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Konferenz von Genf erzielt. Die britijche Negierung sei der Ansicht, datz sich die Alliierten öffentlich verpflichtet hätten. Man habe deshalb mit Überraschung festgesiellt, daß Millerand seine Ansicht geändert habe und an die «stelle einer gemischten Kommission, die in einem neutralen Lande zusammentreten solle, eine Konserenz der Wiedergutmachungs- kommijsion in Paris, Ler auch die deutschen Vertreter bei wohnen würden, setzen wolle. Lord Curzon habe in seiner Note vom 6. Oktober in freundschaftlicher Offenheit sein Er staunen ausgedrückt. Der französische Standpunkt werde von Belgien geteilt. Aber es wäre unrichtig zu sagen, die ameri kanische Negierung teile diese Ansicht. Im Gegenteil, sie stehe auf dem englischen Standpunkt. Nach dem „Daily Chronicle" wäre es möglich, datz die Wiedergutmachungs kommission sich in Köln anstatt in Paris zusammenfinde. Diesen Verhandlungen könne eine ausgedehntere allgemeinere Konferenz vorangehen. Gegen eine derartige Lösung werde die englische Regierung leinen Widerspruch erheben. Das Blatt ist der Ansicht, daß Frankreich und England sich auf diesen Standpunkt einigen könnten. VsLkSQWmmrmg m Ramien. Steg des Deutichtumsl Bei der Volksabstimmung in Kärnten haben die Deutschen einen Sieg errungen, indem etwa St- dis ttl» Ler abgegedencn Stimmen zugunsten Deutschösterreichs lauten. Insbesondere das Verhalten der italienischen Offiziere in den einzelnen Bezirken war über alles Lob er haben, während die französischen Organe es vielfach an der notwendigen Objektivität fehlen ließen. Je weiter der Tag vorwärts schritt, dessen offenkundiger wurde der Rückzug der serbischen und der fremden Agitatoren, welche ihre Agitations automobile mit österreichischen 10-Kronen-Noten tapeziert hatten, um dadurch den Reichtum Südslaoiens gegenüber Österreich sinnfällig zu machen. In allen Orten wurden Triumphbogen errichtet. Das offizielle Abstimmungs- ergebnis wird erst später bekanntgegeben werden können. In deutschen Kreisen befürchtet man einen Einmarsch der Südslaven aus Rache über den Steg Deutschösterreichs. Nach dem Resultat in der Abstimmungszone erübrigt sich nunmehr eine Abstimmung in der Zone 6. Verstärkte Kohlenförderung. Neue Vorschläge des Reichswirtschaftsrates. Der wirtschaftspolitische Ausschuß des Reichswirtschafts« rats stimmte den Beschlüssen des Kohlenausschusses zu. Ent sprechend einem Anträge Jmbusch-Hue ersuchte der Ausschuß die Regierung, durch sofortig einzusetzende technische Kom missionen, die Verhältnisse in den verschiedenen Bergrevieren und auf Len einzelnen Werren prüfen zu lassen und auf eine Einführung aller eine Erhöhung der Förderung versprechende Änderungen zu dringen. Insbesondere ist zu prüfen, ob nicht durch Einlegung weitererFörderschichten und einebessereOrgani- sation der Betriebe, die einen größeren Prozentsatz der Arbeiter an direkt produktive Arbeit dringt, höhere Förder- zifiern erreicht werden können. Es ist auf ein richtiges Verhältnis zwischen den Lohnen der Bergarbeiter und denen der Arbeiter in anderen Industrien und Gewerben hinzu- wirken. Die Bergarbeiterbevölkerung ist ausreichend mit Lebensmitteln zu versorgen. Die in den Tarifverträgen festgelegte Dauer der ordentlichen Schicht ist gesetzlich m sichern. Der weitere Ausbau des KnappschastSwesenS ist Len Wünschen der Bergleute entsprechend mit möglichster Be schleunigung durchzuführen. politische Rundschau. Deutsches Reich. » Botschafterkonferenz und Oberschlesien. Die Pariser Blatter melden: .Wie bereits bekannt ist, hallen sich bezüg lich der Tätigkeit der interalliierten Verwaltungskommission in Oberschlesten Schwierigkeiten ergeben. Alan hatte General Le Rand unter anderni vorgeworfen, datz er das polnische Element zu sehr begünstige. Nur eine aerinae Minderheit kiin?rüh!ingstrsum. Eine Erzählung aus dem Leben von Fr. Lehne. (Nachdruck verboten.) Da faßte sich der Freiherr endlich ein Herz trat auf Wolf zu, erfaßte dessen Hand und sagte mir zitternder Stimme: „Mein Sohn, ich habe Dir viel abzubitten! Ich weiß kaum, wie ich den Anfang machen soll, Dir zu gestehen, daß, daß — eine Verkettung unglückseliger Umstände — ich muß ohne Verstand gewesen sein! Meine Frau — ach Wolf .Laß das, Papa, ich weiß schon —* .Du weißt, woher? Hat Erwin —?" .Nein — Erwin deutete mir an, daß Dich etwas Schweres zu mir führt! Ich konnte mir nicht erklären, was — bis mir heute nachmittag in einem hiesigen Bank hause ein Wechsel mit meiner Unterschrift überreicht wurde, fällig am SO. d. M. — also morgen!" Der andere wandte sich ab; er konnte dem Sohn nicht ins Auge schauen, der aber fuhr fort: „Ich erkannte jene Unterschrift nach der ersten Bestürzung als von mir her rührend an, da mir ahnte — genug —" .— Und die fällige Summe —?" fragte der Frei herr mit fast erloschener Stimme. „Habe ich nicht!" sagte Wolf. Sein Vater sah er schreckt auf. .Nicht? Aber was wird nun? O — ist kein Ausweg?" kam es tonlos von dessen Lippen. .Beruhige Dich, Papa! Die Sache ist trotzdem ge regelt! Mit Geld, auch wenn ich es gehabt hätte, wäre es doch nicht gegangen. Der Bankier ahnt, weiß alles — er kennt mich und mein solides Leben auch zu genau — na, kurzum, wir einigten uns dahin, daß ich morgen Schwiegersohn des Herrn Ulrich werde — so heißt der Bankier — und jenes Papier verschwindet!" .Ach," wie im Aufatmen aus tiefster Not klang es von den Lippen des Freiherrn, .und Deine Braut wird jenes Mädchen dort?" Dabei deutete er nach Marys Bild. .Nein," kam es rauh von Wolfs Lippen. „Nicht?" fragte sein Vater erstaunt. .Wer ist denn jenes schöne Weib?" Les britischen Personals, das in Oberschlesien beschäftigt ist. ließ diese Kritik laut werden: es Haden drei subalterne Kontrollbeamte von sechzig dort beschäftigten Personen der genannten Nation ihren Rücktritt eingereicht. Hervorzu heben ist, datz der offizielle Vertreter Englands, Percival, auf seinem Posten geblieben ist. Die Botschasterkonferenz hat die schwebende Frage geregelt und die interalliierte Kontrollkommission wird nunmehr wieder wie ehedem ihres Amtes walten." 4- Ter unsinnige F-rieLcnsvertrag. Vertreter der deutschen Industrie sind in Berlin zusammengekommen, um bei der deutschen Regierung anzufragen, ob die Nachricht über die beabsichtigte Zerstörung der Dieselmotoren durch nie Entente zutreffend sei und um der Regierung die unge heuren Folgen einer solchen Maßnahme für die gesamte deutsche Wirtschaft darzulegen. Es ist ihnen mitgeteilt worden, daß in der Tat eine solche Absicht besiehe. Die deutsche Regierung hat bei der Friedenskonferenz in Paris Schritte getan, um die alliierten Regierungen davon zu : ^erzeugen, daß das Verlangen unberechtigt ist. Die Ant wort der alliierten Regierungen sieht noch aus. Die deutsche Regierung hat in Paris erklären lassen, daß sie dem Ver- !mgen auf Zerstörung der Motoren nicht stattgeben kann, und hat eingehend dargelegt, aus weichen Gründen sie hierzu mich nicht verpflichtet ist. Bei der tlaien Rechtslage ist an- .mehmen, daß die Botschafterkonferenz die Kontrollkommission anweisen wird, ihr Verlangen zurückzunehmen. 4- Deutschland und die Anfchlusifragc. Die Äußerung des Grafen Czernin, datz Deutschland sich gegen den Au- ichiutz Österreichs ausgesprochen habe, da es Repressalien Frankreichs in Len Rheinlcmden befürchte, entspricht, wie non zuständiger Stelle in Berlin betont wird, in keiner Weise den Tatsachen. 4- Bestrebungen nach Zusammenschluß in Süddeutsch- Cmv. Bei der anläßlich der wasserwirtschaftlichen Aus- elluug in Karlsruhe erfolgten Zusammenkunft süddeutscher Parlamentarier wuroen einige bemerkenswerte Reden ge« , alten, tn denen von Abgeordneten Badens, Hessens wie auch aus Württemberg der enge Zusammenschluß der drei Staaten, der schließlich zur endgültigen Vereinigung führen müsse, yervorgehoben wurde. Der Vertreter der württem» bergischen Abgeordneten betonte, Südwestdeutschland dürfe ill Len großen bedeutungsvollen Fragen nicht allein gehen, wildern müsse sich mit Bayern zummmenschließen: dann wäre es auch möglich, dem Reich gegenüber tatkräftig auf- mreien, um bei Len großen Bedürfnissen Norüöeutschlands nicht allzu kurz wegzukommen. Für die hessische Regierung mach Zusiizminister Brentano, der darauf hinwies, die ein- Amn Länder müßten ihre Sonderwünfche zurückstellen. Nur rann könne nian vorwärts kommen, wenn sich Baden, Württemberg und Hessen zu einem Staalengebilde zusammen- l cäfen. Las Ziel der französischen Politik. Die bekannte llollandische Zeitung „Vadertanü" ist überzeugt, daß eine Stärkung Deutschlands durch den AnschlußOsterreichsvon seilen Frankreichs mit aller Macht hintertrieben werden wird. Die Canzösische Politik, sagt das Blatt, hat nur das eine Ziel, Deutschland zu unterdrücken, damit es niemals in die Lage kommt, sich von dem Joch zu befreien. Um eine neue Krise ri der Haltung der Alliierten untereinander zu vermeiden, müssen England und Italien, sei es auch gegen ihren Willen, dre Solidarität mit Frankreich befestigen, wenn dieses Land die Abhaltung einer BRrsabstimmung in Österreich ver- ettetn will. 4- Unwürdige Behandlung deutscher Seeleute in -LugiauL. Der Deutsche Seefahrtsausschuß hat in seiner in memen abgehaltenen Sitzung mit Abscheu Kenntnis ge nommen von der teilweise brutalen und unwürdigen Be handlung. die Kapitäne, Offiziere und Mannschaften deutscher Seeschiffe namentlich in englischen Häfen sowohl seitens der Behörden als auch der Bevölkerung erdulden müßten. Der Deutsche Seesahrtsausschuß fordert für die deutschen See teute in fremden Häsen dieselben Rechte und Freiheiten, dir ausländische Seeleute nach Beendigung des Krieges in deutschen Häfen genietzen. Der Deutsche Seefahrtsausschuß legt der deutschen Regierung dringend nahe, sofort nament lich England gegenüber darauf zu bestehen, daß deutsche Seeleute sich in englischen Häfen, sowohl an Bord als auch an Land als Gleichberechtigte bewegen können. Sollte die englische Behörde diesen deutschen Forderungen keine Folge .Nur eine kleine Putzmacherin. Frage mich nicht, Papa!" kam es gequält aus seinem Mund. Wie war ihm elend zu Mute! .Ach, ich verstehe, eine kleine Liaison — begreife Dich vollkommen, mein Sohn — solche vollkommene Schönheit findet man selten —" .Nein, mehr als Liaison —" sagte Wolf hart. .Wieso, Wolf? Du wirst doch nicht daran gedacht haben, einer Putzmacherin unseren Namen zu geben?" fragte sein Vater befremdet, „als Verhältnis verstehe ich —" .Warum nicht, wenn ich jenes Mädchen liebe?" gab Wolf kalt zurück, „sie hätte unserem Namen keine Unehre gemacht, so schön und klug, wie sie ist!" ' Der alte Herr wandt; sich beschämt ab. „O Wolf es ist hart, das zu hören! — Und nun, mein Sohn, lasse Dir danken für Deinen Edelmut! Fürwahr, ich habe es nicht um Dich verdient, daß Du feurige Kohlen auf mein Haupt sammelst! Doch wenn ich Dir sage, was mich zu jenem Schritt getrieben hat. wirst Du mich vielleicht doch begreifen und entschuldigen! Der Verzweiflung nahe —" „Papa, wir wollen nicht mehr darüber reden; ich will nichts wissen — lasse die Sache ruhen, zu ändern ist nichts mehr daran", wehrte Wolk ab, .ich schlage vor, schlafen zu gehen; morgen ist für mich ein anstrengender Tag! — Du schläfst in meinem Bett; hoffentlich findest Du Ruhe darin — ich habe mich nicht verwöhnt, schlafe nur auf Roßhaar unter ganz leichter Decke; Federn sind in meinem Feldbett verpönt sonst! Aber meins Wirtin hat mir für Dich Federbetten geliehen; ich weiß ja, daß Du gerade in dieser Beziehung Ansprüche erhebst — also angenehme Ruhe —" .— wo willst Du schlafen?" .— hab' keine Sorge — auf dem Divan." Wolf machte Licht im Schlafzimmer und nahm schnell ein Bild von dem Nachttisch vor seinem Bette weg, was sem Vater wohl bemerkte. „So, Papa, nun schlafe gut! Gute Nacht!" „Guts Nacht, meine Sohn!" Der alle Wolfsburg schloß ihn in seine Arme, und ein gewaltsam unterdrücktes Schluchzen erschütterte seinen Körper. .Du Guter, Edler — wie habe ich Dich verkannt — kannst Du mir oer leisten, jo bittet der Seefahrtsausschuß zu erwägen, ob nicht in deutschen Häfen gegen Mannschaften englischer Schiffe mit e.sprechenden Reprc^alien vorzugeheu ist. Litauen. rr Eroberung Wilnas durch die Polen. Nach bartem Kampfe baden die Polen Wilna eingenommen. Die Litauer halten die Linie Olaeniki—Alttroki—Vakakooienska—Rasch- kazy. Die angreifenden Truppen sind zusammengestellt aus verpolten Bewohnern Ostlitauens, die von General Seligowski geführt werden und sich von der eigentlichen polnischen Armee getrennt haben. Seligowski hat in Wilna eine neue Regierung ausgerufsn, dessen Oberhaupt er selbst ist und an der Gutsbesitzer teilnehmen. Sie verlangen, daß die Litauer das ganze früher von Polen besetzte Gebiet verlassen, und daß eine Volksabstimmung stattstnbe. GsZialösmskrairschsr pQrisiiag. Scheidemann gegen die Unabhängigen. Den diesjährigen sozialdemokratischen Parteitag, der in Kassel statifindet, eröffnete Scheidemann mit einer Ansprache, in der er u. a. ausführte: Die Aufgabe der Sozialdemokratie liegt darin, durch die deutsche Arbeiterpolitik der Welt ein Beispiel zu geben, zu welchen physischen und moralischen Leistungen ein so tief gesunkenes und gestürztes Volk noch fähig ist, durch die Anwendung der deutschen Arbeiter- methoden. Scheidemann erklärte ferner: Was die Innen politik anbelangt, so besteht das Ziel in der Gewinnung eines stärkeren Einflusses, als wie er in der früheren Koalition aus geübt wurde und die Massen in dieser Richtung aufzuklären. i«i Aufgabe des Kasseler Parteitages. Scheidemann verwies dann darauf, daß genau nor 30 Jahren, am 11. Oktober 1890. in Halle der vierte sozialistische Parteitag nach dem Fall des Sozialistengesetzes stattgesunden hat. Dort werde jetzt der Unabhängige Parteitag beginnen. Scheidemann stellte dann die offene Frage an die Arbeiter Deutschlands und der ganzen Well, wo der wahre Sozialismus zu finden sei, dort, wo man sich selbst zerfleische, oder hier? Der Kasseler Parteitag wird neue Wege weisen, die vorwärts führen, aber ohne Kompromisse. Der unerträgliche Friedensvertrag. Nachdem der 80jährige Wilhelm Pfannkuch den Parteitag für eröffnet erklärt hatte, wurden Hermann Müller und Scheidemann zu Vorsitzenden mit gleichen Rechten gewählt Hermann Müller hielt eine groß angelegte Rede, worin er feitstellte: Von einzelnen Fällen abgesehen, ist die sozialistisch geschulte Arbeiterklasse bereit, datz zu mildern und beseitigen, was im Vertrag von Versailles als unerfüllbar und unerträg lich bezeichnet werden müsse und daß die deutsche Arbeiter schaft. um jeden Zweifel zu beheben, alles tun müsse, um wieder gut zu machen, was früher gesündigt worden ist. Wir vermögen es aber nur, wenn man uns dazu die Möglichkeit und die Gelegenheit gibt. Müller teilte noch mit, daß die beiden Sozialisten, die auf der Rückreise von Georgien sind, wahrscheinlich noch rechtzeitig in Kassel eintreffen werden. Henderson hat auf nächstes Jahr vertröstet. Der von Holland bestimmte Delegierte ist durch den holländi schen Poststreik am Erscheinen verhindert, dagegen ist von Schweden der Delegierte Engbert und von Dänemark der Delegierte Stauning anwesend. Müller zollte dem däni schen Volke höchsten Dank für die Liebestätigkeit an deutschen Arbeiterkindern, die auf ewig mit Dänemark verbindet." Von Danzig ist Frau Wohlgemuth anwesend. Danzig, so erklärte Müller mit gehobener Stimme, ist ein Fall, auf dein uns Wiedergutmachung zu leisten ist, weil Deutsche ungefragt von Deutschland losgerissen wurden. Das sei ein Hohn auf das Selbstbestirnmungsrecht der Völker, das während des Krieges das Kampfgeschrei unserer Gegner gewesen ist. Zum Schluffe wies Mütter den Gedanken einer gewalttätigen Revanche weit von sich, man wolle nur den Appell an das Recht. Bericht des Parteivvrstandcs. Den Bericht des Parteivorstandes erstattete der Abg. Wels: „Der Jahresbericht zeigt ein Bild erfolgreicher Arbeit, wie wir nicht geglaubt hätten, es vorlegen zu können. Das ist das Verdienst der Parteigenossen, die in unermüdlicher Arbeit in Werkstätte und Fabrik trotz stärksten Terrors, unbe kümmert um die Bedrohungen an Leib und Leben und wirt schaftlicher Existenz, der Sozialdemotratte treugeblieben sind. Hochmütig hat vor wenigen Tagen noch die „Freiheit" ge schrieben, die Sozialdemokratische Partei stände jenseits des Sturmes. Sie glaubte in dem Schimpfen der unabhängigen Versammlungen und Zeitungen ein weltgeschichtliches Brausen zu hören. Heute flüchtet die Redaktton der Freiheit in die Öffentlichkeit vor eben jenem „fortgeschrittensten Teil d-r Arbeiterschaft, der um die Gestaltung der schwierigsten Welt- vrobleme ringt." Mancher Unabhängige würde viel lieber seine Tätigkeit in den Reihen der Sozialdemokratischen Partei zeihen? Was habe ich gelitten," murmelte er mit erstickender Stimme. „Laß gut sein, Papa — wir wollen nicht mehr davon sprechen," entgegnete Wolf. „Noch eine Frage, mein Junge — hast Du das Mädchen sehr gern, dessen Bild ich bei Dir sah? Sie muß sehr süß sein!" „Mehr — als mein Leben" wollte er sagen; aber er bezwang sich, und mit einem schwachen Versuch zum Lächeln meinte er: „Muß man sie nicht lieb haben? Im großen und ganzen sind mir aber die Frauen sehr gleichgültig — ich habe keine Lust am Weibe — so sagt ja wohl Hamlet! Schlafe aber endlich, Papa! Gute Nacht!" Wolf machte sich sein Lager auf dem Divan zurecht,' er versuchte alle Gedanken zu bannen und sofort zu schlafens aber es ging nicht. Zuviel war heute auf ihn eingestürmt; zum erstenmal« fühlte er, daß er Nerven hatte. Der Nachmittag bei Ulrich, der Abend auf dem Friedhof und die große Enttäuschung, zuletzt die Unterredung mit dem Vater! Er hatte es ihm so leicht wie möglich gemacht; er war ihm zuvorgekommen und hatte ihm die beschämende Beichte erspart, wett er ihm so über die Maßen leid tat — aber eine gewisse Bitterkeit erfüllte ihn doch, mochte er noch so dagegen ankämpfm — und er mußte sich fast dazu zwingen, herzlich zu sein! Sein Vater schien sich gar nicht weiter Gedanken um die Regelung jener Sache gemacht zu haben — aber das sah ihm ähnlich — viele schöne Worte und nichts dahinter ! Und Mary — an sie durfte er nicht denken, wenn er nicht in heißem Weh laut aufschreien wollte! Vielleicht war sie jetzt noch mit ihrem Liebhaber zusammen — o, der Gedanke war nicht auszudenken — nein, nein, es kann ja nicht sein! Warum ihm nur das alles, ihm, der schon so wenig vom Glück begünstigt war? — Und dann morgen — vor dem Tag graute ihm — da wurde Gabriele seine Braut, und dann war alles vorbei! So jagten sich die Gedanken in seinem Kopf, und erst in den Morgenstunden überkam ihn ein unruhiger Schlaf, aus dem er sehr wenig erquickt erwachte. Von 6—8 Uhr hatte er Dienst; leise machte er sich zurecht und ging dann nach der Kaserne, seiner Wirtin die Fürsorge für seinen Vater überlassend. (Fortsetzung folgt.)