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Oas d{bckey,turnier M IT nur drei Nationen war das olympische Hockey turnier herzlich schwach besetzt. Lediglich Indien, Japan und Amerika als Veranstalter nahmen schließ lich teil. Alle Bemühungen, wenigstens die eine oder andere der europäischen Nationen nach Los Angeles zu bekommen, scheiterten. In erster Linie war wohl die Kostenfrage ausschlaggebend, denn mindestens 16 Köpfe sind nötig für eine derartige Expedition. Daneben hat fraglos noch ein zweiter Grund mitgesprochen: Mit der Teilnahme der allindischen Hockey-Mann schaft stand der Sieg unzweifelhaft fest. Kein Land der Welt ist in der Lage, den Indiern die goldene Medaille streitig zu machen. Diese Leute beherrschen die Kunst dieses Spieles in solcher Vollendung, daß sie tatsächlich eine Sonderklasse bilden. Es ist ein reiner Genuß, ihrem Spiel zuzusehen. Es ist verständlich, daß der Reiz für eine so teure Expedition schwindet, wenn auch nicht die leiseste Sieges chance herauszurechnen ist. Amsterdam lag für die europäischen Völker günstig. Zur Zeit, als die Meldungen abgegeben wurden, wußte man noch nichts von der überragenden Stärke der Indier; und wenn man es gewußt hätte, man hätte sich die Möglichkeit des Sehens und des Lernens nicht entgehen lassen. So sah das Amsterdamer Turnier neun Nationen im Kampf, leider ohne England. Die Indier kamen, sahen und siegten. Für alle bisherigen Begriffe war ihr Können phantastisch. Staunenerregend ihr Stellungspiel, ihre Technik, ihre Schnelligkeit. Niemand vermochte gegen diese Wundermannschaft auch nur einen einzigen Treffer anzubringen, während die Indier selbst 29 Tore auf ihr Konto brachten. Alles stand im Schatten dieser Künstler. Überraschend gut machten sich auf eigener Scholle die Holländer, so gut, daß sie sich mit Recht den zweiten Platz vor Deutschland sicherten. Die Reihenfolge in Amsterdam 1928 war: 1. Indien, 2. Holland, 3. Deutschland, 4. Belgien, 5. Dänemark, 6. Frankreich, 7. Spanien, 8. Schweiz, 9. Österreich. Als sich diese Indier entschlossen, ihren Titel in Los Angeles zu ver teidigen, war die Frage nach dem Sieger gelöst. Die Japaner fuhren, um zu lernen; ihr Ehrgeiz ist beispiellos, und ihr Wille vermag Berge zu versetzen. Niemand wird sich wundem dürfen, wenn die Söhne aus dem Reich der aufgehenden Sonne in absehbarer Zeit den Euro päern nicht nur gleichwertig sind. Wenn sich dieses Volk mit einer Sache erst richtig beschäftigt, ruht es nicht eher, bis das Gewollte erreicht ist. In Amerika steckt der Hockeysport noch in den Kinder schuhen, hier und da hat man die ersten Versuche gemacht, aber ernstlich beschäftigt hat sich die amerikanische Jugend damit noch nicht. Ob das nach dem Turnier in Los Angeles der Fall sein wird, erscheint fraglich. Die Amerikaner gehen auf in ihren National sports Baseball und Rugby-Fußball. Darin betätigt sich jeder von Jugend auf, das gehört einfach dazu. An den Universitäten ist Leibes übung Pflicht. Die Rugby-Repräsentativ-Kämpfe zwischen den Universitäten und die traditionelle Begegnung Armee gegen Marine sind Volksfeste, da reicht keine noch so große Anlage, um die Hunderttausende aufzunehmen. Die Amerikaner haben ihre Meldung abgegeben, um schließlich eine dritte Mannschaft in dem „Turnier zu haben, und damit wenigstens einer die bronzene Medaille in Empfang nehmen könnte. Und schließlich ist jeder Punktzuwachs eine Mehrung des Ansehens. So ganz im stillen hofften Optimisten sogar auf die „Silberne“, aber dazu ließen es die Japaner nicht kommen. INDIEN — JAPAN u:i Bei nur drei Teilnehmern gab es insgesamt nur drei offizielle Spiele, jeder gegen jeden einmal. Den Reigen eröffnete gleich die wert vollste Begegnung Indien—Japan. Die oberste Leitung hatte diese Spiele zwar in das olympische Stadion mit dem wundervoll ge pflegten, kurzgeschorenen Rasen gelegt, aber die Anfangszeit 10 Uhr vormittags war reichlich ungünstig für eine Sportart, die sich erst Freunde werben soll. Hockey ist in Kalifornien, überhaupt in den Vereinigten Staaten von Nord-Amerika, so gut wie un bekannt, und zwei Dollar Eintritt für ein Vormittagsspiel in einer unbekannten Sportart sind bei der entschwundenen prosperity viel Geld. Vielleicht 5000 Interessenten verloren sich in dem gigantischen Bau. Am besten besetzt waren Presseblock, Ehrenblock und Teil nehmerblock, vulgär ausgedrückt die Zunft der Nassauer 1 Beide Mannschaften wurden sehr freundlich begrüßt. Jeder Spieler, wie in Amerika üblich, mit einer Nummer versehen, so daß jeder — auch der Laie — jederzeit weiß, welchen Spieler er vor sich hat. Diese Orientierungsmöglichkeit wird angenehm empfunden, sie erleichtert das Schauen und erhöht dadurch das Interesse. Es ist eigentlich unverständlich, warum bei uns für Fußball und Hockey das abgelehnt wird, was in der Leichtathletik, im Rudern selbst verständlich ist: der Nummernzwang. Bei den bunten Gestalten aus dem indischen Märchenland wie bei den Japanern überwiegen junge Studenten. Japans Nationalmann schaft ist nahezu ausschließlich aus Immatrikulierten der India- und Waseda-Universitäten zusammengesetzt. Wie in Amsterdam führte Dhyan Chand die fabelhafte Angriffsreihe der Indier. Einen Stürmer und Angriffsdirigenten in solcher Vollen dung hatte die Hockeywelt noch nie gesehen, selbst verwöhnte Kenner kamen aus dem Staunen nicht heraus. Die vollendete Technik bei nicht für möglich gehaltener Schnelligkeit wirkte wie eine Offen barung. Wenn diese Fünferreihe über den Rasen fegte, wirkten plötzlich die gewiegtesten und anerkanntesten europäischen Ver teidiger als Stümper. Obwohl die Japaner mit heiligem Eifer spielten und Leistungen boten, die sich in Europa sehen lassen können, mußten sie durch die indische Wunderelf eine zwei stellige Niederlage hinnehmen. Das Spiel der Indier war streckenweise begeisternd, märchenhaft, phantastisch. Es ist kein eigener Stil, es ist Hockey in Vollendung. Jeder beherrscht sich und sein Instrument so meisterhaft, daß er sich immer wieder neue Feinheiten leisten kann. Diese Mannschaften standen sich gegenüber: Indien: Hind Tapsell Hammond Minhas Pinniger Lai Shah Carr Gurmit Singh Dhyan Chand Roop Singh Jaffer Inchara Usami Kenishi Nagata Kon Nakamura Sakai Shibata Kobayashi Sohda Japan: Hamada Von der Amsterdamer siegreichen Elf waren nur noch vier dabei: Dhyan Chand, der brillante Sturmführer, B. E. Pinniger, die Achse, und der große Verteidiger Hammond spielten mit, während der Torwart R. J. Allen aus der Provinz Bengalen infolge einer Ver letzung von der Seitenlinie aus zusehen mußte. Die Japaner mühten sich und kämpften, fair und energisch, die Indier spielten ■— spielten wundervoll und nutzten ihre Chancen unbarmherzig aus. Trotz des heroischen Widerstandes der Japaner — Hamada im Tor wurde zum Liebling aller — führten die Söhne Aus dem Hockeyspicl U. S. A. gegen Japan, das die Japaner 9: 2 gewannen.