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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharaud, Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königl. Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. ckceitag, den 24. Oanuar l868. 4. Verantwortlicher Redacteur und Verleger: A. Lorenz. Von dieser Zeitschrift erscheint alle Freitage «ine Nummer. Der Preis für den Bterteljahrgang beträgt 10 Ngr. und ist jedesmal vorauszubezahlen. Sämmtltche König!. Postämter nehmen Bestellungen darauf an. Anzeigen, welche im nächsten Stück erscheinen sollen, werden in Wilsdruff sowohl (in der Redactton), als auch in der Druckerei d. Bl. in Meißen bis längstens Donnerstag Vormittags 8 Uhr erbeten, Inserate nur gegen sofortige Bezahlung besorgt, etwaige Beiträge, welche der Tendenz des Blattes entsprechen, mit großem Danke angenommen, nach Befinden honortrt. Redaction Umschau. Das Kirchenvorstands- u. Synodalgesetz kommt nun doch noch zu Stande. Jede der beiden Kam mern ist ein Stückchen zugerückt: die erste ließ den Vorsitz der Geistlichen auf gewisse Verhandlungen beschranken, die zweite gab zu, daß in der Synode 24 Geistliche neben 30 Laien sitzen. — Es ist eine alte Klage, besonders von Seiten der Lehrer, daß die Schulkinder die Bibel in den Händen haben müssen. Sie enthält Dinge, die nicht für Kindesaugen und Ohren passen, Dinge, über die Erwachsene errölhen müssen. Ein ganzes Verzeichniß solcher anstößigen Stellen lag kürzlich der zweiten Kammer mit der Bitte um Einführung eines Bibelauszugs in die Schulen vor. Die Kam mer empfahl dem Ministerium, durch geeignete Kräfte eine solche Schulbibcl Herstellen zu lassen; der Minister wollte jedoch erst noch andere Stim men über die ganze Angelegenheit hören, weil er fürchtet, die Schule möchte ohne die ganze Bibel von ihrem christlichen Charakter verlieren. — Die Volks-Zeitung brachte folgende Zuschrift: Einem Privatbriefe entnommen, theile ich Ihnen folgendes unerhörte Factum aus dem Dorfe Grün weit scheu bei Gumbinnen mit: „Eine im höchsten Elende sich befindende Familie erhielt von einem Agenten des Hülfscomite in Königsberg 5 Thaler Baarunterstützung am Vormittage des 8. Jan. 1868. Der Familienvater und drei Kinder lagen fast ver hungert und krank zu Bette und in den Augen der Frau, welche das Geld in Empfang genommen hatte, glanzten noch Thränen des Dankes, Gegen Mittag tritt der Executor zufällig in die Stube und sicht auf dem Tische die 5 Lhlr. liegen. Mit Mitleids, voller Miene zieht er von denselben 3 Lhlr. 2z Sgr. als rückständige Steuerreste ein, sagt aber der Frau dabei, welche vor Entsetzen kaum der Worte fähig ist, daß sie diese Summe wohl zurückerstattet er halten würde, wenn sie eine Eingabe machte." — Ueber das Unglück in der Kohlengrube bei Iserlohn in Westphalen schreibt man: „Es sind von den 230 Mann, die einzufahlen hatten, nur 100 eingefahren und zwar weil der Rest, der von weit her zur Arbeit kam, durch den Regen so durchnäßt wür, daß erst eine Trocknung der Kleider vorge- nommen werden mußte. Dieser kleine Umstand verhinderte, daß das Unglück noch größer wurde, als es leider schon ist; 6z Ührerftlgte die Explosion. Von den drei Fahrhauern, welchen die Ueberwa- chung der Sicherheit der Gruben obliegt, kamen zwei mit dem Referat: „Alles in Ordnung!" zu rück — der dritte jedoch erlag dem Unglücksfall, er konnte nicht mehr berichten: „Gefahr in Anzug!" Von welcher furchtbaren Wirkung die Explosion war, mag der Umstand beweisen, daß 20 Förder- wagen zu 20 Scheffel wie Glas zusammengedrückt worden waren. Von den Verunglückten waren ein Drittel Familienväter, zwei Drittel standen im Alter von 20 - 27 Jahren." Ein Augenzeuge schildert den Eindruck, den die Leichen auf ihn machten, folgendermaßen: Da liegen sie in Reih und Glied — alle todt! Es ist wie ein schwerer Traum, e» ist, als müßte eine Hand sich ausstrecken über die Rethen der Erschla genen und eine Stimme von oben da- „Stehet aus!" darüber rufen. Aber kein Laut, als Seufzen und Jammern. Da liegt ein Knabe, der heute zum ersten Mal die Grube befahren hat, ste ist sein Grab geworden. Und da große, schöne Gestalten mit breiter Brust, so still und sanft das .Gesicht, als schliefen sie und würden gleich diejenigen be grüßen, die sich jammernd darüberbeugen. Ja, sie schlafen, aber kein Jammer weckt und schreckt ste