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sie hoffe, ich sei es auch. Sie volle mir auch alle die böse» Worte verzeihen, mit denen ich sie im Zorn kränkte, denn sie habe mich immer von ganzem Herzen lieb gehabt, nur hätte ich sie falsch verstanden." „Ich zerriß den Brief und antwortete nicht. Aber im Laufe der Jahre, als Joachim und die Mutter mcht nach-" liehen mit Bitten, kam dann etwas wie «ine oberflächliche Versöhnung zwischen uns zustande. Erst als der Krieg ausbrach und ich aus den Kolonien zurückkam, hatte ich Gelegenheit, meinen Bruder, wenn auch nur flüchtig, wieder zu sehen und ich danke Gott, daß ich ihn noch einmal umarmen konnte. Er war sehr ernst. In einer Stunde hieß es für sein Regiment marschbereit sein- ,Menn ich nicht wieder komme, 'Günter," sagte er zu mir, „,o nimm dich meines Jungen an. Du und Marlene, die er liebt, ihr müßt ihm Vater und Mutter sein — Gül- dane" — hier dämpfte er seine Stimme — „sie hat kein Herz, nicht mal für ihr Kind — die wird ihm nichts sein können im Leben." „So hast auch du das Glück nicht an Güldanes Seite gefunden?" fragte ich beklommen „Ein kurzes Rauschglück," gab er zögernd zurück, „und schmiegt, die schützend ihre Arme um sie legte, als Güldane mit zitternder Lipps sprach: „Du weißt ja selber, Joachim, wir alles zuging. Ich habe es dir ja erzäbK, daß Günther mich küßte und daß er nun glaubt, daraus Rechte herleiten zu können, die mich ihm verpflichten. Ich sah in Gunther nie etwas anderes als den Vetter, den Bruder. Don dir, Joachim, aber verlange ich Genugtuung für den Schimpf, der mir in deinem Hause ge worden ist, das ich sonst sofort für immer verlasse." „Das wäre ein großes Glück für uns alle," rief ich Eüldane zu, „aber du kannst ganz ruhig sein, ich räume das Feld und du kannst als Majoratsherrin über den Toren lachen, der an dich und deine falschen Schwüre glaubte. Ich schneide das Tischtuch zwischen uns entzwei. -Ich gehe für immer." Meine Mutter schrie lam auf und wollt« sich an mich klammern, auch mein Bruder versuchte auf mich einzureden, ich aber stieß alle wie ein Wahnsinniger zurück und stürzt« auf mein Zimmer. Dort schloß ich mich ein und in der Nacht da entfloh ich heimlich aus dem Elternhaus« wie «in Dieb. Alles, was ich liebte, ließ ich zurück, fest entschlossen, niemals wiederzukehren." „And hat keine Aussöhnung zwischen euch stattgesunden, Günther?" „Doch wohl. Als ich in Südwest war, schrieb ich an meine Mutter, die, wie ich wohl wußte, unter der Trennung am tiefsten litt. Mit ihr antwortete mir Joachim und zeigk mir die Geburt seines Sohnes an. Tin Brief voller Güte und Nachsicht, wie man an einen Kranken schreibt, den man zu den Toten geworfen hat. — Auch Güldane hatte ein paar Worte darunter gekritzelt. „Wie glücklich sie sei und daß „Das ist nicht wahr", schrie ich sie an. „Gestehe, daß du mich nur erschrecken willst." - „Nein, vorbereiten wollt« ich dich.. Da drüben sind asle , im großen Saal. Ich bin davon gelaufen, weil ich es nicht j ertragen konnte, zu wissen, daß meine eigene Schwester lieber ' den Majoraisherrn nimmt als den Mann, Len sie liebr." ! Ganz betäubt starrte ich Marlene nach, die aufgeregt davon lief. Es war natürlich alles Unsinn. Die beiden ' Schwestern hatten sich zu unser aller Leid nie so recht verstau- ! den, Marlene wollte sich gewiß für irgend etwas Än 'Güldane i rächen. Entschlossen schritt ich hinüber nach dem alten Ritter- j saal, aus dein Helle Stimmen zu mir herüber schallten. Als der Diener mir die schwere Tür öffnete, wich ich jedoch ganz i entsetzt zurück, denn am Kamin saß mein Bruder Joachim ! mit strahlendem Gesicht und hielt Eüldane in seinen Armen. Und meine Mutter stand dabei und hatte Tränen der Rüh- ,-rung in den Augen, als sie leise sagte: ; „Nun kommt doch das Glück noch zu uns, Kinder. Wie froh bin ich, daß ihr euch gefunden habt." Ich stand da, als hätte mich Wahnsiim gepackt. Eüldane schrie laut auf bei meinem Anblick und wand sich aus Joachims Armen. Sie stürzte auf mich zu, schlang schlafend ihre Arm« um meinen Hals und rief: „Lieber, süßer, dummer Junge, fetzt kannst du mir auch mit einem Kusse Glück wünschen. Ich bin Joachims Braut" — anv sich zu ihrem Verlobten zurückwendend, setzte sie mit kokettem Lächeln hinzu: „Wir lieben uns nämlich zärtlich, Günter und ich, hoffent lich wirst du nicht eifersüchtig, Joachim?" „Nein, ich freue mich dessen/' wehrt« dieser lachend. „Aber ich freue mich gar nicht", rief ich vor Wut bebend, „daß du eine Dirne wie diese da zu deiner Frau machen willst." Bleich, mit zornfunkelnden Augen sprang Joachim auf mich zu, als wollte er mich zu Boden schlagen. „In Minen Armen hat sie gelegen", schrie ich, „meine Küsse hat sie getrunken, die jetzt den nimmt, der am meisten zahlt. Schlag doch zu", rief ich außer mir. „Mordet doch meinen Körper, wie ihr meine Seele gemordet habt!" Mein Bruder ließ den erhobenen Arm sinken und wandte sich ab. Irgend etwas in meinen Worten mußte seinen Zorn entwaffnet haben. Eüldane aber hatte sich zärtlich an meine Mutter gs- . dann nichts mehr als eine öde und trostlose Wüste. And wenn ! man bedenkt, daß man für dieses Rauschglück ein großes heiliges Glück vreisgegeben hat, dann ist man froh, daß man jetzt da draußen auf dem Felde der Ehre verbluten kann-" Das waren Joachims letzte Worte. Wir lagen uns zum erstenmal wieder in den Armen. Wie dank« ich dem Himmel, daß ich Joachim noch einmal gesehen, ehe die Gliche Kugel ihn traf, daß wir versöhnt voneinander'schieden, denn — schließlich — glaubte ich — hat er mehr gelitten als ich." „Und wenn das Teufelsweib nun wieder ihren Zauber um dich spinnt?" fragte Bodo fast ängstlich. „Ohne Sorge, dagegen bin ich gefeit. Du hörst doch, sie Hai fchon wieder einen anderen." Graf Günther lachte bitter aus. „Nun aber nichts mehr davon, der Wagen wartet. Es wird Zeit, daß wir aufbrechen, wenn wir noch rechtzeitig Ettersrode erreichen wollen." „Meinst du nicht, daß es sehr störend sein wird, wenn ich als ein ganz Fremder so plötzlich in euren Familienkreis falle?" „Im Gegenteil, deine Gegenwart wird dem Wieder sehen etwas von der Tragik nehmen, die wohl in uns alle» ein wen^g spukt. Du glaubst nicht, Bodo, wie dankbar ich i dir für deine Gesellschaft bin. Allein hätte ich den W«K zum Vaterhaus wohl kaum gefunden." Er stand hastig auf und schaute nach dem Wagen aus, eine Stunde von Ettersrode, das dem zweiten Sohn der Fa milie bestimmt war, gehörte mir. In all meinem Kummer um das Hinscheiden des Vaters mischt« sich der beglückend« Gedanke, daß ich nun nicht mehr ein armer kleiner Husarenleutnant war, sondern mein Ver mögen mir jetzt das Recht gab, an die Gründung eines eigenen Hausstandes zu denken. Ich sprach davon zu Eüldane. Sie lachte mit ihrem brennend roten Mund und küßte mich Ich war selig und hoffte. Auch machte es mich froh, daß Eüldane sich so gut mit meinem Bruder Joachim verstand, der damals als Ober leutnant bei den Dragonern stand. Er mußte nun seinen Abschied nehmen, weil die Uebernahme des Majorats und der Betrieb auf unseren Gütern seine ganz« Kraft erfordert«. Joachim war ein stiller, ernster, in sich gefestigter Mensch, dem als höchstes Gebot die Pflicht galt. Er war acht Jahr Alter als ich und ich hatte mich gewöhnt, ihn in meinem Jun genleben immer als maßgebend'zu betrachten, mehr als'Vater und Mutter. , > Im Geheimen hatte ich gezittert, Joachim könnte gegen eine Verbindung mit Güldane irgend etwas elnwenden, und war nun wie erlöü, als ich gewahrte, daß sich Güldane und Joachim jeden Tag besser verstanden. — Nur die Dauerzeit hielt mich ab, zu reden, aber ich fieberte förmlich^mit allem Sinnen Güldane entgegen, die den ganzen Reiz ihrer Persönlichkeit entfaltete, um mir vollends den Kopf zu verdrehen. Da eines Tages kam meine Base Marlene zu mir und sah mich mit seltsam irren Augen an. „Was hast du nur, Marlene?" fragte ich sie bestürzt.^ „Gib mir Antwort", sagte sie kurz, „ist es wahr, daß du Eüldane liebst und sie dich?" s „Ja, aber natürlich. Väschen", rief ich lachend, „du tust ja, als sei das ein Verbrechen." „Tas ist es auch, denn meine schöne Schwester" — sie lächelte bitter — „hat sich soeben mit Joachim verlobt." ZS» L ZKZZ «