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Iverde ich herausbrüllcn! — Brüllen Sie, wenn es Ihre Passion ist, antwortete Gambetta.) Der König von Griechenland wird sich in den nächsten Tagen nach der griechisch-türkischen Grenze begeben, um die dort ausgestellten Truppen zu inspiziren. Der König wird bei dieser Gelegenheit eine feierliche Ansprache an die Soldaten halten. Es war zu erwarten, daß die Pforte den Rüstungen der Griechen nicht ruhig zusehen würde. Nach einem der „National- Zeitung" aus Paris zugegangenem Telegramm hat die türkische Re gierung denn auch den Mächten angezeigt, sie sei angesichts der Rü stungen Griechenlands gezwungen, an der Grenze militärische Vor kehrungen zu treffen, aber betreffs der Regulirung des Gebiets in der Abtretungsfrage zu den möglichsten Konzessionen bereit, nur müßten Janina und Larissa von jeder Diskussion ausgeschlossen bleiben. Griechenland muß sich nun wohl oder übel mit dem Gedanken vertraut machen, auch aus London abmahnende statt aufmunternde Winke zu erhalten. Der Pariser „Temps" hört, daß das Cabinet von St. James fortgesetzt in diesem Sinne Vorstellungen nach Athen ergehen lasse, und damit harmonirt aufs Beste, was man der „Karlsr. Ztg." aus Wien mittheilt, daß nämlich der dortige englische Botschafter in der Lage gewesen sei, anzukündigen, daß seine Regierung, auch wenn sie nicht den größten Werth darauf lege, daß europäische Concert auf recht zu erhalten, nicht gesonnen sei, die Pforte vor abenteuerliche An griffe stellen zu lassen, welche ihren bösen Willen schärfen und ihren guten Willen zu nichte machen könnten, und daß sie deshalb zu ihrem Theil in Athen die bestimmte Erklärung avgeben werde, Griechenland laufe Gefahr, das Wohlwollen Europas zu verscherzen, wenn es nicht darauf verzichte, auf eigene Faust eine ohnehin hoffnungslose Aktion zur Verwirklichung von Ansprüchen in Scene zu setzen, für welche es keine andere Basis gebe, als die politische Zweckmäßigkeit, wie sie aus dem europäischen Interesse resultire. Das „ReuterscheBureau" meldet aus Konstantinopel vom 16. d. M.: Terwisch Pascha zeigte telegraphisch an, die Umzingelung von Dulcigno sei vollendet, keinem Bewaffneten sei ferner mehr gestattet, in die Stadt Dulcigno cinzutreten, er werde Jeden, der den Eintritt in die Stadt erzwingen wolle, erschießen lassen. Wie aus Petersburg, 16. Nov., berichtet wird, ist gegen die vom Militärkreisgericht zum Tode durch den Strang verurtheilten Kwiatkowsky und Presniakosf das Urtheil heute früh 8 Uhr in der Peter-Pauls-Festung vollzogen worden. — Der Kaiser hat bei dreien vou den fünf zum Tode verurtheilten Angeklagten, nämlich bei Schi- riajeff, Tischonoff und Okladsky, die Todesstrafe in lebenslängliche Zwangsarbeit umgewandelt. Es sind übrigens bei den Behörden, ähnlich wie bei früheren Prozessen, sowohl Drohungen, wie anonyme Warnungen eingelaufen, laut deren die Nihilisten bei eventueller Voll» streckung der Todesurtheile einen neuen „Racheakt" gegen den Kaiser ankündigen resp. planen sollen. Man ist dieser Drohungen wegen Hier übrigens durchaus nicht ganz ohne Besorgniß. Vaterländisches. Wilsdruff, Wie wir aus einer in heutiger Nr. befindlichen Concertanzeige ersehen, ist unser strebsamer Sladtmusikdirector Kießig darauf bedacht gewesen, hiesigen Musikfreunden wieder einmal einen außergewöhnlichen Kunstgenuß durch Aufführung eines größeren Con- certes zu bereiten, indem es ihm gelungen ist, das in der Künstler welt bereits bekannte Geschwisterpaar Fräulein Bianka und Laura Pauli aus Dresden für dasselbe zu gewinnen. Beiden Damen geht als bedeutenden Künstlerinnen auf dem Pianofvrte und der Vio line ein guter Ruf voraus, und überall, wo sie mitgewirkt haben, ist ihnen reicher Beifall gezollt worden. Herr Musikdirektor Kießig wird außerdem zu diesem Coneert sein eignes Musikchvr noch durch das seines Herrn Sohnes aus Nossen verstärken und überhaupt Alles auf bieten was in seinen Kräften steht, um den Ansprüchen eines kunst sinnigen Publikums gerecht zu werden. Wir erlauben uns daher schon heute alle Musikfreunde von hier und Umgegend auf dieses nächsten Donnerstag im Gasthof zum goldnen Löwen stattfindende Eoncert aufmerksam zu machen und zu recht zahlreichem Besuche desselben aufzufordern, um dadurch Herrn Director Kießig die großen Opfer, die er bei Arrangiruug derartiger Concerte zu bringen hat, mit tragen zu helfen. — Die diesjährigen Wahlfähigkeitsprüfungen in Nossen beginnen den 6. December und gehen den 10. December zu Ende. Die königl. Prüfungskommission besteht aus Sup. l)r. Kunze in Meißen, Bezirks- schulinspertor Wangemann daselbst, Schulrath Brätz, Musikdirector Rudolph und den Oberlehrern Wagner und Börner in Nossen. — Ein interessantes Patent hat Herr Chemiker Alwin Nieske in Dresden anmelden lassen. Es sind besonders construirte Oefen und Wärmflaschen zur dauernden Erhaltung der Wärme. Diese Oefen rc. haben Behälter, in die Essigsaures Natron gefüllt wird. Die Behälter werden in kochendes Wasser getaucht, das Natron schmilzt alsdann und bindet infolge seiner hohen Schmelzwärme eine intensive angenehme Wärmemenge, welche circa 10 Stunden anhält. Alsdann werden die verlötheten Behälter wieder in kochendes Wasser getaucht, um unge schwächt dieselbe Wärme zu entwickeln. Nach einigen Monaten ist erst eine neue Füllung nothwendig. Die Kosten sind äußerst gering. — In der Nähe der Dampfschiffwartehalle zu Kötzschenbroda ist gegenwärtig eine Baggermaschine thätig, um ausgebaggerte Elbkiesel und Sand zu gewinnen zum Ausfüllen der sogenannten Elbteiche, die durch Aufführung des vor Jahren gebauten Elbdammes entstanden sind. Leider hat sich vorige Woche ein beklagenswerthes Unglück da bei zugetragen. Es war eine Baggerzille eben sehr voll geladen und sie sollte an das Ufer abwärts fortfahren, als durch den Wellenschlag des vorbeifahreudev Dampfschiffes „Bastei" dieselbe überschwemmt wird und schnell sinkt. Dabei verunglückten die vier Männer, die auf der Zille waren, wurden jedoch durch Mannschaften einer leer heranfah renden Zille wieder aus den Fluthen gerettet und durch ärztliche Be mühungen in's Leben zurückgebracht. Der Steuermann Friedrich Wachs aus Boritz bei Riesa ist jedoch am nächsten Tage in Folge der Erkältung gestorben. — Die kaiserliche Oberpostdirection macht zur Beseitigung von Zweifeln unterm 1. d. M. in einer Verfügung an sämmtliche kaiserl. Verkehrsanstalten bekannt, daß von den im Umlauf befindlichen Ein thalerstücken gegenwärtig nur die preußischen Thaler aus den Jahren 1750 bis 1822 zur Einziehung gelangen. Dagegen sind sämmtliche Einthalerstücke deutschen Gepräges, ferner sämmtliche preußische Ein- thalerstücke aus den Jahren von 1823 ab, und die in Oesterreich bis zum Schluß des Jahres 1867 ausgeprägten Vereinsthaler noch ferner umlaufsfähig und daher nicht anzuhalten. Dieselben sind vielmehr, wie sie unbeschränkt in Zahlung genommen werden müssen, eben so unbeschränkt bei den zu leistenden Auszahlungen, z. B. im Postanwei sungsverkehr, bei Zahlung von Gehältern und Vergütungen, bei Be richtigung von Rechnungen von Lieferern und Handwerkern u. s. w. zu verwenden. — Bei der königl. sächsischen Landes-Lotterie treten von und mit der 100. Lotterie verschiedene Umgestaltungen in Kraft; die gegenwärtige Theilung der Cvllecteure in Haupt- und Unter cvllecteure füllt weg und werden in nur Collcctcure umgewandelt und von der königl.,>Lolterie-Direction mit dem unmittelbaren Vertriebe der Loose betraut. Anstatt der seitherigen Viertel werden Fünftel und der seit herigen Achtel werden Zehntel ausgegeben und wird sich der Preis eines ganzen Looses für alle 5 Classen auf 200 Mark belaufen. — Einen gewiß allen Patrioten unseres engeren Vaterlandes höchst erfreulichen und willkommenen Beschluß faßte in der am 15. Novem ber eigens dazu einberufenen Sitzung das Direktorium von Sach sens Militärvereinsbund, nämlich: zum ewigen Andenken und aus dankbarer Erinnerung an Se. Maj. unsern höchstseligen König Johann die Errichtung eines Denkmals in die Hand zu nehmen und binnen Kurzem mit der Bitte um diesfallsige Unterstützung und des sonst Er forderlichen an die Oeffentlichkeit zu treten. — Lansigk. Am 16. November haben die beiden hier garniso- nirenden Schwadronen des Husarencegiments die Stadt verlassen, um einstweilen in dem Barackenlager bei Zeithain untergebracht zu werden. Diese Maßregel hängt damit zusammen, daß dreißig Soldaten von dem hier herrschenden Typhus ergriffen worden sind. Die Erkrankten befinden sich im Herrmannsbade unter sorgsamer Pflege. — Rochlitz. Der hiesige Vorschußverein, feit 1863 inThä- tigkeit, hat sich in Frieden aufgelöst. In der am 6. November d. I. stattgefundcnen letzten Generalversammlung konnte beschlossen werden, den Mitgliedern anßer der Rückzahlung ihrer Stammantheile eine Dividende vou 19'/, Proz. als Ueberfchuß zu gewähren, so daß der Stammantheil von 150 Mk. mit 179 Ml. zur Rückzahlung gelangt. Der noch verbleibende Ueberschuß von 21 Mk. fließt der Armenkasse der Stadt Rochlitz zu. Die Verwaltung des Vereins war stets eine musterhafte. Adelstolz und Bürgerthum. Culturgeschichtliche Erzählung von E. Heinrichs. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Hermine betrachtete den Assessor, welcher vergebens seine Zerstreut heit zu bewältigen suchte, mit großer Aufmerksamkeit, und sie hatte schon eine Frage auf den Lippen, als die Thür sich wieder öffnete und ein junger Mann in schwarzem Anzuge, mit heilerem, genialem Antlitz hereintrat. „Gott zum Gruß, lieber Bruder Carl!" rief Mathilde ihm ent gegen; welch' großes Glück, daß Du erscheinst; der Assessor fängt Grillen, und es ist mir, als höre ich die häßlichen Dinger schon zirpen und summen " Carl Burchard, wohlbestallter Doctor der Medicin, der jüngste Sohn des Hauses, warf einen Feuerblick auf Charlotte von Wüllen, welchen diese lächelnd erwiderte, dann schritt er mit gravitätischem Ernste auf Philipp zu, ergriff seine Hand und fühlte nach seinem Puls. „Fieberhafte Aufregung!" explicirte er schalkhaft, „der neue Club des Herrn Landjyndicus spukt in diesen unregelmäßigen Schlägen; — hm! — hier kann nur etwas niederschlagenbes bürgerliches Pulver wirken." „O, weiser Aesculap!" lachte Philipp, „nur schnell mit dem Re- cepte her! Doch ohne Scherz, Doctor! ich stehe hier im Kreise der Damen, wie Herkules am Scheidewege; ich soll de» Schiedsrichter spielen, und darf doch nicht in eigner Sache gegen das Gesetz freveln. Rathe mir, weiser Salomo! der Du die sieben Siegel der Weisheit gelöst, und entscheide Kraft Deines Amtes nach Recht und Gewissen." Der junge Doctor zog sich einen Sessel heran und ließ den heitern Blick fragend über die Damen gleiten. „Es handelt sich hier um die Errichtung des „neuen Clubs" auf der „Neuen Schenke", begann Charlotte v. Wüllen, die im Kreise der Damen stets das Wort führte. „Wie mein Bruder uns mitgetheilt, steht in den Statuten der fürchterliche Paragraph, daß Nichtmitgliedern der Zutritt verboten ist. „Das sieht dem neuen Club wie ein Zwilling dem andern ähnlich", bemerkte der Docter trocken. „Ferner darf kein bürgerliches Individuum Mitglied werden," fuhr Charlotte ironisch fort. „Hm, die Statuten hat der Landsyudicus sicherlich ganz allein ent worfen," meinte Mathilde schalkhaft. „Zu dienen," antwortete Philipp, „und da dachte ich nun, weil Wüllen, der Oheim, den Ädelsclub errichtet, muß Wüllen, der Neffe den ersten Bürgerclub auf dem „Neuen Hause" zu Stande bringen." „Bei den Göttern! der Plan ist prächtig," rief der Doctor fröh lich. „Ich bin Mitglied und noch in dieser Stunde sollen unsere Sta tuten entworfen werden. Ich selbst habe die beste Gelegenheit, Mit glieder zu werben. Was sagt Ludwig dazu?" „Nun, ihm wäre cs schon recht, — er hat sich mit solchem Ge danken schon lange unklar umhergetragen. Doch so sind wir Hano- veraner, Gedanken besitzen wir Alle; nur gehört erst ein tüchtiger An stoß dazu, sie zur Reife und Ausführung zu bringen. Unser Land- syndicus hat in der That große Verdienste um die Stadt; er bringt das rechte Licht, mit dem Leibnitz vergebens unter uns gewandelt und geleuchtet, so recht praktisch in die Köpfe hinein." „Pfui über den Grobian!" unterbrach ihn Charlotte halb lachend, halb unwillig. „Ei was, ich habe doch recht," fuhr Philipp fort; „seht nur, wie nachdenklich unser Salomonischer Aesculap geworden. Nun also, um zuin Ziele zu kommen, Herr Ludwig will den Club, das ist abgemacht, doch der Assessor darf um keinen Preis der Begründer desselben sein; dazu gehört ein Mann, der die Liebe und Achtung seiner Mitbürger besitzt und nebenbei nie in Geldverlegenheit geräth." „O, über den kalten Spötter!" rief Ludwig'S Gattin ernst. „Pro- testirt er doch nur einzig aus dem Grunde, um die Kluft zwischen Adel und Bürger nicht noch größer zu machen, — weshalb um solche Dinge neuen Unfrieden und Zwist in die Familie schleudern?" „Und der Ludwig hat Recht," rief Hedwig, welche noch gar keinen Antheil an diesem Streite genommen; „mag Philipp Genugthuung in