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BÄMUaR Wilsdruff, Tharmdt, Rossen, Licbenlch« und die U»zcgcudcu. Umtsökatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. 17. Dienstag den 27. Februar 1872. Erbtheilungshalber sollen die zum Nachlasse des Auszüglers Johann Gottlieb Grellmann in Grumbach gehörigen Grundstücke und zwar. 1 ., das Hausgrundstück Fol. 150 des Tharandter Grund- und Hypotheken-Buchs, welches auf 838 Thlr. — Ngr. — Pf. taxirt und 2 ., das Hausgrundstück Fol. 114 des Grund- und Hypotheken-Buchs für Coschütz, welches auf 1873 Thlr. — Rgr. — Pf. gewürdert worden ist, verkauft werden, weshalb man Kaufslustige mit dem Bemerken, daß die Kaufs bedingungen an hiesiger Amtsstelle einzusehen sind, ersucht, ihre Offerten bis längstens den 1«. März 1872 mündlich ober schriftlich hier anzubringen. Kömgl. Äerichtsarnt Wilsdruff, am 22. Februar 1872. Leonhardi. Tagesgeschichte. In Dresden ist in einer Versammlung der freisinnig-deutschen Partei beschlossen worden, folgende Adresse an den Fürsten Bismarck richten: „Die mächtigen Worte, welche Eure Durchlaucht jüngst gelegentlich der das Schulaussichtsgesetz betreffenden Verhandlung im preußischen Abgeordnetenhause über die nationale Bedeutung von Kirche und Schule gesprochen, mußten im ganzen deutschen Reiche und weit über dessen Grenzen hinaus Widerhall erwecken. So denn auch hier in Sachsen, und wir, die ehrerbietigst Unterzeichneten, bitten Ew. Durchlaucht, in diesen unseren Dankesworten, den Eindruck zu erkennen, den die selben auf uns und unsere Mitbürger gemacht haben- In einem deutschen Staate bebend, dessen Verfassung das ausdrückliche Verbot der Errichtung neuer Klöster und der Aufnahme des Jefuiten-, sowie anderer geistlicher Orden im Lande enthält, haben wir auch erfahren müssen, daß in unserer Stadt den Schwestern von der Congregation der christlichen Liebe zu Paderborn der Erziehung, der Unterricht und die Wirthschaft in dem hiesigen königl. Josephinenstifte übertragen worden. Wenn dies in dem saft rein protestantischen Sachsen möglich gewesen, so ist nicht zu be zweifeln, daß in Ländern mit mehr gemischter Bevölkerung die ultramontanen Ele mente mit um so größerer Rücksichtslosigkeit vorgehen werden. Ihnen dies Hand werk der Auflehnung sogar gegen bestehende Gesetze zu legen und sie zur Achtung vor dem bestehenden Religionsfrieden unter den Deutschen aller Glaubensbekenntnisse .zu zwingen, dazu waren die bahnbrechenden Worte Ew. Durchlaucht Wohl geeignet, dazu soll und wird auch daS Schulaussichtsgesetz mit helfen, dem sie zur Stütze dienten. Um so lautere Anerkennung und Bank Ew. Durchlaucht sür solches durchgreifendes, dem ganzen deutschen Vaterlande ersprießliches Auftreten und Wirken." Von Seiten des Protestanten-Vereins in Leipzig ist in diesen Tagen eine Petition an den Reichstag ausgegangen, in welcher das Ersuchen gestellt wird, „derselbe wolle ein Gesetz beantragen, durch welches der Jesuitenorden in Deutschland verboten und den Angehörigen und Affiliirten desselben alle und jede Wirksamkeit in Kirche und Schult innerhalb des deutschen Reiches untersagt wird", eventuell „wolle der Reichstag, wenn die Angaben (der Petenten) auf den Widerspruch Einzelner stoßen sollten, die Berechtigung der selben durch cinzufordernde Gutachten unserer bedeutendsten Historiker und Staats- und Kirchenrechtslchrer untersuchen lassen." Nach der nun abgeschlossenen Zählung der Bevölkerung Leipzigs belief sich dieselbe am 1. December vorigen Jahres auf 106,922, wovon S4I6S männlichen, 52757 weiblichen Geschlechts. Ai» 3. December 1867 betrug die Bevölkerung 90946 (45605 männ lich, 45341 weiblich), ist also im Laufe der vier Jahre um saft 16000 Seelen gestiegen. Die Berliner „N. A. Z." enthält an einer hervorragenden Stelle ihrer neuesten Nummer folgende anscheinend offiziöse Mitthcilung: Herr v. Gutschmidt, bisher Bezirks-Präsident in Metz, hat sein schwieri ges Amt niedergelegt, dem er mit bedeutendem Erfolg, aber leider mit Hintenansetzuna der Rücksichten auf das eigene Wohl sich gewid met hatte. Vorgesetzte und Untergebene bedauern seinen Austritt aus dem Neichsdienst und wünschen, daß er bei minder beschwerlichem, amtlichen Wirken in der Heimath, wohin derselbe zurückkehrt, seine Gesundheit bald Herstellen möge. Zu seinem Nachfolger in Metz ist Graf Eulenburg, bisher Regierungspräsident in Wiesbaden bestimmt. Wie Präsident Gutschmidt, so haben sich dessen sächsische Landsleute, die im neuen Neichslande thätig sind, die allgemeine Anerkennung ihrer Tüchtigkeit erworben. Was aber von den Sachsen gilt, da§ gilt von den deutschen Beamten überhaupt, gleichviel, ob sie der Sü den oder der Norden in das neue Neichsland eutsandt hat. Der Maßstab, den man in Preußen an Leistungsfähigkeit und Eifer der Staatsdiener zu legen pflegt, ist bekanntlich kein geringer. Um so erfreulicher und lehrreich ist die Hochachtung, welche die aus Preußen gebürtigen Beamten des Elsaß für ihre Coliegen aus anderen deut schen Staaten, auch aus Süddeutschland, an den Tag legen. Es herrscht in Elsaß-Lothringen ein rühmlicher Wettstreit von Bayern, Sachsen Preußen rc. in Erfüllung der keineswegs leichten amtlichen Pflichten. Die Eigenthümlichkeiten und Vorzüge des Charakters der verschiedenen Stämme und der löblichen Einrichtung der verschiedenen deutschen Staaten kommen dabei recht zur Geltung und die gegensei tige Anerkennung der Glieder des Reiches, wie sie iin Elsaß die Be amten aus Süd nnd Nord einander entgcgenbringen, ist ein gesunder Factor in der nationalen Entwickelung, insbesondere aber für das Gedeihen der staatlichen Wirksamkeit im neuen Neichslande. Von amtlicher Seite geht der „National - Zeitung" folgende Mitthcilung zu, welche die in unsrer letzten Nr. enthaltene Notiz der „C. L." betreffs eines beabsichtigten Attentates gegen den Fürsten Bismarck zu bestätigen scheint: „Am Mittwoch Vormittag ist hier ein ehemaliger Apotheker aus Posen verhaftet worden, weil er im dringendsten Verdachte eines beabsichtigten Attentates gegen den Herrn Reichskanzler steht. Der junge Mann ist Pole von Geburt und fanatischer Katholik. Für letzteres spricht eine längere Dienstzeit bei den päpstlichen Zuaven und sein Aufenthalt in den letzten Monaten bei einem neuerdings vielgenannten dortigen Domherrn. Dagegen hat er seinen eigentlichen Beruf als Pharmazeut schon seit Jahren vernachlässigt. Äm Sonnabend kam er hier an, nachdem er in Posen die kaum mißzuvcrstehende Drohung, daß in Berlin bald Alles anders werden und sich Vieles ändern werde, ausgestoßen hatte. Glücklicherweise ist diese Aeußerung nicht unbeachtet geblieben und cs ist in Folge dessen gelungen, den jungen Mann in seiner Wohnung bei dem Küster an der St. Hedwigskirche — seinem Adoptiv-Vater — zur Haft zu bringen, wobei ihm ein Terzerol abgcnommen worden ist." Wird die Berliner Polizei ein Herkules werden? Es wird ein Herkules dazu gehören, um einen Augiasstall zu reinigen. Die Zahl der liederlichen Dirnen und ihrer berüchtigten Louis ist in Berlin auf nahezu 60,000 Köpfe herangcwachsen und treibt zum öffentlichen Aergerniß und zur Plage ihr Wesen nicht nur in glänzenden Prachlsülen und dunkeln Spelunken, sondern auch in den Straßen. Die tansendäugige und tansendarmige Polizei ist nicht stark genug, um dem Unwesen so energisch Einhalt zu thun, wie es nölhig ist, sie klagt namentlich, daß die schrankenlose Freizügigkeit und Gcwerbefreiheit (die Concessivn für Kneipen rc.) ihr ein Durch- grcifen unmöglich mache. Die Wurzel des Uebels liegt freilich viel tiefer. Die Auswüchse aber will man durch Vermehrung der Polizei beseitigen. Das Abgeordnetenhaus wird sich in diese» Tagen mit der Sache beschäftigen.