Volltext Seite (XML)
Mttwock, den 2Z. Januar 1S18 Ur. S nicht an. beiden ältesten Mädels in ihren einfachen weißen Leinen kitteln — sie trugen keine Trauer um ihren Vater — knirten -errötend und hielten ihm die Hand voll Blumen entgegen, die beiden kleineren Jungen, vier- und sechsjährig, - hatten ihre kleinen Säbel gezogen und standen stramm. , Günter nickte ihnen ermunternd zu und die beiden Mägd^- i kein steckten ihm mit schlanken Fingern zierlich die Blumen > an die Brust, die sie in der Eile gepflückt- Vergißmeinnicht nnd ! Goldlack und die gelben Primeln, die er so liebte. „Hurrah," brachen die Jungen los und hingen sich zu traulich an ihn. „Wir haben einen Soldaten im Haus." Und Günter faßte all die Kinderhände und umjubelt von groß und klein gelangte er zum Tore hinaus. Da Eine Träne verdunkelte Günters Blick, aber mannhaft bezwang er sich, und-das Blättchen in Hildes weiße Sand zurücklegend, sagte er warm: Vater erwartete. Günter spähte den Waldweg entlang. Nur feierliche Stille und Einsamkeit war um ihn her. Bis hoch in den Himmel hinein reckten sich die dunklen Tannen und über buntes Felsgestein sprangen die Quellen. - Aufjauchzend warf sich Günter in das weiche Moos. Er preßte sein heißes Gesicht in die Heimaterde. O, daß-der Tag bald anbräche, wo es wie Orgelbrausen 1orte.in der Tasche." - Günter war aufgestanden. . Er konnte nun wirklich nicht länger bleiben, zumal der siegverkündend durch die Lande hallte. Wo di« Sieggekrönten, Sanitätsrat noch ins Lazarett mußte. Zu gern hätte er § die von Flammen Umlohten da draußen heimkehrten, wo Christa-Marias Rückkehr abgewartet, aber das ging doch von allen Zinnen, allen Türmen die Friedenssahnen flattern ' würden. Deutschlands Ostertag! Wie wartete er darauf- Hilde stand auf. '' . .. - „Ich muß jetzt fort, Graf", rief sie fast heiter, ihm zum Abschied die Hand reichend.. „Hoffentlich sehen wir Sie öfter bei uns. Meine Kinder haben ja, dank -der Güte Ihrer Frau Mutter, in ihrem Neffen Holm hier schon einen tapferen kleinen Freund gefunden. So schließt uns das Leben täglich immer neue Freuden auf." Und schon in der Tür stehend, fragte sie fast -schelmhch zurück: „Wissen Sie noch, bester Graf, wie es zu'meiner Hoch zeit war?" ' . Günter nickte. Die Kehle war ihm wie zugeschnürt- „Es war ein Maientag voll Glanz "und Gluck, Frau Hilde." . - . . Die blonde Frau lächelte — ein unbeschreiblich seliges ÄScheln.- „Ein wundersüßer Tag — goldübersonnt — Duft und Blütenpracht ringsum — und Sie und Christa-Maria als Brautführerpaar. Nie werde ich es vergessen." „Ich auch nicht", lachte der" Sanitätsrat hinter der Da- vdneikenden drein, weil er sah, wie Günter, der kaum Genesens» von dem Wiedersehen erschüttert war, „denn ich mußte Sie, lieber Gras, und Christa-Maria noch aus der Patsche reißen, weil Sie beide heimlich eine große Torte und alle Schlagsahne in ihrem Bereich vertilgt hatten. Mutter hätte.ja keinen Spaß verstanden, aber Vater, der immer an euren dummen Streichen teilnahm, bekannte sich dann als der Anstifter zu dem Llerbrechen." Jetzt lachte auch Günter hell auf. „Ja, nur daß wir beide yor Gewissensbissen es nicht aus- hielten und Ihrer lieben Frau beichteten." „Gucke mal hin," nickte der.Sanitätsrat versonnen und in seine blauen Augen trat ein leuchtender Schein. „Kein Wort hat mir davon meine Alte verraten, sondern mich ganz als Sünder behandelt, dek büßen mußte." „Ach", fuhr er fort: „was hatte ich für ein gutes Weib. Und die Hilde da — die. ist ganz wie ihre Mutter, immer tapfer und treu. Ueber Christa-Maria", .schloß er vorsichtig, „bin ich mir noch nicht klar. Junger Most will gären. Das Mädel hat ja ihre Mucken, aber das Herz auf dem rechten Fleck und den Vater" — hier lachte er in sich hinein — „immer wie mit der Sahnen-^ Er verabschiedete sich jetzt in ungewöhnlicher Haft, so daß ihm der.Sanitätsrat kopfschüttelnd nachsah, als er durch den Garten-ging. Am Eingang hatten sich Hildes Kinder aufgestellt. Die Heilige Zetten Ein Roman aus der Gegenwart Von Anny Wothe. Nachdruck verboten „Nun verstehe ich Sie erst ganz, gnädige Frau. Möge stand die . kleine Horde dann noch lange an der Tür und Ihr und Ihrer Kib^r Lebensweg an solchem Trost hell und sah ihm lachend nach uccd grüßte und winkte mit den Händen zukunftsfroh werden." und Günter war es, als er die Straße abwärts wanderte, als ginge der Frühling mit ihm. — Eigentlich hätte er jetzt nach der Burg zurückkehren müssen, aber er dächte mit Grauen daran, daß jetzt im Augenblick viel leicht Vetter Wolfgang da oben bei seiner Mutter um Gül- dans warb. Nein, er wollte das Weihegefühl, das der Besuch im Doktorhause wach gerufen, sich nicht nehmen lassen. Versonnen schritt er kreuz und quer, durch die Gassen des Städtchens. Die Zeit hatte hier wenig verändert, und doch war es so anders geworden. Aus jedem Fenster, über jeden Eartenzaun hatten ihn sonst frohe Augen gegrüßt — heute kannte ihn kaum jemand von den ihm Begegnenden. Zuweilen allerdings ein er stauntes Aufblicken ein Stützen — eine ungläubige Frage zu dem Bergfried seiner väterlichen Burg empor, und dann ein heimliches und schüchternes Freuen, wenn man ihn doch erkannte. Ach, und er hätte so gern jedem Einzelnen die Hand gedrückt. Heimatluft weitete ihm ja die Brust. Wie die Brunnen rauschten und d.ie alten Giebel in der Sonne blinkten. Und rings umher Maienpracht. Nichts mehr von Not und Tod da draußen. Friedlich lenkte hier und dort der Bauer oder die Bäuerin den Pflug durch die, braune Erde, und der weißflimmerckde Wolkenzug spiegelte nicht, wie draußen an der Front, Schwertgefunkel in roter Glut: Heimatluft und Heimatfrieden armete Hier das blühende Land. Das Städtchen lag hinter ihm. Günter stützte sich kaum auf den Stock in seiner Rechten,-fo frei und leicht fühlte er sich. Der Tannenwald nahm ihn auf. Würziger Duft um fächelte ihn. Weiß schimmerten Tausende von Erdbeerblüten' zu seinen Füßen. In Kindertagen-hatte er die reifen roten Früchte mit Christa-Maria um die Wette gepflückt. Da war er wieder mit seinen Gedanken bei Christa-Maria, und, wie er erst jetzt bemerkte, befand er sich auf dem Wege nach Klaüstal. Von da mußte sie kommen, sie, die ihr 5o»ne f ' Nimm Regen und Leid! — Doch begrüße mit Wonne Die leuchtende alles erwärmende Sonne! Barmherzig hüllt sie in ihren Schein Auch deines Lebens Leid und Pein. C. Ewald.