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TageSgeschichte. Deutfcke« Netck In der Rächt zum Sonnabend ist in vanu—» bei Stuttgart Ferdinand Freiligrath, fast 66 Jahre alt, gestorben, d«r volksthümlichste, be geistertste und darum auch begeisterndste Frxi» heitssänger unserer Zeit. Da- Vaterland ver liert an ihm seiner besten Söhne einen, dir Frei heit einen Vorkämpfer, die Freiheitsstreiter ein lebendiges Vorbild. Sein feuriges „Hurrah, OertlicheS und Sächsisches Frankenberg, 20. März. — Auch den diesjährigen Geburtstag unsers Kaisers — nächste Mittwoch — wird, wie die letztjährigen, eine Morgenmusik unsers Stadt musikchors, ausgeführt durch die Straßen der Stadt, begrüßen. — Von verschiedenen Seiten wird uns mit- getheilt, wie man hier und da sein Befremden ausgesprochen, daß wir über die zahlreich be suchte Versammlung, in welcher die Gründung des Bürgervereins beschloßen worden, nicht re- ferirt haben, Wenn man uns ein Jgnoriren mit dem städtischen Interesse zusammenhängen der Angelegenheiten nicht zum Vorwurfe machen kann, bemerken wir zu jenen Mittheilungen, daß wir gleich nach der Versammlung schon kurz er klärt, behindert gewesen zu sein, derselben beizu wohnen und daß uns ein Referat von anderer Seite bis dahin und auch später nicht zugegan gen, wenn auch in Aussicht gestellt war. Es mar uns auch nicht möglich gewesen, einen Stellver treter für jene Versammlung zu finden, wohl aber haben wir uns bis jetzt noch der Hoffnung hingegeben, aus den zunächst in Frage kommen den Kreisen selbst im Interesse des neuen Ver eins wie des Publkums einen Bericht zugestellt zu erhalten, wie ähnliche Fälle nicht zu selten sind. Von einem Nichtbeachten des neuen Ver eins unsrerseits kann nicht die Rede sein. — Nachdem mehreren Tagen ruhigerer Witte rung gestern wieder lange anhaltendes lebhaftes Schneetreiben gefolgt, deckt heute, zu Frühlings anfang, wieder eine leichte Schneehülle unsre ganze Umgebung und Eiszapfen zieren Dächer, Brunnen rc. — Im vorigen Monat betrug die Zahl der Einzahlungen bei hiesiger Sparkasse 53,568 M. in 422 Posten, die der Rückzahlungen 37,997 M. in 204 Posten. 162 Sparkassen des Landes wurden im Februar in 60,426 Einlagen 6,417,632 M. übergeben und in 37,627 Rückzahlungen 4,684,508 M. entnommen. Prinz und Prinzessin Georg haben sich heute nach Berlin begeben, um dort an der Feier des Geburtstages Kaiser Wilhelm's theilzunehmen und zu demselben zugleich die Glückwünsche un ser- KönigSpaares darzubringen. Im kgl. Schlosse zu Dresden wird am kaiserlichen Geburtstage Gälatafel stattfinden. Die neue (dritte) Dresdner Elbbrücke wird mit königlicher Genehmigung den Namen „König- Albert-Brücke^ erhalten und am mittelsten Strom pfeiler, derselben da- Portrait d«S Monarchen in Medaillonform angebracht werden. Leipzig- Bewohner bewegte am Sonnabend wieder em trauriges Ereigniß: im Hintern Ro- senthale hatte ein 20jähriger Leipziger Hand- lungScommiS zuerst seine ebenfalls von Leipzig gevsrnge I8-—^Mnge Gemme uEdann sich selbst erschossen. Man fand Erster« in (fitzender Stellung, den Kops an ein. Strauchwerk ange- lehnt, mit durchschossenes Schläfe und den jun gen unglücklichen Mann, ebenfaM mit Schuß wunde in die Schläfe, unmittelbar daneben am Boden liegend als Leichen vor. In der rech ten Hand hielt er noch einen sechsläufigen Re volver, davon vier Schüsse — zwei vermuthlich zur Prüfung der Waffe — entladen waren, krampfhaft umfaßt. Beider Tod ist zweifels ohne fofort eingetreten. Ein Liebesverhältniß, dem Hindernisse entgegengestanden, soll die Ursache der verzweifelten That der jugendlichen Leute sein. In Dresden wurde am Donnerstag der Vor sitzende des Aufsichtsrathes der Saxon-Austrian- Brannköhlen Bergbau - Gesellschaft, Bankier E. Quellmalz, in Veranlassung der über die Grün dung dieses Unternehmens eingeleiteten Unter suchung beim Austritt aus der Börse verhaftet. AUS Borna berichtet das dortige Wochenblatt über einen höchst unangenehme» Vorfall. Ein Reiter der 2. Schwadron, dem ein an der Strahlfäule leidendes Pferd zur Wartung an- vertraut war, habe vom Robarzt Hofmann Vor würfe entgegennehmen müssen, und dabei habe ihm Letzterer den Eiter des Pferdes an Lippe und Mund geschmiert. Der Reiter, dem auf diese Weise das Zahnfleisch verletzt wurde, habe ärztliche Hülfe gesucht, doch sei bis jetzt eine schlimme Folge des an ihm verübten Experiments nicht zu Tage getreten Die Arbeiten an den Trümmern der Riesaer Elbbrücke sind im vollen Ganae, um der Schiff fahrt wieder freie Bahn zu schaffen. Zwei eiserne Brücken von je 100 Meter Länge liegen voll ständig im Strome, die dritte von derselben Länge, sowie die zunächst anschließenden von je 30 Meter Länge, zum Theil im Strom, zum Theil noch auf den Pfeilern. Jeden Augenblick kann der vollständige Hinabsturz dieser gewal tigen Construction erfolge», und dann würde die Aufräumung unüberwindliche Schwierigkeiten bie ten. Um nun beim Aufräumen mit kleineren Massen zu thun zu haben, werden die großen Eisen-Constructionen mittelst Dynamit in ver schiedene kleine Theile gesprengt. Man wickelt zu diesem Behufs mit Dyna mit gefüllte Schläuche oder Würste uni die Eisentheile und bringt sie vom Ufer aus mittels electrischer Leitung zur Explosion. Die Wirkungen sind so entsetzliche, daß große Eisenstücke bis auf beinah H Meile Entfernung geflogen sind. Um Unglück vorzu beugen, werden von einer zu dem Zwecke auf gestellten Kanone zehn Minuten vor der Explo sion Lärmschüsie gegeben, damit Jeder noch in weiter Entfernung, sich in Sicherheit bringen kann. Diese Aufräumungs-Arbeiten sind selbst verständlich sehr gefährlicher Natur. Abgesehen von den Dynamitsprengungen wird die Gefähr lichkeit der Arbeiten auch dadurch erhöht, daß ein gewaltiger Strompfeiler noch nachträglich ins Schwanken gerathen ist, der bei seinem Niedergang den arbeitenden Soldaten Verderben droht. Dieser Pfeiler wird fortwährend sorg fältig mit einem Nivellir-Jnstrument beobachtet, und sollte er plötzliche Schwankungen machen, so wird durch die Lärmkanone das Rettun-ssig- nal für die Arbeiter gegeben. treten, dvS jüngst« Project des Reichskanzlers abzulehnen, gegen welches — ganz abgesehen von partlkulgrjstischen Interessen, für die wir entfernt nicht eintreten — wirthschaftliche und politische Bedenken der allererheblichstrn Art sich erheben. Gleichwohl ist eS nunmehr bestimmt, . daß die preußische Regierung dem Abgeordneten- hause in diesen Tagen schon eine Vorlage zu- aehen lassen wird, nach welcher die Regierung die Ermächtigung erhalte» soll, mit der deut schen Reichsregierung wegen des Verkaufes der preußischen Staatsbahnen an das Reich in Un terhandlung zu treten. Sollte wider Erwarten das preußische Abgeordnetenhaus dieser Vorlage seine Zustimmung geben, so würde das von übelstem Einflüsse auf die bevorstehenden Reichs- tagSwahlen fein. Es ist mit Gewißheit anzu nehmen, daß die Candidaten dann, in ganz Süd- deütschland wenigstens, nicht mehr nach ihrer politischen Parteirichtung, sondern lediglich nach ihrer Stellung zur Reichseisenbahnfrage gewählt werden würden. Gespannt darf man übrigens darauf sein, wie das preußische Staatsministe rium bei der Vertheidigung dieses Projectes sich mit den in dem großen Berichte der Etsenbahn- Untersuchungs-Commission niederlegten und da mals von den Vertretern des Ministeriums ge billigten Vorschlägen zur Abstellung der im Eisen bahnwesen hervorgetretenen pebelstände abzu finden gedenkt. Bekanntlich ging der wichtigste Vorschlag, der allgemeine Zustimmung fand, da hin, daß die Staatsaufsicht von der Staats verwaltung durch Uebertragung der ersteren auf das Reich getrennt werden solle. Diese oberste Aufsichtsinstanz ist inzwischen in dem Reichs- eiscnbahnamt geschaffen. Der ganze Vortheil würde durch Uebertragung der Eisenbahnen auf das Reich verloren gehen und damit die Quelle der erheblichsten Beschwerden wiederum eröffnet werden. Im Auslande hat sich während unserer Be richtswoche nicht viel Erhebliches zugetragen. In Frankreich sind die neuen Kammern zusammengetreten und von einem neuen Mini sterium begrüßt worden. Die von dem Conseil- Präsidenten vorgetragene Programmrede enthält in erster Reihe die Versicherung einer loyalen Gesinnung gegenüber der neuen Institution der definitiven Republik. Erfreulich ist die nach drückliche Betonung der guten Beziehungen Frank reichs zum Auslande und seiner aufrichtigen Frie densliebe. Nachdem Thiers vorgezogen hat, dem Senat fern zu bleiben und in die Deputirten- kammer einzutreten, ist Gambetta's Führerschaft der Majorität wieder zweifelhaft geworden. Die Freundschaft Thiers' mit Gambetta ist sehr jun gen Datums, und es fragt sich, ob sie die Feuerprobe der Rivalität aushalten wird. Thut sie eS nicht, so wird Gambetta wahrscheinlich wieder mehr nach links sich wenden und der Parteienzwist von Neuem beginnen. Der österreichisch-ungarische Staat kommt auch aus den innern Streitigkeiten nicht heraus. Die beiden Reichshälften sind vom Aus gleich noch so entfernt wie je, das Ministerium fühlt sich nicht mehr so unbedingt sicher, und die Finanzverhältniffe nehmen Gestaltungen an, die man glücklich überwunden glaubte. Unter den kleinen Kronlanden macht besonders Tirol her österreichischen Regierung zu schaffen. We gen pflichtwidrigen und ungeziemenden Beneh men- der Majorität seiner Mitglieder mußte der Tiroler Landtag auf Befehl des Kaisers von dem Grafen Taaffe aufgelöst werden. In Italien ist der Sturz des Ministeriums! Minghetti unvermeidlich geworden. Ueber die Nachfolgerschaft und die von derselben einzu schlagende Politik verlautet noch nichts. Das englische Parlament hat seine Königin zur Kaiserin von Hindostan gemacht. Di« circa 300 Millionen de- indischen Reiche-sollen durch diesen Namen zu dem Gefühle der Zusammen- an da- Mutterland bestärkt werden — für so großes Ziel ein unglaublich kleine- Mittel! Viel wahrscheinlicher ist, daß der Glanz des neuen Titels daS Prestige auswiegen soll, welche« Rußland durch energisches und gewaltsames Vorgehen in Rußland je mehr und mehr gewinnt. Belgien hat in der eben abgelaufenen Woche durch die riesenhafte Unterschlagung T'Kind's, des Büreauchefs der belgischen Bank, von sich reden gemacht. Die Summe der unter schlagenen Gelder wird im Minimum auf 10, im Maximum auf 20 Millionen Francs ange geben. Der Verbrecher ist im Hafen von Liver pool auf dem Schiff verhaftet worden. Seine Courtisane mußte freigegeben werden, weil man sie nur der Hehlerei bezichtigen konnte und we gen eines derartigen Verbrechens der zwischen England und Belgien bestehende Auslieferungs- Vertrag nichts bestimmt.