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0as ^echt-^urnier D ER Fechtsport ist weit davon entfernt, Volks sport zu sein oder zu werden, und doch wird er seit den olympischen Spielen in Amsterdam 1928 von der großen Masse der deutschen Sport leute mit Aufmerksamkeit verfolgt. Und das, obwohl nur ein verhältnismäßig kleiner Bruchteil der deutschen Sportgemeinde fachlich etwas von der Sache versteht. Welcher Fußballspieler oder Leichtathlet weiß etwas von den verschiedenen Fechtdisziplinen ? Die meisten denken da an die Romantik der italienischen Oper oder an die italienischen Stücke Shakespearescher Prä gung, wo Romeo und Tibald auf Brettern (die zwar auch eine Welt bedeuten), aber nicht auf Planchen fechten. Zweifelsohne wirkt der Fechtsport mehr figürlich-äußer lich; seine Eleganz und Grazie in Bewegung und Linie, die Variationen in Stil und Art haben auch für den Laien etwas ungemein Bestechendes. Außerdem begreift auch der Nichtfachmann bald, daß zu dieser Sportart eine Reihe von Erfordernissen nötig sind, die nicht alle und jeden zur Ausübung prädestinieren. Wo man aber von der S a c h e schon wenig versteht —, was soll’s beim Reglement werden. Hier ist vom olympischen Fechten, von der Spitzenleistung dieser Sportart die Rede; eine Erläuterung der Regeln ist da wohl nicht angebracht, wenngleich sie in Anbetracht der Verbreitung dieses Buches notwendig wäre. Für den Laien sei gesagt, daß mit Florette, Degen und Säbel gefochten, daß in diesen drei Disziplinen einzeln und in Mann schaften gekämpft und gewertet wird, während die Damen sich nur im Florett fechten betätigen. Wenn vorher von der Be achtung, die man seit 1928 dem Fechtsport schenkt, die Rede war, so gilt es auch die Ursachen dafür klarzu stellen. Das ist bald getan, denn es gibt in Deutschland nur zwei Menschen, einen Mann und eine Frau, die zur Popularisierung dieser Sportart 100% beigetragen haben. Seit die blonde Helene Mayer, oder kürzer die blonde „He“, in regel mäßigen zeitlichen Abstän den mit ihrer Brezelfrisur in den Reproduktionen der Illustrierten Wochenschrif ten und der Zeitungen wie derkehrt, interessiert man sich in Deutschland auch über die bloßen Fechtkreise hinaus für Fechten. Das wäre an sich kein Verdienst der „He“, sondern Zufall oder wenn man will Popu larität des Tages. Verdienste an der Sache konnten Helene Mayer und Erwin Casmir erst für sich in An spruch nehmen, als sie auf dem olympischen Fecht- Turnier in Amsterdam eine goldene und eine silberne Medaille errangen. Wobei das Verdienst der anderen deut schen Teilnehmer an diesem Wettbewerb, in dem Frau Olga Oelkers eine bronzene Medaille und andere Fechter und Fechterinnen eine gute Placierung erzielten, nicht minder beachtet werden soll. Vergessen werden sollen auch nicht die früheren Leistungen eines Erckrath de Bary, des heutigen Vorsitzenden des'deutschen Fechterbundes. Alles das muß gesagt werden, wenn man die Enttäuschung verstehen will, die die deutsche Sportwelt in Los Angeles erlebte. In allen unseren Olympia-Berechnungen stand als sicherster Punkt stets Helene Mayer und als großer Wahrscheinlichkeitsfaktor Erwin Casmir. Kein Wunder, wenn das Versagen der einen und das Mißgeschick des andern ein trauriges Echo auslöste, das, gemessen im Versagen anderer Sportgrößen oft ungerecht und un nötig laut ausklang. Der Sieg der Ellen Preis aus Oesterreich — von der man sagt, daß sie eine Berlinerin sei, die sich kurz vor den Spielen naturalisieren ließ, weil sie keine Möglichkeit sah, für Deutschland in Los Angeles teilzunehmen — hat viel Gesprächsstoff ausgelöst. Wie auch die Dinge liegen mögen, die Führung der Organisation des Fechtens, „Der deutsche Fechterbund“, hat richtig gehandelt und hat nie besser disponieren können. Was menschliche Voraussicht vorsehen und einordnen konnte, wurde getan. Nach Los Angeles wurden 2 Sportleute entsandt, die Deutschland ehrenvoll vertreten konnten und haben. Mehr an der Zahl wäre vom Übel gewesen und wer auch nur etwas anderes, als laienhaften Dünkel aufbringen kann, wird einsehen, daß die Nominierung eines Fecht paares nie besser und rich tiger vorgenommen werden konnte. Erwin Casmir hat in den schweren Konkurrenzen durchaus seinen Mann ge standen und nur durch Miß geschick nicht dort in den Tabellen gestanden, wo er nach seinem Können hin gehört. „He“ hat versagt, die Gründe sind nicht immer offensichtlich, aber die Fechter wissen, wo sie verborgen liegen. Und eins steht auch fest: Helene Mayer wird ihr wahres Können immer wieder demonstrie ren, sobald sich die Gelegen heit dafür bietet. Sie wird in den meisten Fällen ihre Konkurrenten von Los Angeles schlagen. Das ist beileibe keine Herabsetzung der Leistungen einer Ellen Preis, sondern einfaches sportliches Wissen. Das olympische Fecht-Tur nier bot außer dem Versagen der beiden Deutschen keine sonderliche Überraschung, wenn man nicht das zahl reiche Auftreten der Leute Die besten Fechterinnen auf dem Sieger podium: 1. Ellen Preis-Österreich (Mitte), 2. Heater Seymour Guiness-England (links), 3. Erna Bogen-Ungarn.