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oucki diesmal wieder schnell mit der Versicherung zur Stelle, Lutz ohne Elsaß-Lothringen kein dauerhafter Friedens zustand in Europa denkbar sei, und Herr Sonnino, der sonst so überlegen schweigen und seine Ruhe auch in den kitzlichsten Lagen bewahren kann, schlug mit der Faust auf die Redner tribüne und tief in die Kammer hinein: „kein Friede ohne Triest!" Aber die beiden Provinzen haben die Franzosen in dreieinhalb langen Kriegsjahren nicht zu erobern ver mocht, trotzdem sie sozusagen vor ihrer Tür liegen, und den herrlichen Adriahafen, der niemals italienisch gewesen ist, dürfen unsere Verbündeten jetzt ihrem sichersten Besitz» stand zuzählen. Die englischen Gewalthaber sind etwas vorsichtiger. Wie es scheint, legen sie Wert darauf, di« Friedensfreunde in ihrem Lande gerade jetzt nicht zu reizen; sie lassen sogar Nachrichten verbreiten, wonach ihnen die Friedensbedingungen von Brest-Litowsk als ein ernster Schritt der Mittelmächte erscheinen, der vielleicht einer ausführlichen Beantwortung wert sein könnte. Daß Lloyd George sich zu diesem Zwecke nach Paris begeben wolle, um mit Clemenceau das Nötige zu vereinbaren, wird zwar von London aus bestritten, aber immer hin stellt man sich doch so, als ob man nicht abgeneigt wäre, sich die Sache diesmal etwas gründlicher zu überlegen. Wir werden uns nicht dadurch täuschen, lasten; die Stimmungsmache ist ja auch wohl mehr für die Völker des Ententebundes berechnet. Nimmt man dazu, daß die französische Regierung ihren Sozialisten auch jetzt wieder die Pässe für Stockholm und Petersburg verweigert hat — wo sie gegen den Abschluß eines für die Westmächte ungünstigen deutsch-russischen Sonderfriedens wirken wollten! — dann ist unschwer zu erkennen, daß diese Herrschaften sich noch fest im Sattel fühlen. Sie können zwar ihrer Gefolgschaft nicht ver schweigen, daß der Ausfall Rußlands einen furchtbaren Zusammenbruch für sie bedeutet, aber für das offene Ein geständnis ihrer Hoffnungslosigkeit sind sie noch nicht reif, solange die amerikanische Rettungsplanke winkt, auf der Herr Wilson den Groben Ozean überqueren will. Er wird hier nicht nur von seinen Bundesgenossen warm empfangen werden, darauf kann der Herr Präsident sich fest verlassen l Die amerikanische Hilfe — sie sollte als ausschlag gebender Machtfaktor im letzten Abschnitt des großen Völkerringens hinzukommen, und wird jetzt doch nur die Riesenlöcher einigermaßen verstopfen können, die, der zu unserer Erdrosselung geschmiedete Ring an zwei oder mehr Stellen erhalten hat. Das Bewußtsein von dieser grund legenden Veränderung der militärischen Lage wird in England und Frankreich deutlich genug empfunden, und es treibt zu immer neuen Anläufen gegen die Regierungen, die sich ihrer Haut nur mühsam zu wehren vermögen. Aber wie es auch kommen mag: in den Tagen bis zum 4. Januar wird sich kein Umschwung mehr auf der Gegenseite vollziehen, schon aus dem Grunde nicht, weil die West- mäcbte sich ja nicht dazu herabgelasten haben, die maxi- malistische Regierung, in Petersburg anzuerkennen. Und außerdem kann es sich für uns nicht darum handeln, ob «twa Geneigtheit besteht, über die Vereinbarungen von Brest-Litowsk in langwierige und zu nichts verpflichtende Auseinandersetzungen einzutreten, sondern nur darum, ob wan die dort niedergelegten Bedingungen ausnahmslos und so, wie sie lauten, annehmen will oder nicht. Darauf läßt sich nur mit einem klaren Ja oder mit einem ebenso klaren Nein antworten — ein drittes wird es in diesem Falle nicht geben. Die Verhandlungen in Brest-Litowsk werden nach -em 4. Januar hoffentlich mit der gleichen Entschlossenheit weitergesührt werden, die sie in den Dezembertagen be herrschte. Wer dann das Nachsehen haben wird, braucht wahrhaftig nicht unsere Sorge zu sein. Oer Krieg. «len, 2.Jan. Der amtliche Heeresbericht meldet: Am 26. Dezember früh wurde unsere Besatzung auS der Damm-Stellung bei Zenson ohne Verlust auf daS öst liche Piave-Ufer zurückgenommen. — Der Gegner, der diese Räumung erst am 3l. Dezember bemerkte, hielt bi» zu diesem Tage die verlassenen Deckungen fortgesetzt unter Artillerie» und Minenwerferfeuer. Aufgabe der Saloniki-Expedition. DaS Kopenhagener Blatt „Politiken" meldet auS gut- unterrichteter Quelle, daß England auf der letzten Pariser Konferenz oorgeschlagen habe, die Neutralität Griechen lands während der Kriegsdauer anzuerkennen und die Truppen von Saloniki zurückzuziehen. Dadurch wolle man der deutsch-bulgarischen Offensive entgehen. Angesichts deS U-Boot-KriegeS würde es auch sehr schwer für den Ver- Land sein, den Truppen Verpflegung und Munition zu verschaffen. Außerdem sei eine gute Verwendung Mr die Truppen in Italien möglich. ES wurde tnde« keine Einig keit erziVlt und die Beschlußfassung wurde vertagt. * Das westliche Rußland. Zukünftige Gestaltung. Das Schicksal der westlichen Gouvernements Rußlands steht z. T. jetzt bei den Friedensverhandlungen in Brest- Litowsk zur Beratung. Sie wollen sich sämtlich von Ruß land losreißen. Estland, Livland und Kurland haben sich bereits öffentlich auf diesen Boden gestellt. Und auch aus Litauen liegen Kundgebungen vor, die daS gleiche Ziel verfolgen. Die Gouvernements Minsk, Witebsk, Mo- hilew und Smolensk beabsichtigen (nach englischen Mel dungen) sich, dem Vorbilde der Ukraine folgend, zu einer unabhängigen Republik Weiß-Rußland zusammenzuschließen und Beßarabien hat sich erst vor einigen Tagen selbst alS unabhängig erklärt. Diese grundlegenden Veränderungen sollten ursprünglich der Entscheidung der gesetzgebenden Versammlung unterbreitet werden, da indessen das Zustande kommen der Kor ituante infolge der inneren Wirren in ungewisse Ferne gerückt ist, haben sich die Gouvernements zu selbständigem Vorgehen entschlossen. Daß dir Pläne der westlichen Gouvernements in Petersburg Verständnis finden, ist bekannt. 4- Vertagung -es Friedensschlusses? . Eine internationale Sozialistenkonferenz. Wie der Vorwärts aus Stockholm erfährt, hat die englische Arbeiterpartei durch einen Boten bei dem Stock holmer maximalistischen Vertreter Worowski anfragen lassen, ob die russische Regierung bereit wäre, den Friedens schluss so lange zu vertagen, bis eine internationale Sozia- listenkonfrrenz stattgefunden hätte. Worowski antwortete, die russische Regierung würde bis zur Entscheidung der interuattonaieu «oz,ai,nen- konfcrenz warten falls die Berbandsregternngeu zugleich mit der Paßbewilligung die Gewißheit gäben, daß sie von der Soztalistenkonferenz keine Zerstörung der Friedensarbcit erwarteten, sondern zu einem allgemeinen Frieden gemäß de» russischen Vorschlägen bereit seien. Um den allgemeinen Frieden zu erreichen, will als» die russische Regierung den Friedensschluss vertagen, in der Voraussetzung, daß die Regierungen der Entente durch Paßerteilung den schleunigen Zusammentritt einer inter nationalen Sozialistenkonferenz (die in Stockholm nicht zustande kamt) ermöglichen. Clemenceau verweigert die Pässe. Der französische Ministerpräsident Clemenceau hat einer Abordnung der geeinigten sozialistischen Parteien, die Pässe für Stockholm und Petersburg verlangte, um den Abschluss e n.'s Sonderfriedens zu verhindern, di« Pässe mit der Begründung verweigert, es dürfe nicht der Anschein erweckt werden, als ob sich Frankreich an ür» Unterhandlungen beteiligen wolle. Friedensströmung im italienischen Senat. Französische Blätter berichten, daß die deutsche Ant wort in Brest-Litowsk in den Geheimsitzungen des italie nischen Senats Gegenstand erregter Auseinandersetzungen gewesen ist. Einige Senatoren richteten das energische Ersuchen an die Regierung, den schweizerischen Bundesrat sofort um seine Vermittlung in der FriedenSiragr za bitten. In der über den Antrag herbeigeführten Ad- tzimmung blieben die Anttagsteller jedoch in der Minderheit. Sitzung de» KronratS. Für Mittwoch nachmittag war rin tkronrat angefagth zu dem auch bie Oberste Heeresleitung geladen war. In Verbindung mit dem Kronrat steht offenbar bi» amtliche Meldung, daß Generalfeldmarschall o. Hinden burg und General Ludendorff zu Besprechungen « Berlin eingetroffen find. > Delegierten mit den Vertretern Deutschlands, Österreichs Ungarns, Bulgariens Und der Türkei übereingekommen, daß zunächst die Waffen ruhen sollten, um die Bahn fr« zu machen für die Verhandlungen über den Friedens Die Unterschriften der Unterhändler dürfen deshalb ei» besonderes Interesse für sich beanspruchen. Die Verhand lungen in Brest-Litowsk sind insofern besonders, merk würdig, als auf russischer Seite die Unterhändler keine Diplomaten sind. Die Technik diplomatischer Verhand lungen ist ihnen aber bald vertraut geworden uüd sie handhaben sie meisterhaft. Ein denkwürdiges Schriftstück. Der Vertrag von Brest-Litowsk. - Der Waffenstillstandsoertrag von Brest-Litowsk wird' nicht nur in der Geschichte dieses Krieges, sondern übev- haupt in der Weltgeschichte eine ewig denkwürdige Stellung einnehmeu In wenigen Tagen waren die russische» Was Amerika für den Krieg braucht. verlta, 2. Sanu««. Eine Ausstellung der ungebeuren Bedürfnisse de« amerikant« "j Damen des Roten Kreuzes, die auf dem (Fortsetzung folgt.) O ck« mein Oeullcklanä! Roman aus großer Zeit von Elsbeth Borchart. ließest und daß du jetzt ausstehen kannst, stolz, groß und mächtig wie ein Riese, der bisher geschlafen bat und aus seinem Schlummer auffährt, wo es gilt, das Höchste z» verteidigen und zu schirmen gegen gehässige neidische Feindet Zu denen, die mit hinausgezogen in den große« Kampf, gehörten auch Irmgards Brüder und der Schwager mit seinem jungen fünfzehnjährigen Sohn, der den Vater als Pfadfinder begleiten wollte. In ihren feldgrauen Uniformen, stattlich und schmuck, mit vor Begeisterung und Kampfesmut leuchtenden Auge« standen sie vor der Mutter und Schwester, um Abschied zu nehmen. Und die Mutter weinte und jammerte nicht, sie gab die Söhne mit Freuden und Stolz dem Vaterlande. Nur Irmgards Schwester, die ihren Gatten und Soh« ziehen lassen mußte, den jungen Sohn, der fick niM hatte zurückhalten lassen wollen — die schluchzte an ihre« Tränen. Es war doch schwer, beide hergeben zu müsse«, aus dem Frieden einer schönen Häuslichkeit hinausstürme« zu sehen einem dunklen Schicksal entgegen. In Irmgard überwog ein banges Empfinden: Wa blieb Werner? Warum kam er nicht und war mitte« unter den Brüdern, die auszogen, für das Vaterland z» kämpfen? Seit Mitte Juli hatten sie nichts mehr von ihm ge hört; Briefe und Telegramme waren unbeantwoltet ge blieben. Das hing vielleicht mit den großen Truppen» ttansporten zusammen, aber es beunruhigte doch. Am nächsten Morgen zogen die Brüder aus, zu ihre« Regimentern oder schon in Feindesland; ob nach Oste« oder Westen, erfuhr niemand, sie selbst nicht. Es wurde alles streng geheimgehalten; denn die fremden Spione waren zahlreich. Tag und Nacht wanderten die Truppen auS, Hekme und Gewehre mit Blumen und Rejsern geschmückt, mit jauchzenden, jubelnden Stimmen die alten Vaterlands lieder singend. „Die Wacht am Rhein" und „Deutsch land über alles!" — dazwischen ein wehmütiges: „Ja der Heimat, da gibt's ein Wiedersehn." Ergreifend und erschütternd wirkte es, zugleich erhebend und begeisternd. Nach langer anstrengender Fahrt hatten Irmgard See burg und ihre Mutter glücklich Berlin erreicht. Es war der letzte fahrplanmässige D-Zug gewesen, der vom Süden noch bis Betlin fuhr. Vom nächsten Tage ab begannen die groben Truppentransporte. Es war also die höchste Leit gewesen, daß sie heimkehrten. Unterwegs schon waren ihnen unzählige Militärzüge begegnet, und die Vaterlands begeisterung der Truppen, ihre leuchtenden Augen, ihren frohen Mut und ihre Siegeszuversicht zu sehen, ihre brausenden Hurrarufe und die allen Vaterlandslieder von ihnen zu hören, das war eine solche Erhebung und Er quickung für sie gewesen, daß sie über alle Unzuträglich» ketten der langen Reise und über alle Besorgnisse hinweg- getragen wurden. Und nun waren sie in Berlin, und auch hier gingen die Wogen der Begeisterung hoch. DaS war ein Leben Unter den Linden vor dem Kaiserschloß, von dessen Balkon herab der Kaiser vor kurzem den „Aufruf an sein Volk" erlassen hatte, das war eine Flut der Begeisterung, die mit jedem Tage zunahm. In jedem einzelnen wogte der Pulsschlag dieser großen, gewaltigen Leit. Da gab es keinen Parteihass und keine Unter schiede mehr, alle waren einig in dem großen erhebenden Gedanken und Empfinden: Deutschland, Deutschland über alles? „Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur Deutsche l" Dieses Kaiserwort. daS den Geist deS Volkes kenn- »eichnete, zündete und schlug lodernde Flammen. DaS war wie in den Tagen der Erhebung von 1818, nein, gewaltiger und erhabener noch. Da trat die Größe und Kraft des Volkes bewunderungswürdig zutage, an der man schon gezweifelt hatte in der langjährigen Friedens zeit. und die man schon von Verweichlichung und Ent sittlichung vermorscht glaubte. Und nun zeigte es fick mit einem Male, dass der innerste Kern von allen -ersetzenden Einflüssen unberührt geblieben war. Heil dir. deutsches Volk, daß du 'dir deine Größe zu bewahren wusstest und sie nicht untergehen liehest in der Oberflächlichkeit, Stumpfheit und dem Materialismus einer nur aufs Irdische gerichteten Weltanschauung, daß du dir deine Ideale und deine Beaeiflerungsfäbigkeit nicht rauben Bahnhof standen, um durchfahrende Truppen mit Essen und Trinken zu erquicken, nahmen sich zuerst der Unglück lichen an, sorgten für Verpflegung, Unterkommen und für Weitertransport. Werner Seeburg hatte sich tn Aachen von seinen Landsleuten und Weggenossen getrennt. Seine anfängliche Absicht, sofort weiter nach Berlin zu fahren, liess er fallen. Nach alledem, waS er erlebt hatte, drängte es ihn, sich so schnell wie möglich einem Regiment anzuschließen und mit diesem wieder in das Land einzuziehen, daraus man ihn so schmählich vertrieben hatte, und für die Ebre und Freiheit seines Vaterlandes die Waffen zu ergreifen, teilzunedwen an dem heiligen Kampf, der alle deutschen Ser-ea jetzt begeisterte und hoch schlagen ließ. Seine kräftige Natur und seine körperliche und seelische Gesundheit batten ihn am besten von allen die Leiden und Anstrengungen dieser Flucht überstehen lassen. Er fühlte sich stark genug, sofort die nötigen Schritte zu unternehmen and sich als Kriegsfreiwilligen zu stellen. Die eigenarugen Umstände, die seine Bewerbung und leine Bitte ibn iobaw «ne möglich mit einem Regimen» nach Belgien gehen m lassen, begleiteten, brachten ihm die Erfüllung, und schnelle^ als er selbst gedacht batte, wurde er einem Regiment zu» geteilt, das schon am zweiten Tage den bereit» nach Belgien oorangegangenen Truppen folgen sollte. ES blieb ihm somit keine Zeit mehr, von Mutter und Geschwistern Ab schied zu nehmen. Kaum daß er Muße fand, schnell einige «enen zu ihrer Beruhigung zu lenden. In fliegender Eil« wurden die Vorbereitungen getroffen, und dann rückte sein Regiment aus, dem er alS Oberleutnant zugeteilt »orden war. Aber die Grenze ging «S tn daS Land, das ihm über zwanzig Jahre hindurch ein« zweite Heimat Gewesen war und Las er nun wieder betret«» musste