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Januar 1931 prockuktionsHnkurbelung retischen Reichssinanzministcr Dr. Dietrich Sie LebeiWUWeiten für den Osten geschnitten und der Korridor Verbilligung der Erzeugung isoliere vollständig die Provinz vom Reich, so daß Ost preußen seine Waren, von denen früher ein Drittel nach dem jetzigen Korridorgebiet ging, nunmehr weiter west wärts unterbringen müsse. Er müsse, so führte der Ober präsident aus, den Reichskanzler pflichtgemäß daraus auf merksam machen, daß die Osthilfenotverordnung insofern ernste Besorgnisse innerhalb der Provinz hervorgerufen habe, als man glaubte, aus ihr herauslesen zu müssen, daß der Gedanke der Sonderbehandlung Ostpreußens für nicht die Absicht, das Steuer aus der Hand zu geben, und wird sich auch durch das ungeheure Durcheinander im Volke den Blick für das praktisch Mögliche nicht trüben lassen und den Kampf wie bisher mit Ruhe und Energie führen in dem Bewußtsein, daß die Gegenwart die ge leistete Arbeit nie anerkennt, daß cs aber darauf ankommt, wieviel in der Zukunft sich auswrrkt. schlag ist auf einer Seite — bei einzelnen Arbeitnehmer organisationen — bereits grundsätzlich aufgetaucht und behandelt worden, wurde andererseits mehrfach durch einzelne Unternehmer oder durch Arbeitgebergruppen in die Öffentlichkeit gebracht. Arbeitslose Angestellte und Arbeiter sollen wieder in die Erzeugungs betriebe zurückgeführt werden und diese Werke erhalten dann als Lohnzuschüsse jene Summen, die als Unterstützungen den Arbeitslosen gezahlt worden sind. Natürlich würde das zu einer — vorsichtig gesagt: theo- die Zukunft aufgegeben oder doch in den Hintergrund ge drängt werden solle. Der Oberpräsident ging sodann im einzelnen aus die Not der Landwirtschaft ein, bei der zu nächst der Hebel angesetzt werden müsse. Ostpreußen wisse, daß in ernsten, kritischen Zeiten Verzagtheit und Uneinig keit die schlechtesten Berater seien. Ostpreußen kenne seine Aufgaben und seine Pflicht. Es wolle ehrlich und ein mütig bestrebt sein, diese Pflicht gegenüber dem ganzen deutschen Vaterlandc zu erfüllen. Einzelwünsche. Der Direktor des Landesfinanzamtes Königsberg, Weidemann, teilte mit, daß in finanzieller Hinsicht eine Reihe von Vorschlägen in Berlin unterbreitet wurde. Der Präsident des Provinziallandtages, von Berg, betonte: „Wir wollen uns nicht von Polen verschlucken lassen. Wir hungern nach starken Worten und Taten Polen gegenüber." Landeshauptmann Dr. Blunk brachte zahlreiche Wünsche der Provinz vor. Oberbürger meister Dr. Lohmeyer schilderte die Notlage Königs bergs infolge der Lasten der Wohlfahrtserwerbslosen. Der Präsident der Landwirtschaftskammer, Dr. Bran- d e s, legte die Notlage der Landwirtschaft dar, der Vize präsident der Handelskammer, Li' ten, die des Handels. Es sprachen noch der Präsident der Handwerkskammer, Groß, der Präsident des Landcsarbeilsamtes, Gaß ner, der Präsident des Landeskulturamtes, P a uly, Generallandschaftsdirektor von Hippel und Landrat Stankewitz. Schließlich erklärte Reichsminister Treviranus, der eine Zweck dieser Reise ist die Vorbereitung eines Hilfswerkes, das für Jahre hinaus festgelegt werden soll. Ich glaube, daß der Versuch gemacht werden muß, zwischen den Wünschen nach einer generellen Lastenscnkung und der Vrükuna des Einzelkalles die Möalickkeit ru finden. I!§NS Wege? Das Osthilfeprogramm, die außenpolitischen Schwie rigkeiten, die Genfer Konferenz, — es ist eine ziemliche Last, die sich die Reichsregierung aus die Schultern ge laden hat oder die ihr aufgeladen worden ist! Und nun hat der Reichsfinanzminister Dr. D i e t r i ch in einer Rede in Stuttgart noch weiteres angekündigt, das von der Re gierung in Angriff genommen werden soll. Man will auf einem dritten Wege versuchen, der Arbeitslosigkeit auf den Leib zu rücken. Oder — was dasselbe ist — Beschäfti - gung, Ertrag und Absatz der Wirtschaft steigern. Die Unterstützung der Erwerbslosen hat Milliarden gekostet und kostet jetzt monatlich eine Viertelmilliarde. Das ist leider eine Tatsache. Und die zweite ist: die Hin gabe dieser Riesensummen erfolgt, ohne daß dafür ein Gegenwert geschaffen wird. Dr. Dietrich zieht aus beidem den Schluß, daß man „trotz aller theoretischen Bedenken dann eben das Betreten neuer Wege wagen müsse". Wir haben in Deutschland seit mehr als drei Jahren das System der Arbeitslosenversicherung; sein Fehler ist, wie der Minister sagte, „das Band der Verant wortung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gelockert und Familienverantwortungsgefühl in gefährlicher Weise verringert" zu haben. Aber der Hauptfehler liegt darin, daß es „mit der ungeheuren Arbeitslosigkeit nicht auf geräumt hat". Also: Versuch auf anderem Wege, dem bei zukommen. Neu braucht man den Weg nicht zu nennen, von dem Dr. Dietrich nun als einer geplanten Regierungsmaß- nabme umfassendster Art spricht: sondern ein solcher Vor- Der Kanzler in Königsberg. Besprechung mit den Provinzvertretern. Mit einer längeren Rede begrüßte der Oberpräsident von Ostpreußen, Dr. Siehr, den von Schneidemühl über Allenstein in Königsberg eingetroffencn Reichskanzler Dr. Brüning, den Reichsminister Treviranus, Staatssekretär Dr. Krüger, Direktor Dr. Lauffer, Generaldirektor Dorpmüller und Ministerialdirektor Zarden und drückte seine Freude darüber aus, daß Reichsbankpräsident Dr. Luther einen Teil der Reise von Allenstein aus mitmache. Er dankte den Herren dafür, daß sie nach Ostpreußen gekommen seien, und legte in einer etwa einstündigen Rede die Nöte der Provinz Ost preußen dar. Oberpräsident Dr. Siehr wies besonders auf die Arbeitslosigkeit, die Überproduktion an landwirtschaft lichen Rohstoffen und die gewaltige Landwirtschaftskrise hin, von der der Osten ganz besonders betroffen sei. Die Grenzziehung im deutschen Osten biete für Ostpreußen ganz besondere Schwierigkeiten. Zahlreiche Eisenbahn linien und andere Verkehrsverbindungen seien einfach ab Dietrichs Pläne m der Arbeitslosenfrage. Lohnzuschüsse statt Stempelgelder. Reichsfinanzminister Dr. Dietrich weilt zurzeit in Stuttgart und hielt dort in der Landesversammlung der Württembergischcn Demokraten eine hochbedeutsamc Rede über die Wirtschaftskrise, das damit verbundene Arbeits- losenproülcm und die Reparationen. Man sah in der Versammlung zahlreiche namhafte Vertreter aus Wirt schaft, Industrie, der Parlamente und der Behörden Württembergs. Zunächst verteidigte der e Notverordnung und bedauerte die ?^"^^ngehälter. Dann kam er auf die Arbeitslosigkeit und ihre Folgen zu sprechen. r- - - Wirtschaftskrise herbeigeführte Arbeitslosigkeit, sagte der Minister, haben wir im laufen den ^.ahre voraussichtlich einen Aufwand von 2,2 Mil- »aroen rocarr. Die äußeren Kriegslasten betragen 1,7 Milliarden, die inneren über 2 Milliarden Mark. Wir sind also Von vornherein mit einer unproduktiven Aus gabe von etwa 6 Milliarden Mark im laufenden Jahre belastet. Ich bejahe die Priwatwirtschaft und lehne die sozialistische Wirtschaft ab. Das entbindet uns aber nicht von der Pflicht, Schwierigkeiten zu sehen und zu be kämpfen. Die Hauptgefahr sehe ich in der Verdrängung des selbständigen Unternehmers, auf dessen Erfindergeist und Wagemut das privatkapita listische System beruht, ferner in der Unbeweglichkeit und Unwirtschaftlichkeit großer Konzerne, die mit ihrer großen Beanspruchung des Kapitalmarktes und der Banken auf die Dauer eine Gefahr bedeuten. Me Arbeitslosenversiche rung hat das Band der Arbeitgeber undArbeit- nehmer ebenso gelockert, wie den Verantwortungssinn der Familienangehörigen für die Familienmitglieder. Eine Unmenge von Not beruht auf diesen Dingen. Die Frage stellt sich ganz klar so: Welche Wege gibt es, die Arbeitslosen, statt sie zu unterstützen, zu beschäf tigen? Mit dem Wohlsahrtsaufwand der Gemeinden werden zurzeit ohne Gegenwert im ganzen für die Arbeitslosen gegen drei Milliarden Mark ausgegeben. Das ist so ungeheuerlich, daß neue Wege gewagt werden müssen. Wir müssen versuchen, an irgendeinem Punkte einzusetzen, um den Produktionsprozeß zu beleben, ent weder, indem wir bei den wichtigsten Urprodukten zufassen und dabei gleichzeitig die Preise hcruntcrbringen, oder aber indem wir bei verarbeitenden Industrien einsetzen, die besonders wichtige Rohprodukte verbrauchen. Ich stelle mir das nicht im Wege einer Subvention vor, sondern so, daß wir für die mehrbeschäftigten Arbeiter einen Zuschuß leisten, der der Verbilligung dient. Wo vier Millionen Staatsbürger in Gefahr sind, in die Verzweiflung getrieben zu werden, sind positive Maß nahmen alles und Bedenken nichts. Obendrein können wir allen Gefahren begegnen, wenn wir den Versuch nur auf kurze Zeit machen, aus lange Sicht aber durch die Wirt schaftspolitik aus der Vergangenheit lernen. Wenn wir einmal eine Hochkonjunktur haben, dürfen wir nicht auch noch den Wohnungsbau forcieren, sondern diese Arbeit muß für Zeiten der Krise zurückgehalten werden, ebenso wie wir im Reich, in der Stadt, in den Gemeinden, bei der Eisenbahn und bei der Post in guten Zeilen eine Manövriermasse ansammeln müssen, die in der Stunde der Not eingesetzt wird. Die Tributlasten. Das Bedenken, daß der durch die Tributlasten be dingte Kapitalmangel uns die Möglichkeit, die Krise zu überwinden, überhaupt nimmt, darf nicht überfehen wer den, kann uns aber am positiven Vorgehen nicht hindern. Es ist richtig, daß der Kapitalentzug durch die Tribut- lastcn uns nicht nur das Blut der Wirtschaft nimmt, son dern auch, weil infolgedessen die Wirtschaft nicht genügend befruchtet wird, mit vermehrter Arbeitslosenunterstützung belastet. Das ist aber nicht nur eine Bedrohung der deut schen Wirtschaft, sondern überhaupt der gesamten Welt wirtschaft, die auf einem normalen Güteraustausch be ruht, während jetzt die Abmachungen über die Kriegs schulden ungeheure Lasten ohne Gegenleistung bedeuten. Ob und in welchem Zeitpunkt die Regierung das Repa- rationsproblcm wieder aufgreifen muß, kann heute nicht entschieden werden. Auf leinen Fall wird unter Bcr-' lctzung von irgendwelchen Verträgen vorgegangcn werden. Die politische Verwahrlosung ist leider sehr hoch gestiegen. Wunderdoktoren wollen dem deutschen Volke mit Geldtheorien und mit Schlagworten helfen. Auch im Kriege hat es Menschen gegeben, die die Bevölkerung statt mit Brot mit Brotmarken gefüttert haben. Aber sowenig man Nahrungsmittel durch Nah rungsmittelkarten ersetzen kann, sowenig kann mau Kapital, das nicht vorhanden ist, durch irgendein Schrift stück hervorzaubern. Dr. Dietrich schloß mit den Worten, diejenigen, die heute an der Spitze der Regierung stehen, glauben an die Lebenskraft des deutschen Volkes. Die Regierung hat führen, weil ein großer Teil der auf die Produktion ent fallenden Kosten nicht vom Unternehmer, sondern vom Reich mittels dieser „Lohnhilfe" getragen wird. Der Finanzminister „sieht darin keine Subvention". Eine andere Frage ist's aber, ob das Ausland der gleichen Ansicht ist, — und das ist nicht ohne Bedeutung für unseren Export. Dr. Dietrich äußerte noch, daß seine Andeutungen zum Anlaß des „g r ö ß t e n S t u r m s" werden könnten, der über diese Dinge losbrechen würde. Er mag damit nicht unrecht haben, denn derartige Vorschläge bzw. For derungen haben bereits mehrfach zu sehr erregten Aus einandersetzungen geführt. Daß sie nur Notmaß nahmen sein und bleiben sollen, ist selbstverständlich, aber sie werden vielfach eben doch als Subventionierung privater Wirtschaftsunternehmungen betrachtet und dem zufolge grundsätzlich abgelehnt. Theoretisch gesehen würde die Verbilligung der Erzeugung, also der Preisabbau, da durch zu erreichen sein, daß durch Vermehrung der Erzeu gung die „Produktionskapazität", also die Produktions möglichkeiten, beträchtlich gesteigert, besser ausgenutzt wer den. Stilliegende Betriebe wieder in Gang zu bringen, in ihnen Werte zu erzeugen hieße an sich, das dort in vestierte, jetzt tote, also nur Zinsen und Kosten fressende Kapital fruchtbar zu machen, —wenn diese Werte Absatz fin den! Da kommt man schon auf dem sehr schwankenden Boden der allgemeinen Kaufkraft hinaus aus Vermutun gen, wie und ob sie sich noch mehr ausschöpfen läßt. Und ob Vor allem eine erhebliche Steigerung unserer Ausfuhr erzielt werden kann. Bedenken sind also — um dies hier nur zu skiz zieren — zur Genüge vorhanden. Aber der Finanz minister weist mit der anderen Hand auf die Massen der vier Millionen Arbeitslosen und da „sind Bedenken nichts, positive Maßnahmen alles!" Man wird aber erst einmal abwarten müssen, wie die Reichsregierun^ diese Maß nahmen sich im einzelnen denkt; sie will ja am 12. Januar wieder zu einer großen Sitzung zusammentreten. Man wird dann auch erst hören müssen, wie sich nun die Wirt schaft zu solchen Plänen stellt, die ein tiefes finanzielles Eindringen des Reiches in die Betriebe bedeuten würde, wenn es zu einer „Lohnhilfe", zu „Lohnzuschüssen" u. dgl. kommen sollte; denn die Gelder müßten als irgendwie ge arteter Kredit betrachtet werden und nicht als Zubußen ohne Gegenwert. Vorläufig aber wird es wohl erst ein mal den „Sturm" geben, von dem Dr. Dietrich sprach. Immer kommt es aber darauf mehr an, was geschieht, als auf die heutzutage aus jedem Munde hörbare Phrase, " ' -'was geschehen".