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gesammelt. In einer Bank in Bern lägen für diesen Zwea eine Million Frank zur Verfügung. Die Industrie habe iür diese Malerialsammlung Gelder bergegeben. Helfferich erwidert, es handle sich ganz offenkundig um Klatsch und Tratsch. Ich beüaure. daß ich nicht die Hand zum Schwur erheben kann, daß ich nicht unter meinem Eide beteuern kann, daß für meine Informationen kein Geld aus- ßegeden worden ist. Hat Herr Erzberger nicht im amtlichen Gepäck des Auswärtigen Amtes Gelder nach der Schweiz bekommen? — Erzberger: Ich bade mit dem Auswärtigen Amt in dieser Hinsicht eine Vereinbarung getroffen, daß mir durch die Kuriere des Auswärtigen Amtes Gelder für ganz bestimmte politische Zwecke nach der Schweiz übersandt wurden. Die Herren des Aus wärtigen Amtes waren durchaus damit einverstanden, und diese Gelder sind dann für politische bezw. für kirchliche Zwecke, die aber letzten Endes auch einen politischen Zweck verfolgten, nämlich die Stärkung des Deutschtums, verwendet worden. Auf Helfferichs Frage, ob Erzberger nicht auch ein Konto bei der Nationalbank in Zürich gehabt habe, erwidert Erzberger: Eine ausländische katholische Missionsgesellschaft hatte vor dem Kriege Geld in Deutschland angelegt. Ich war ersucht worden, bei Ausbruch des Krieges dieses Geld auf »nein Konto zu übernehmen, damit es die Gesellschaft nach Beendigung des Krieges wiederbekommen könnte. Dazu war ich gern bereit. Auskunft darüber kann die Deutsche Bank geben. Helfferich kommt dann aus die Hamburger Petroleum- ftrma Riedemann zu sprechen, der er Kapitaloerschiebung vor wirst. Erzberger sagt, damit habe er nichts zu tun. Eine längere Debatte entspinnt sich darüber, daß Helfferich Erz berger vorwirst, er habe vor dem Kriege das Reicks« Petroleummonopolgesetz zum Scheitern gebracht, weil die Firma Riedemann aufs höchste daran interessiert war, daß ein solches Gesetz nicht zustande kam. Erzberger antwortet, die Petroleumhändler sträubten sich damals alle gegen das Monopol, lediglich die Deutsche Bank wünschte es. Ich könnte über die damaligen Direktoren der Deutschen Bank in dieser Angelegenheit interessante Mittei lungen machen. Der Vorsitzende bemerkt, das gehöre nicht hierher. Einer Auseinandersetzung über die nochmaligen Kapitalverjchiebungen folgen Erläuterungen über Paß- erteitungen, die der Nebenkläger unrechtmäßig gefördert haben soll, ferner über.Bergbahnen". Der Angeklagte hat hier Herrn Erzberger den Vorwurf gemacht, datz er der Be steuerung der sogenannten Bergbahnen Widerstand entgegen gesetzt habe, weil er durch seine Beziehungen zum Thyssen- Konzern interessiert war. Erzberger gibt dazu eine Erklärung ab. in der er sagt, von vielen Seiten lei der gleiche Wider stand geleistet worden. Erzberger gibt eine sehr ausführliche Darstellung von seinen Vorschlägen zur damaligen Finanzpolitik Helfferichs und erklält sein Befremden darüber, daß der Angeklagte es wage, ihm aus der Ablehnung der Bergbahnbestcuerung einen Borwurf zu machen. Fast alle Parteien hätten den Antrag abgelehnt. — Helfserich will zu diesen Angriffen Stellung nehmen, wird aber vom Vorsitzenden daran gehindert. Über den Vorwurf der Unwahrhaftigkeit, der Erz berger gemacht wird, wird Assessor Jakob. Generaldirektor des Thyssen-Konzerns, vernommen, sodann Justizrat Goß mann (Essen) über die Aufstellung der Blankovoll machten für den Verkauf des Patents „Flüssige Luit" ver kommen. Er gibt an. daß am 7. August 1916 16 Blanko vollmachten für die Verwertung und gemeinschaftliche Ver wendung von Patenten im Auslände bei ihm unterfertigt wurden. Die Blankovollmachten trugen die Unterschriften Alex Waldow und Diplom-Ingenieur Baldus. — Bors.: War nicht auch der Name des Ministers Erzberger dabei? — Zeuge: Nein. — Nach einigen Aussagen zum Fall Wolff kommt der Fall Janke zur Verhandlung. Es handelt sich um den Diebstahl eines Briefes, der aus dem Bureau des Flottenvereins durch die Registraturgehilfen Janke (Vater und Sohn) entwendet und in einem Artikel des Bayerischen Kuriers, der sich mit der Agitation des Flottenvereins gegen das Zentrum beschäftigte, verwendet worden sei. Erzberger soll mit der Sache in Zu sammenhang gestanden haben, aber eine unrichtige Auskunft lm Prozeß gegeben haben. Erzberger sagt, er habe nur die Auskunft verweigert. f20. Lag.) z Berlin, 26. öebrnar. In großer Menge waren heute die Zuhörer und Neu gierigen erschienen, standen doch auf der Zeugenliste der ehe malige Kanzler v. Bethmann Hollweg, der frühere Minister Spahn, die Politiker Dr. Stresemann, Dr. Hugenberg, der ehemalige Präsident des Hansabundes Dr. Rießer. Das Publikum erfuhr einige Enttäuschung, da man eine große politische Auseinandersetzung erwartet hatte. Die Steuerpolitik Helfferichs während des Krieges stand Politische KunäschL«. * Aufhebung des Eheverbotes für Lehrerinnen. Zur Frage des Eheverbotes für Lehrerinnen hat der Reichs schulausschuß folgende Entschließung einstimmig angenommen' „Der Reichsschulausschuß hielt es für dringend notwendig, daß die Frage der Verehelichung von Beamtinnen baldigst durch Reichsgesetz geregelt wird. Bis dahin wird den Unterrichtsverwaltungen der Länder empfohlen, für ihren Amtsbereich eine vorläufige Regelung für die Lehrerinnen unter Würdigung der Bestimmungen der Reichsverfassung 4 Rückkehr der Gefangenen aus Rußland. Wie ver lautet, haben die Verhandlungen, die der Bevollmächtigte der russischen Sowjetrepublik Wigdor K w mit der deutschen Regiemng über den Gefangenenaustausch gepflogen hat, bereits zu einem gewissen Ergebnis geführt. Die russische Regierung wird einen Austaufchzug bereitstellen, der aus 25 Waggons bestehen und zweimal in der Woche direkt von Moskau nach Berlin verkehren wird. Dieser Zug wird deutsche Kriegsgefangene aus Rußland nach Deutschland bringen und russische Kriegsgefangene zurückführen. Die Antwort auf die französische Kohlcnnote. Wie halbamtlich erklärt wird, hat die deutsche Regierung die Note der französischen Regierung in der Kohlenfrage dahin beantwortet, daß dte sachlichen Voraussetzungen, von denen die Note ausgeht, nicht zutreffen. Die materiellen Fragen, die in der Note erörtert worden sind, werden der Wieder» gutmachungskommtssion vorgelegt werden. -4 - Das Schicksal Memels. Dte Botschafterkonferenz in Paris hat beschlossen, daß die Bewohner der Stadt Memel diplomatisch von Frankreich vertreten werden sollen. Mit zur Verhandlung. Aber der Vorsitzende deS Gerichtshofes schnitt allen ahschweifenden Erörterungen die Spitze ab, in dem er beide Parteien darauf hinwies, hier sei nickt der Ort, hohe Politik zu treiben. Erzberger soll seinerzeit im Reichs tag Helfferichs Steuerpolitik als unordentlich hingestellt und bei dem Reichskanzler wie bei den Parteien dagegen agitiert haben. Bei Versuchen, näher auf den Gegeniatz einzugehen, sagt der Vorsitzende, die Frage, ob Steuern ordentlich oder unordentlich seien, wäre Ansichtssache, nickt Gegenstand des Prozesses. Herr v. Bethmann Hollweg sagt aus: Der Abg. Erzberger hat, als ihm die Steuerpläne des ReichsschatzamtesMr die Jahre 1915/1916 bekannt wurden, mir wiederholt Einwendungen gegen die Zweckmäßigkeit der Steuervorlagen gemacht. In Anerkennung, daß eine Erschütte rung des Burgfriedens unbedingt zu vermeiden war, habe ich Kerrn Erzberger gesagt, daß ich seine Bedenken mit dem Neichsschatzsekretär besprechen werde. Das habe ich auch ge tan. Das geschah aber zu einer Zeit, als die Vorlagen das preußische Staatsministerium und den Bundesrat noch nicht beschäftigen. Datz Bevenken gegen die Vorlagen bestanden, bestreitet der Zeuge nicht, aber sie sind schließlich angenommen worden. — Der ehemalige Minister Spahn bekundet, Erz berger war der Ansicht, daß man die paar Millionen Mark Zinsen, die der Krieg noch fordern würde, durch neue An leihen aufbringen könne. Erzberger erklärte damals auch, daß der Reichskanzler in der Unterredung mit ihm erklärt habe, er lege auf die Durch ührung der Steuervorlage keinen Wert. — Nach der Ansicht Helfferichs soll Erzberger diesen Punkt fahrt; dargestellt haben. I» der U-Bootsiage will bei den Vorberatungen Helfferich Herrn Erzberger ver traulich gesagt haben, er werde doch nickt in diesem Augen blick Zweifel über die Wirkungen des U-Bootkrieges äußern, worauf Erzberger antwortete, er werde in der Budgetkom mission davon nicht sprechen. Trotzdem habe Erzberger wenige Tage später den bekannter Vorstoß in der Budget kommission gemacht. Erzberger lagt, sein Versprechen sei nur bedingt gewesen, er habe sein Material an den Admiralstab geschickt, und dessen Antwort wäre entscheidend für seine Aktion gewesen. Auch habe er Herrn v. Bethmann Hollweg gesagt, man müsse jetzt eine feste Basis für den Frieden schaffen. Der Zeuge Spahn ist ebenfalls der Ansicht, datz Erzberger damals ganz überraschend vorgegangen ist. Auch v. Bethmann Hollweg sagt aus, Erzberger habe seine Aktion mit ihm weder besprochen noch vereinbart, während Erzberger dabei bleibt, wiederholt mit dem Kanzler in der Sache gesprochen zu haben. Der Zeuge Slaatsminister Solf ist durch Erzberger von seiner Absicht zu einem Vor gehen unterrichtet worden, hat aber nicht an eine Friedens resolution gedacht. oer Zerstörung des deutschen Marinematerials soll begonnen werden, mit Ausnahme der Schiffe, die vorläufig oder end gültig einzelnen Staaten überwiesen werden sollen. Des ferneren ist bestimmt worden, an die deutsche Regierung das Ersuchen zu richten, eine direkte Schnellzugverbindung Paris— Prag über Nürnberg zu begünstigen. Frankreich. X Tie Angst vor Deutschland. In der französischen Kammer wurde über die Einberufung der Jahresklaffe 1920 verhandelt. Nachdem der Berichterstatter den Antrag be gründet hatte, erklärte der Abgeordnete Offola, Deutschland habe einen solchen Aderlaß erlitten, daß es nicht an einen Krieg denken könne. Der Sozialist Boncour verlangte die vollständige Entwaffnung Deutschlands. Solange das französische Heer am Rhein stehe, sei keinerlei Gefahr vor handen; die deutsche Armee aber müsse baldigst auf die im Friedensvertrag vorgesehene Stärke zurückgeführt werden. Frankreich habe verschiedene Gelegenheiten zur Entwaffnung Deutschlands verpaßt, namentlich die Stunde von Kurt Eisner. Holland. X Was die Entente nicht gerne sieht. Der Londoner Berichterstatter des ..Algemeen Handelsblad' meldet, er er fahre aus guter Quelle, daß die Entente es nicht gern sehen würde, daß die niederländische Regierung auf den Vorschlag, den Kaiser aus den Niederlanden zu entfernen, eingeht. Der Berichterstatter ist der Ansicht, daß sich die Entente schließlich mit einer strengen Bewachung begnügen würde. Griechenland. X Venizelos Schreckensregiment. Man ist allgemein in Griechenland mit Venizelos unzufrieden. Das griechische Volk will die Rückkehr König Konstantins, der die Abdankung unterzeichnet hat. Auch die Armee wünscht seine Rückkehr. Die Griechen haben ihr Vertrauen zu Venizelos verloren und sind gereizt durch die Schreckensherrschaft Venizelos. Der Gouverneur des Epirus, Elie Panas, der geflüchtet ist, berichtet, Venizelos habe bisher 80 000 Menschen verbannr und er unterhalte 3000 Geheimagenten. Die früheren Ministerpräsidenten Rhallys, Skuludis, Dragumis, mehrere Generale und Admirale find wie schwere Verbrecher gefangen gesetzt worden, der frühere Ministerpräsident Lambros sei im Gefängnis infolge der schlechten Behandlung gestorben. Alle Bischöfe Griechenlands mit dem 80 Jahre alten Metropoliten von Athen, Theotokis, wurden verhaftet. Deutsche Nationalversammlung. . f141. Sitzung.) 0L. Berlin, 26. Februar. Nack längerer Unterbrechung ist die Nationalversammlung beute wieder zu gesetzgeberischem Tun zusammengetreten. Das Haus war gut besticht und die anwesenden Abgeordneten hatten sehr viel miteinander zu bewrechen. Es waren nicht allein die Erlebnisse während der abgelaufenen Pause, die sie beschäftigten, sondern auch die Ereignisse auf dem Gebiete der äußeren und noch mehr auf dem Gebiete der inneren Politik!, dte sich inzwischen vollzogen Kaden, namentlich der Prozeß Erzberger gegen Helfferich beschäftigte die Abge ordneten eingehend. Was vorher in den Fraktionsversamm» lungen besprochen war, hallte in der Vollversammlung noch nach Die heutige Sitzung war von geringer Bedeutung. Am Regierungstische befanden sich die Minister Schiffer, Müller, Noske, David und der Stellvertreter des Retchsfinanzmtnisters, der Unterstaatssekretär Moesle. Der Präsident Fehrenbach e>öffnete die Sitzung um V-4 Uhr und gab ein Telegramm bekannt, worin deutsche Kriegsgefangene, die wider ihren Wihen in fremden Uniformen nach Polen gebracht werden sollten, dem deutschen Vaterlande ihre Treue versichern. Das Nuyrrevier in Gefahr! Französische Raubgelüste. Nit beachtenswerter Offenheit spricht der Sonderbericht erstatter des .Matin' über die Verhandlungen, die zwischen England und Frankreich an der Themse geführt werden, und über die amtlich nicht gesprochen wird. Frankreich verlange von England 1. ein förmliches militärisches Bündnis, das unabhängig sei von dem französisch-amerikanischen Schutz vertrag, also von der Ratifizierung des Versailler Friedens vertrages durch den amerikanischen Senat, 2. verlange Frank reich eine zeitliche Verlängerung der Besetzung der Rbein- Vie Loebter cier veimssiolen. 3) Kriminalroman von A. Ostland. „Felix — weißt du es noch? Das Schloß und — ja — und die Mühle? Und das kleine Gartenhaus im Lichtesten Park? hörst-du die alten Bäume rauschen ? Und der Bach — horcht Wie es murmelt und flüstert l Lauter Liebeslieder —" Sie hielt eine Sekunde lang inne. Wie tiefe Schatten fiel es über ihr reines, liebliches Gesicht. „Und dann — o — dann gingst du fortl Weit fort in fremde Länder! Und das Meer liegt zwischen uns und Berge und weite, weite Ebenen —. Da hast du mir den Ring an den Finger gesteckt, den Schlangenring, welcher schon an einer toten Hand steckte, ein Jahrtausend lang. Oder länger — länger —. Ja. — Und sagtest — ich sei dein Weib vor Gott — ja — und hast mich geküßt, so heiß, Felix! — Und hast mir die Münze gezeigt, die du mitgebracht hast aus dem fernen Land — ja — die halbe Goldmünze — du konntest sie zerschlagen mit einem Hieb." Der kleine, hochrote Mund plauderte und lachte und kicherte. Und aus den schmalen Wangen.glühten purpurne Fieberrosen auf, heißer und heißer. „Nimm mir die Goldmünze vom hals," schrie Marie plötzlich wild auf, „nimm sie weg! Sie gehört dem Kinde! Meinem Kinde! Nimm sie! Nimm sie!" „Mariel Sei doch ruhig, Marie!" .Sie hatte sich aufgerichtet, und nun riß sie wild an der feinen Goldkette, welche sich um ihren Hals schlang. Hans Lechner suchte mit unsicheren Fingern das kleine Schloß. Mit leisem Knacken sprang die Feder auf. Wie Erlösung glitt es über das Gesicht des Weibes. -„Das Kindl" hauchte Marie und sank zurück. Da nahm der Mann die Kleine behutsam auf und hielt sie der jungen Mutter hin. „Felicitas sollen sie dich nennen Fee," sagte die schöne Marie laut und deutlich. — „Felix — Felicitas — Felix —Sie nestelte die Kette um den Hals des Kindes und dann neigte sie sich plötzlich und küßte ganz zart den winzigen, rosigen Mund. „Felicitas — das Glück." Sie ließ die Arme sinken, das Kind entglitt ihr. Schwer siel der blonde Kopf des jungen Weibes zurück. War dies das Ende ? Hans Lechner stöhnte auf in einer dumpfen Qual. Dann versuchte er auf den Herzschlag zu horchen. Aber er konnte nichts vernehmen, denn mächtiger sauste der Wind in den Bäumen, stärker, näher grollte der Donner. „Mariel" schrie der Mann in einer wilden Ver zweiflung, in einer unendlichen Sehnsucht nach ihr, welche ihm zu entfliehen schien in unbegrenzte Fernen und die ihm doch das Beste und Liebste dünkte, was ihm je auf dieser lauten, harten Welt begegnete. Die junge Mutter lag regungslos. Und plötzlich kam ihm das süße Gesicht seltsam verändert vor. Strahlte nicht eine unendliche Hoheit von dieser weißen Stirne? „Sie ist tot!" dachte er, wirr und unsicher. Und dann, wie niedergerissen von dieser ungeheuren Erkenntnis, warf er sich neben den Körper des Mädchens, vergrub seinen Kopf tief in die Falten des langen Theatermantels und weinte, weinte, wie er noch nie' geweint hatte in seinem ganzen freude- und lichtarmen Leben. Eben wollte Wolfgang Mittermeier, der Clown, sich vorsichtig nähern. Er hielt sich tief im Schatten, denn ihm hatte es schon vor einer Weile geschienen, als ver nehme er aus der Ferne tastende Schritte. Aber vielleicht hatte er sich getäuscht? Der große, lange Bursch dort, der tat ihm so furchtbar leid. Ja, ja, das Leben! Hart war es und schwer und bitter! O, er kannte es gut! Wenn er dem Hans Lechner nur etwas Tröstliches sagen könnte! Aber was sagt man einem Menschen, dem das Schicksal die einzige Blume genommen hat, welche an seinem Wege blühte? Wolfgang Mittermeier seufzte und tastete sich vor wärts. Doch jählings blieb er stehen. Hinter ihm wurde wieder etwas laut. Ein Krachen von Aesten und Zweigen, ein flüchtender Tritt — Der Clown blieb reglos. Richtig! Da kam jemand durch das Buschwerk, den Abhang herunter. Ein Mann war's. Erkennen konnte man freilich keinen Zug seines Gesichtes, denn er hatte den breitkrempigen Hut tief in die Stirne gedrückt. Aber ganz richtig war's sicher nicht mit ihm. Der ging gewiß auf Wegen, wo ihn keiner sehen sollte. Und am Ende war's auch besser, man begegnete ihm nicht! Der Alte drückte sich tief hinein in den Schatten. So konnte er nicht gesehen werden. Der andere sprang eben mit einem weiten Satz aus der Lichtung heraus. Beinahe stolperte er über den langhingestreckten Körper des Weibes. „Teufel!" fluchte er und bückte sich rasch nieder. Im nächsten Augenblick fuhr er zurück. „Um Herrgotts willen — da ist eine Tote!" Hans Lechner hob den Kopf. Eine Sekunde lang sah er den Ankömmling verständnislos an. Dann sprang er auf die Füße. -Lonamann — du?" Es lag viel Schreck in seiner Stimme. Ein Schauer rüttelte ihn. Der andere war erst zurückgewichen. Jetzt kam er behutsam näher. „Ui je — der Lechner Hans!" sagte er in einem sonderbar frechen, vertraulichen Ton. — „Na also: Da sehen wir uns halt doch wieder I Ja — aber was machst denn da? Mir scheint, da ist irgend was nicht in Ord nung ? Hm? Das Mädel — was is denn mit ihr?" „Tot ist siel" stieß Hans Lechner hervor. Langmann schien wieder einen Moment lang zurück zuhorchen. Nein! Alles war ruhig. — „Tot?" fragte er und kniete neben Marie hin. Dann betastete er mit zögernder Hand das Mädchen. „Ich glaub's net recht," sagte er, sich erhebend. „Was glaubst net?" schrie Lechner. „Daß sie wirklich tot is. Eine Ohnmacht, mein' ich halt. Aber gegen so was gibt's ja Mittel. Freilich: Man muß sie g'schwind anwenden. Ich hab' da so allerlei." Er schlug mit der Hand auf einen Sack, der ihm über den Schultern hing. — „Weißt es eh, daß ich ein halbeter Doktor bin? — Freilich: Ich hab' ka Zeit. Mir geht der Gendarm heut alleweil nach. Jetzt hat er mich ver loren. Aber er find't mich vielleicht wieder." — Hans Lechner war ausgestanden. An allen Gliedern zitternd, stand er vor dem Manne, welcher sich schon zum Gehen wandte. „Ich bitt' dich, bleib da, Max", sagte er in einer ungeheuren Aufregung. — „Gib ihr deine Mittel! Ich will dir's tausendmal vergelten!" „Ich muß weiter! Gelt, heut könntest den Max Langmann brauchen? Und gestern, wie ich dir vor- g'schlagen hab', du sollst mir helfen bei dem feinen Stückl bei dem alten Apotheker in Mauerbach drüben — net wahr? Da hast du mich sitzen lassen? O na. I hab' ka Zeit net —" Hans Lechner ergriff mit beiden Händen den Arm des anderen. „Herrgott — Max — wenn du meinst, daß sie noch lebt, die Marie — ich bitt' dich um Gottes willen, so hilf ihr! Ich tu' dir auch alles, was du willst! Und wenn du mich wieder brauchst — ich steh' dir bei! Ich schwör' dir's l Wie dein Bruder will ich sein! Nur laß sie nit sterben —" Die Worte kamen beinahe unverständlich von seinen Lippen. Max Langmann sah es: Der Mensch war in einer ganz unglaublichen Aufregung! Von dem konnte man jetzt alles haben! Na — und der Hans Lechner, das war just derjenige, den er brauchen konnte I Wieder lauschte er zurück. Nein l Es rührte sich noch immer nichts.