Volltext Seite (XML)
— Annaberg, 23. April. Heute Mittag nach 2 Uhr brach ein Feuer in Frohnau aus. Binnen 15 Minuten standen 4 Gebäude in Flammen; der Weiterverbreitung des Feuers wurde ein Ziel gesetzt. Die Grafen von Dürrenstein. Original - Roman von Emilie Heinrichs. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) In den Gesellschastsräumen war alles heiter und belebt. Die Mitlheilung, daß die Baroneß Einsiedel krank geworden und mit der Mutter nach Hause gefahren sei, erregte nur bei den Herren ein stil les Bedauern, während das plötzliche Verschwinden des Prinzen Ar nold mit seiner bekannten Abneigung gegen jede Art von Abschiedneh men entschuldigt wurde. Herr v. Littorf war noch einmal zu seiner Gemahlin zurückgekehrt, um derselben kurz mitzutheilen, daß der Prinz seine Begleitung nach dem Bahnhof wünsche und sie zu bitten, ihn bei der Gesellschaft dieserhalb zu entschuldigen. Das Verhältniß zwi schen Frau v. Littorf und ihrem Gemahl war ein derartig konventio nelles, daß die stolze und als sittenstreng bekannte Freundin der Erb prinzessin sich im stillen über den frühen Aufbruch des Prinzen fowohl als der ihr äußerst unsympathifchen Baronin Einsiedel mehr freuen als betrüben mochte und sich's erst von nun an ganz besonders ange legen sein ließ, für die Genüsse und Unterhaltung der Gesellschaft in anregendster Weise Sorge zu tragen, um den Hausherrn und Gastge ber nicht vermissen zu lassen. Der Wagen, welcher die beiden Damen ihrem einige Meilen ent fernten Ziele, dem Institut, das weit ab von der das Land quer durch schneidenden Eisenbahn lag, zuführen sollte, rollte so rasch als möglich zur Stadt hinaus und bog dann rechts ab auf die mit Obstbäumen bepflanzte schnurgerade Chaussee, wo der Kutscher auf die kräftigen Pferde loshieb und dieselben dadurch in den schnellsten Trab versetzte. Der klare Vollmond beleuchtete den einsamen Weg und die entlaubten Bäume warfen gespenstige Schatten aus den leichtgefrorenen Boden. Die Baronin fröstelte, sie zog den weichen mit Pelz gefütterten Man tel fester um sich und versuchte es, mit Regina eine Unterhaltung zu beginnen, was diese einsilbig ablehnte. War sie mißtrauisch geworden? — Konnte sie argwöhnen, daß sie, die Stiefmutter es nicht aufrichtig mit ihr meinte? Mit heuchlerischer Besorgniß nahm sie eine warme Pelzdecke vom Rücksitz, um dieselbe über Reginas Füße zu legen, was diese indessen nicht einmal zu bemerk?« schien. Der Wagen rollte mit fabelhafter Schnelligkeit auf der glatten Chaussee dahin, bis er endlich vor einem einsamen Wirthshause still hielt. Kein Licht war mehr zu erblicken, alles lag bereits im tiefsten Schlafe. Dennoch kletterte der Mann auf dem Bedientensitze rasch hinab, um an die Thür zu klopfen, was eben nicht in der fanftesten Weise geschah. „Jemine! — welch ein Rumor!" rief der Wirth, ein Fenster öff nend, setzte aber sogleich, den vornehmen Wagen erblickend, im unter- thänigsten Tone hinzu: ,,Bin sogleich zur Stelle, Euer Gnaden!" und stand in wenigen Augenblicken vor der geöffneten Hausthür. „Heißen Wein mit Zucker, rasch, Mann, ich zahle dreifachen Preis dafür", befahl der Fremde gebieterisch, indem er dem geschmeidigen Wirth ins Haus folgte, „sodann Hafer und Wasser für die Pferde, vor allen Dingen aber Decken für die erhitzten Thiere, gebt rasch, Herr Wirth!" ' Dieser war gewandt genug zur raschesten Auffassung und Aus führung der Befehle. Im nächsten Augenblick )chon hatte der Fremde die geforderten Decken für die Pferde erhalten, mit welchen derselbe schleunigst hinauseilte, da die erschöpften Thiere vor Nässe trieften, woraus er selber auch die Fütterung derselben besorgte. Der verlangte Wein stand bereit, der Fremde sandte den Wirth zum Kutscher, um diesen nach seinem etwaigen Begehr zu fragen und zog jetzt rasch ein Papier hervor, welches in Pulverform zusammen gefaltet war; er öffnete dasselbe und schüttele den Inhalt in den Wein, worauf er ruhig mit dem Löffel umrührte, dem zurückkehrendeu Wirth, der eine Verneinung des Kutschers mitbrachte, ein Goldstück emhüii- digte und dann mit dem Glase in der Hand an den Wagen trat. Die Baronin öffnete das Fenster und nahm schweigend das Glas entgegen. „Komm, liebe Regina, Du bist kalt, trinke diesen heißen Wein, er wird Dich erwärmen — ich werde sonst dem Kutscher Befehl geben, wieder umzukehren, da ich, wenn Du erkranken solltest, die schwere Verantwortung nicht übernehmen könnte." Regina schauderte zusammen und nahm so hastig das Glas aus ihrer Hand, daß der Inhalt halb verschüttet wurde, worauf sie den Rest mechanisch austrank. Nach wenigen Augenblicken rollte der Wagen wieder >m schnellsten Trabe davon. Regina hatte sich in eine Ecke gedrückt; vergebens wehrte sie sich gegen eine unüberwindliche Müdigkeit, welche mächtiger war als ihre Willenskraft und dieselbe auch bald besiegt hatte, wie ihre regelmäßi gen Athemzüge hinreichend bekundeten. „Sie schläft", flüsterte die Baronin, sich über sie beugend, „das ist gut, sehr gut!" Und immer weiter ging's durch die stille, monderhellte Nacht, bis endlich ans geringer Entfernung ein schloßähnliches Gebäude auftauchte und der Wagen dann Plötzlich anhielt. Die Baronm öffnete vorsichtig das Fenster. Der Mann vom Bedientensitz trat heran. „Wie geht's?" flüsterte er. „Sic schläft fest", tönte es zurück. „Sehr gut, wir sind gleich am Ziel, Vorwärts raunte er dem Kutscher zu. Nach wenigen Minuten bog der Wagen in eine Allee ein, rollte dann durch ein geöffnetes Gitter über einen mit Bosketts eingerahmten Platz und hielt vor der großen Freitreppe des Schlosses. Im nächsten Moment schon waren die Thüren geöffnet; ein al ter unterwürfiger Mann, der Kastellan des Schlosses, trat an den Wagen. „Kein überflüssiges Zeremoniell, lieber Willms", flüsterte der In haber des Bedicntensitzes, zu ihm tretend, „Ihr habt meinen Brief durch Franz erhalten?" „Ja, Durchlaucht!" „Und alles angeordnet?" „Ganz, wie Durchlaucht befohlen." „Gut, bringt den Wagen ohne Aufsehen unter Dach und Fach. Cs ist doch sonst alles zur Ruhe?" „Alles, bis auf mich und meine Frau." Der Kutscher war abgestiegen und übergab dem Kastellan die Zügel, woraus der Schlag geöffnet, die Baronin herausgehoben und dann die schlafende Regina von dem Prinzen Arnold, welcher den Bedienten spielte, mit zärtlicher Sorgfalt aus dem Wagen gehoben und ins Schloß getragen wurde, ohne daß sie aus ihrem tiefen Schlaf erwachte. „Wieder ein toller Streich!" murmelte der Kastellan, kopfschüttelnd Pferde und Wagen nach dem Stalle führend, während der Kutscher, als welcher sich der Freiherr v. Littorf entpuppte, der Baronin den Arm geboten, und dem Prinzen mit seiner Bürde gefolgt war. Tiefe Stille herrschte jetzt wieder ringsum, der große Platz vor dem Schlosse war vom Mondlicht überflutet. Nach einer Weile löste sich eine dunkle Gestalt von einem der Bosketts los, warf einen Blick hinauf zu den Fenstern des Schlosses und lächelte spöttisch, worauf dieselbe geräuschlos durch die Bosketts den Platz verließ. Der Mann, den« ein solcher war es, schien mit dieser Gegend sehr vertraut zu sein; er schlich durch das Gitter, welches in diesem Augenblick von einem Schloßwächter, dessen Häuschen abseits im Gebüsche lag, ge schlossen wurde. Der Wächter wurde von einem riesigen Hunde be gleitet, der freudig den fremden Mann umwedelte und seine Hand leckte. „Du wirst von meinem Hiersein nichts verrathen, Christoph?" flüsterte der Fremde dem Wächter zu, „Keine Silbe, Herr." „Ich danke Dir, mein Freund! Werde Dir es nicht vergessen, gute Nacht!" „Gute Nacht, lieber Herr!" murmelte der Wächter, seine Mütze lüftend. Der Fremde eilte raschen Schrittes fort, während der Schloß wächter sich eiligst in sein Häuschen zurück begab und zitternd die Thür verriegelte. „Hätte es für niemand sonst gewagt", murmelte er tiefaufathmend, „und Gott weiß, ob's mir nicht meinen Dienst kosten kann, wenn's herauskommt. Ei was", setzte er leichter hinzu, „hat's doch keine Menschenseele bemerken können, und für ihn, der so viel Gutes an mir gethan, und dem armen Krüppel diesm bequemen Dienst verschaffte, ja, sogar den prächtigen Hund mir geschenkt hat, für den guten Herrn müßte ich, wenn's in meinen Kräften stände, noch weit mehr thun, als diese kleine Gefälligkeit. Gelt, Nero wir beide verrathen es nicht, daß unser Wohlthäter ein paar Stunden in unserm Häuschen sich ver borgen gehalten, um die Ankunft unserer jungen Durchlaucht abzu warten?" Der Hund stieß einen kurzen, energischen Laut aus, als hätte er die Frage verstanden und beruhigt legte sich der Wächter zur Ruhe nieder. (Forts, folgt.) Vermischte». * Die Huttrauer. „Sie tragen Flor um den Hut? Wen betrauern Sie?" — „Den beklagenswerthen Zustand meines CylinderS." * Die siamef ische Regierung läßt die Buchstaben, die sie für ihre Staatsdruckerei braucht, in Berlin schneiden und gießen. Früher erhielten derartige Aufträge nur London oder Paris, jetzt wird viel für fremde Regierungen in Berlin hergestellt. So ändern sich die Zeiten! * Eines der kühnsten amerikanischen Projekte der Neuzeit dürfte wohl die in Aussicht genommene Beleuchtung des Atlantischen OzeanS mittelst elektrischen Lichtes sein. Man will einen belichteten Weg quer über das Meer von der Neufundlandbank bis zur irischen Küste her- stellen. Zehn Schiffe sollen zu dem Zwecke in Entfernung vou je 200 Seemeilen in gerader Linie auf offenem Meere derartig verankert wer den, daß sie sich allseitig um den Anker drehen können, ohne ihn zu lockern. Diese Leuchtschiffe sollen durch elektrische Kabel untereinander und mit dem Ufer verbunden werden und die Aufgabe von Depeschen ermöglichen. * Beide faßen auf einer Bank. Aus feinem Gesichtsaus drucke war deutlich zu lesen: „Es war um ihn geschehen." „Willst Du mein sein?" Mach er, und versuchte, sie etwas näher an sich zu ziehen. Sie blieb f.st sitzen und rückte nicht. „Ich will ein guter Mensch werden und alle meine schlechten Gewohnheiten aufgeben!" sagte er dringend. Keine Erwiderung. „Will nie mehr trinken", fuhr er fort. Der Gegenstand seiner Verehrung blieb gefühllos. „Und mir das Rauchen adgewöhnen!" Keine Antwort. „Und das Spielen lassen." Kalt wie zuvor. „Will nie ohne Dich ausgehen!" Sie schüttelte nur mit dem Kopfe. „Und Dir morgen einen Diamant ring schenken!" Da hob die Maid die gesenkten Äugen zu den seinen empor und, ihr Köpfchen an seine Schulter lehnend, flüsterte sie bebend: „O Alfred, wie bist Du so lieb!" und so saßen sie da, sie — träu mend — sinnend — denkend an den Dtamantring, und er — wo in der Herrgottswelt er einen hernehmen sollte. * Der Klient und der Advokat. „Ueberreichten Eie Ihre Rechnung dem Beklagten?" fragte ein Advokat seinen Klienten. — „Das that ich allerdings," war die Antwort. — „Und was sagte er?" fragte der Advokat weiter. — „Er sagte, ich möchte damit zum Teufel gehen." „Was thaten Sie nun darauf?" — ,Lch kam zu Ihnen!" * Bismarck und die armen Leute. Vor einigen Jahren hatte Bismarck in Erfahrung gebracht, auf einem seiner Güter, wo er be greiflich nur selten anwesend sein konnte, werde auch des Sonntags gearbeitet. Da fetzt er sich flugs hin und schreibt seinem Verwalter: ',Das muß aufhören." Der Verwalter aber antwortet: „Die Leute können es nicht anders machen; wenn sie die ganze Woche auf den herrschaftlichen Gütern arbeiten müssen, so bleibt ihnen keine andere Zeit, ihre eigenen Feld- und Gartenstücke zu bearbeiten, als der Sonntag." Darauf kommt von Bismarck der Bescheid: „Ich will nicht, daß man auf meinen Gütern Gott raube das, was fein ist; deshalb muß eine andere Ordnung eingeführt werden. Wenn meine Dienst leute einen eigenen Acker zu bestellen haben oder ihr Korn reif ist und es zu ernten gilt, dann gehen sie voran, nicht ich. Die Sonn- tagsardeit aber muß aufhören." Diese neue Ordnung wird eingeführt. Die Leute auf dem Gute aber denken: weil der Gutsherr so getreu lich für uns sorgt, so wollen wir an unserm Theil auch um so treuer sorgen, daß er nicht zu Schaden komme. Und alle sind um so eifri ger und fleißiger, und die Bestellung der Felder wird so fest und fröhlich, so kräftig und ausdauernd angegriffen, daß alles viel lustiger und besser geht, als je vorher. Der Verwalter hatte seine Freude daran und schreibt seinem Herrn nach Berlin: „Das war ein guter Griff. Niemand hat von dieser Neuerung einen größeren Vortheil gehabt, als die Herrschaft: im Nu war alles fertig." * „Ehe ich Soldat werde, schwimme ich lieber nach Amerika." Diese unvorsichtige Aeußerung hatte am 20. April ein in Osterfeld zum Militär ausgehobener Kaufmann hart zu büßen. Die Äushebungskomnnssion verfügte die Verhaftung und sofortige Einstellung des jungen Mannes in das 36. Regiment. Also nicht mucksen!