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der städtischen Kollegien Mitteilung de» königl. krieg«minifterium» «>ngeg<»H«K, daß fiir den Fall der späteren Reuausstellung von Kavallerie-Truppenteilen dir Stadt Chemnitz alt Standort einet Kavallerie-Regiments in Aussicht genommen ist und daß unerwartet dessen bereits am I. Oktober d. I. eine Eskadron Jäger zu Pferd« nach Chemnitz verlegt werden, sowie später, vielleicht schon im nächsten Jahre, eine zweite Eskadron ihr folgen soll. Während rin künstigrs Kavallrrir-Regiment voraussichtlich auf rinrm von den städtischen Kollegien hierzu zur Beifügung gestellten Teile de« städtischen Areals nördlich der Planitzstraße kaserniert werden soll, werden die beidrn Eskadron- zunächst aus den dem Militärfisku« bereits gehörigen Areale zwischen der Kaserne des 181. Regiments und der Zeifigwaldstraße provisorisch in Baracken untergebracht werden. — Im Zuchthause zu Waldheim hat der au« Eibenstock gebürtige, zuletzt in Pölbitz bei Zwickau wohnhaft gewesene Fabrik arbeiter Max Lenk seinem Leben durch Erhängen ein Ende gemacht. Lenk hatte im Herbst vorigen Jahres in Schneeberg seine Geliebte, die Fabrikarbeiterin Apitz, die nicht» mehr von ihm wissen wollte, erschossen und war deshalb vom Zwickauer königlichen Schwurgericht wegen Mordes zum Tode verurteilt worden. Durch die Gnade des Königs wurde die Todesstrafe in lebenslängliche Zuchthaus strafe umgrwandclt. — Wegen epidemischer Ausbreitung der Masern unter den Kindern — gegen 100 Erkrankungen — ist die Schule zu Nie derstriegis, zu welcher auch die Dörfer Grunau und Littdorf ge hören, auf vorläufig 14 Tage geschloffen worden. — Der Soldat Göhler vom 12. Infanterieregiment Nr. 177, der am Abend de- Neujahrstages auf der Landstraße zwischen OberkunnerSdors und Klingenberg den 400 Mark bei sich tra genden Briefträger Kohlmann räuberisch überfiel und nach hefti gem Würgen mit dem Messer stach, war vom Kriegsgericht der 1. Division in Dresden wegen versuchten Totschlags u. s. w. zu 6 Jahren Zuchthaus verurteilt worden. Gegen diese- Erkenntnis hatte der Kriegsherr, Prinz Friedrich August, Berufung eingelegt, weil Göhler nicht wegen versuchten Moides bestraft worden war. Da» OberkrirgSgericht hob daS Urteil der Vorinstanz auf und er kannte gegen den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Ver bindung mit versuchtem schweren Straßcnraube, versuchter Brand stiftung, Fahnenflucht, Preisgabe eine-DienstgegenstandeS und ein fachen »ich schweren RückfallsdiebstahlS zu 12 Jahren Zuchthaus, 10 Jahren EhrenrechtSverlust, Versetzung in die zweite Klasse de» Soldatenstande«, Entfernung au- dem Heere und Stellung unter Polizeiaufsicht. — Mit Bezugnahme auf den Artikel deS „New-Iorker Mor- gen-Joumals", eine Spur des Finders der vom Rentier Janssen in Dresden verlorenen 75000 Mark betreffend, wird bestätigt, daß die Dresdner Kriminalpolizei vor einiger Zeit in regem Kabel perkehr mit dem kaiserlich deutschen Generalkonsulat in New-Jork gestanden hat wegen Verfolgung einer Person, die in Verdacht kam, 75000 Mark gefunden und unterschlagen zu haben. Der Verdacht hat sich jedoch nach einer am Sonnabend in Dresden eingegangenen Kabelnachricht deS erwähnten Generalkonsulat« als unbegründet herau-gestellt. — Beim Rangieren fand am Sonnabend vormittag in Oschatz der Eisenbahnarbeiter Schödler dadurch seinen Tod, daß er aus glitt und unter die Räder eine« Güterwagen« geriet, die ihm über die Brust gingen, sodaß er bald darauf verstarb. Schödler, rin noch junger Mann, hinterläßt Frau und ein noch nicht schul pflichtiges Kind. — Im Jahre 187S war bekanntlich ein Kaufmann Gustav Adolf Kästner aus Leipzig von dem Landgericht I zu Berlin wegen versuchten Betrugs mit zwei Jahren Gefängnis bestraft worden, weil er dem ReichSpostfiskuS gegenüber einen Schaden ersatzanspruch mit der Begründung geltend gemacht hatte, daß ein von ihm mit 25150 M. Inhalt aufgegebener Gcldbrief auf der Post seines Inhalte- beraubt worden sei. DaS Gericht nahm da mals entgegen dem Leugnen Kästners für erwiesen an, daß die erwähnt« Summe dem Briefe gar nicht beigelegen habe, vielmehr von Kästner fälschlich deklariert worden sei. Vor einiger Zeit veröffentlichte nun der „Berliner Vorwärts", wie s. Z. berichtet, einen ihm mit dem Poststempel Leipzig zugegangencn Brief, in welchem rin Anonymus sich selbst beschuldigt, den oben erwähnten Geldbrief seinerzeit beraubt und das Geld in seinem Nutzen ver wendet zu haben. Kästner sei damals unschulvig verurteilt wor den. Der Anonymus, alt der wirkliche Thäter, fühle jetzt Reue und bediene sich der Vermittelung deS „Vorwärts", den Kästner ausfindig zu machen und ihm wenigstens den verbliebenen kleinen Rest de- Gelbes wieder zuzustellen. Die Dresdner Kriminalpolizei hat jetzt festgestellt, daß der betr. Kästner in Dresden wohnt und der an den „Vorwärts" gerichtete anonyme Brief von ihm selbst durch Vermittelung einer in Dresden wohnhaften Frau in Leipzig zur Post gegeben worden ist. Kästner behauptete anfänglich, dem an den „Vorwärts" gerichteten Briefe vollkommen fern zu stehen und keine Ahnung zu haben, von wem derselbe herrühre. Nach Ermittelung der betr. Frau gab er aber zu, Len Brief mit Kennt- und Geist gleich vollendet schönen jungen Dame herangereift. Da sie obendrein für die einstige Erbin deS Ehepaares galt, wurde sie von Verehrern und Bewerbern um ihre Hand natürlich um schwärmt; auch Arno von Sencken, der zu den oberflächlichen Be kannten der Hauses gehörte, hatte zu den Motten gehört, die be gehrlich daS glänzende Licht umflattern, dabei aber höchstens sich die Flügel zu verbrennen pflegen. In cingeweihten Kreisen wußte man, daß da- Ehepaar ganz andere Absichten mit seiner Pflege tochter hatte. Der vertraute Prokurist deS Bankiers, Ernst Vahl, ein hübscher beginnender Dreißiger, dem ein lauterer Charakter nachgerühmt wurde und der zugleich den Vorzug besaß, au- einer eb-nfalll begüterten Patrizierfamilie zu entstammen, galt als der zukünftige Gatte der jungen Lame; dies umso mehr, als die jurgen Leute aus ihrer gegenseitigen Zuneigung durchaus kein H hl machten. Zu einer offiziellen Verlobung war eS indessen noch nicht gekommen, man glaubte aber allgemein, daß der zu nächst erfolgende einundzwanzigste Geburtstag deS liebreizenden jungen Mädchens zugleich ihr VerlobungStag sein werde. Mit einem Gefühl innerer Unbehaglichkeit erwartete Angelika am nächsten Tage den Besuch Arno von ScnckenS, von dem sie sich wohl keine Rechenschaft zu geben vermochte. Am liebsten hätte sie den Besuch des ihr durchaus unsympathischen Menschen zurückgrwiescn. Aber sie konnte dies nicht gut, ohne gegen das einfache Gebot der Höflichkeit zu verstoßen, und so beschloß sie denn, daS Unvermeidliche mit Würde zu ertragen. Keine böse DorauSahnung dessen, was die nächsten Stunden ihr unfehlbar bringen mußten, trübte ihren glücklich heiteren Sinn. (Fortsetzung folgt.) nis von dessen Inhalt in der erwähnten Weise besördert zu haben, nur will er den Brief nicht selbst geschrieben, sondern von einem Unbekannten, dessen Vorhandensein er jedoch nachzuwrisen nicht im stände ist, mit der Weisung erhalten haben, ihn dem „Berliner Vorwärts" einzusenden. Verschiedene Widersprüche, in die sich Kästner außerdem noch verwickelle, lassen keinen Zweifel, daß daö ganze Manöver mit dem Briefe auf Kästner al- Urheber zurückzu- sühren ist. — OelSnitz i. Erzgeb. Zu dem hiesigen Sängerfeste de» Erzgrbirgischen Sängerbundes haben sich bereits 1400 Sänger angemcldet. Da von 22 Vereinen noch die Anmeldrlisten fehlen, so steht eine Beteiligung von ca. 1600 Sängern zu erwarten. Auch für den am Vorabend stattfindenden Kommers wird die Be teiligung eine lebhafte werden, sodaß über 200 Delegierte, die zu verquartieren find, rintreffen werden. — Aus dem „Heinrich"-Schachte der v. Arnimschen Werke zu Oberplauitz brach plötzlich eine Schicht Gestein über den Berg mann Rauh aus Planitz, der sich bei der Arbeit befand, herein. Rauh suchte zunächst vaS drohende Unheil selbst abzuwenden, auch wurde von seinen Arbeitskollegen alles ausgeboten, um den Ver schütteten zu retten. Leider blieben aber alle diese Bemühungen erfolglos. Nach mehreren Stunden ist Rauh durch dir aus ihm lastenden Kohlen erdrückt worden. — Wegen Verwendung von Meat-Präservesalz wurden am Dienstag in Plaue« i. B. vom Landgerichte zwölf Fleischer aus Treuen, OelSnitz, Pausa und Ellefeld zu 70 bezw. 80 M. Geld strafe oder zu 7 bez. 8 Tagen Gefängnis verurteilt. Die An geklagten hatten dem Hackfleisch« solches Salz zugesetzt und diese» verkauft, ohne davon den Käufern Mitteilung gemacht zu haben. Ebenfalls eine Strafe von 70 M. oder 7 Tagen Gefängnis er hielt ein Bäcker und Handelsmann in Vogtsberg, weil er an zwei der bestraften Fleischer Meat-Präservesalz verkauft hatte. — Preisermäßiguugt« für sächsische Steinkohle«. Auf sämtlichen Werken der Konvention sächsischer Stcinkohlenwerke sind Preisermäßigungen, für Jndustrickohlen um 2—3 Mk., für HauS- brandkohle um 6—8 Mk. pro Doppelwagrn generell festgesetzt worden. Tagesgeschichte. Deutsches Reich. — Der Kaiser u«d der Kronprinz kehrten am Sonntag abend von ihrer gemeinschaftlichen Reise nach^ Berlin zurück. Nach Beendigung der Nordseesahrt fand am Freitag abend in Bremerhaven an Bord des Schnelldampfers „Kronprinz Wilhelm" ein Festesten statt, bei welcher Gelegenheit der Monarch einige OrdensauSzcichnungcn verlieh. Im Laufe des Sonnabends wohnte der Kaiser mit seinem „Aeltesten" den Schießversuchen in Meppen bei. Abends erfolgte die Ankunft in Hannover. Dort besuchten der Kaiser und der Kronprinz am Sonntag vormittag den Gottes dienst in der Garnisonkirche, hierauf besichtigten sie die Schätze des Provinzialmuseums. Mittags geht unter großer Feierlichkeit die Enthüllung des Denkmals für den Reitcrgeneral v. Rosenberg vor sich, woran sich ein Festmahl reiht. — Der neue Dreibuadvertrag wird nach Wiener Meldun gen bereits in den nächsten Tagen unterzeichnet werden. Im Gegensatz zu dem ablaufenden bestimme der neue Vertrag genau die Fälle einer militärischen Intervention. E« wird hinzugefügt, daß sich dem Abschluße deS Dreibundvertrages diesmal doch einige nicht unerhebliche Schwierigkeiten entgcgengestellt hätten, daß eS dem deutschen Reich-kanzler jedoch gelungen sei, diese völlig zu beseitigen. Bezüglich der neuen Handelsverträge soll man sich auf gegenseitige freundschaftliche Versicherungen beschränkt haben. — Fürst Heinrich XXII. von Reuß ä. L. ist am Sonn abend nachmittag */,6 Uhr gestorben, nachdem früh plötzlich Herz, lähmung eingetreten war. Fürst Heinrich hat vor wenigen Wochen erst sein 56. Lebensjahr vollendet, er ist am 28. März 1846 geboren. Seit 28. März 1867 führte er die Regierung selbst ständig, nachdem er 8 Jahre lang unter der Vormundschaft seiner Mutter Karoline (sein Vater starb am 8. November 1859) regiert hatte. Fürst Heinrich hat sich bekanntlich mit dem Einheitsgedanken nie befreunden können, Episoden, wie er „protestierte", sind ja viele erzählt worden. Man weiß auch, daß sein emsiger Leibes erbe geisteskrank ist und an besten Stelle der Erbprinz von Reuß j. L. zur Regentschaft berechtigt ist. Fürst Heinrich hatte sich am 8. Oktober 1872 mit Ida, Prinzessin zu Schaumburg-Lippe, ver mählt, die am 28. September 1891 verstarb. Der Ehe entsprossen 6 Kinder: Erbprinz Heinrich XXIV., geb. 20. März 1878; Prinzessin Emma, geb. 17. Januar 1881; Prinzessin Marie, geb. 26. März 1882; Prinzessin Karoline, geb. 13. Juli 1884; Prinzessin Hermine, geb. 17. September 1887; Prinzessin Ida, geb. 4. September 1891. — Der neue ZentrumSsührer. Wie der „Post" zufolge verlautet, dürfte künftighin der Abg. Bachem die führende Rolle in der ZentrumSpartei einnehmen. vr. Bachem steht erst im 44. Lebensjahre, er gehörte zu den Vertrauten deS verstorbenen Abg. Or. Lieber und teilte dessen Anschauungen im vollen Umfange. Immerhin wird eS nicht leicht sein, das Zentrum bei wichtigen Fragen, die außerhalb der besonderen kirchenpolitischen Zwecke liegen, zusammenzuhalten. Koloniale». — Im deutschen Bismarck-Archipel in der Südsee heben die Eingeborenen eine neue Blutthat verübt. Am 3. d. M. wurde Frau Hedwig Wolff mit ihrem Säugling in ihrem Hause zu Paparatava von Eingeborenen durch Axthiebe ermordet, während Pflanzer Wolff sich vom Hause entfernt hatte. Die Leichen wur den auf der katholischen Mission Vumappe beerdigt. Die Ver folgung deS schuldigen Stamme» wurde sofort energisch betrieben. Alle Pflanzungen des Distrikts wurden zerstört und auf Seiten der Eingeborenen etwa 30 Leute getötet, 10 gefangen genommen. Die Polizeitruppe hatte keine Verluste. Eine weitere Ausbreitung der Unruhen ist nicht wahrscheinlich. Das Kriegsschiff „Möve" , ist in Matupi (Ncupommern) eingetroffen. Der stellvertretende ! Gouverneur Hall ist schwer am Fieber erkrankt. Niederlande. — Mit Spannung und Besorgnis verfolgen die Holländer den Verlauf des typhösen Fieber«, das ihre geliebte Königin auf daS Krankenbett geworfen hat, an dem nun Prinzgemahl Heinrich mit seiner Schwiegermutter treue Wacht hält. Die Acrzte, die täglich drei Untersuchungen vornehmen, meinen, eS handele sich nicht um den bösartigen Typhus und führen die Krankheit auf eine Erkältung zurück. Die Untersuchung deS Leitungswaffers im Schlöffe Loo ist resultatloS verlaufen; die Königin trinkt auch nur keimfrei gemachte Milch. ES bleibt jedoch möglich, daß die Königin Typhusbazillen in frischen Austern oder sonstigen Speisen zu sich genommen hat. Den Bestimmungen de» Gesetze« über ansteckende Krankheiten gemäß machte der Hosarzt im Rathaus zu Apeldoorn die amtliche Anzeige von der Krankheit der Königin. Ein gewöhnliches Billet, aus dem der Name der Krankheit ver- zeichnet ist, wurde gleichfalls im Sinne jener Bestimmungen an die Thür der Portierloge geklebt. — Die gänzliche Wiederher stellung der Königin Wilhelmina dürste längere Zeit in Anspruch nehmen. Die Krankheit nimmt zwar weiter ihren gewöhnlichen Verlauf und irgendwelche Komplikationen find nicht eingetreten, daS Fieber hält indes an und die Kräfte nehmen «in wenig ab. Infolge des außerordentlichen Interesses im In- und Auslände hat der telegraphische Verkehr im Schloß Loo stark zugrnoinmen. Prinzgemahl Heinrich vollendete am Sonnabend sein 26. Lebens jahr. Belgien. — In Belgien ist die Ruhe auch nach der Kammerfitzung nicht gestört worden, in welcher der Ministerpräsident de Smet de Nayer die offizielle Erklärung abgab, daß die Regierung unter den obwaltenden Umständen es unter ihrer Würde erachte, ihre Hand zur Abänderung des herrschenden Wahlsystems zu bieten. Da auch der AuSstand gewaltig abflaut, so tritt nun hoffentlich bald wieder allgemeine Ruhe und Ordnung ein. Die Sozialisten hatten ihren Revolutionsplan offenbar auf die vermeintliche Un zuverlässigkeit der Bürgergarde aufgebaut. Da diese sich aber ge horsam und entschlossen zeigt, die Revoltierenden nicht zu schonen, haben letztere die Aussichtslosigkeit jede» Putschversuche« erkannt und sich ins Unvermeidliche gefügt. Rußland. — Der dieser Tage ermordete russische Minister des Innern, Dmitri Sergejewitsch Sipjagin, war im Jahre 1853 geboren. Nach Beendigung der Studien auf der Petersburger Universität trat er 1876 in den Staatsdienst und wurde 1882 Mitglied deS regierenden Senats, wo er an der Aburteilung hochverräterischer Handlungen tcilnahm. 1886 wurde er zum Vizegouverneur in Charkow ernannt, zwei Jahre später wurde er Gouverneur von Kurland, 1891 von Moskau. DaS Jahr 1894 brachte ihm die Beförderung zum Gehilfen deS Ministers deS Innern, der 1. No vember 1899 die Ernennung zum Verweser deS Ministerium- de« Jnnern, das bis dahin der Senator Goremykin inncgehabt hatte. Vor 'der Ernennung zum Gehilfen des Minister- war Sipjagin mehrere Jahre Vorsteher der Kanzlei für Immediatgesuche und hatte als solcher reiche Gelegenheit, die Wünsche unv Bedürfnisse des russischen Volkes kennen zu lernen. Unparteiische kreise hatten damals seinem Eifer und seinem Wohlwollen oft rin sehr günstige« Urteil ausgestellt. Während der Jahre, di« er in Kurland als Gouverneur verbrachte, erwarb er sich die Sympathien deS deut schen Kurland«», sodaß man wohl sagen kann, daß die Mord waffe, die gegen ihn gerichtet war, einen Mann getroffen hat, der ein besseres Schicksal verdiente. Man erinnert sich noch, daß vor wenigen Wochen e.st, als General Lragomirow in Kiew mit der Unnachsichtigkeit eines Alba die studentischen Unruhen zu unterdrücken bestrebt war, Sipjagin, erschreckt durch die drakoni sche Strenge der Generals, in einen scharfen Konflikt mit diesem geriet. Dragomirow eilte zum Zaren, erbat eine Audienz und sagte zum Selbstherrscher: „Majestät, ich bin alt und dumm ge- worden, so dumm, daß ich die Intentionen Ihre« Minister» de« Innern nicht mehr verstehe." Der Zar ließ sich da« näher er klären und meinte begütigend: „Seien Sir ruhig, General, Sie werden so schwerverständlichc Instruktionen nicht mehr erhalten." Dem Minister de» Innern ober wurde bedeutet, er habe seine Entlastung einzureichen. Sein Rücktritt sollte gleich nach dem russischen Osterfeste erfolgen, aber Sipjagin, der hoffen mochte, durch seine weitreichenden Verbindungen — er galt als besonderer Günstling der Kaiserin-Witwe — den Entschluß de« Monarchen wieder rückgängig machen zu können, erbat sich al» besondere Gnade, die von ihm eingeleitete Adel«- und Bauernreform, für die er besondere Komitee« eingesetzt hatte, noch bis zu einem ge wissen Grade zum Abschluß bringen zu dürfen. Nun hat ihn der Revolver de» Mörder» darniedergestreckt, noch ehe er seine Pläne ausführen und seinen Rücktritt zur That werden lasten konnte. Im ReichSratSgebäude, vor welchem sich da» Attentat ab- spielte, befinden sich Sitzungssäle für die Ministerkomitees und im Hofe ein Raum, wo nach durchgcführter Kontrolle sich die Per sonen zu sammeln pflegen, welche Bittschriften überreichen wollen. Dem Mörder ist eS, voraussichtlich durch Anlegung der Adjutanten- uniform, gelungen, die Aufmerksamkeit der Sicherheitsorgane zu täuschen. Der Mörder, der kurz vorher in einer Equipage einge- troffen war, wartete auf den Minister und übergab ihm das Schreiben. Als der Minister daS Schriftstück entgegennahm, feuerte der Uebcrbringer vier Schüsse auf ihn ab und verwundete ihn schwer. Der Schwerverwundete wurde alsbald in da« nahe gelegene MaximowSki-Hospital gebracht und verschied trotz ärztlicher Hilfe nach etwa einer Stunde. Der Mörder, der sich valschaneff nennt, wurde sofort verhaftet. Wie schon gemeldet, bezeichnete er als Beweggrund seine anläßlich der vorjährigen Unruhen in Kiew erfolgte Maßregelung. Selbstverständlich wird auch die revolutio näre Agitation der letzten Monate nicht ohne Einwirkung aus seinen Entschluß geblieben sein. Auf der russischen Botschaft in Berlin erschien noch Dienstag abend namen« de» deutschen Kaisers Generalmajor v. Löwenseld, um den Empfindungen de» Kaisers über die Ermordung deS russischen Minister« Au«druck zu geben. «sie«. — China. Der Ausstand in den südlichen Provinzen nimmt bedenkliche Dimensionen an. Dabei ist di« Regierung ganz außer stände, dem Umsichgreifen der Bewegung Einhalt zu gebieten. Die regulären Truppen lassen sich entweder von den Aufständischen schlagen oder gehen ohne weiteres zu ihnen über. So sind neuer dings tausend Mann von den Truppen deS chinesischen Generals Ma auf der Expedition nach Tschaoyang unter Mitnahme von Munition und Geldern desertiert und haben sich den Aufständischen angeschloffen. Da» Räuberunwesen bei Tientsin in China dauert noch immer an. Eine mutige That verübten die beiden deutschen Musketiere Schröder und Maier. Sie kamen auf einem Pa- trouillcngang an ein von chinesischen Räubern besetzte» HauS. Während Maier vor dem Hause Wache hielt, drang sein Kamerad mutig in dieses ein. Den vordersten Räuber, der ihm mit ge ladenem Revolver cntgegentrat, schoß er sofort über den Haufen. Der Rest der etwa 12 Mann betragenden Bande entfloh über Mauern und Dächern, und eS gelang nur noch, zwei Räuber zu ergreifen. Ueber 2000 Dollar» gestohlenes Geld und da» übliche Wafsinarsenal wurden erbeutet. Amerika. — Vereinigte Staaten. Nach der Amerikafahrt de« Prinzen Heinrich sind die Amerikaner freigebig mit Einladungen. Jüngst ist der Prinz von Wale« nach Amerika eingeladen worden.