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- — 282 Er war erregt, seine Stimme bebte. Bernhard war nicht minder unruhig. Die Herzen der beiden Männer be gegneten sich in Heitzer Sorge um das geliebte Mädchen. Eerold sah hastig nach der Uhr. „Ich kann den Nachtschnellzug noch erreichen, dann bin ich morgen früh gleich zur Stelle und kann schon übermorgen Am Abend desselben Tages, da Evas Brief eingetroffen war, besprach Horst Wendenburg mit Gabi und Bernhard Evas Zukunft. Er teilte ihnen mit, was er über Evas Mutter wußte^und dah so bald als möglich für seine Pflegetochter «in anderes Unterkommen gefunden werden mutzte. Er las ihnen auch die Stelle in Evas Brief vor, die auf ihre Zu kunftspläne Bezug hatte. Bernhard, der innerlich schwer unter Evas Verlust l'.tt und nur mit Anstrengung den liebenden Bräutigam zu spielen vermochte, lauschte mit brennendem Interesse Wendenburgs Worten. Sein Herz klopfte unruhig in schmerzlicher Sorg« um die Geliebte. Er sah sie von tausend Gefahren bedroht. 'Qualvoll 'war ihm der Gedanke, sie in Gesellschaft ihrer leichtfertigen Mutter zu wissen. Und da gab ihm die Angst einen rettenden Gedanken ein. Er richtete sich plötzlich auf. »Ich glaube, ich kann dir die Sorge um ein passendes Unterkommen für Eva abnehmen, Papa." Horst sah ihn fragend an. „Nun? Ich brauche dir nicht zu versichern, datz ich dir für jeden Hinweis dankbar bin." „Du wirst mir sicher zustimmen, ich hätte schon eher daran denken sollen. Onkel Fritz und Tante Maria werden Eva auf meine Bitte gern in ihr Haus nehmen. Dort findet sie sicher liebevolle Aufnahme und zugleich, wie sie wünscht, Arbeit und einen Pflichtenkreis. Tante Maria ist durch Hre zeichnerische Tätigkeit sehr in Anspruch genommen. Sie Nagt immer, datz sie nicht eine vertrauenswürdige junge Dame für den Haushalt und ihre beiden lebhaften.Kinder findet. Eva wäre für sie ein Schatz, und Tante Maria würde sie wie «rne lieb« Tochter ausnehmen. Dafür bürge ich." „Das wäre ein herrlicher Ausweg, wenn du das verwirk lichen könntest. Schreib sofort an deine Verwandten, — nein, reise selbst zu ihnen, gesprochene Worte sind überzeugen der. Bernhard — du würdest mir eine grotze Last vom Herzen nehmen. Ich weiß ja so viel Gutes von deiner Tante, und deinen Onkel Fritz kenne ich ja selbst. Ja, dort wär« Eva gut aufgehoben. Aber bald, sehr bald mutz es ge schehen, jede SÄnde, dir sie bei ihrer Mutter bleibt, ver- größert meine Sorge." Kunde bringen werd«. Du, meine kleine Gabi, mutzt mich deshalb gleich entschuldigen. Du bist nicht böse, datz ich gleich aufbreche." Sie sah^ihn zärtlich an. „Nein, so ungern ich dich auch sortlasse — du tust es, ja für meine arme Eva. Bin ich doch selbst in grotzer Sorg« um sie. Geh, mein Bernhard, grütz mir deine Verwandte» herzlich und bitte sie auch in meinem Namen. Ich wünsche dir guten Erfolg." Wenderchurg verabschiedete sich stumm mit einem festen Händedruckoon Bernhard. Dieser eilte nach seiner Wohnung, »m sich fertig zu machen, und eine halbe Stunde später war «r auf der Reis«. Fritz Herbig trat aus dem Hause, um nach der Fabrik hinüberzugehen. Da blieb er plötzlich stehen und sah mit scharfem Blick nach der Eingangspforte des Gärtchens. Und dann lief er, Helle Freude im Gesicht, auf den grotzen, schlanken Mann zu, der Einlatz begehrend draußen stand. Fritz öffnete selbst, die Türe.' „Jung — du treibst mit Aeberraschupgen Sport. — Willst du dir den Glückwunsch zu deiner Verlobung selber holen? Alter, lieber Kerl, wie wir uns gefreut Haben. Und deine Mutter? Äe ist wohl außer sich vor Freude darüber." — „Ja, Mama war fassungslos, als ich ihr am Sonntag mein« Braut brachte. Sie hat furchtbar geweint vor Freude." „Das kann ich mir denken. Nun komm, mein Alter, du findest Tante Maria noch am Frühstückstisch. Die Göhren sind Gottlob in der Schule und stören uns so die Begrüßung nicht durch ihr Jndianergchchrei." Maria empfing Bernhard in ihrer warmem, wohltuenden Herzlichkeit. Ohne Umstände bediente sie ihn sofort 'mit Tee und belegten Butterbroten und Fritz setzte sich wieder zu ihnen. Auch Maria beglückwünschte Bernhard nochmals herzlich. Fritz lachte. „Du, Tante Maria hast du eigentlich mit deinÄ Ver lobung einen Strich durch die Rechnung gemacht." „Warum?" „Ich hatte ihr erzählt, daß ich dich rm Verdacht hätte, du 'wärest in eine der beiden jungen Damen in Wendenburgs Haus verliebt. Natürlich mußte ich ihr beide ausführlich beschreiben. Und was kam dann heraus? Sie behauptete eigensinnig: die Eva ist's, ganz sicher die Eva. —< Als nun auf deiner Verlobüngsanzeige Gabriele Wendenburgs Name prangte, war sie ungläubig erstaunt." Bernhards. Gesicht umschattete sich. Maria sah aufmerk sam zu ihm hinüber und auch Fritz betrachtete ihn scharf. „Jung, du siehst schlecht aus. Das Glück scheint dich angegriffen zu haben," sagte er forschend. Bernhard fuhr sich über die , Stirn. „Ich seh« schon, euch kann 'ich nichts vortäuschen und ich wills auch nicht. Ich komme mit ^vollem Herzen und erner heißen Bitte zu euch. Es ist gut, daß die Kinder nicht da find. Ich brauche Ruhe zu meiner Beichte." Das Ehepaar s<ch ihn besorgt und betroffen an. „Jung — das klingt so schwer. Aber heraus mit den», was dich drückt, du weißt, bei uns findest du für alles Ver ständnis." And Bernhard beichtete, wie es gekommen war', datz Gabi statt Eva sein« Braut geworden war. Nichts verschwieg er den beiden teuren Menschen, auch nicht, datz er noch immer - Eva lieh« und in Angst und Sorge um sie sei. — ' Fritz und Maria hörten ihm voll inniger Teilnahme zu. Als er zu Ende war mit seiner Beichte, drückt« ihm Fritz die Hand. Dieser Händedruck sagte mehr als Worte, in Marias Augen standen Tränen. „Siehst du, Onkel Fritz," fuhr Bernhard fort, „und nun kam ich zu euch, um euch zu bitten, nehmt Eva bei euch auf. Wendenburg schickt mich deshalb zu euch, aber noch mehr treibt mich mein eigenes bedrücktes Herz. Ich bin mit schuld, daß Eva die Heimat verloren hat, und ich weiß sie bei - ihrer Mutter in einer unwürdigen Umgebung. Ihr Herz ist wund und zerrissen, sie bedarf der Liebe, der verständnisvollen Teilnahme. So komme ich in meiner Not zu euch. Seid ihr, was ihr Mir gewesen seid, bei euch weiß ich sie gut aufgehoben. s Du, Tante Maria, wirst ihr« Freundin, Mutter sein können, ..... . „ § und du wirst mich dir damit tausendfältig zur Dankbarkeit . früh zurück sein. And ich glaube bestimmt, daß ich dir gute ' verbinden. Und. gib ihr Arbeit, gib ihr einen Pflichtenkreis. „Mir scheint, du bist eklig abgeblitzt, mein Lieber. — — Daß dir so etwas auch noch passieren kann, ist eigentlich amüsant," sagte Seydell ironisch. Wendlin folgt« mit den Augen der schlanken, großen Mädchengestalt und ftocherte nervös mit seinem Stock Löcher in d«n Sand. Er antwortet« aber nicht. Ms Charlotte mit Eva außer Hörweit« der Herren war, sagte sie empört: „Wie konntest du die Herren so brüskieren, Eva, ich bin außer mir." „Ich fand die Art ihres Betragens nicht tadellos genug, üm-länger in ihrer Gesellschaft bleiben zu können," erwidert« diese mit Entschiedenheit. „Du kommst eben aus Krähwinkel. Bei uns ist dieser Ton vollständig gesellschaftsmäßig", versetzte die Mutter. „Ungezogenheiten können nie gesellschaftsmäßig sein., weder in Krähwinkel, noch hier, und ich bin nicht gesonnen, dergleichen' zu ertragen." „Wenn du so überempfindlich bist, wirst du dir jeden Verkehr vor den Kopf stoßen." — „Ich verlange nicht nach solchem Verkehr." „Aber ich brauche ihn und bin daran gewöhnt." „Sa suche ihn ohne mich, so viel du willst, aber gib es auf, mich daran teilnehmen zu lassen." Charlotte war wütend und ärgerlich. -Mit dieser Eva. war auch nichts anzufangsn. All. ihre schönen Pläne, sich mit Eva bewundern zu lassen und durch sie der gesuchte Mittel-- punkt ihrer Gesellschaft zu werden, vereitelte der Starrsinn des Mädchens. Aber leider mußte sie sich fügen, Horst Wendenburg hatte ihr geschickt die Hände gebunden. Was sie durch Ueberredung nicht - zu erreichen vermochte, blieb eben unerreicht. - Verstimmt und schweigsam fuhren sie wieder nach Haus«.