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Frankenberger Erzähler Unterhaltungsbeilage zum Frankenberger Tageblatt Wird jeder Mittwochs-, Freitags- und Sonntags-Nummer ohne Preiserhöhung des HauptblatteS beigegeb«^ Mr. Z Sonntag; de» 6. Aanuar 1S18 kpipdsniarM Ein jeder feines Glückes Schmied? Wo bleibt da Gottes Ehre? Was sein« Schickung mir beschick, Wer bin ich, daß ich's wehre? Und doch, was dir des Höchsten Rat An Lieb und Leid beschieden, j Du wirst dir erst durch eigne Tat Wohl oder Weh draus schmieden. Karl Geros. —-Ä»- Heilige Zetten Ein Roman aus der Gegenwart Von Anny Wothe. Amerikan. Copyright 1916 by Anny Wo^he-Mahn, Leipzig. 2 Nachdruck verboten . „Verstehen Sie mich doch recht, gnädiges Fräulein — och, ? ich weist nicht, wie ich das so ausdrücken soll — Sie wissen ja, ! wir Offiziere sind an bestimmte Gesetze und Pflichten ge- : Sunden.'' , Lotti sah ihn voll grenzenlosen Erstaunens an. „Na, wer wird Sie denn daran hindern?" „Sie wollen mich eben nicht verstehen und ich — na, ich ! kann im Augenblick nicht mehr sagen, das aber gelobe ich > Ihnen, den Kommerzienrat will ich schon kriegen. Der soll > Ihnen sicher kein Haar krümmen." Nun lachte Lotti wieder vergnüglich. „Wie wollen Sie ihn denn finden? Sie kennen ihn doch gar nicht?" Der Oberleutnant seufzte schwer. „Sie werden mir gewiß helfen, Fräulein Lotti. Sehen Sie, da ist schon Romker- halle und nun, scheint mir, geht die Herrlichkeit mit uns hier -u Ende. Sie müssen mir unbedingt Ihren Namen verraten, damit ich Sie wieder finden kann." „Ausgeschlossen, Herr Oberleutnant. Vielleicht will es > das Schicksal, dast wir einander doch noch einmal in dieser i Wett begegnen." »Ich vseise auf das Schmal. Verzeihen Sre. In vier, s dätestens . ,chs Wochen g-he ich wieder ins Feld — habe also ' »ine Zett, zu warten. Vielleicht werde ich totgeschossen, wie Sie vorhin schon liebenswürdig äußerten! Würde es Ihnen > dann nicht leid tun, daß Sie mir nicht mal den kleinsten j Segenswunsch ins Feld gesandt haben?" Wie doch die treuen blauen Augen so übermütig und so : flegessicher betteln konnten. „Dorf ich Ihnen nicht vielleicht wenigstens in meiner ! letzten Stunde schreiben?" fragte er listig. „Ja, um die Adresse vorher zu unnützen Briefen aus dem Felde an mich zu mißbrauchen. Nichts zu machen, mein Herr." ! „Sie sind wirklich grausam. Was wollen Sie aber machen, Denn ich Sie nun verfolge wie Ihr Schatten? Wenn ich immer — natürlich in angemessenen Entfernungen hinter Ihnen her gehe, um Ihre Adresse zu erfahren? Was sollte mich Karan hindern?" „Ihre Ehrenhaftigkeit und Ihr Feingefühl." Der Oberleutnant nahm die Hacken zusammen, dunkelrot ' »ar ihm das Blut ins Gesicht gestiegen. „Verzeihen Sie", sagte er ernst und kühl und trat »eit von ihr zurück. In Lottis Augen züngelten Seme gelb« Flammen «le Schlänglend > „Tugend must belohnt werden", meinte sie, prüfend za den anderen, die langsam näher kamen, zurückblickend. „Schrei ben Sie mir Ihre Adresse auf, aber in einem verschlossenen Umschlag. Wenn der Zufall nicht einspringt, verspreche ich, Ihnen einmal zu schreiben, ehe Sie wieder ins Fett» gehen." Der Oberleutnant haschte stürmisch nach Lottis Hand, sie aber schob ihm ein ktehies Beilchrnsträußchen, das sie ge wunden, nachdem sie sich das fertige Kränzlein über den Arm gehängt, lachend zwischen die Knöpfe seiner Uniform. „So, das schenke ich Ihnen zum Abschied", sagte sie einen Augenblick ganz ernst. Nun hatte er die weiße, ko wundervoll gepflegte Mädchen hand doch gefangen. Mit beiden Händen zog er sie an seinen Mund. „Wie soll ich Ihnen nur danken," stammelte er, vev- wirrt wie ein Schulbube. „Dadurch, daß Sie schleunigst ins Haus gehen, die Adresse ausschreiben und sie mir dann auf Gnade oder Ungnade über antworten", lachte sie ihm herzlich zunickend. Und während sie dem Rittmeister und Christa-Maria entgegen ging, stürmte der Oberleutnant ohne Verzug ins Haus. Lotti hob den Veilchenkranz em^or und drückte ihn ohne Weiteres auf Christa-Marias braunes Haar. „Weil Im so schrecklich brav warst," flüsterte sie ihr ins Ohr, „und so schön langsam nachgekommen bist. Du, dieser blonde Oberleutnant ist ein goldiger Junge." „Aber, Lotti", wehrte Christa-Maria unwillig ab, be müht, den Kranz wieder aus ihrem Haar zu nehmen. „Nein, bitte lassen Sie den Kranz", bar der Rittmeister. „Wie eine Waldkönigin schauen Sie aus, gnädiges Fräulein. Gönnen Sie mir diese Erinnerung an diese heilige Stunde, eine Stunde, die unter Kronen geht, wie die Dichter sagen." Lotti hatte die Worte des Rittmeisters nicht verstanden, aber an Christa-Marias Erröten erriet sie, daß es etwas Besonderes gewesen sein mutzte, was er der Freundin zu- flüstertc. Unwillkürlich trat sie von dem Paar zurück, das sich jetzt die Hände zum Abschied reichte und ging dem Oberleut nant entgegen, der mit hochrotem Kopf aus dem Hotel kam und einen geschlossenen Briefumschlag triumphierend in der Hand schwang. Lotti haschte danach. Er aber schüttelte den Kopf. „Erst schwören", kommandierte er, „drei Finger in die Höhe und aus Ehre und Seligkeit gelobt, daß Sie schreiben." Lotti hob die Schwursinger zur Sonne. „Ich schwöre!" „Na, dann ist's gut." Mit Genugtuung sah er zu, wie sie den Bries in ihrem Hutfutter barg. „Würden die Damen nicht gestatten", fragte er jetzt, zu Christo-Maria herantretend, die noch immer mit dem Ritt meister unter dem hängenden Gezweigs der Birken stand, „Ihnen anzubieten, in unserem Wagen ein Stück mitzusahren, nachdem wir einen Imbiß genommen?" „Sehr liebenswürdig, Herr Oberleutnant, aber wir wollen noch nachmittags Clausta! -erreichen. Da ist es reichlich >pät für uns geworden. Unser Patient hier aber muß ausgiebig rasten, ehe die Reise weiter geht." Sie war wieder ganz sicher und zielbewußt, die junge Aerztin. Die märchenhafte Traumstimmung war verflogen und nur das Rauschen des Wasserfalles, ver in Kaskaden von den Felsen herniederbrach, sang noch ein seltsames Lied in diesen Abschied. Der Wirt kam dienstbeflissen, nach den Befehlen der Herrschaften zu fragen, aus der Terrasse seien noch wunder volle Plätze mit herrlicher Aussicht auf den Wasserfall.