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Frankenberger Erzähler Unterhaltungsbeilage zum Frankenberger Tageblatt Wird jrdrr Mittwochs-, Freitags- und Sonntags-Nummer ohne Preiserhöhung des Hauptblattes beigegebeu. M. 57 Areitag de» 31. Wai 1918 Weben heißt Kämmen Roman von H. Courths-Mahler. 7 Nachdruck vk-b»ten Die nächsten Monate vergingen scheinbar im alten Gleich maß. Bettina schasste und arbeitete wie sonst. Aber die Freudigkeit fehlte ihr. Wohl bereitet« sie alles zum Empfang der jungen Herrin des Haukes vor. Ihr Bruder fand für all seine Wünsch: auch jetzt verständnisvolle Aufmerksamkeit. Er glaubte, die Schwester habe sich mit der veränderten Lage ab- gefanden und besprach heiter all: Zukunftspläne mit ihr. Wie er mit Maria gemeinsam schaffen und arbeiten wollte, und die Schwester für alle im Hause mit ihren geschickten Händen Behagen und Gemütlichkeit verbreiten sollte. Es würde ein schönes Leben werden. Bettina würde seiner Frau bald eine treue Freundin sein, und wenn Bernhard erst fort wäre, dann wollten sie sich noch inniger aneinander schließen. Bettina hörte solche Reden scheinbar freundlich an. Sie hatte aber kein Empfinden für des Bruders tüch tiges Bemühen, sie schadlos zu halten für ihren Verlust. Es war allem Schein zum Trotz eine große Veränderung mit ihr vorgegangen. Stundenlang konnte die sonst so rastlos schaffende Frau untätig sitzen und vor sich hinbrüten. Wurde sie gestört, dann fuhr sie nervös empor und gab verworrene Antworten aus Fragen, die man an sie richtete. Dabei sah sie sehr schlecht aus, schlief schlecht und aß wenig. Ihrem Sohne gegenüber war sie von einer wehmütigen Zärtlichkeit erfüllt, und wenn sie ihn unbemerkt beobachtete, traten ihr Tränen in die.Augen. Für sie war er ein Ent erbter des Glücks. Und nun rüstet man zur Hoheit. — Fritz Herbig reiste in Gemeinschaft mit seiner Schwester und seinem Neffen in das kleine Städtchen, wo die Trauung stattfinden sollte. Die Begegnung Bettinas mit Maria verlies scheinbar ganz ruhig. Maria zog Bettinas Hand an die Lippene- „Schenken Sie mir ein wenig Zuneigung, gnädige Fran, und erlauben Sie mir, Sie zu lieben," sagte sie mit warmem Ausdruck. Bettina hätte sie am liebsten in wildem Haß von sich gestoßen, aber sie bezwang sich. Die Klugheit siegte. Sie zog Maria flüchtig in dis Arme und berührte die klare Mädchen stirne mit den kalten Lippen. s Maria ahnte nicht, wie es im Herzen ihrer Schwägerin aussah. Sie war dankbar und glücklich, daß sie und Bern hard zur Hochzeit gekommen waren. Und in der Unruhe der nächsten beiden Tage kam man sich nicht näher. Trotzdem man die Hochzeit nur im engsten Kreise feierte, blieb keine Zeit zu einer Aussprache. Nach dem Festmahl reiste Fritz mit seiner jungen Frau auf drei Wochen nach Oberitalien- Bettina kehrte mit Bernhard wieder nach Hause zurück. ; Als Herbig mit seiner jungen Frau heimkehrte, bereitete > ihnen Bettina einen festlichen Empfang. Ein auserlesenes i Mahl, bekränzte Türen, Blumen überall, und eine behagliche Wärme in den Zimmern. Draußen heulte der November- ! - sturm und rüttelte an Fenstern und Türen. Drinnen war - alle-, licht, warm und behaglich. — Maria fand nicht genug Worte des Dankes, und Fritz zog Bettina in seine Arme. „Bist doch «in Prachtweib, Bettina — gelt, Maria — > es ist ein Glück, daß wir sie bei uns haben." „Ein großes Glück. Ich glaub«, du wirst uns verwöhnen, - Bettina." i „Das ist ja mein Amt — laß es mich nur recht erfüllen." Wie selbstverständlich behielt Bettina di« Zügel des Hauswesens in den Händen, und Maria jügte sich mit stiller Würde darein. So gern sie auch selbst im Hause geschaltet und gewaltet hätte — nichts verriet diesen Wunsch. Sie wollte Bettina ihr Amt nicht streitig machen. Und für sie blieb so viel zu tun. Ihr reizend eingerichtetes Atelier war ihr Königreich- Dort war sie am liebsten und dort war sie auch mit ihrem Mami völlig ungestört. So schien das Leben in der Villa Herbig ein für alle Teile befriedigendes zu sein. In - der Gesellschaft hatte man Maria liebenswürdig ausgenommen. Als Tochter eines Offiziers war sie über jeden Zweifel erhaben. Und ihre vornehme, ruhige Art, ihre sichere Liebenswürdigkeit schafften ihr eine fest« Position. Im Zeichsnatelier hatte ihre Verlobung und Verheiratung am meisten Staub aufgewirbelt. Man wollte da längst etwas gemerkt haben- und barg seine neidische Ueberraschung unter enthusiastischen Schilderungen, wie gern man Maria Nottmann eigentlich gemocht hatte. . Maria erfuhr nur leider nichts von dieser Vorlieb«. Bernhard hatte auf dem Realgymnasium vorzüglich ab geschnitten. Nun konnte er seinen Vorsatz ausführen, den seine Mutter im Hinblick auf die veränderten Verhältnisse auch gutgeheißen hatte. Er sandte seine Zeugnisse an Horst Wendenburg und fragte an, ob er diesen beim Wort nehmen dürfte. Die Antwort traf umgehend ein. Wendenburg schrieb, daß er zwar durch den vor wenigen Tagen erfolgten Tod seiner Gattin aus einige Zeit seinen Werken fernbleiben würde, um mit sehrer Tochter und Pflegetochter eine länger« Reise zu unternehmen, und die trüben Eindrücke zu verwinden- Er habe aber seinem Direktor die nötigen Anweisungen erteilt. Bernhard solle kommen und sich bei diesem melden. Der Bries war sehr herzlich und liebenswürdig ge halten, und Bernhard rüstete sich zur Abreise nach dem neuen, heißersehnten Wirkungskreis. Sein Abschied von Onkel und Tante Maria war herzlich, voll inniger Dankbarkeich der von der Mutter schmerzhaft und zärtlich. Bettina konnte ihn gar nicht aus den Armen lassen, und als er sich endlich loscitz und ihren Augen entschwand, da weinte sie mit so leidenschaftlicher Heftigkeit, daß Maria voll innigen Mit leids ihr Trost zusprechen wollte. Aber da stieß sie Bettina, nicht fähig, sich zu beherrschen, zurück, und Zellte aus dem Zimmer, um sich einzuschließen. Maria sah ihr betroffen nach. Ein sonderbares Unbe hagen wollte sie beschleichen. Aber dann lächelte sie über sich selbst. War es nicht natürlich, daß die liebende Mutter in dieser Stund« schroff jeden Trost von sich wies? Bettinas Wesen neigte in der nächsten Zett bedenklich zur Schwermut. Die Sehnsucht nach dem fernen Sohn ver bitterte sie noch mehr gegen Maria. Wenn diese nicht gewesen wär«, hätte Bernhard jetzt bei dem Oheim in der Fabrik schaffen können. Daß Bernhard mit allen Fasern sein« Seins einem anderen B«rus zustrebte, verstand sie nicht- Jhrer Ansicht nach hätte er sich schon hineingefunden, wenn er gewußt hätte, daß er «inst als Herr da gebieten konnte, wo er als Lehrling anfanhen mußte. Wohl dämmerte zuweilen in Maria ein Empfinden, als sei Bettinas Wesen ihr gegenüber nicht echt und wahr. — Aber sie schalt sich dann selbst ungerecht und suchte es immer durch doppelte Güte wett zu machen. So ging das Frühjahr mit Sturm und Sausen und folgender Blütenpracht ins Land. Eines Tages saßen die beiden Frauen allem im Wohnzimmer. Maria war etwas unsicher und aufgeregt in ihreni Wesen und sucht« sichtlich nach einer Anknüpfung für eine Mitteilung, die sie Bettina zu machen hatte. Endlich faßte sie sich ein Herz. „Ich habe eine große Bitte an dich, Bettina." Die Schwägerin sah von ihrer Handarbeit auf.