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Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft/ Das »Wilsdruffer Tageblatt" erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in der Geschäftsstelle und den Ausgabestellen 2 RM. im Monat, bei Zustellung durch die Bote» 2,3» RM., der Posrdestellung 2 AM. zuzüglich Abtrag- . gebühr. Ein;cinummtrn 15Rpfg.AIlePostanstalten Wochenblatt für Wllsdruff tt. Nmneaend Postboten und unsereAus« träger und GeschafrssteUeu — nehmen zu jeder Zeil.Be-- stellungen entgegen. ImFallehöherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betrrebsstörungcn besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung cingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die 8 gespaltene Raumzelle 20 Rpsg., die 4 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichs - Pfennig, die 3gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 Reichsmark. Siachwci.ungsgetül r 20 Rcichspscnnigc. Bor- gcsckrleveneErschcinungs- tage und Piatzv r,chriftcn werden nach Möglichke-t pft rN sp vk Ü) L: AM^ WilS^^Nfs' 5>'»r. 6 bcrüctsichtigl. Anzeigen. durch Fernruf übermitteltcnAnzeigen übernehmen wir keine Garantie. I.-der Rabat: anspr- ch er iicht, wenn der Betrag durch Klage eingezogcn werdenmuß oder dcrAuftraggeber in Konkurs gerät. Anzeigen urhmcn alle Vermittlungsstellen entgegen. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts- gerichlS-Und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forftrenlamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nr 222 — 88 Telegr.-Adr.: ,Amtsblatt" Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Montag, den23 September 1929 Bis an die Memel. Zur Ministerkrise in Litauen. In Genf beim Völkerbund ist der litauische Minister präsident Woldemaras eine überaus unbeliebte Persön lichkeit gewesen, nicht bloß deswegen, weil sein Französisch allerhand zu wünschen übrigließ, sondern deswegen, weil er — „deutsch redete". Insofern nämlich, als für ihn nur eine Angelegenheit in Frage kam: Wie fördere ich die Interessen meines Landes, wie setze ich mrch durch im neu geordneten Europas Denn dieses Land, das bis zum Dezember 1917 ein russisches Generalgouvernement ge wesen war, dann als selbständiges Land, von Deutschland befreit, durch Deutschland anerkannt wurde, besteht ja eigentlich erst seit zehn Jahren. Ist natürlich, wie alle diese osteuropäischen Staatengründungen von Versailles Gnaden, innerlich zerrüttet durch den Kampf der Par teien. Woldemaras hat vor drei Jahren diesem Kampfe äußerlich ein Ende gemacht durch die Errichtung einer Diktatur. Man hat sich nicht übermäßig gescheut, die Gegner dieser Diktatur teils an die Wand zu stellen, teils in den Gefängnissen verschwinden zu lassen. Aber Wolde maras setzte seinem Volke ein außenpolitisches Ziel: Die Besetzung Wilnas durch den polnischen Gene ral Zeligowski im Oktober 1920 wird nicht anerkannt; Wilna soll und mutz die Hauptstadt Litauens werden. Dieser Konflikt mit dem übermächtigen polnischen Nackbarn ist ja seit Jahren Gegenstand der Auseinander setzungen in Genf gewesen, und Woldemaras hat sich weiter gar nicht gescheut, jedesmal bei der Sitzung des Völkcrbundrates oder des Völkerbundes selbst die Wilna- Frage in die Debatte hineinzuwerfen. Man wuhte das, wenn der kleine litauische Professor nach Genf kam, man ertrug es leidend, hörte an, was er in seiner Prolestrede vorbrachte, aber hat natürlich nie das geringste getan, um diesen Konflikt aus der Welt zu räumen. Verhandlungen haben stattgefunden, bei denen ausgerechnet Deutschland den Vermittler spielte. Die völlige Ergebnislosigkeit dieser Verhandlungen ist heute genau so eine Tatsache wie die Nichtanerkennung der Eroberung Wilnas durch Litauen. Man ist nicht wählerisch in den Mitteln, diese Diktatur zu stützen und mit den Gegnern fertig zn werden. Anderer seits ist auch die Opposition nicht ängstlich darauf bedacht, lediglich parlamentarische Mittel im Kampf gegen die Diktatur anzuwenden. Vor kurzem hat man in den Wäldern Ostpreußens den Führer der litauischen Oppo sition dabei erwischt, wie er mit Pistolen und Bomben ein Attentat auf Woldemaras vorbereitete. In Litauen selbst haben sich die Parteien unter der Decke der Militär diktatur am Leben erhalten können. Andererseits hat Woldemaras einen wirklichen Erfolg seiner Tätigkeit in Genf nicht verzeichnen können. Er hat sich mit um so größerer Energie darauf gestürzt, das Memelland litauisch zu machen. Eine politische Kurzsichtigkeit war es, den Freistaat Memelland im Januar 1923 durch litauische Freischärler besetzen zu lassen. Es war einer der raschesten Entschlüsse des sonst so tatenlosen Pariser Botschasterrats, diesen Durchbruch des Versailler Friedens zu genehmigen. Auch der Völkerbund hat im Mai 1924 seine Zustimmung ge geben. Aus der Selbstverwaltung aber, die bei dieser Gelegenheit dem Memellande versprochen worden ist, wurde natürlich nichts, als auch im übrigen Litauen Woldemaras die Militärdiktatur — oder die Militärdikta tur den Ministerpräsidenten — als Regierungsform durch setzte. Um das Memellandstatut hat man sich ebensowenig gekümmert wie um die Formen der Demokratie, wie sic in der litauischen Verfassung niedergelegt waren. Damit hat man erreicht, daß der große deutsche Nachbar sich in Genf bei den Debatten über den polnisch-litauischen Kon flikt auf die Seite Polens stellte. Gewiß nicht aus Liebe zu Polen, aber aus der Erwägung heraus, daß Deutsch land trotz aller Abrüstung und trotz seiner Friedensbereit schaft sich schließlich doch nicht von einem Staate auf der Nase herumtanzen lassen darf, dessen Bevölkerung bei spielsweise nicht ein halbmal so viel beträgt wie*allein — die Hauptstadt des Deutschen Reiches. Ein Staat schließ- ltch, dessen Wahrung nicht einmal eine selbständige ist, sondern auf allerengster Verbindung mit dem Dollar be- ruht. Außerdem ist dieser Staat in seinen wirtschaftlichen Beziehungen unbedingt auf Deutschland angewiesen, weil Von Osten her der große russische Nachbar nicht bloß handelspolitisch eine Gefahr bedeutet. Aus diesem Grunde hat Deutschland das Recht, auch die in nenpolitis cheEntwicklunginLitauen zu beobachten. Erfreulicherweise sind sich alle deut schen Parteien darin einig, daß eme Anerkennung der Grenzzieh unge n wie sie der Versailler Ver trag bestimmt hat, von Deutschland n l ch t a l s fn r a ll e Ewigkeit bestehend anerkannt wird, Das gilt nicht etwa nur in Beziehung auf -.re deutsch-polnische Grenze, sondern eine der übelsten l^ ^burten des Ver sailler Vertrages war die Schafl >ng des Frei staates Memelland. Sre ist "^ch weittr verun staltet worden durch die Okkupation und curch die darauf folgenden Bemühungen Litauens, aus diesem deutschen Land einen Teil des neugeschaffenen Staates zu machen, der seine Existenz letzten Endes nur den Großtaten des deutschen Heeres verdankt. Und bisweilen denkt man in Deutschland beim Singen der Nationalhymne doch daran, daß es ein Wunsch bleibt, wenn gesagt wird: Deutschland soll im Osten reichen „bis an die Memel!". Ruhe in Oesterreich Reden von Streeruwitz und SLeidle Auf dem Heldenplatz der Burg fand eine von etwa 25 000 Personen besuchte Heimwehrvcrsammlung statt. Der Bundesführer der österreichischen Selbstschutzvcrbände, Dr. Steidle, erklärte, cs sei eine Lüge, wenn man von einem Bürgerkrieggedanken der Heimwehr spreche. Un stimmigkeiten in der Heimwehrführung gäbe cs nicht, die Sozialdemokraten bemühten sich, in Wirtschaftskreisen Stimmung gegen die Heimwehr zu machen. Alle Geruch e über die Heimwehren sollten aber nur verhüllen, das? sich die Sozialdemokraten am Ende ihrer Kraft fühlen. Die Heimwehr habe ihre Ziele klar vor Augen über ihr Pro gramm gäbe es lein Feilschen und Handeln, sondern nur Erfüllung der Forderungen, die nunmehr von der Mehr heit des Volkes den gesetzgebenden Instanzen vorgctragcn würden. In seiner Rede auf der stark besuchten Tagung des Niederöstcrreichischen Bauernbundes sprach Bundes kanzler Streeruwitz, stürmisch begrüßt, zunächst über die Bedeutung der Bauernschaft für den Staat, über die Not lage der Landwirtschaft und über die verschiedenen schon getroffenen und in Aussicht genommenen Regieruugs- maßnahmen zur Linderung dieser Not der österreichischen Agrarier. Aber eins ist nötig, fuhr Streeruwitz fort, und fördert mächtig alle wirtschaftlichen Bestrebungen, nämlich Ordnung und Frieden im Lande. Eins ist so wichtig wie das andere. Es wurde eins Resolution angenommen, in der unter Ablehnung des Klassenkampfes und Betonung der Volks gemeinschaft ausgesprochen wird, es sei die Pflicht des Bauernbundes, Hand in Hand mit der Heimwehr und im vollen Vertrauen zu den legalen Sicherheitstruppen, mit allen erlaubten Mitteln den Reinigungsprozetz durchzu- sühren, um dem ideellen Zweck des Hetmatschutzgedankens zum Durchbruch zu verhelfen und den bodenständigen Ar beiter in gemeinsamer wirtschaftlicher Kampffront zum sozialen Aufstieg zu bringen. Weiter heißt es in der Ent- Bundeskanzier Streeruwitz Polizeipräsident Schober oird höchstwahrscheinlich schon gilt als Nachfolger des Bun- Kese Woche mit seinem ganzen deskanzlcrs Streeruwitz. Kabinett zurücktreten. schließung, das freigewählte Parlament müsse auf dem Boden bleiben, auf dem ganze Arbeit für Wirtschaft und Kultur geleistet werde. Schließlich wird der Regierung Streeruwitz das Vertrauen des Bauernbundes ausge sprochen und weiter betont, daß die Regierung unter der Führung eines hervorragenden Mannes der Wirtschaft stehe, der Wege finden werde, denen das Parlament solgcn könne und daher folgen müsse. KeWNchW den IornbenalteMen Erklärung des W e h r m i n i st e r i u m s. Die Untersuchung des Reichswehrministeriums über die angebliche Zusammenarbeit des Angestellten Jesch t e mit dem Syndikus der Landvolkbewegung hat folgendes ergeben: Der Angestellte des Neichswehrstandortes Lübeck Jeschke kennt Herrn Weschke persönlich aus seinem früheren Aufenthalt in Itzehoe. Er hat im Juli d. I., als die L a n d v o l k b c w e g u n g in zunehmendem Maße öffentliches Aufsehen erregte, ohne Wissen seiner Vorgesetzten eine Aussprache mit Weschke herbeigeführt, uin sich ein Bild über Umfang und Ziele der Bewegung zu verschaffen. Seine Eindrücke hat er in einem Bericht an die Reichswchrbehörden zusammcngefatzt, der sich dahin ansspricht, daß die Führer der Bewegung in ihrem poli tischen Kampfe gegen die Negierung Gewaltmaßnahmen, insbesondere eine Beteiligung an den Sprcngstoffattcn- taten, abzulchnen schienen. Der Bericht ließ nicht er kennen, daß er aus einer persönlichen Rücksprache mit Weschke beruhe. Die Reichswehrbehörden haben ihn zu den Akten gelegt, da sie von der zuständigen Zivilvcrwal- tung über die Bewegung unterrichtet würden Es handelt sich also um eine private einmalige An frage eines Angestellten bei einem persönlichen Bekannten. Er bar sich weder hierbei noch sonst geistig oder praktisch an den Bestrebungen der Landvolkbewegung beteiligt. Da gegen ist ihm zum Vorwurf zu machen, daß er überhaupt mit einer Persönlichkeit in Verbindung getreten ist. die in radikalem politischen Kampfe steht, und daß er hierbei seine dienstliche Adresse verwendet hat. Der Reickswehrminister wird die Wiederholung solcher Mißgriffe für die Zukunft abstellen. Es ist also klargestellt, daß weder der Fall Fesckke noch der Fall G a z a—H a m m e r st e i n den ge ringsten Beweis erbracht haben, daß die Reichswehr mit den Dombenattentaten in Verbindung steht. Das Reichs wehrministerium sicht der Durchführung der beiden Straf anträge wegen Beleidigung entgegen. Volck steckbrieflich verfolgt. Die Staatsanwaltschaft beim Landgericht in Berlin hat bei der fortgesetzten Untersuchung in der Bomben- asfäre nunmehr auch gegen den flüchtig gewordenen früheren Privatdetektiv Herbert Volck, zuletzt wohn haft Berlin, den Antrag auf Eröffnung der Vorunter suchung, Erlaß des Haftbefehls und eines Steckbriefs bei dem Untersuchungsrichter beantragt. Volck wird be? schuldigt, an den Attentaten in Schleswig-Holstein und an dem Anschlag auf das Reichsiagsgebäude in Berlin in hervorragender Weise beteiligt zu sein. Enthüllungen? Angebliche Verhandlungen Frankreich Die zu Reichsaußenmiuister Dr. Stresemann in Beziehungen stehende Nationalliberale Korre spondenz veröffentlicht Mitteilungen, wonach der deutschnationale Abgeordnete Klönne ohne Wissen der deutschen amtlichen Stellen mit französischen Militär kreisen und Politikern über ein deutsch-französisches Militärbündnis unterhandelt habe. Die Nationalliberale Korrespondenz deutete schon kürzlich an, daß von „deutsch nationaler Seite" in Pacis sehr viel weitergehende, ja viel gefährlichere Angebote gemacht worden seien, als Vie bekämpfte Politik der Verständigung. Die Deutschnatio nale Pressestelle hatte die Nationalliberale Korrespondenz darauf der Verleumdung beschuldigt. Die jetzige Ver- ösfentlichuug der Nationalliberalen Korrespondenz. Vie, wie sie sagt, „wenigstens in etwas den Schleier lüften solle," besagt: „Herr Klönne reist seit dem Jahre 192l> in politischer Mission nach England und Frankreich. Er hat in zahlreichen Gesprächen mit französischen Politikern den Franzosen ein Militärbündnis und ein Zusammen gehen Deutschlands und Frankreichs gegen Sowjeiruß- land angetragen." Infolgedessen sei ein französischer Ge neral bereits im Winter 1927/28 nach Berlin gekommen und habe mit Herrn Klönne und seinen Hintermännern verhandelt. Klönne habe versucht, auch eine Verbindung mit dem Reichswehrministerium herbeizuführen, das sei aber selbstverständlich gescheitert. Im Frühjahr 1928 seien die Besprechungen nach Paris verlegt worden und maß gebliche Politiker der französischen Rechtsparteien hätten daran teilgenommen. Einer Berliner Nachrichtenkorrespondenz wird dazu von unterrichteter dentschnationaler Seite berichtet, daß Herr Klönne zu einer Stellungnahme noch keine Gelegen heit gehabt habe; zweifellos aber werde er zu der Dar stellung der Nationalliberalcn Korrespondenz einiges zu sagen haben. Entscheidend sei die Zeit, in der die Ver handlungen, von denen die Nationallibecale Korrespon denz spricht, stattgefundcn haben sollen. Es handele sich nämlich um das Jahr 1927. in dem die Deutschnationalen in der Regierung saßen, so daß der Vorwurf einer Privat- politil ans eigene Faust auch dann nicht stimme, wenn die Mitteilungen der Nationalliberalen Korrespondenz einen wahren Kern enthielten. Es müsse aber festgestellt werden, daß, wenn überhaupt Klönne Verhandlungen geführt habe, und zwar mit dem Ziele einer Wcstorientierung gegen den Osten, diese Verhandlungen den politischen Grundsätzen der Deuischnationalen Volkspartei nicht entsprächen. Nie mals hab- Herr Klönne, immer vorausgesetzt, daß er ver handelt habe, im Namen der Deutschnationalen Volks partei solche oder ähnliche Verhandlungen führen können. * „Dichtung und Wahrheit". Eine Auslassung Dr. Klönnes. Zu den Veröffentlichungen der „Naiionalliberalen Korre spondenz" nimmt Reichslagsabgeordneter Dr. Klönne in einer längeren Auslassung selbst Stellung. Er betont, daß in dem Artikel der „Nationalliberalcn Korrespondenz" Wahrheit und Dichtung in erstaunlicher Weise gemischt seien. Er habe 1927 in London Unterhaltungen mit sichtenden englischen Politikern lediglich als Privatmann gepflogen. Hierbei habe er zum Ausdruck gebracht, daß Deutschland für eine deusich-englisch- sranzösischc Zusammenarbeit nnr dann in Frage käme, wenn wenigstens die elementarsten deutschen Forderungen erfüllt würden. Als solche nannte er nicht nur, wie die „NaUonal- liberale Korresvondem" ricktia auskübrt. .Räumuna der