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— 223 - / Verantwortlicher Redakteur! Ernst Rotzberq in Frankenberg i.S. — Druck und Verlag von E E. Roßktrg in Frontenbern i S sie es an ihre Lippen. Dann aber vergingen wieder Tage, Wochen, Monate, und eine quälende Angst packte sie, weil er so lange nichts mehr geschrieben hatte. Endlich, eines Abends, brachte ihr die Postbotin einen Brief von ihm. Jubelnd lief sie mit ihm m die Stube. Aber als sie den Umschlag geöffnet hatte, begannen ihre Hände zu zittern und ihr Gesicht wurde bleich, als sie las: „Mein liebes Weib! Morgen gehts zum Sturm. Im Angesicht des Todes schreib' ich dir diesen letzten Grütz! Wenn ich falle, geschieht's für die Heimat! Gott sei mit dir! Mein armes Kind! Wie so früh ist unseres Glückes Blüte fallen!" Im schwarzen Kleide ging sie am Sonntag darauf zu seiner Totenfeier. Schwarz legte das Weh seine Fittiche um ihre Seele, die früher so lebensfroh gewesen wgr. Stundenlang konnte sie nun sitzen und in die lahle Winterlandschaft Hinausstarren, über den Flutz und die fernen Berge dorthin, wo er schlafen mochte in der kalten, fremden Erde. „Warum mutzte gerade sie ihr junges Glück so jäh verlieren, ihr Liebstes, was sie hatte? So fragte sie sich immer und immer wieder. Müde und schlaff wurde sie dabei^ und hatte tema Lust mehr zu wackerem Schaffen. Und ob es auch Lenz wurde da drautzen, ihr war, als könnte nie wieder eine Knospe aufspringen ick ihrer Seele. Lenzsonne aber taut alles Eis. Eines Morgens satz sie wieder in ihrer Stube, müde und traurig. Da fiel ei» Sonnenstrahl gerade auf ihre Rechte und strich glitzernd über die beiden Ringe daran. „Ja, der Ning war das Einzige, was sie noch von ihm besatz. Wie oft mochte er ihn angeschaut haben und dabei heimgedacht haben an sie, die auf ihn ge wartet hatte, bis der furchtbare Tag gekommen war, wo ev ihr seinen letzten Brief geschrieben." Weinand stand sie auf und las den Brief noch einmal. Aber wie ein plötzlicher Sonnenschein durch wetterschwere Wok- ' ken bricht, leuchtete ihr Blick auf. „Wenn ich falle, geschieht's für die Heimat!" hatte er geschrieben. Was damit gemeint war, hatte sie jetzt erst verstanden. Das Land, wo ihre Eltern gelebt, wo sie eine selige Kindheit gehabt, mit seinen stillen Dörfern und alten Städten, hatte er mitgerettet. Sein kleines Herdglück und sein Leben hatte er geopfert. Mutzte eine Cache, der er sein Alles hingegeben hatte, nicht wirklich grotz und wichtig sein? Und wie hatte sie denn bisher mitgeholfen an der Rettung ihres Volkes. Heilige Neue kam über sie, da.tz sie so gar nichts getan und sich so selbstsüchtig vergraben hatte in ihren Schmerz. Aber sie wollte nun stark werden, sie wollte stolz sein auf einen'solchen Mann, und was er gekonnt, wollte sie nun auch versuchen. Was aber würde das erste sein? Wie konnte sie beweisen, was in ihr aufgewacht war? So sann sie und schaute dabei auf die Ringe an ihrer Hand. Auf einmal wutzte sie es: „Vaterland, du brauchst unser Gold! Gern sollst du haben, was ich besitze!" Und sie brachte ihre Ringe dar, und als der Abend kam, satz sie in ihrer ein samen Stube, einen eisernen Ring am Finger, darauf eine stille Träne fiel. Und neben ihr lag sein Eisernes Kreuz. O, latzt uns alle werden, wie diese armen Leute! Sic konnten nicht viel geben und taten doch, was sie konnten. Ihr,, die ihr mehr vermögt, denkt nicht nur an eigenen Gewinn, sondern bauet mit an kommender, schönerer Tage Grundfesten! Derer, die da sein werden, der jungen Eichen im deutschen Walde denket! Schafft ihnen Sonne zum Wachsen und Raum Mm Ausbreiten ihrer Zweige! Uns ist beschicken, zu leben als das Geschlecht einer eisernen Zeit/ wo die Menschen sich selber vergessen nMen und ihr Alles geben für die grötzere Sache, fürs Vaterland! Aber wo wir auch sterben rm blutigen Kamps, wir werden ewig leben in der Nachfahren Mund, und nie vergehen wird ihr Dank, datz wir es schufen, das freiere Deutschland! aber putzte er ihn fein blank, und wenn er auf dem Kirchweg konnte bald das .schwarz-weitze Band auf der Brust tragen an feiner Brust glänzte, zogen auch die vornehmen Leute und seinen Lieben das Eiserne Kreuz heimsenden. Stolz drückte ihren Hut vor dem einfachen Manne-und Siele dankbare Augen schauten ihm nach, weil er zum Krüppel geworden war für sein Volk und Vaterland. zu geben! Du alter Orden, hast mir nun schon so viel Freude gemacht! Machst mir nun auch noch diese letzte!" So fuhr es dem Frieder durch den Sinn, wie ein Sonnenstrahl aus den Wolken bricht. l Und er eilt an seine Schublade, wo die goldene Medaille lag, wickelt sre vorsichtig ein und geht mit ihr hinüber: „Da habt ihr auch etwas von mir altem Soldaten! In den Krieg kann ich ja Nimmer. Aber so wett es geht, will man doch auch mithelfen!" Dankbar schaut ihn der Beamte an. Dann wiegt er die Münze und will Frieder Geld dafür geben: ,/Bewahre das bemalten Sie nur!" sagt der drauf. ..Nein, nein! Das Reich vezahlt alle Geldsachen! Das Geld müssen Sie schon nehmen!" meint lächelnd der Mann am Schalter. Frieder aber lätzt njcht nach: „Na, dann schenken Sie's halt seinem kranken Kameraden!" sagt er, nimmt nur die schlichte, eiserne Gedenkmünze und geht fröhlich heim. Seht ihr den alten Mann am Fenster sitzen? Er ist nur ein armer, a.ter Alaun. In seinen Augen aber liegt seliges Leuchten. — „Vaterland, wenn all« deine Söhne find, wie dieser ^nie wirst du vergehen!" s Willst du noch ein wenig mit mir gehen, lieber Leser, dahin, wo die Goldopfer zusammenflietzrn, so zeig' ich dir zwei güldene Eheringe und erzähle dir von zwei Menschen, denen sic gehörten. Ein munteres Mädchen war sre gewesen und er ein junger Bursch voll Lebenswillen und Sonnenschein im Herzen. Im Frühling sahen sie sich zum ersten Mal, und an einem schönen Sommerabend war er zu ihr gekommen und hatte sie gefragt: l „Kind, ich hab' dich doch so lieb! Willst du nicht meine Hand nehmen für die Lebensreise?" Da hatte ihr Gesicht geglüht, wie die Rosen im Gärtlein vor der Tür. Nur leise hatte sie mit dein feinen Kopfe genickt. Reden konnte sie nichts Kurze Zeit nach jenem Sommerabend erklangen die Glocken zur Hochzeit. Feierlich gelobten sie es, golden, wie die Ringe, welche sie am Altar wechselten, sollte ihre Treue sein, ewig und unvergänglich.. Lange Jahre mutigen Schaffens und Einander-Jmmer-mehr-Verstehens glaubten sie nun ge kommen. Aber wir Menschen sind ost, wie die Kinder, welche auf einer bunten Frühlingswiese an eines jähen Abgrunds Rande dahinlaufen. Keiner ahnt, was kommende Zeiten bringen. Kaum zwei Monate waren - vergangen, seit die beiden jungen Leute in ihr neues Heim gezogen waren, so stieg eine dunkle Wolke herauf und barg ihres Glückes Sonne. Das war der Krieg. Schon am zwe.ten Tage mutzte der Mami sich losreitzen aus den Armen seines weinenden Weibes. Dange Tage und Nächte voller Sorgen kamen nun für sie, wenn sie dachte an den, dessen Leben da drautzen, im fernen Feindesland, gefährdet war. Er aber hielt sich tapfer, und ' verwelkt!" Und in dem Briefe lag sein goldener Ring. Tränenlos starrte sie hinaus in das bluttote Verglmrmen des Tages. Ihre Hände spielten mit dem Ring. Mechanisch steckte sie ihn an den Goldfinger ihrer Rechten. „Zwei Trauringe an einer Hand: Witwenzeichen?" Sie achtele nicht ' darauf. Spät in der Nacht erst warf sie sich aufs Lager. Nach kurzem, fieberhaften Schlummer aber wachte sie mit einem Angstschrei wieder auf. Ein grätzlicher Traum hatte ihr sein Gesicht gezeigt: bleich, blutig, tot. — Und am nächnen Morgen schon brachten sie ihr das Telegramm: „Er war^ge- So gingen und kamen die Jahr«. Immer noch sammelten sie sich um den freundlichen Frieder, und er erzählte ihnen am liebsten vom Kriege Anno 70. Dabei war er alt geworden und lebte nun von seiner kleinen Rente kärglich, aber zufrieden, und von allen geachtet als «in Veteran aus dem deutschen Krieg. Da brach der Weltkrieg aus. Das gewaltige Geschehen begeisterte alle Menschen, und wer nur konnte, stellte sch dem Vaterland, um mitzufechten in den heimatschirmenden Reichen. Jetzt geschahen Heldentaten^ viel grötzer noch, als Frieder sie erlebt, und den.jungen Verwundeten, die da erzäh len konnten von blutigem Streir und nervenzerrüttcjndem Wachen, lauschten nun alle Leute. Der alte Frieder aber war vergessen. Verlassen und einsam satz er in seinem Stübchen, und eine tiefe Unruhe fing an, in ihm zu nagen. Er -gam und sann, was er dem Vaterlande geben könne. Als ein alter Mann und noch dazu als ,Krüppel Laugte er picht mehr zum Kämpfen, Geld aber zum Helfen und Lindern hatte er auch nicht. Und doch war ihm sein Vaterland immer noch so lieb, so lieb, wie in seinen jungen Jahren. So satz er eines Tages auch wieder mit trübem Eesichr auf der Bank vor seinem Häuschen. Da sieht er, wie gegen über, vorm Gemeindehaus, ein« Tafel angeschlagen wird: „Bringt euer Gold dem Vaterland!" mahnt sie in grotzen Lettern. „Gold brauchen sie? Ei, da hab' ich ja doch etwas