, daß die Bemühungen des britischen Außenministers §onderson, auch Italien und Frankreich unter den Hut des Ix^oner Marineabkommens zu bringen, bisher am Pa- Widerstand scheiterten. Die deutsche De- natürlich auch nicht gerade vergnügten mO gezogen, nnd den Österreichern, nock> der s^^sammen die Zollunion retten sollen, sitzt Kröditanüm?^ über die Affäre mit der Allgemeinen Rundesacn den Gliedern, daß der Wert ihrer un-weifelhÄ allzu hoch anzuschlagen ist trotz N es ücb - w Willens auf ihrer Seite. Dabei han- der Anträge nack ^ens der Theorie und dem Wortlaut oeoeu den V^ darum, ob Österreich juristisch i^der Pra^ „verstoßen" hat oder nicht; c^nrova-Ausschusses'? dw aus die Tagesordnung des ^mktsvolitischen Fnbm^^ Verhandlung über den wirt- Aaes und des deutsch-österreichischen Vcr- sondern der „Generalbaß^ng nicht bloß Auftakt, die über den Harmonien oder Dls- ^-.7» E LV »r „UN L KLZÄ kn° 'L "L ?clcksd^ Dr. Schobers Ha7'^"g'°^ ansgeschrien noch kurz vor 1 einer Reise nach Genf: Wir können nicht länger warten. Bis es nämlich den leitenden Herren von jenen „Vereinigten stauten" g^ssltt, internen Stimmungen und Verstimmungen „ral endlich beiseitezustcllen und den Kamps gegen die Wirt schaftskrise aufzunehmen, nicht aber bloß mißver gnügt solche Versuche scheltend zu vereiteln. Und wir in Deuischland! Bis ins Herz greifen die furchtbaren Zahlen über das Siechtum oes deutschen Bergbaus, der gesamten rheinisch-westfälischen Montanindustrie, wie cs kürzlich auf der Essener Tagung des Bergbau vereins geschildert wurde. Seit den letzten anderthalb fahren fast 100 000 Mann abgcbaul, dafür aber zwölf Millionen Tonnen Kohle aus den Halden. Hätte man nicht »«^GkschLlÄÄeunv den Aur,«be§Leu 5 Uhr. Bezugspreis.: Bei Abholung in zn-Lglich Adnag. . " klonal, de> Zustellung durch Lie Boten 2.ZVRM., de, Popdejieilung M-S-LL-LLr Wilsdruff u Umgegend e^ZUtu^g"°d"Kür^n Bez"gs^ehe'"^AiiMk^ün^ besteht drin Anspruch aus L?-serung o " «Ucksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. durch Fernruf übermittelten Anzeigen übernehmenwir keine Garantie. Jeder Rabattanspruch erlischt, wenn derBetragdnrch „ ....... - Klage Ungezogen werden muß oder der Auftraggeber in rconkurs gerät. Anzeigen nehmennIleDermittlungsstell rn entgegen. Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts gerichts uno oes Ltadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Ausweg aus der Weltwirtschaftskrise. Zusammentritt der Europakommission. Die großen Maiberatungen in Genf haben nunmehr mit der dritten Tagung der Europakommissiou ihren Anfang genommen. Der Präsident der Kommission, Briand, verlas eine schriftlich festgelegte Eröffnungs rede, in der er die Größe der Gefahren und den drohen den Charakter der heutigen Weltwirtschaftskrise mit ihren Auswirkungen auf die europäische Wirtschaft unterstrich und die Notwendigkeit sofortiger praktischer Maßnahmen hervorhob. Sämtliche europäischen Staaten seien durch die Krise unmittelbar bedroht. Der heutige Zustand Europas bedürfe eingehender Prüfung. Die Europa kommission habe jetzt die Pflicht, Maßnahmen zur Rettung zu finden. Briand berichtete sodann über die zahlreichen Aus schutzverhandlungen der Europakommission in Paris und Gens und ging hierbei aus die Regelung der Agrarfragen und die Notwendigkeit der Absatzbeschaffung für die landwirtschaftlichen Staaten Südost- curopas sowie aus die Vorschläge für die Schaffung einer internationalen Hypothekenbank ein. Er hob hervor, datz eine Bilanz der Arbeiten der Europakommission noch nicht zu ziehen sei. Man habe die erste Etappe hinter sich, und die zweite, weit schwerere und ernstere, beginne erst jetzt. Die Kommission werde sich nunmehr auf Grund des A n - träges von Dr. Curtius mit der entscheidenden Frage der Orientierung der europäischen Zollpolitik und mit dem heutigen europäischen Wirt schaftssystem zu befassen haben. Briand forderte eine freimütige und uneingeschränkte Aussprache über diese Fragen und kündete an, daß hierbei sämtlichen Regierun gen Gelegenheit gegeben würde, ihre Standpunkte zu den aktuellen Fragen offen darzulegen. Briands Rede wurde mit dem üblichen höflichen Bei fall ausgenommen. Allgemein fiel die starke Unter streichung des deutschen Antrages auf Erörterung der heutigen europäischen Zollpolitik auf. Vertrauenskundgebung für Briand. Der englische Außenminister Henderson benutzte die Ge legenheit des Zusammentritts der Europakommission, um für Briand eine Vertrauenskundgebung der Ausschußmitglieder zu veranstalten. Er gab hierbei der Hoffnung Ausdruck, daß Briand auch weiterhin Leiter der französischen Außenpolitik bleiben möge. Briand sei nicht nur ein großer französischer, sondern darüber hinaus ein großer internationaler Staats mann, der sich die größten Verdienste um den Frieden und die Zusammenarbeit der Völker erworben habe. Im Interesse des Völkerbundes und der Europakommifsion sei dringend zu wünschen, daß Briand weiter aus dem entscheidenden Posten des Leiters der französischen Außenpolitik bleiben werde. Briand dankte für das Vertrauensvotum, bas vielleicht nicht von allen Mitgliedern der Kommission in gleicher Weise geteilt würde. Er habe sein ganzes Leben lang versucht, für den Frieden zu wirken und beglückwünsche sich, daß er in der Genfer Atmosphäre und in der friedlichen Zusammenarbeit der Völker eine leitende Stellung habe einnehmen können. Unab- bängig von allen Schwankungen und Zwischenfällen des öffent lichen Lebens werde er weiter im Sinne des Friedens wirten. Der Völkerbund und die Europakommission seien Organe des Friedens. Diese scheinbar völlig unvorbereitete Vertrauenskund- gebung sür Briand wird allgemein dahin gewertet, datz Henderson damit die durch die letzte Präsidentschaftswahl in Frankreich stark geschwächte Stellung Briands festigen und die Aussichten für die Wiedereinnahme des Außenministerpoflens durch Briand habe stärken wollen. Frankreichs Vertretung in Genf. In Genfer Kreisen wird lebhaft die Frage erörtert, was Briand nach seiner Wahlniederlage nunmehr tun wird. Allgemein wird damit gerechnet, datz Briand der