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Freitag, den 6 Septemder 1929 Nr. 208 — 88. Jahrgang Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Telegr.-Adr.: „Amtsblatt* Briands große Rede in Gens Minderheiten. geblieben seien. Der wirtschaftliche folgen. Oie Donnerstag früh Sitzung ab. Wahrscheinlich wird Dr. Stresemann am Freitag eine längere Rede vor dem Völkerbund halten, in der er den grundsätzlichen deutschen Standpunkt in der Minderheitenfrage vertreten wird. Da bei der Konferenz auch Meinungen vertreten sind, wonach das Minderheitsproblein fetzt vorläufig mit den seinerzeitigen Beschlüssen in Madrid erledigt sei, dürften an die Rede Stresemanns sich lebhafte Dis kussionen anschließen, zumal die deutsche Stellungnahme von verschiedenen neutralen Staaten geteilt und unter stützt wird. Planes und sägte, zu den jüngsten Verhandlungen ab schließend Stellung zu nehmen, sei noch verfrüht; denn um wichtige Fragen, insbesondere um die Rückgliederung des Saarlandes, werde noch weiter gerungen werden müssen. Die Schlußverhandlungen im Haag werden erst im Laufe des Oktober stattfinden. Aber in allen drei Punkten des Programms der Reichsregierung: Räumung des besetzten Gebietes, Beseitigung der Kontrollen und Herabsetzung und Erleichterung der Reparationslasten sind schon jetzt grundlegende Ergebnisse erzielt worden. Angesichts der Irreführung der Öffentlichkeit durch »«unterrichtete Kritik müsse man offen äussprechen, das? die großen Ziele der Reichsregierung in den Fragen, die im bisherigen Verhandlungsabschnitt zur Entscheidung gekommen sind, in allen wesentlichen Punkten erreicht wurden. Der Minister ging dann auf die Einzelheiten der Finanzfragen ein, die gewiß die Möglichkeit der Ent lastung für die Zeit bis zum 1. April 1930 etwas herab setzen, aber in ihrer Bedeutung im Verhältnis zu dem Rahmen, in dem die Gesamtlösung liegt, keine Rolle spielen. Das Zugeständnis der Veränderung in der Staffelung des ungeschützten Betrages erhöht weder unsere jährlichen Leistungen auch nur um einen Pfennig, noch setzt es den Durchschnittsbetrag der ungeschützten Jahreszahlungen herauf. Wichtiger und größer ist das, was von uns auf politischem Gebiet angebahnt und erreicht worden ist. Mit der Inkraftsetzung des Young-Planes werden die jetzigen Kontrollen endgültig beseitigt. Deutschland wird also nach voller Wiederherstellung seiner Souveränität und unter voller elgener Verant wortung für seine Wirtschaft seine Währung und seine Finanzen wieder in den Kreis der vollberechtigten Groß mächte einrüÄcn. Die Snmmen. die Deutschland jährlich zu leisten haben wird, werden um eine halbe Milliarde und darüber, in den ersten fünf Jahren nm über 700 Millionen, durch schnittlich herabgesetzt. Diese Beträge werden in erheb lichem Maße zur allgemeinen Erleichterung der Wirt schaft dienen. Der Deutsche Reichstag wird in einigen Wochen dar über zu befinden haben, ob die Haager Abmachungen von ihm bestätigt werden und Deutschland wieder von seiner gewählten Regierung als freies Volk auf freiem Boden geführt werden kann. Enttäuschung über Wands Rede Genf, 5. September. Die große Rede Briands hat trotz des üblichen stürmischen Beifalls der Vertreter und des Publikums in Abgeordnetenkreisen recht geteilte Auffassungen gefunden. Es besteht der Eindruck, daß die Ausführungen Briands über die von ihm geforderten Sanktionsmaßnahmen gegen die Friedensverletzer reichlich unklar waren. Ebenso hat die nebensächliche Art, in der er seine Gedanlengänge über die Vereinigten Staaten von Europa vortrug, einiges Befremden erregt, da man hierüber weitaus be stimmtere und klarere Vorschläge erwartet hatte. Auffallend ist ferner, daß Briand kein Wort über die Notwendigkeit einer allge meinen Abrüstung der Völker gesagt hat, wie sie Macdonald so eindringlich in seiner großen Rede gefordert hat. Die Erklärung Briands über die Ergebnisse der Haager Konferenz können in un terrichteten Kreisen nur mit großem Befremden ausgenommen werden. Wenn Briand in seiner Rede erklärt, er hätte nicht ge wagt, nach Frankreich zurückzukehren, ohne Opser zu bringen, um das Zustandekommen der Haager Konferenz zu ermöglichen, so kann nur mit aller Entschiedenheit darauf hingewiesen werden, daß Frankreich auf der Haager Konferenz keinerlei Opfer auf sich ge nommen hat, sondern sich damit begnügte, zu Lasten der übrigen Mächte, vor allen Dingen Deutschland, die englischen finanziellen Forderungen zu erfüllen. Man sieht in der Rede Briands einen Versuch, den durchschlagenden Erfolg der großen Rede Macdo nalds zu verringern. Irgendwelche neuen Vorschläge oder Anre gungen sind jedenfalls in der Rede Briands nicht enthalten. vas Ergebnis der Haager Konferenz. Der Reichsprä sident sprach dem Minister, zugleich mit dem Ersuchen um Übermittlung an die übrigen Mitglieder der Dele gation, seinen Dank für die in schwierigen und mühe vollen Verhandlungen geleistete Arbeit aus. Ins besondere gab der Reichspräsident seiner Befriedi gung darüber Ausdruck, das? endlich das Recht Deutsch lands aus Befreiung des Rheinlandes vom Druck fremder Besatzung in naher Zukunft erfüllt werden soll. Der Reichspräsident sprach ferner die Erwartung aus, das? von der jetzt erreichten Etappe aus die Lösung der noch offenen Reparationsfragen und die volle Wiederherstellung der deutschen Staatshoheit erkämpft werden möchte. Vom Wohnungsamt Mainz wird mitgeteilt, daß die Besatzungsbehörde fünf seinerzeit beschlagnahmte Woh nungen der Stadt Mainz zur Verfügung stellen wird. Diese Freigabe ist ein Vorspiel für die Räumung von Mainz. Henderson für strikte Räumungsdurchführung. Der englische Außenminister Henderson wurde in Genf von dem Vertreter des „Daily Herald" über die in der französischen Presse ausgesprochene Absicht be fragt, der zufolge die endgültige Räumung der dritten Zone des Nheinlandes von der Mobilisierung eines Teils des französischen Anteils an den ungeschützten deutschen Reparationszahlungen abhängig gemacht werden solle. Henderson vertrat die Ansicht, daß die Haager Ab kommen völlig klar seien und die Räumung bis zum 30. Juni beendet sein müßte. Er sei fest überzeugt, daß Briand sein, Versprechen erfüllen werde, und er hoffe, daß die Presse weder ihm noch Stresemann Schwierigkeiten bereiten werde. me anzu yoyen Zollmauern zwischen den Völkern Europas herabzusetzen, bisher ohne praktischen Erfolg militärischen Abrüstung müsse die Die Curtius Mr die Saager Konferenz. Die großen Ziele erreicht. Reichswirtschaftsminister Curtius verbreitete sich Donnerstag abend im Rundfunk in längeren Ausfüh rungen über den Verlauf und die Ergebnisse der Haager Konferenz. Dr. Curtius gab zunächst in großen Zügen emen überblick über die Entwicklung, die vom Versailler Ver trag, in dem die deutschen Verpflichtungen nicht begrenzt waren, zum Young-Plan führte. Der Minister schilderte dann die Ereignisse während der Geltuna des Dawes Gegen den Krieg, für den Frieden. Das Minderheitenproblem. Das Ereignis bei den Verhandlungen des Völker bundes in Genf am Donnerstag war die Rede des fran zösischen Ministerpräsidenten Briand, die gleichsam unmittelbar an die Ausführungen des britischen Premiers Macdonald vom Dienstag anknüpfte. In den zehn Jahren seines Bestehens — führte Briand aus — habe der Völkerbund die großen ihm entgegenstehenden Schwie rigkeiten überwunden. Alles, was für den Frieden in den letzten Jahren geschah, sei nur mit dem Völkerbund möglich gewesen. Das gelte auch für Locarno und den Kellogg-Pakt. Der Krieg habe den Stempel des Ver brechens bekommen, aber das Werk des Völkerbundes sei dadurch noch nicht vollendet. Was werde er tun, wenn wirklich der Krieg trotz alledem ausbreche? Solange man die Strafe für den Friedensstörer noch nicht gesunden habe, sei eine Lücke vorhanden. Ein großes Friedens- wcrk sei jetzt auch im Haag zustande gekommen. Wäre es nicht vollendet worden, so würde dem Friedensgeist der Todesstoß versetzt worden sein. Die Beseitigung der letzten Schwierigkeiten zwischen Deutschland und Frank reich stände bevor. Die Frage der Rüstungsbeschränkung sei eine heilige Pflicht der Unterzeichner des Versailler Ver trages. Das Problem der Sicherheit müsse durch Zu sammenarbeit gelöst werden, namentlich auch in bezug auf die Seerüstungen und die wirtschaftliche Abrüstung. Energische Schritte müßten durch den Völkerbund getan werden. Seine, Briands, Idee der Bereinigten Staaten von Europa habe gewiß anfangs einen etwas abenteuerlichen Anstrich für einen Staatsmann haben können. Angestrebt werde in Wirklichkeit eine Art Bund, der zwischen den euro päischen Staaten ein Band schaffe, das ihnen erlaube, gemeinsame Ziele zu verfolgen, z. B. auf sozialem Gebiet. Wichtiger noch als die Fakultativklausel für den Haager Gerichtshof sei ein obligatorischer Schiedsvertrag. Warum sollten nicht wie Privatleute zur Konfliktsver meidung die Nationen zu den Richtern gehen, damit nicht Schlachtfelder mit Blut gedüngt würden? Mit Mac donald sei er der Auffassung, daß der Friede eine Frage der Moral sei. Er, Briand, wende sich besonders an die Frauen, um ihre Mithilfe zu der Friedenspro paganda zu erwirken. Vor Briand sprach in der Donnerstagsitzung des Völkerbundes der belgische Außenminister Hymans und betonte^, daß die Beschlüsse der Weltwirtschaftskonferenz, hielt die deutsche Abordnung in Genf unter dem Vorsitz Dr. Stresemanns eine Hindenburgs Dank und Anerkennung. Befriedigung über die Rheinlandräumung. Reichspräsident von Hindenburg empfing Donners tag den Neichswirtschaftsminister Dr. Curtius, der »hm m Vertretung des Neichsaußenministers Dr. «trcsemann Bericht erstattete über den Gana und Regierungsnöte. Langsam, aber unaufhörlich steigt die Arbeitslosen- ziffer und immer näher rücken die Monate, in denen die Ausgaben für die Arbeitslosenversicherung weit höher sind als die von ihr erzielten Einnahmen. Im Juli ist ein geringer Überschuß erzielt worden; ob das gleiche aber auch im August der Fall ist, muß bezweifelt werden. Trotz dieser finanziellen Nöte, denen die Versicherung von neuem entgegengeht, ist die Beratung ihrer Reform im Reichs tage wieder einmal festgefahren. Sonderbesprechungen zwischen den Führern der Koalitionsparteien blieben er gebnislos, weil in bestimmten Punkten hier ein festes „Nein!*, auf der anderen Seite ein ebenso ernstgemeintes „Ja!" gesprochen wird. Und diese tiefgehende Spaltung findet ihre geradlinige Fortsetzung im Kabinett selbst, das sich bisher auf einen Vermittlungsvorschlag nicht einigen konnte. In der Hauptsache hat sich der Streit zugespitzt auf die drei Punkte: Beitragserhöhung oder nicht, Son derregelung der Saisonarbeiterversicherung und -Unter stützung, Anpassung der Höhe der Rente an die Dauer und die Höhe der Beitragszahlung. Namentlich im ersten und dritten Punkt stehen sich die Meinungen der Deutschen Volkspartei und der Sozialdemokratie schroff gegenüber. . ^azu kommt aber noch, daß es bei den bisherigen Beratungen nicht gelungen ist, das Defizit der Arbeits losenversicherung trotz vorübergehender Beitragserhöhung und trotz Einschränkung mancher im bisherigen Gesetz llorqeschriebenen Leistung völlig zu beseitigen. Die Sozialdemokratie ist grundsätzlich gegen ieden Abbau, Weil sie Unterstützungssätze — auch die der höheren Klassen — überhaupt nicht abbaufähig sind, nur ein kümmerliches Dasein gewähren. Andererseits halten aber die Deutsche Volkspartei und mit ihr auch Teile der Mittelparteien aaran fest, daß die Versicherung finanziell auf eigenen Füßen stehen müsse, was nur möglich sei, wenn Leistung der Versicherten und Gegenleistung der Versicherung in ün angemessenes Verhältnis zueinander gebracht werden, wie das z. B. auch bei der Erwerbsloscuüntcrstützung der Gewerkschaften durchgeführt sei. Außerdem streitet man 'ich darüber laut herum, mit wieviel Arbeitslosen im Jahresdurchschnitt gerechnet werden müsse. Wie hoch man vicse Zahl ansetzt, ist natürlich von entscheidender Bedeu- iung für Beitragshöhe und Leistungen. Infolge dieser weit auseinandergehenden Memungs- verschledenhetten und des immer noch nicht ausgefüllten Defizits ist es im Augenblick mit der ganzen Reform der Arbeitslosenversicherung verhänqnisvollerweise noch nehr als bloß unbestimmt bestellt. Und der Regierung wird sogar von den hinter ihr stehenden Parteien vor- keinerlei Initiative zeigte, nicht führend leuchtend m den Streit eingreife. Es ist auch vor- laufig gar nicht damit zu rechnen, daß bei dieser parla- nentarlschen Sttuation der Reichstag etwa schon im Sep tember zusammentritt, um die Reform der Arbeitslosen oersicherung m die Hand zu nehmen. Man spricht von !iner Einberufung im Oktober — und dann mag ja wohl mch die Stunde der Entscheidung über den Noung-Plan und die zu seiner Durchführung not- vendigen Gesetze schlagen. Ganz glatt wird auch diese Beratung Wohl nicht zehen, denn nicht bloß bei der Opposition, sondern selbst im Lager der Regierungsparteien wird manche Kritik an oem Haager Ergebnis laut. So hat der Führer der veutschvolksparteilichen Neichstaqsfraktion soeben in Königsberg eine ziemliches Aufsehen erregende Rede ge halten, in der er u. a. erklärte, sehr groß sei der Unter schied zwischen den ftnanziellen Verpflichtungen des Dawes-Planes und denen des Young-Planes nicht, wenn »an nämlich zu diesen letzteren auch die Verzinsung und Amortisation der Dawes-Anleihe 1924 hinzurechne. Die Annahme des Young-Planes müsse aber vondreiVor- lussetzungen abhängig gemacht werden: so fortige und bedingungslose Rheinlandräumung, keine Erweiterung irgendwelcher Kontrollbefugnisse und eine befriedigende Losung der Saarfrage. „Der Young-Plan wurde im Haag wesentlich verschlechtert und eine Er weiterung der Kontrolle ist anscheinend doch nicht ver mieden worden." Trotzdem will die Deutsche Volks- oartei „den Young-Plan schlucken", verlangt aber, daß die Saarfrage zuerst geregelt wird. Vor allem aber müsse die Annahme des Plans eine grundsätzliche R e - vsion der deutschen Wirtschafts- und Finanzpolitik im Sinne einer Lastensenkung zur Folge haben, ergänzt durch einen „vernünftigen Finanz- ^Mm?siebt: innen- wie außenpolitisch eine nicht Serade zurückhaltende Kritik an es Kabinetts. Tausenderlei Wünsche, die zum Ter cmmrder unverein bar gegenüberstehen, dazu der ? Fe Klotz des You»g Plans mitten auf dem Weg - durchaus „kein- ''"me Freude", in Deutschland Z-lUn - s MsdmfferTag Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrenlamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. für LürgerluM/ Beamte/ Angestellte a. Arbeiter. Anzeigenpreis: die 8 gespaltene Baumzeiie 2VSipfg., dir 4 gespalten« ?;eil< der amtliche, Bekanntmachungen Pfennig, die 3gespaltene Reklame;eile iu: tätlichen Teile j Reichsmark. Nachmeijun^ebühr 20 Aerchsp lenntgr. 'Lsr- gesct r'.ebrveErscheinungs- iuoe und Pi0tzs^rschrts e« -gerben nach Möglichkeit Fernsprecher: Amr Wnsdrrrrl Nr. b h.rücff'.cktttzt. an-.-astm-dis..orm.1OMvr. — — .5'" A.chttgkeit d« durchFernrufübermiltelttnAnzeigen üoernehmenwir keine Garantie. ^derRabul ansp: ch ec ncht, »ve-nn l-er Betrag »»rch Klage eingezogen werden mutz oder der Auftraggeber in Konkurs gerät. Anzeiger, in hmen ulleBcrmittlurgsnellrnentgeven. Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das »Wilsdruffer Tageblatt" erschein: an allen Werktacen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in der Geschäftsstelle und den Ausgabestellen 2 RM. im Monat, der Zustellung durch die Boten 2,3tz'NM., bei Postbcstcbkng L «M. zuzüg'-cd A'. trcg- . gebüdr. Einzelnummern ISRpfg.Allc Ltzo, anstaUen Wochenblatt Mr Wnsdrufr u. ^kmaeasnd Postboten und unsrreAus- trtgerund Gefchaftsuellen ' — nehmen zu jeder Heil Be ¬ stellungen entgegen. Im Fallt höherer Gemalt. 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