Volltext Seite (XML)
194 Nischen) ArmeecorpS kam hier durch und brachte' so bedeutenden Hunger mit, daß alles in Wilsdruff vorhandene Brod in kurzer Zeit verschwunden war. Nun begannen auch die Requisitionen an Brod und Fleisch; die Wegnahme der Kassen (Post-, Steuer« und Sportelkasse), aber weder die Sparkasse noch die Etadrkaffe sind verlangt worden. Der Montag brachte auch noch Einquartierung und zwar in sol chen Massen, daß auch die Miethbewobner an den Lasten tveilnehmen mußten. Doch konnten wir immer noch froh sein: die Dörfer zwischen WilS- druff und Meißen waren noch weit mehr in An spruch genommen; bier lagen die Soldaten so stark, daß Güter 2—500 Mann erhielten; soll doch der Lehrer in Spittewitz 83 Mann gehabt haben. Die meisten Soldaten betrugen sich recht anständig; alle klagten über angestrengte Märsche und ungenügende Marschverrflegung. Gerade unsere Truppen haben seit drei Tagen die Avantgarde gebildet und die sehr küblen Nächte im Freien, meist ohne Stroh, zugebracht, daher freuten sie sich nicht wenig, ein mal unter Dach schlafen zu können. Kriegerische Beg.isterung haben wir nur bei den Osfiziercn wabrnehmen können; die Leute, be sonders die Landwehrmänner, sehnten sich zu ibren Familien, von denen sie seit 2 Monaten entfernt waren. Unangenehm siel es uns Sachsen auf, daß manche von den Offizieren und Soldaten aus eine schmähliche Weise über unsern König Herzogen, den sie für den Urheber des Krieges hielten. Einige ließen sich belehren, andere blieben hartnäckig bei der au» Preußen mitgebrachten Meinung stehen. In der Nacht vom Dienstag zu Mittwoch gegen 11 Uhr wurden die Truppen plötzlich alarmirt; eine unbe schreibliche Verwirrung herrschte eine Zeit lang auf unsern Straßen und dem Markte; viele der Leute waren nicht zu erwecken; die Artilleristen liefen halb angekleidct nach ihren Pferden und dazwischen er klang immer von Neuem der Generalmarsch. Daß kein Unglück dabei geschehen ist, kann man säst als ein Wunder betrachten; die Sorglosigkeit, mit der das Licht in Scheunen, Ställen und mit Stroh gefüllten Stuben und Kammern gehandhabt wurde, ließ jeden Augenblick den Ausbruch eines Feuers befürchten. Wir habe» nicht mit Sicherheit erfahren können, was die Ursache des Alarms war. Die Aufstellung der Preußen am Mittwoch in einer langen Linie von HerzogSwalde bis Dresden schien auf einen beab sichtigten Angriff von Freiberg aus hinzudeuten. Aengstliche Gemüther hörten schon am Dienstag Abend in der Richtung von Dresden Kanonendonner. Von dem inzwischen aufgeschlagenen Lager auf der Höhe zwischen Grumbach und Kefselsdorf auS kamen nun neue und gesteigerte Requisitionen, de nen die Stadt Wilsdruff allein nicht genügen konnte; die Ortschaften des Gerichlsamtsbezirk wurden sämt lich dazu herangezogen. Doch haben die entfernte ren ihre Naturalien fast sämmtlich wieder mit nach Hause nehmen können, da die Ablieferung erst zu einer Zeit erfolgen konnte, wo das Lager b weits abgebrochen und die Preußen nach Dresden zu ab- marschirt waren. WaS uns bevorstand, wenn das Lager einige Zeit blieb, zeigte eine Abtheilung Sol- baten, die bereits am Vormittag ganz ungenirt in der Stadt souragirte. Dem Himmel sei Dank! außer einigen Nachzüglern haben wir keinen Preu ßen mehr lm Orte. — Zum Schutze de» Eigenthum» gegen Gesindel, da» solche Zeiten sehr gern zu seinen S treitzügen be nutzt und auf die Furcht der Leute spekul:rt, bat sich hier eine freiwillige SicherhcitSwache gebildet. Herr Schützencommandant Fischer bat da» Kom mando übernommen und allnächtlich durchziehen - Patrouillen die Stadt dis zu den letzten Häusern, die natürlich am meisten gefährdet sind. DaS Wachtlocal befindet sich im Hause keS Hrn. Rösstg. Tle Wachtmaunschaften sind an einer weißen Blude um den Arm kenntlich. Im Haid kruge. Eine Crlmiaamoe-lle von Wilhelm Ao-reä. (Forveyung.) . ,,Was in aller W>lt treibt Ihr denn kür ein Geschäft, daß Zbr so lange vom Hause abwesend sein dürft? In meiner Wirthschaft wäre dieS eine Unmöglichkeit." „Ich bin Sattler, und da ich einen tüchtigen Gesellen habe, auf den ich mich verlassen kann, so darf ich cs schon wagen, mich einmal auf einige Zeit aus dem Geschäfte Herauszureißen." „Also, Ihr seid ein Sattler, hm! Da führet Ihr eine sitzende Lebensweise und seid das Mar- schiren nicht gemobnr, kann mir's also denken, Herr — wie ist gleich Euer Name?" „Meine Name ist Lebrecht." „Also Lebrecht — ja, wos ich sagen wollte! ich kann mir's denken, daß Ihr recht müde sein werdet. Ich will Euch daher sogleich Euer Lager » bereiten; geduldigt Euch noch einen Augenblick." Mit diesen Worten eilte er hinaus und kam bald darauf mit einer Matratze und Decke wieder zurück. Nachdem er beides auf biß Erde gebreitet, wünschte er seinem Gaste mit «nem Händedruck eine „Gute Nacht" und begab sich gleichfalls zur Ruhe. Der Fremde, den wir fortan bei seinem Na men Leberecht nennen wollen, entledigte sich nur der Stiefeln und des Rockes, hüllte sich aber fest in die Decke ein und machte es sich dann auf sei nem Lager so bequem wie möglich. Es ist eine bekannte Thatsache, daß nach über mäßiger körperlicher Abspannung selten ein rascher und tiefer Schlaf erfolgt. Auch Leberecht solhte dies zu seiner großen Ver wunderung erfahren. Er warf sich auf seinem Lager hin und her, aber der ersehnte Schlaf wollte immer nicht kommen. Erst lange nach Mitternacht löste sich das Band seiner Glieder, sein Bewußtsein schwand immer mehr und mehr, und ein leichter Schlummer senkte sich auf seine Augenlider.