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864 LMKilU W ZiffW Autztiimz Nr. 219. zu Nr. 39 des Hauptblattes. 1929. Beauftragt mit der Herausgabe Regierungsrat Brauße in Dresden. in Landtagsverhandlungen. (Fortsetzung der 19t. Sitzung von Dienstag, den 12. Februar 1929.) Abg. Böttcher (Pppos. Komm. — Fortsetzung): Wenn man sich aber vor Augen führt, was dem Berichte des Reparationsagenten allein eingesetzt ist z. B. nur für die Kontrolle, die in Deutschland geführt werden must, dann must man allerdings die Frage auswerfen, ob das internationale Finanzkapital durch seinen Reparationsagenten moralisch das Recht hat, den Ländern und Gemeinden Sparsamkeit zu empfehlen. (Sehr gut! b. d. Oppos. Komm.) Wir sehen z. B. bei der Übersicht über das Personal, das die internationale Finanzkontrolle über Deutschland beschäf tigt, daß allein die internationale Kontrolle aus- schließliu, des deutschen Personals, ausschliestlich des Hilfspersonals für die Hilfsarbeiten, für technische Ar beiten usw. 124 Personen umfaßt. (Hört, hört! b. d Oppos. Komm.) Und dieser Apparat von 124 Per- sonen kostet uns die Kleinigkeit von 8 231820 M. (Hört, hört! b. d. Oppos. Komm.) Dazu kommen noch die Ausgaben für die Interalliierte Rheinlandkommission und die Kosten der Schiedsgerichte, so daß man sagen kann, einschließlich der Ausgaben für das deutsche Per sonal betragen die personellen Aufwendungen für die Internationale Kontrolle 10 Mill. M. (Hört, hört! b. d. Oppos. Komm.) Dazu kommen noch die säch- lichen Ausgaben an Gebäuden, die Ausgaben für Auf- Wendungen usw., so daß wir auf einen Betrag von 20 Mill. M. kommen. Demgegenüber beträgt z. B. der Etat für Wohlfahrtspflege in Sachsen 11000347 M. (Hört, hört! b. d. Oppos. Komm.) Der Personal- und Sachaufwand der Internationalen Finanzkontrolle beträgt also das Doppelte dessen, was in Sachsen für die Wohlfahrtspflege ausgegeben wird. Das zeigt, wie es die Internationale Finanzkontrolle und das inter nationale Finanzkapitel versteht, auf Kosten der deutschen Steuerzahler, auf Kosten der deutschen Arbeiter die Gelder zum Fenster hinauszuwerfen, sich ein angenehmes Leben zu machen und sich auf dem Rücken des deutschen Proletariats Sinekuren zu verschaffen. In dem Bericht von Parker Gilbert wird gesagt, daß die Etats der Länder mit Fehlbeträgen abfchließen und daß hier einmal endgültig für Ordnung gesorgt werden müsse, daß nicht jahraus, jahrein laufend Fehl beträge in den Etats ausgewiesen werden. Der Herr Reparationsagent richtet also hier an die Adresse des Herrn Hilferding die Aufforderung, in den Ländern noch mehr Sparmaßnahmen durchzudrücken. Uno da die Etats der Länder und Gemeinen hente schon fast ausschließlich sogenannte gebundene Etats sind mit Aufwendungen für den Machtapparat, so können die Einsparungen nur auf Kosten der Arbeiter klasse durchgeführt werden (Sehr richtig! b. d Oppos. Komm.), auf Kosten der sozialen und kul turellen Ausgaben der Länder und Gemeinden. Das ist für die weitere Gestaltung und Entwicklung der Politik in Deutichland ebenfalls von ausschlaggebender Bedeutung, und wir werden bei den Etatberatungen in Sachsen es erleben, daß auch nur die kleinste Höher- ziehung von Ausgaben im Interesse der Armen, der Notleidenden, der Rentner, der Kriegshinterbliebenen, der Erwerbslosen, der Fürsorgeempsänger von der Regierung beantwortet werden wird mit der stereotypen Redensart: Der Reparationsagent verbietet uns höhere Ausgaben, die Reichslegierung sperrt uns die Mittel, wenn wir auf diesem Gebiete höhere Ausgaben leisten. Diese Frage leitet über zur Kreditpolitik der Län der, der Gemeinden und der Reichsregierung, und in dem Bericht des Reparationsagenten sind auch ausführliche Dar- legungen über die Ausländsanleihen enthalten. Er spricht in diesem Zusammenhänge von übertriebenen Geldaus gaben der öffentlichen Stellen. Leider läßt er sich nicht näher darüber aus, was er unter diesen übertriebenen Geldausgaben meint. Ich kann mir z. B. vorstellcn, daß die Ministerpensionen solche übertriebene Geldaus gaben sind, ich kann mir weiter vorstellen, daß die Aus gaben für den Polizeiknüppel und die Polizei übertriebene Geldausgaben sind, ich kann mir auch vorstellen, daß die Ausgaben für die Kirche solche übertriebenen Geld ausgaben sind. Aber das alles meint der Reparations- agent nicht, denn für diese Zwecke werden ja keine Ausländsanleihen ausgenommen. Die Ausländsanleihen werden ja immer nur ausgenommen für Zwecke des Wohnungsbaues, der produktiven Fürsorgearbeit und der Beschaffung von Arbeitsgelegenheit und ähnliche Zwecke. Das sind nach der Auffassung des Reparations- agenten überflüssige und übertriebene Geldverausga- bungen. Hiergegen erheben wir den schärfsten Protest, hiergegen werden wir mit aller Energie auch bei der Etatberatung unseren Kampf führen, und wir werden in keiner Frage gestatten, daß sich die sächsische Bürger blockregierung hinter dem Parker Gilbert-Bericht versteckt, gegenüber unseren Forderungen zur Verbesserung der Lebenslage der arbeitenden Klasse. Es rst aber auch sehr interessant, was der Gilbert- Bericht z. B. über die Löhne und Preise sagt, daß nämlich die fortgesetzten Preissteigerungen die Lohn erhöhungenwiederaufgehobenhaben. Dasisteineaußeror- dentlichwichtigeFeststellunggegenüberdenfortgesetztenBe- hauptungen, daß die Lage der Arbeiterklasse sich in Deutsch land nach der Zeit der Inflation wesentlich gehoben habe. ES wird hier in diesem Bericht offen zugegeben, daß die relative Verelendung der deutschen Arbeiterklasse fortschreitet. Die Stellung der Sozialdemokratie zur Reparations frage steht ja in diesen Tagen durch die Veranstaltung der sogenannten sozialdemokratischen Vierländer, konferenz ebenfalls im Mittelpunkte der Diskussion in der sozialdemokratischen Presse. Die Stellung jeder Partei zum Reparationsproblem ergibt sich ans ihrer grundsätzlichen Stellung zum kapitalistischen Staat. Wie eine Partei sich zum kapitalistischen Staat stellt, so wird sie auch zum Reparationsproblem stehen. Die Teil- rahme der Sozialdemokratie am bürgerlichen Staate redingt auch ihre bürgerliche Stellung zur Reparaiions- rage. (Sehr richtig! b. d. Oppos. Komm.) Die deutsche Koalitionsregierung ist in der Ne- parationssrage völlig einig. Die Reparationsfrage vird von der deutschen Regierung im gegenwär- igen Moment als eine Frage der Volksgemeinschaft lingestellt, und wir haben auch bei den verschiedenen mrgerlichen Rednern heilte hier im Hause hören önnen, daß sie an die Volksgemeinschaft appelliert haben. Es wird im Zusammenhang mit der gegen wärtigen Reparationslösung erneut der Versuch ge macht, unter nationalistischen Vorwänden einen Burg- rieden herzustellen, und es ist ganz klar, daß es das Interesse der Arbeiterschaft erfordert, auf das schärfste gegen diesen Burgfriedensrummel Front zu machen Sehr richtig! b. d. Oppos. Komm.), daß das Interesse der Arbeiterschaft es erfordert, die Klassenbedingtheit und den Klassencharakter der Reparationsverhandlüngen m nationalen und internationalen Maßstabe in vollem Umfange aufzurollen und zu zeigen, daß für die Bourgeoisie nicht nationale Interessen maßgebend sind, andern daß bei der Reparationsfrage ihr nacktes egoistisches Klasseninteresse maßgebend ist. (Sehr richtig! b. d. Oppos. Komm.) Tie reformistische Reparationskonferenz, die in Lon don getagt hat, war eine Konferenz der reformistischen Geheimdiplomatie. Sie war nicht eine Konferenz, um )cn Arbeitern zu zeigen, was auf dem Gebiete der Reparalionsfrage vor sich geht, das war nicht eine Kon- eren; zur Mobilisierung der Klassenkräfte der inter nationalen Arbeiterschaft, sondern das war eine Kon ferenz zur Lähmung der Kampfkraft der Arbeiterschaft und zur Stärkung der internationalen Diplomatie. Das beweist schon das offizielle Kommunique dieser Kon ferenz. Wenn der Völkerbundsrat einmal in Verlegen heit sein sollte, bei einer schwierigen Situation der Weltpresse ein offizielles Kommunique zu geben, in den, nichts drm steht, bann braucht er sich nur als Beispiel zu nehmen, was von der Londoner sozialdemokra tischen Reparationskonferenz als Kommunique gebracht wurde. Das ist die Sprache der internationalen Geheimdiplomatie (Sehr richtig! b. d. Oppos. Komm.), jene Sprache, die geschaffen wurde, um hinter nichts- sagenden Redensarten zu verbergen, was in Wirklichkeit von der Diplomatie ausgeheckt worden ist. (Sehr richtig! b. d. Oppos. Komm.) Wenn das der Kampf der zweiten Internationale gegen die internationale Versklavung der Arbeiterklasse durch das Finanzkapital ist, dann kann sich die Arbeiterklasse begraben lassen. (Sehr richtig! b. d. Ovpos. Komm.) Glücklicherweise sind noch andere Klassen kräfte am Werk, die der Arbeiterschaft zeigen, welche verhängnisvollen Methoden angewandt werden und mit welchen Maßnahmen und auf welchem Wege sie ihren Kampf führen muß. Die zweite Internationale ist auch in der Reparationsfrage nur eine Agentur des inter nationalen Finanzkapitals. Auch im nationalen Maßstabe kann das Finanzkapital mit der Agitation der Sozialdemokratie durchaus zufrieden sein. Ich habe hier vor mir liegen einen Bericht der „Dresdner Volkszeitung" von heute über ein Referat des Staatssekretärs Hirsch vor den Dresdner Partei funktionären. Dieses ganze Referat ist aufgebaut auf der Volksgemeinschaft und Arbeitsgemeinschaft und Wirtschaftsdemokratie, auf der Mitarbeit und Koalition mit dem bürgerlichen Klassenstaat. Und die Leitsätze, die der Referent der Versammlung vorgelegt hat, bewegen sich vollinhaltlich im Rahmen der von der deutschen Koalitionsregierung bezogenen Stellung nahme zum Reparationsproblem. Man sucht vergeblich nach einem einzigen Punkte, der auch nur grundsätzlich gegen den Versailler Vertrag, gegen die Kriegsschulden, gegen die internationale Versklavung der Arbeiterklasse Stellung nimmt, sondern diese Leitsätze sind dazu ge schaffen, den Arbeiter gefügig zu machen, nicht nur die Lasten des internationalen, sondern auch des nationalen Kapitals auf seinem Rücken weiter zu schleppen. Welche Mittel und welche Maßnahmen muß nun die Arbeiterschaft anwenden im Kampfe gegen die Reparationsleistungen? Die Stellung der Arbeiter- klaffe gegen den Versailler Vertrag ergibt sich aus der Stellungnahme der Arbeiterklasse gegen den bürger lichen Staat. Unsere Forderungen, die wir im Inter- esse der Arbeiterklasse erheben, ergeben sich aus unserer unversöhnlichen Feindschaft gegen den bürgerlichen Staat; und wir sind uns dabei voll bewußt, daß der bürgerliche Staat diese Forderungen nicht erfüllen wird und nicht erfüllen kann. Wir stellen aber unsere Forde rungen auf, um den Massen zu zeigen, welchen Weg sie gehen müssen, um die Fesseln des Versailler Ver trages zu sprengen. Die Reparationskonferenz soll die imperialistische Revision des Versailler Vertrages bringen, jene imperialistische Revision, die von der deutschen Bourgeoisie erstrebt wird und die nur erreich werden kann unter der Bedingung der Angliederung des deutschen Kapitals in die neuen imperialistischen Machtvündnisse. Die imperialistische Revision des Versailler Vertrages ist der Krieg, die proletarische Revision des Versailler Vertrages hingegen ist der Friede. Und je stärker es auf der Pariser Kon ferenz gelingt, das deutsche Kapital in die neuen imperialistischen Bündnisse einzugliedern, desto stär ker wird die Kriegsgefahr, und desto unmittelbarer wird die Bedrohung der Sowjetunion. Es ist aber die Aufgabe der Arbeiterklasse, die Sowjetunion zu schützen und sie als das Vaterland der Proletarier vor den Anrriffen der Weltbourgeoisie mit allen Mitteln zu verteidigen. (Sehr richtig! b. d. Oppos. Komm.) Wir fordern die Aufhebung des Versailler Vertrags und die Annullierung der Kriegsschulden. Wir sind uns dabet bewußt, daß diese Forderung nicht mit jenen Mitteln erfüllt werden kann, wie sie heute von der Bourgeoisie angewandt werden, sondern daß der Ver sailler Vertrag nur vernichtet werden kann durch die proletarische Revolution. (Sehr gut! b.d. Oppos. Komm.) Und wir kämpfen mit allen Mitteln für diese Um wälzung. Wir kämpfen dafür, daß der verlorene Krieg von denen bezahlt wird, die ihn angezettelt haben. (Lebhaftes Sehr richtig! b. d. Oppos. Komm.) Wir fordern deshalb die sofortige Einstellung aller Subventionen an Großindustrie und besitzende Land wirtschaft. Wir fordern ferner Rückerstattung aller an die Industrie, Hochfinanz und Großbauern gezahlten Unterstützungen und Subventionen aus Reichsmitteln — ich erinnere an die Ruhrkredite, an die Ruhrcntfchä- digungen, an die Subventionen an Reedereien und Lustfahrtgefellfchaften —, sowie aller geleisteten Unter- stützungen an Banken und landwirtschaftliche Organi- fationen. Wir fordern die sofortige Einstellung aller Zahlungen an Kirchen und Religionsgesellschaften, an ehemalige Fürstenhäuser und die Annullierung aller Verpflichtungen aus den sogenannten Fttrstenabfindnngen. Es ist eine Schmach und Schande, daß diejenigen, die die Nutznießer des Krieges gewesen sind, heute noch mit Millionen und aber Millionen gefüttert werden, während der Arbeiter sich die neuen Reparationslasten von seiner Suppe lind von seinem Brote abdarben muß: (Sehr gut! b. d. Oppos. Komm.) Wir fordern ferner die so fortige Einstellung aller Pensionen an ehemalige Offiziere, Minister und höhere Beamte. Dem ungeheuren Skandal, daß heutige ehemalige Fürstenangehörige nicht nur ihre Abfindungen erhalten aus den Fürstenabfindungen, sondern daneben noch ihre Generalspensionen erhalten (Sehr richtig! b. d. Oppos. Komm.), dem ungeheuren Skandal, daß unzählige ehemalige Offiziere hente in fetten Jndustriepositionen untergebracht sind und dabei noch die Zehntausende an Pensionen cinkassieren, muß ein Ende gemacht werden (Sehr richtig! b. d. Oppos. Komm.). Hier sind Mittel flüssig zu machen für die Reparationszahlungen, und zwar bei denen, die schon während des Krieges in der Etappe und als Kriegs gewinnler das Fett abgeschöpft haben (Sehr gut! b. d. Oppos. Komm.), die sich am Kriege bereichert haben, während die anderen ihre Knochen zu Markte tragen mußten. Wir fordern ferner die Streichung aller Ausgaben für den Wehretat und allgemeine Nüstungszwecke (Nelchs- wehr, Marine, Polizei, Luftfahrt, chemische Industrie, Schiffswerften, Geheimfonds für innere und äußere Spionage, Presse- und Filmkorruption). Hier sind in den Etats des Reichs, der Länder und Gemeinden Millionen und Abermillionen für diese Zwecke versteckt, wo es möglich ist, wenn es schon unter den gegen wärtigen Machtverhältnissen sein muß, die Reparationen aufzubringen. Wir fordern ferner die Streichung aller Ausgaben für den aufgeblähten Behörden- und Verwaltungs- apparat. Zur schärferen steuerlichen Belastung und Erfassung der Besitzenden fordern wir: 1. Beteiligung aller Massensteuern und Zölle auf Gegenstände des Massenbedarfs, Lohnsteuer, Miet zinssteuer, Umsatzsteuer, Getränkesteuer, Tabak steuer, Zuckerzoll, Getreide- und Mehlzölle, Fleisch- zoll usw. 2. Die Abwälzung aller Reparatwnslasten auf die Besitzenden durch progressive Vermögens-, Erb- schafts- und Einkommensteuer, die höher ange spannt werden muß, als das bisher der Fall ge- wesen ist. Das wichtigste Kapitel auf steuerlichem Gebiete ist aber in der gegenwärtigen Situation neben der Er höhung dieser Steuerarten auch die wirkliche Einholung der Steuern. Die sächsische Regierung betreibt gerade hier eine Politik der Steuerstundung und des Steuer erlasses, die ein Hohn ist gegenüber der allgemeinen Steuergesetzgebung. Was hier vor sich geht, ist auf kaltem Wege die Annullierung der Steuergesetze (Sehr richtig! b. d. Oppos. Komm ), und gegen diese Methode wenden wir uns. Wir fordern deshalb die schärfste Erfassung aller bestehenden Besitz- und Einkommensteuern durch ») Einziehung aller den Besitzenden gestundete» Steuerbeträge, ^Rückgängigmachung aller den Besitzenden ge währten Steuerherabsetzungen und Steuererlasse, o) Aufhebung des Geschäftsgeheimnisse», 6) Osfenleauna der Steuerlisten.